Urteil des LAG Hessen vom 20.06.2008

LAG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, allgemeine geschäftsbedingungen, pacta sunt servanda, zuwendung, freiwillige leistung, verschulden, agb, arbeitsgericht, vergütung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3/15 Sa 1327/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 2 UAbs 1 S 1 BAT, §
305 Abs 1 S 1 BGB, §§ 305ff
BGB, § 305c Abs 2 BGB, Anl
1b Abschn A BAT
Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlung - AGB-Kontrolle -
Fallgruppenaufstieg bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme
auf BAT
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25.
Juli 2007 – 1 Ca 91/07 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird hinsichtlich der geltend gemachten Sonderzuwendung
zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung der Klägerin sowie die
Zahlung einer Sonderzuwendung.
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in A, welcher Pflegeheime und
Internate betreibt. In B unterhält er das Altenwohn- und Pflegeheim C.
Diesbezüglich ist er Mitglied des Diakonischen Werks in D. Im C bestand in den
vergangenen Jahren eine Mitarbeitervertretung nach dem Kirchengesetz über
Mitarbeitervertretungen im Bereich der Evangelischen Kirche von D und des
Diakonischen Werks in D, die sich zwischenzeitlich aufgelöst hat. Die Klägerin ist
examinierte Altenpflegerin und arbeitet seit dem 15. Oktober 1996 auf der
Grundlage des Dienstvertrages vom 16. Oktober 1996 durchgängig als
Dauernachtwache. Die zuletzt gezahlte Grundvergütung nach BAT KR IV/9 betrug €
1.699,14. Wegen des weiteren Inhalts des Dienstvertrages wird auf die Kopie Bl. 7 -
10 d.A. Bezug genommen.
Nach § 5 des Dienstvertrages erhielt die Klägerin für ihre Tätigkeit eine monatliche
Bruttovergütung, die sich aus der Grundvergütung BAT KR III/8, dem Ortszuschlag,
dem Ortszuschlag 1. Kind, einer allgemeinen Zulage und einer Pflegezulage
zusammensetzte. Weiterhin ist in dem Arbeitsvertrag nach der Bezifferung der
Grundvergütung vermerkt:
"Nach der Probezeit Umgruppierung in BAT KR IV."
§ 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages lautet:
"Sämtliche Sonderzahlungen sind freiwillige Zuwendungen, für die kein
Rechtsanspruch besteht (z. B. Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld richten sich
nach den Bestimmungen des BAT)."
In der Vergangenheit zahlte der Beklagte an seine Mitarbeiter als
Weihnachtsgratifikation jeweils einen Betrag, der nach dem Tarifvertrag über eine
Zuwendung für Angestellte (TV-Zuwendung) berechnet wurde. Anlässlich der
Zahlung der Zuwendung erhielten die Mitarbeiter im November eines jeden Jahres
jeweils ein Schreiben, in dem es u.a. hieß:
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"Wir möchten erneut betonen, dass es sich nach den vertraglichen
Vereinbarungen um eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers handelt, für die kein
Rechtsanspruch besteht."
Im Jahr 2001 leitete die Mitarbeitervertretung ein Schlichtungsstellenverfahren ein,
da Unklarheit darüber bestand, ob im C für sämtliche Arbeitnehmer anstelle der
Arbeitsvertragsrichtlinien in der für den Bereich des Diakonischen Werks in D
geltenden Fassung der BAT ganz oder teilweise oder sonstige einzelvertragliche
Regelungen gelten sollten. Das Schichtungsverfahren wurde eingestellt, nachdem
der Beklagte zuvor in der mündlichen Verhandlung gemeinsam mit der
Mitarbeitervertretung folgende Erklärung abgegeben hatte:
"... erklären die Beteiligten übereinstimmend:
Im Bereich der Einrichtung Alten- und Pflegeheim C der Antragsgegnerin wird
auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BAT in der Fassung für die Bereiche
des Bundes und der Länder angewandt mit folgenden Ausnahmen:
1. Ohne Bewährungsaufstieg
...
Vorstehendes steht unter dem Vorbehalt der verbandsinternen Entscheidung
(Antrag der Dienstgeberseite auf Ausnahmeregelungen nach § 7 der Satzung des
DW/KW) und ihrer Umsetzung auf die Arbeitsverhältnisse der
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter."
Anlässlich der Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2003 teilte der
Beklagte den Mitarbeitern u.a. mit:
"Obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht nur in unserem Land,
sondern auch bei uns wesentlich schlechter geworden sind, haben wir uns
entschlossen, in diesem Jahr noch einmal diese Sonderzahlung auf der bisherigen
Grundlage zu zahlen. Im Jahr 2004 werden wir, wie wir Ihnen schon mitgeteilt
haben, eine leistungsbezogene Sonderzahlung einführen. Die Gesamthöhe der
Sonderzahlung wird davon abhängen, wie das Jahresergebnis der E-Stiftung sich
gestaltet."
Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Kopie Bl. 9 d.A. verwiesen.
Ab dem Jahr 2004 zahlte die Beklagte an ihre Mitarbeiter eine sog.
"leistungsbezogene Sonderzahlung". Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004
wiederholte die Klägerin ihren Antrag auf Höhergruppierung in Vergütungsgruppe
BAT KR IV a/8 im Wege des Bewährungsaufstiegs. Auch dieser Antrag wurde von
dem Beklagten unter Hinweis auf die fehlende Anwendbarkeit des BAT abgelehnt.
Die Klägerin hat die Rechtsansicht vertreten, dass ihr die begehrte
Höhergruppierung zustehe. Sie habe nach 3 Jahren in der Vergütungsgruppe BAT
KR V/9 und nach weiteren 4 Jahren in der Vergütungsgruppe BAT KR. V a/8
höhergruppiert werden müssen. Der BAT sei – entgegen der Auffassung der
Beklagten – aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme auf das zwischen den
Parteien bestehende Arbeitsverhältnis anwendbar. Da der Arbeitsvertrag mehrfach
eine unmittelbare Bezugnahme auf den BAT enthalte, werde auch auf das
Gehaltsfindungssystem der Vergütungsgruppen des BAT zeitdynamisch verwiesen.
Außerdem habe sich die Beklagte ausweislich des Protokolls des
Schlichtungsstellenverfahrens vom 12. Januar 2001 verpflichtet, den BAT für die
Bereiche des Bundes und der Länder umzusetzen. § 5 des Arbeitsvertrages – so
die Klägerin weiter – sei so auszulegen, dass sich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld
nach den Bestimmungen des BAT richteten. Nur sonstige, darüber hinausgehende
Sonderzahlungen seien freiwillige Zuwendungen. Nach dem
Zuwendungstarifvertrag stehe der Klägerin jeweils eine Sonderzuwendung in Höhe
von 82,15% des Gehaltes zu, sodass sich für die Jahre 2004 bis 2006 die geltend
gemachten Differenzbeträge ergäben.
Im Kammertermin des Arbeitsgerichts vom 25. Mai 2005 hat die Klägerin keinen
Antrag gestellt. An diesem Tag wurde die Klage auf Feststellung der
Vergütungsverpflichtung nach Vergütungsgruppe BAT KR V a/8 und auf Zahlung
der restlichen Sonderzuwendung für das Jahr 2004 in Höhe von € 343,42 brutto im
Wege des Versäumnisurteils abgewiesen. Gegen dieses ihr am 02. Juni 2005
zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit dem am 06. Juni 2005 beim
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zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit dem am 06. Juni 2005 beim
Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt. Mit der durch
Beschluss des Arbeitsgerichts vom 25. Juli 2007 zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbundenen weiteren Klage hat die Klägerin die restliche
Sonderzuwendung für das Jahr 2005 in Höhe von € 343,78 brutto und für das Jahr
2006 in Höhe von € 338,05 brutto geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25. Mai 2005 – 1 Ca
55/05 – aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie € 343,42 brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.
Januar 2005 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab
dem 01. Juli 2004 die Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT KR V a/8 zu
zahlen und etwaige Bruttonachzahlungsbeträge seit dem 15. des jeweiligen
Folgemonats, hilfsweise seit Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen;
den Beklagten zu verurteilen, an sie die restliche Sonderzuwendung für das
Jahr 2005 in Höhe von € 343,78 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2006 zu zahlen;
den Beklagten zu verurteilen, an sie als restliche Sonderzuwendung für das
Jahr 2006 € 338,05 brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.
Januar 2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25. Mai 2005
aufrechtzuerhalten und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Er hat die Rechtsansicht vertreten, dass das Höhergruppierungsbegehren der
Klägerin nicht berechtigt sei. Der BAT finde nicht aufgrund einzelvertraglicher
Verweisung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Vergütung der Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen erfolge in allen sieben Einrichtungen bundesweit einheitlich
lediglich in Anlehnung an den BAT. Dabei wende der Beklagte die Regelungen über
den Bewährungsaufstieg nicht an. Die im Schlichtungsverfahren abgegebene
Erklärung habe unter dem Vorbehalt der Umsetzung auf die Arbeitsverhältnisse
der betreffenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gestanden und sei von dem
Beklagten – so seine Behauptung – nicht umgesetzt worden. Ferner hat der
Beklagte die Rechtsansicht vertreten, dass es sich bei den seit dem Jahr 2004
erfolgten Zahlungen nicht mehr um Weihnachtsgeld in Anlehnung an den BAT,
sondern eine leistungsbezogene Sonderzahlung gehandelt habe.
Mit dem am 25. Juli 2007 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht das
Versäumnisurteil vom 25. Mai 2005 aufrechterhalten und die weitergehende Klage
abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die
Entscheidungsgründe S. 7 - 10 – Bl. 98 - 100 d.A. – verwiesen. Gegen dieses am
08. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. September 2007
Berufung eingelegt und diese mit dem am 10. Oktober 2007 bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründet und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt. Sie meint, der verspätete Eingang der
Berufungsbegründung beruhe auf dem Verschulden der Angestellten ihres
Prozessbevollmächtigten. Zur Begründung führt sie unter Glaubhaftmachung
durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Angestellten F im
Wesentlichen aus, aufgrund eines einmaligen Ausreißers in einem bewährten
System habe die seit 22 Jahren für die Eintragung der Fristen, die Fristenkontrolle
und die Vorlage der Fristenliste an die Sachbearbeiter zuständige Bürovorsteherin
die Frist fehlerhaft in den elektronischen Fristenkalender eingegeben. Nach
Eingang des Urteils des Arbeitsgerichts sei die Frist zutreffend notiert worden.
Aufgrund eines Irrtums habe dann jedoch die Bürovorsteherin in dem
Fristenkalender als Fristablauf den 10.10. eingetragen. Der Eintragungsfehler
resultiere vermutlich daraus, dass die Berufungsfrist erst am 10. September
abgelaufen wäre. Dem Prozessbevollmächtigten werde jeweils die Fristenliste mit
den Akten vorgelegt. Auf der Fristenliste sei durchgängig der 10.10. eingetragen
worden. Wegen des weiteren Vorbringens im Einzelnen wird auf den Schriftsatz
vom 10.10.2007, S. 2 – Bl. 121 d.A. – sowie auf die eidesstattliche Versicherung –
Bl. 124 d.A. – Bezug genommen.
Im Übrigen verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren unter Wiederholung und
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Im Übrigen verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren unter Wiederholung und
Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Insbesondere meint sie, die
Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Arbeitsgericht sei mit der
Unklarheitenregelung nicht in Einklang zu bringen. Auch habe das Arbeitsgericht
übersehen, dass die Mitwirkungsrechte der Mitarbeitervertretung nicht beachtet
worden seien. Eine neue Regelung hinsichtlich des Weihnachtsgeldes sei nicht
wirksam eingeführt worden. Wegen des weiteren Vorbringens im Einzelnen wird auf
den Schriftsatz vom 10.10.2007, S. 2 - 4 – Bl. 121 - 123 d.A. – Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25.07.2007 – 1 Ca 91/07 –
abzuändern und das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25. Mai
2005 – 1 Ca 55/05 – aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie € 343,42
brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 01. Januar 2005 zu zahlen sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet
ist, ihr ab dem 01. Juli 2004 die Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT KR V
a/8 zu zahlen sowie etwaige Bruttonachzahlungsbeträge seit dem 15. des
jeweiligen Folgemonats, hilfsweise seit Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu verzinsen;
den Beklagten zu verurteilen, an sie die restliche Sonderzuwendung für die
Jahre 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt € 687,56 brutto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 338,05 brutto seit
dem 01. Januar 2006 bzw. dem 01. Januar 2007 zu zahlen
und ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts unter
Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17.10.2007, S. 2 - 4 – Bl. 131 - 133 d.A. –
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Streitgegenstandes statthaft
(§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt worden
(§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 ZPO). Zwar hat die Klägerin die
Berufungsbegründungsfrist nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO nicht
eingehalten. Ihr ist aber antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
gewähren.
1.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig. Insbesondere
ist die Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt, da der Antrag binnen 2 Wochen
nach Behebung des Hindernisses, nämlich der Unkenntnis von der Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist, gestellt wurde (§ 234 Abs. 2 ZPO).
2.
Der Antrag ist auch begründet. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert,
die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine
Notfrist oder die Frist zur Begründung u.a. der Berufung einzuhalten. Erforderlich
ist, dass die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem nicht
von der Partei verschuldeten Umstand beruht hat. Ob ein Verschulden vorliegt, ist
nach dem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen.
Maßgeblich ist die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei
. Nach § 85 Abs. 2 ZPO ist
der Partei das Verschulden ihres Bevollmächtigten, nicht jedoch das des gut
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der Partei das Verschulden ihres Bevollmächtigten, nicht jedoch das des gut
geschulten, sorgfältig ausgewählten und überwachten Personals des
Rechtsanwalts zuzurechnen
. Ein Irrtum in der Fristenberechnung ist unverschuldet, wenn er auf ein
Versehen des zulässigerweise damit befassten und hierfür vom Rechtsanwalt
sorgfältig ausgebildeten Büropersonal zurückzuführen ist
.
Danach durfte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf vertrauen, dass
die Mitarbeiterin F die Berufungsbegründungsfrist zutreffend berechnet und in den
Fristenkalender einträgt. Bei Frau F handelt es sich um eine eingearbeitete und
dem Prozessbevollmächtigten als zuverlässig und ausreichend befähigt bekannte
Person. Von ihrer 28 Jahre betragenden Tätigkeit in dem Anwaltsbüro war sie
mindestens 20 Jahre als Bürovorsteherin eingesetzt und seit 22 Jahren dafür
zuständig, für die ordnungsgemäße Eintragung der Fristen, die Fristenkontrolle und
die Vorlage der Fristenliste an die Sachbearbeiter zu sorgen. Es bestand auch kein
Anlass für Bedenken gegen die Art und Weise der Erledigung dieser Arbeiten durch
Frau F. Durch die eidesstattliche Versicherung ist glaubhaft gemacht, dass es sich
bei der fehlerhaften Fristenberechnung um einen "einmaligen Ausreißer" gehandelt
hat.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Urteil des
Arbeitsgerichts Kassel ist nicht abzuändern. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das
Versäumnisurteil gemäß §343 ZPO aufrechterhalten und die Klage im Übrigen
insgesamt abgewiesen.
I.
Soweit die Klägerin mit ihrer Eingruppierungsfeststellungsklage die Feststellung der
Verpflichtung des Beklagten begehrt, sie nach der Vergütungsgruppe KR Va des
Abschn. A der Anlage 1b BAT zu entlohnen, ist die Klage als eine im öffentlichen
Dienst übliche Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO zwar zulässig. Dies gilt
auch für den Feststellungsantrag, soweit mit ihm Zinsen begehrt werden (BAG
08.10.1997 – 4 AZR 167/96 – Rn. 28 zit. nach Juris). In der Sache ist die Klage aber
unbegründet. Die Klägerin kann die begehrte Feststellung nicht verlangen, weil der
Beklagte nicht verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe KR
Va des Abschn. A der Anlage 1b BAT zu zahlen und die begehrten Zinsansprüche
stehen der Klägerin infolge dessen ebenfalls nicht zu.
Im Arbeitsvertrag haben die Parteien nicht global auf den BAT und die ihn
ergänzenden Tarifverträge verwiesen, sondern in § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages
für die Zeit nach der Erprobung lediglich die Vergütung nach KR IV vereinbart.
Inwieweit es sich dabei um eine statische oder dynamische Verweisung handelt,
bedarf keiner Entscheidung, da zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht,
dass der Klägerin die jeweilige Tarifvergütung der konkret bezeichneten
Vergütungsgruppe zustehen soll. Auf einen Fallgruppenaufstieg über die
Tarifgruppe KR V Ziff. 21 – nach 3 Jahren – in Tarifgruppe KR V a Ziff. 12 – nach
weiteren 4 Jahren – kann sich die Klägerin nicht berufen, weil die
Vergütungsordnung des BAT und die Eingruppierungsautomatik gem. § 22 Abs. 2
Unterabs. 1 BAT im Arbeitsvertrag nicht vereinbart wurden. Dies ergibt eine
Auslegung des Arbeitsvertrages.
Bei § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages handelt es sich um allgemeine
Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Das ist zwischen den
Parteien unstreitig. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven
Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise
beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die
Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern des durchschnittlichen
Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind
. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu
orientierenden Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der
Vertragswortlaut. Ist er nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend
darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften
dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille
verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch
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verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch
der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf
typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten
. Ein feststellbarer
übereinstimmender Wille der Parteien bleibt stets maßgebend
. Bleibt nach Ausschöpfung der
Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305 c Abs. 2
BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c
Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-
Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von
diesen keine den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der
richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen
Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht
. Die Unklarheitenregel beruht auf dem
Gedanken, dass es Sache des Verwenders ist, sich klar und unmissverständlich
auszudrücken. Sie findet bei einem übereinstimmenden Verständnis der Klausel
seitens der Vertragsparteien keine Anwendung. Vielmehr gilt das
übereinstimmend Gewollte .
Nach diesen Maßstäben haben die Parteien entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht das gesamte Vergütungssystem des BAT sowie die
Eingruppierungsautomatik vertraglich vereinbart. Der Wortlaut der
Vertragsbestimmung ist nicht mehrdeutig, die Unklarheitenregel findet keine
Anwendung.
Die Formulierung "Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche
Bruttovergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:" in Verbindung mit der
Benennung einer bestimmten Vergütungsgruppe/Stufe kann mangels weiterer
Regelungen nur eine Verweisung auf das Entgelt der konkret bezeichneten
Entgeltgruppe der Vergütungsbestimmungen der Anlage 1 b zum BAT für
Angestellte im Pflegedienst darstellen. Der Regelungszusammenhang vermag
keine Zweifel an diesem Verständnis zu begründen. Soweit in § 5 Abs. 3 des
Arbeitsvertrages "Bestimmungen des BAT" angesprochen worden, bezieht sich
dies unmissverständlich nur auf die im Klammerzusatz angesprochenen
Sonderzahlungen (Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld); es handelt sich
lediglich um eine konkrete Teilverweisung.
Demgegenüber ist die von der Klägerin bevorzugte Auslegung nicht vertretbar. Ein
auch nur entfernter Hinweis auf eine Regelung der Eingruppierungsautomatik im
Sinne des § 22 BAT fehlt, sie soll offenbar nicht gelten. Die Vereinbarung von
unterschiedlichen Vergütungsgruppen für die Bezahlung vor und nach der
Probezeit spricht nicht – so aber die Klägerin – für, sondern gegen die Annahme
einer Tarifautomatik. Wenn die Parteien vom Grundsatz der Tarifautomatik
ausgegangen wären, hätte es gerade nicht der Vereinbarung konkreter
Tarifgruppen bedurft. Nach den Grundsätzen der Tarifautomatik ist der Angestellte
in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von
ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (vgl. § 22 Abs. 2
Unterabs. 1 BAT). Maßgeblich für die Eingruppierung ist ausschließlich die
tariflichen Wertigkeit seiner nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit. Sie
ist alleiniger Bestimmungsfaktor, da es nur auf sie für die Eingruppierung in das
Vergütungssystem des BAT ankommt.
Der Hinweis der Klägerin auf das im Jahr 2001 durchgeführte
Schlichtungsverfahren ist für die Auslegung des Arbeitsvertrages bereits im Ansatz
verfehlt. Abgesehen davon, dass der Wille der konkreten Vertragspartner für die
Auslegung nicht maßgebend ist
, ist grundsätzlich für das tatsächliche Verständnis empfangsbedürftiger
Willenserklärungen auf den Zeitpunkt des Zugangs abzustellen. Willenserklärungen
haben mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens einen unveränderlichen
Erklärungswert .
Bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts kann das nachträgliche Verhalten der
Parteien nur in der Weise berücksichtigt werden, als es Rückschlüsse auf ihren
tatsächlichen Willen und ihr tatsächliches Verständnis im Zeitpunkt der Abgabe
der Erklärung zulässt
. Auf das Schichtungsverfahren trifft dies nicht zu. Es hat nicht zwischen den
Parteien des Rechtsstreits, sondern zwischen der Mitarbeitervertretung und der
Beklagten stattgefunden und die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens haben
sich auch nicht konkret mit dem Arbeitsverhältnis der Parteien befasst. Im
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sich auch nicht konkret mit dem Arbeitsverhältnis der Parteien befasst. Im
Protokoll vom 12.06.2001 wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Regelungen noch
der Umsetzung auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
bedürfen. Die Erklärungen des Beklagten im Schlichtungsverfahren beruhen auf
Entscheidungen, die sie nach dem Vertragsschluss getroffen hat.
Aus den im Schlichtungsverfahren abgegebenen Erklärungen des Beklagten
kann die Klägerin unmittelbar keine Ansprüche auf Anwendung der
Vergütungsordnung der Anlage 1 b zum BAT für Angestellte im Pflegedienst
herleiten.
aa) Eine gem. § 36 Abs. 3 MVG-EKD unmittelbar geltende Dienstvereinbarung
wurde von dem Beklagten mit der Mitarbeitervertretung nicht geschlossen. Dieser
Annahme steht bereits entgegen, dass das Schlichtungsprotokoll von dem
Beklagten und der Mitarbeitervertretung nicht gem. § 36 Abs. 2 MVG-EKD
unterzeichnet ist. Im Übrigen kommt im Protokoll vom 12.06.2001 klar zum
Ausdruck, dass eine Transformation der Absprachen in das Arbeitsverhältnis
erforderlich ist.
b) Vor diesem Hintergrund mag es sich bei der Einigung um eine Regelungsabrede
handeln, der – im Gegensatz zur Dienstvereinbarung – keine Normwirkung
zukommt. Sie bindet nur die Partner – also Mitarbeitervertretung und Arbeitgeber-
schuldrechtlich, sich entsprechend der getroffenen Abrede zu verhalten. Wegen
der fehlenden normativen Wirkung ist es Sache des Arbeitgebers, die geregelten
Maßnahmen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegenüber den
Arbeitnehmern umzusetzen. Die Klägerin behauptet aber selbst nicht, dass dies z.
B. durch den Abschluss von Änderungsverträgen geschehen wäre. Die bloße
Bekanntgabe der abgegebenen Erklärungen stellt jedenfalls noch keine
Transformation in das Arbeitsverhältnis der Parteien dar.
4) Ebenso wenig spielt es eine Rolle, inwieweit die Geschäftsführung des
Diakonischen Werks eine Ausnahmegenehmigung gem. § 7 Abs. 5 a der Satzung
des Diakonischen Werks in D für die Anwendung des BAT erteilt hat. Der einzelne
Arbeitnehmer des Beklagten kann aus einer Bewilligung keine Rechte herleiten,
solange der Beklagte die Arbeitsbedingungen nicht entsprechend in den
Arbeitsverhältnissen umsetzt
.
5) Von einem widersprüchlichen Verhalten (§ 242 BGB) kann infolge dessen im
Rechtsverhältnis zur Klägerin keine Rede sein. Es war seinerzeit allein der
Mitarbeitervertretung vorbehalten, etwaige Rechtsansprüche darauf, dass sich der
Beklagte entsprechend der getroffenen Absprachen verhält, durchzusetzen.
II.
Die Klägerin hat auch keine über die bereits geleisteten Beträge hinausgehenden
Zahlungsansprüche, da sich der Beklagte gegen die Leistung von
Weihnachtsgratifikationen in den Jahre 2004 bis 2006 entschieden hat. Mangels
eines Hauptanspruchs sind auch keine Zinsansprüche gegeben.
1.
Ein Anspruch folgt nicht aus dem Arbeitsvertrag. Aus dem Klammerzusatz in § 5
Abs. 3 des Arbeitsvertrages ergibt sich, dass sich die Zahlung einer
Weihnachtsgratifikation nach den Bestimmungen des BAT und die ihn
ergänzenden Regelungen des TV-Zuwendung richten. Das ist zwischen den
Parteien auch nicht streitig. Umstritten ist nur, inwieweit der Freiwilligkeitsvorbehalt
auch für Weihnachtsgratifikationen im Sinne des Klammerzusatzes gilt. Entgegen
der Auffassung der Klägerin hat sich der Beklagte in § 5 Abs. 3 des
Arbeitsvertrages das Recht vorbehalten jedes Jahr neu zu entscheiden, ob er eine
Weihnachtsgratifikation leistet.
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt kann so verstanden werden, dass sich der
Arbeitgeber "freiwillig" zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch
Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein. Ein mit einer
Zuwendung verbundener Freiwilligkeitsvorbehalt kann aber auch bezwecken, das
Entstehen eines Rechtsanspruchs des Zuwendungsempfängers auf künftige
Zahlungen zu verhindern. Der Arbeitgeber kann sich die Entscheidung
vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftige Sonderzahlungen gewährt
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. In § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages hat der
Beklagte für Weihnachtsgratifikationen hinsichtlich des "Ob" den Rechtsanspruch
ausgeschlossen und im Übrigen auf die tarifvertraglichen Bestimmungen des BAT
und die ihn ergänzenden Tarifverträge wie den TV-Zuwendung verwiesen.
Nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung, wonach "sämtliche
Sonderzahlungen freiwillige Zuwendungen sind, für die kein Rechtsanspruch
besteht", ist unmissverständlich hinsichtlich des "Ob" der Sonderzahlung ein
Rechtsanspruch ausgeschlossen. Bei einem derartigen Freiwilligkeitsvorbehalt
entsteht ein Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für ein bestimmtes Jahr
entweder mit einer vorbehaltlosen Zusage, auch in diesem Jahr eine
Weihnachtsgratifikation zahlen zu wollen oder erst mit der tatsächlichen Zahlung
der Gratifikation .
Daraus, dass im Klammerzusatz durch die Bezugnahme auf den BAT und den ihn
ergänzenden TV-Zuwendung bereits weitere Anspruchsvoraussetzungen und die
Höhe der Weihnachtsgratifikation normiert sind, folgt keine vorbehaltlose
Verpflichtung. Damit wird lediglich vorab klargestellt, dass auch dann, wenn eine
Gratifikation gezahlt wird, diejenigen Arbeitnehmer darauf keinen Anspruch haben
sollen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen .
Durch die Verweisung auf den BAT bezüglich der Weihnachtsgratifikation werden
die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen einschließlich der Höhe
festgelegt. M.a.W. der Beklagte kann nur hinsichtlich des "Ob" entscheiden,
inwieweit sie eine Weihnachtsgratifikation zahlen will, hinsichtlich des "Wie" hat er
sich im Klammerzusatz gebunden. Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist nicht umfassend,
sondern eingeschränkt. Hat sich der Beklagte für die Ausschüttung einer
Weihnachtsgratifikation entschieden, muss er die Leistung nach Maßgabe des BAT
iVm dem Zuwendungstarifvertrag erbringen. Auch wenn der
Zuwendungstarifvertrag im Klammerzusatz nicht ausdrücklich aufgeführt wird ist
er maßgebend. Der BAT selbst regelt keine Sonderzuwendung. Seine Anwendung
ist aber Voraussetzung für die Einschlägigkeit des Geltungsbereichs des den BAT
ergänzenden TV-Zuwendung.
Da Freiwilligkeitsvorbehalte nicht überraschend sind (§305 c Abs. 1 BGB) und
auch keine vorrangige Individualabrede vorliegt (§305 b BGB), greift das AGB-
Recht ein. Die Vertragsklausel hält einer AGB-Kontrolle stand.
Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist als Vertragsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1
BGB zu qualifizieren. Eine Vertragsbedingung im Sinne des Gesetzes ist eine auf
die Regelung des Inhalts eines Vertrages, d.h. die Ausgestaltung eines
Rechtsverhältnisses abzielende Abrede
. Keine Vertragsbedingungen sind dagegen einseitige
Rechtsgeschäfte des Verwenders
. Zwar kann der Verwender Freiwilligkeitsvorbehalte einseitig erklären, um
seinen Bindungswillen entsprechend zu begrenzen. Der Verwender bestimmt mit
ihm lediglich den Inhalt der eigenen Willenserklärung. Um eine Vertragsbedingung
handelt es sich aber dann, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertragstext
ausdrücklich erwähnt wird und die Freiwilligkeit hierdurch betont wird
. Die Klausel steht im Zusammenhang mit
Willenserklärungen, die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet sind; sie ist
Inhalt des Arbeitsvertrages.
Für eine Anwendung der Unklarheitenregel nach § 305 c Abs. 2 BGB ist
entgegen der Auffassung der Klägerin indessen kein Raum. Ihre Rechtsansicht,
wonach sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht auf Weihnachtsgratifikationen,
sondern nur auf sonstige Sonderzuwendungen beziehen soll, findet im Wortlaut
der Regelung keine Stütze. Das vor die Klammer Gezogene sowie der
Klammerzusatz stehen nicht – so aber die Klägerin – beziehungslos
nebeneinander, sie befassen sich nicht mit voneinander zu unterscheidende
Sonderzahlungen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Durch die beispielhafte
Aufzählung im Klammerzusatz wird verdeutlicht, welche Sonderzahlungen unter
den Freiwilligkeitsvorbehalt fallen sollen. Die Vertragsparteien haben
Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld klar als Sonderzahlung im
arbeitsvertraglichen Sinne qualifiziert und es bestehen angesichts des
Freiwilligkeitsvorbehalt keine Zweifel, dass der Beklagte keine Leistungszusage für
die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses abgeben wollte.
Da es an einer versprochenen Leistung fehlt, ist § 308 Nr. 4 BGB nicht
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Da es an einer versprochenen Leistung fehlt, ist § 308 Nr. 4 BGB nicht
einschlägig (vgl. BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 17 zitiert nach Juris).
Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt
ebenfalls nicht vor. Die Klausel ist nämlich nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB
kontrollfrei. Eine Abweichung vom Grundsatz pacta sunt servanda liegt nicht vor.
Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt fehlt es gerade an einer Leistung, von der
abgewichen werden könnte (BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 17 zitiert nach
Juris). Ferner liegt auch keine Abweichung von § 611 Abs. 1 BGB vor, wonach das
Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis regelmäßige beiderseitige
Hauptleistungspflichten begründet (vgl BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 24
zitiert nach Juris). In der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts
ist anerkannt, dass nicht nur die Grundvergütung, sondern auch zusätzliche
regelmäßige Zahlungen, die von den Parteien als Teil der Arbeitsvergütung und
damit als unmittelbare Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer zu erbringende
Arbeitsleistung versprochen werden, als verpflichtende Zahlungen vorbehaltlos
vereinbart werden müssen
. Eine derartige Eingriffsmöglichkeit in das Synallagma durch Einstellung
der Zahlung besteht im Streitfall aber nicht. Zwar spricht für die Annahme,
Sondervergütungen, die ausschließlich die Erbringung der Arbeitsleistung
zusätzlich honorieren sollen, müssten vorbehaltlos versprochen werden, dass sie
Teil des Arbeitsentgelts sind und im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung
des Arbeitnehmers stehen
. Bei ihnen wird nur die Fälligkeit aufgeschoben, im
Übrigen ist die von der Arbeitsleistung abhängige Sonderzuwendung bereits durch
die erbrachte Arbeitsleistung verdient
. Eine Unterscheidung
zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen wäre zumindest fragwürdig, da
die Aufteilung der Gesamtvergütung nicht zuletzt von der Entgeltpolitik des
Unternehmers abhängt. Er hätte es in der Hand, die Entgeltregelungen nach
Belieben in einen verbindlichen und in einen unverbindlichen Teil aufzuspalten.
Letztendlich bedarf die Rechtsfrage keiner abschließenden Entscheidung. Eine
Abweichung von dem in § 611 BGB gekennzeichneten Wesen des Arbeitsvertrages
liegt nach Auffassung der Berufungskammer im Streitfall nicht vor. Die vereinbarte
Weihnachtsgratifikation ist nicht allein für die Arbeitsleistung gedacht. Sie ist
Nebenleistung im Arbeitsverhältnis, weil durch sie zumindest auch sonstige
Zwecke verfolgt werden. Mit der Leistung nach dem TV-Zuwendung soll auch
zukünftige Betriebstreue belohnt werden. Denn nach § 1 Abs. 1 Ziffer 3 TV-
Zuwendung erhält der Angestellte keine Zuwendung, wenn er in der Zeit bis
einschließlich 31.03. des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder
auf eigenen Wunsch ausscheidet, sie ist also – was kennzeichnend für die
Belohnung zukünftiger Betriebstreue ist – daran geknüpft, dass das
Arbeitsverhältnis über den Auszahlungszeitpunkt hinaus innerhalb eines
bestimmten Zeitraums besteht
.
Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind allerdings nicht nur
die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot
entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, d.h. auch alle
ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die
aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur
des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten
. Auch unter diesen
Gesichtspunkten ist die unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellte Gratifikation
nicht zu beanstanden. Insbesondere darf der Arbeitnehmer auf die Beständigkeit
der Zahlung nicht vertrauen und seine Lebensplanung danach ausrichten. Er darf
die erbrachten Leistungen nicht als Gehaltsbestandteil betrachten und darauf
hoffen, dass von dem Freiwilligkeitsvorbehalt in Zukunft kein Gebrauch gemacht
wird (vgl. dazu BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 29 zitiert nach Juris). Ebenso
wenig wie ein nicht schutzwürdiges tatsächliches Vertrauen des Arbeitnehmers
führen die typischerweise gegebene Situation struktureller Unterlegenheit des
Arbeitnehmers und die in der Regel vorliegende wirtschaftliche Überlegenheit des
Arbeitgebers dazu, dass der Arbeitnehmer trotz Freiwilligkeitsvorbehalt einen
Anspruch auf die Sonderzahlung hat (vgl. dazu BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 –
Rn. 29 zitiert nach Juris).
Der Freiwilligkeitsvorbehalt genügt auch den Anforderungen des
Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist
klar und verständlich formuliert und es liegt auch keine widersprüchliche
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klar und verständlich formuliert und es liegt auch keine widersprüchliche
Vertragsgestaltung vor, die die Gefahr begründen könnte, dass bestehende
Ansprüche nicht wahrgenommen werden (vgl. dazu BAG 30.7.2008 – 10 AZR
606/07 – Rn. 44 zitiert nach Juris). Der Beklagte hat kein verbindliches
Vertragsversprechen abgegeben und dieses zugleich unter einen
Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt in BAG 24.10.2007 – 10 AZR
825/06 – u. BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 –). Er hat gerade nicht versprochen,
dass in jedem Jahr eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, sondern die
Leistungsgewährung von mehreren Anspruchsvoraussetzungen abhängig
gemacht. Einer Präzisierung in der Klausel selbst, aus welchen Gründen der
Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeübt wird, bedarf es nicht
. Die Unterscheidung zum Widerrufsvorbehalt liegt in der Natur
der Freiwilligkeit. Die freiwillige Leistung ohne einen sachlichen Grund einstellen zu
dürfen, ist gerade ein Kennzeichen der Freiwilligkeit.
Mangels Entscheidungserheblichkeit kann ferner dahinstehen, ob bei
Sonderzahlungen, die – anders als im Streitfall – mindestens 25% der
Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen, ein Freiwilligkeitsvorbehalt
zulässig ist. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrages sind als unzulässig
zu werten: Was nicht unter Widerruf gestellt werden kann, das kann erst recht nicht
"freiwillig versprochen" werden (Argument § 306 a BGB). Nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts ist die Vereinbarung einer Widerrufsvorbehalts nach
§308 Nr. 4 BGB nur zulässig, soweit der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende
widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht
unterschritten wird (vgl. BAG 12.01.2005, AP Nr. 1 zu §308 BGB; BAG 11.10.2006,
AP 6 zu § 308 BGB).
Von dem Freiwilligkeitsvorbehalt hat der Beklagte nach seinem unbestritten
gebliebenen Sachvortrag nach entsprechender Ankündigung im Jahr 2003 ab dem
Jahr 2004 Gebrauch gemacht und keine Weihnachtsgratifikation gezahlt, sondern
eine leistungsbezogene Sonderzahlung eingeführt. Eine Ausübungskontrolle findet
bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt nicht statt. Eine Bindung an § 315 Abs. 1 BGB, §
106 GewO und die Grenzen billigen Ermessens besteht nicht.
Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung hat der Beklagte durch die
Einstellung der Zahlung ab dem Jahr 2004 nicht verletzt. Es ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der
Mitarbeitervertretung bei der Entscheidung des Beklagten, die Zahlung von
Weihnachtsgratifikationen einzustellen, ein Mitbestimmungsrecht zustehen soll.
2.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung
infolge dreimaliger vorbehaltloser Zahlung, da bereits nach dem Arbeitsvertrag die
Gewährung der Weihnachtsgratifikation mit der Einschränkung zugesagt wurde,
dass sie jeweils freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch besteht erfolgt. Damit
konnte eine vorbehaltlose betriebliche Übung nicht entstehen
. Inwieweit die mit den
jeweiligen Zahlungen der Weihnachtsgratifikation verbundenen
Freiwilligkeitsvorbehalte ohne die arbeitsvertragliche Regelung für sich genommen
zu beanstanden wären, bedarf keiner Entscheidung. Es genügt ein rechtlich
einwandfreier Hinweis im Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber muss nicht jede einzelne
Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen (vgl. BAG 30.07.2008 –
10 AZR 606/07 – Rn 13 u. 29 zitiert nach Juris).
III.
Aus den am 12. Juni 2001 im Rahmen des Schlichtungsverfahrens abgegebenen
Erklärungen kann die Klägerin aus den bereits genannten Gründen schließlich
ebenfalls keine Ansprüche herleiten.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Klägerin die
Kosten der Berufung zu tragen, weil ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte.
D.
Für die Zulassung der Revision bestand nur hinsichtlich der Rechtsfragen
betreffend die Sonderzuwendung Veranlassung (vgl. § 72 Abs. 2 ArbGG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.