Urteil des LAG Hessen vom 11.05.2010

LAG Frankfurt: gegen die guten sitten, tarifvertrag, nachteilige veränderung, allgemeine geschäftsbedingungen, hessen, arbeitsgericht, urlaub, entschädigung, form, unklarheitenregel

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
13. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 Sa 1987/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Arbeitsvertragliche Verweisung auf Tarifvertrag -
Inhaltskontrolle - Unklarheitenregel - Urlaubsgeld -
Urlaubstage
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteils des Arbeitsgericht Gießen vom 08.
Oktober 2009 – 1 Ca 256/09 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung zusätzlichen Urlaubsgeldes und die Zahlung
einer Entschädigung für im Jahr 2008 nicht gewährten Urlaub nach Maßgabe ihres
Arbeitsvertrages.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Sie
organisiert zumindest weit überwiegend die Bewachung von Kasernen und
sonstigen Objekten der amerikanischen Streitkräfte. Die Beklagte ist Mitglied des
Bundesverbandes deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit einigen Jahren als Sicherheitsmitarbeiter im
Wachdienst beschäftigt. Er wird in einem Objekt in A eingesetzt.
Im Arbeitsvertrag heißt es unter § 1:
Firma B ist Mitglied des Bundesverbandes deutscher Wach- und
Sicherheitsunternehmen e.V. Dieser Arbeitsvertrag unterliegt dem zwischen o. g.
Verband und der Gewerkschaft ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Hessen für das Bundesland Hessen abgeschlossenen Tarifvertrag.
Unter § 4.1. heißt es:
Der Arbeitnehmer erhält 34 Kalendertage Urlaub gemäß den Bestimmungen
des gültigen Landestarifvertrages.
Unter § 4.2. heißt es:
Als Urlaubsgeld wird gemäß Tarifvertrag für jeden Urlaubstag € 7,50 gezahlt.
Unter § 7 heißt es:
Auf übertarifliche Verdienstbestandteile sind tariflich festgelegte
Entgelterhöhungen – unabhängig von deren Grund und Art – ganz oder teilweise
anrechenbar, sofern tarifvertraglich keine andere Vereinbarung besteht.
Wegen weitere Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 8. August
2003/8. Oktober 2003 wird auf die Kopie desselben (Bl. 42-47 d. A.) verwiesen.
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Nach den Tarifverhandlungen im Jahre 2007 erhöhten die Tarifvertragsparteien die
Leistungen nach dem Entgelttarifvertrag. Im Gegenzug wurden Leistungen im
Manteltarifvertrag reduziert. So vereinbarten die Tarifvertragsparteien, dass ab 01.
Januar 2008 die tariflichen Stundenlöhne erhöht werden, jedoch das im
Manteltarifvertrag geregelte zusätzliche Urlaubsgeld von € 7,50 je Urlaubstag
gestrichen wird. Außerdem reduzierten die Tarifvertragsparteien den den
Arbeitnehmern zustehenden Grundurlaub um 3 Tage.
Entsprechend der getroffenen tariflichen Vereinbarungen zahlte die Beklagte dem
Kläger im Jahre 2008 den erhöhten Stundenlohn. Sie gewährte dem Kläger jedoch
3 Tage weniger Erholungsurlaub und zahlte kein Urlaubsgeld aus.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage auch für das Jahr 2008 die Zahlung des
zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von € 7,50 pro Tag sowie eine Entschädigung
für 3 nicht gewährte Tage Erholungsurlaub. Wegen der genauen Berechnung
seines Zahlungsanspruchs wird auf die Klageschrift verwiesen.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stehe nach dem Wortlaut des
Arbeitsvertrages ein Anspruch auf Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes sowie
auf Gewährung von mehr Erholungsurlaub zu. Dies ergebe sich aus dem Umstand,
dass das zu zahlende Urlaubsgeld sowie der Umfang des Erholungsurlaubs
ausdrücklich im Arbeitsvertrag genannt seien.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Kalenderjahr 2008 ein
zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 277,50 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung für nicht
gewährten Urlaub in Höhe von 341,61 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung gewesen, die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung stelle
sich als sogenannte Gleichstellungsabrede dar; durch die Hervorhebung ihrer, der
Beklagten, Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband werde klargestellt, dass die
Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.
Durch Urteil vom 08. Oktober 2009 hat das Arbeitsgericht die Klage unter
Zulassung der Berufung abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die
Parteien hätten in ihrem Arbeitsvertrag die jeweiligen Fassungen der einschlägigen
Tarifverträge in Form einer Gleichstellungsabrede in Bezug genommen. Damit
wirkten auch die für den Kläger nachteiligen Änderungen des aktuellen
Tarifvertragswerks. Die konkrete Benennung von z. B. Urlaubstagen und
Urlaubsgeld im Arbeitsvertrag beziehe sich nur auf den bei Vertragsschluss
aktuellen Tarifstand. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 53 bis Bl. 57 d. A.).
Gegen dieses dem Kläger am 05. November 2009 zugestellte Urteil hat dieser mit
einem beim erkennenden Gericht am 07. Dezember 2009 (Montag)
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig
beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Februar
2010 mit einem am 03. Februar 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint nach
wie vor, die Verweisung in dem Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag sei statischer
Natur und schreibe die genannten Urlaubstage und das genannte zusätzliche
Urlaubsgeld fest. Jedenfalls seien die entsprechenden Bezugnahmen unklar,
intransparent und benachteiligten ihn unangemessen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 08. Oktober 2009 – 1 Ca 256/09 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
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1. ihm 277,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2009 zu zahlen sowie
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 341,61 Euro brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Mai
2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen mit rechtlichen
Erwägungen. Es gelte die jeweils aktuelle Fassung des in Bezug genommenen
Tarifvertragswerks und damit auch die für den Kläger nachteilige Veränderung bei
Urlaub und Urlaubsgeld. Die im Arbeitsvertrag erwähnten konkreten Zahlen für
Urlaubstage und Urlaubsgeld seien rein deklaratorischer Natur und gäben allein
den bei Vertragsschluss aktuellen tariflichen status quo wieder.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 11. Mai 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet
hinsichtlich ihrer sonstigen förmlichen Voraussetzungen angesichts ihrer
ausdrücklichen Zulassung durch das Arbeitsgericht keinen Bedenken (§ 64 Abs. 2
a ArbGG). Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und
fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§
66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache ist die Berufung unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung
abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Zahlungen für Urlaubsgeld und
Urlaubsentschädigung, insbesondere nicht nach Maßgabe seines Arbeitsvertrages
in Verbindung mit § 611 BGB.
In dem Arbeitsvertrag sind die begehrten Urlaubstage und das zusätzliche
Urlaubsgeld zwar konkret nach Anzahl und Betrag genannt. Diese Benennung gibt
jedoch nur den Tarifstatus zur Zeit des Vertragsschlusses wieder und ist allein
deklaratorischer Natur, denn die Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt, dass sich
sowohl die Urlaubstage wie auch das zusätzliche Urlaubsgeld nach den in Bezug
genommenen Tarifverträgen richten sollen, die in der für 2008 geltenden Fassung
weniger Urlaubstage und den Wegfall des zusätzlichen Urlaubsgeldes vorsehen.
Die in § 1 des Arbeitsvertrages vorgenommene Bezugnahme auf den "... für das
Bundesland Hessen abgeschlossenen Tarifvertrag" und die weiteren
Bezugnahmen auf die "Bestimmungen des geltenden Landestarifvertrages" sowie
der Verweis auf das Urlaubsgeld "gemäß Tarifvertrag" begegnet also solche keinen
rechtlichen Bedenken. Diese Art von Bezugnahmen sind nach dem Grundsatz der
Vertragsfreiheit an sich zulässig (BAG vom 14. Dezember 2005, BB 2006, 1504;
Reinecke, BB 2008, 168).
Wenn sie, wie hier, als allgemeine Geschäftsbedingungen betrachtet werden
müssen, unterliegen sie den Regeln der §§ 305 ff BGB.
Diesen halten die zitierten Bezugnahmen stand.
Insbesondere sind die Verweisungen auf die Tarifverträge keine überraschenden
Klauseln (§ 305 c Abs. 1 BGB) noch sind sie intransparent (§ 307 Abs.1 Satz 2
BGB). Weder aus ihrer äußeren Form noch ihrer inhaltlichen Gestaltung lässt sich
ein Überraschungsmoment ableiten. Die in Bezug genommenen Tarifverträge
werden in einem eigenen § 1 des Arbeitsvertrages erwähnt und später wiederholt.
Die Verweisung auf ein anderes Regelungswerk ist auch nichts Ungewöhnliches.
Sie ist dem geltenden Recht allgemein nicht fremd. Das Transparenzgebot
verlangt lediglich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so
genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten
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genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten
Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der
Vertragspartner von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (BAG vom
21. Oktober 2009 – 4 AZR 880/07 –, zitiert nach Juris; BAG vom 24. September
2008, NZA 2009, 154; BGH vom 05. November 2003, NJW 2004, 1598). Dies kann
hier nicht angenommen werden, wie der vorliegende Rechtsstreit augenfällig
beweist. Selbst wenn der Arbeitnehmer keine oder nur erschwerte Möglichkeiten
hat, die betreffende Regelung zu verstehen, führt dies nicht zur Intransparenz
i.S.d. Gesetzes. Sogar eine dynamische Verweisung ist als solche nicht
überraschend oder intransparent. Auch im tarifdispositiven Gesetzeswerk werden
Bezugnahmen auf nicht immer einfach zugängliche Tarifverträge allgemein als
zulässige Instrumente zur Regelung von Arbeitsbedingungen vorausgesetzt (vgl.
zum Beispiel § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB; § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG; § 14 Abs. 3 und 4
TzBfG; BAG vom 21. Oktober 2009, a. a. O.; BAG vom 24. September 2008, a. a.
O.; BAG vom 15. April 2008, NZA-RR 2008, 586; Preis, NZA 2010, 361).
Um eine solche dynamische Verweisung handelt es sich im vorliegenden Fall. Dies
hat schon das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet.
§ 1 des Arbeitsvertrages hebt die Mitgliedschaft der Beklagten im einschlägigen
Arbeitgeberverband hervor und stellt klar, dass dieser Arbeitsvertrag den zwischen
dem oben genannten Verband und der Gewerkschaft ver.di für das Bundesland
Hessen abgeschlossenen Tarifverträgen unterliegt. In den weiteren im Tatbestand
zitierten §§ wird auf die Bestimmungen des gültigen Landestarifvertrages
verwiesen und auf das Urlaubsgeld "gemäß Tarifvertrag". Dies kann nur als Verweis
auf den bzw. die jeweils gültigen einschlägigen Tarifverträge verstanden werden,
auch wenn die sonst verbreitete Formulierung des "jeweils gültigen Tarifvertrages"
oder etwas Sinnähnliches fehlt. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes, der die erkennende Kammer folgt, ist bei fehlender
Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug
genommenen Tarifvertrages – weil für die Arbeitnehmer günstiger – regelmäßig
anzunehmen, der Tarifvertrag solle in der jeweiligen Fassung gelten (BAG vom 18.
April 2007, NZA 2007, 965; BAG vom 17. Januar 2006, NZA 2006, 923; BAG vom
09. November 2005 – 5 AZR 128/05 –, zitiert nach Juris; Reinecke, a. a. O.; Preis, a.
a. O.; Giesen in Beck'scher Online-Kommentar zu § 3 TVG Randziffern 39, 40).
Verbleibende Zweifel schweigen endgültig im Blick auf § 7 des Arbeitsvertrages,
der die Anrechnung übertariflicher Verdienstbestandteile auf tarifliche
Entgelterhöhungen festlegt. Eine solche Klausel macht nur Sinn, wenn man bei
Abschluss des Arbeitsvertrages von späteren Tarifänderungen ausging, die auf das
Arbeitsverhältnis einwirken.
Vor diesem Hintergrund kann der konkreten Bezeichnung der Urlaubstage und des
Urlaubsgeldes im Arbeitsvertrag keine streitentscheidende Bedeutung zukommen.
Mit ihr sollte dem Kläger allein mitgeteilt werden, von welchen Urlaubsdaten er zur
Zeit des Vertragsabschlusses ausgehen konnte. Eine Festschreibung "für immer"
war damit nicht gewollt.
Auf die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der
Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen,
kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg berufen. Hierauf kann nur
zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung aller anerkannten
Auslegungsmethoden "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen
(BAG vom 21. Oktober 2009 – 4 AZR 880/07 –, zitiert nach Juris; BAG vom 10.
Dezember 2008, AP Nr. 40 zu § 307 BGB; BAG vom 17. Januar 2006, NZA 2006,
923). Derartige Zweifel sind, wie die oben vorgenommene Auslegung der
Bezugnahmeklausel zeigt, vorliegend nicht gegeben. Allein die entfernte
Möglichkeit, auch zu einen anderen Auslegungsergebnis zu kommen, genügt für
die Anwendung von § 305 c Abs. 2 BGB nicht (BAG vom 10. Dezember 2008, a. a.
O.).
Zudem scheitert die Anwendung dieser Vorschrift auf arbeitsvertragliche Klauseln,
die – wie hier – auf ein Tarifwerk Bezug nehmen, daran, dass die Frage der
Günstigkeit für den Arbeitnehmer nicht abstrakt und unabhängig von der jeweiligen
Fallkonstellation beantwortet werden kann. Schon bei einer hinsichtlich der
erfassten Tarifverträge unklaren statischen Verweisung kann die Anwendbarkeit
oder Unanwendbarkeit eines Tarifvertrages je nach der vom Arbeitnehmer
erstrebten Rechtsfolge für ihn günstig oder ungünstig sein, weil die Tarifverträge
als von den Tarifvertragsparteien gefundene Kompromisse meist nicht nur für die
Arbeitnehmer günstige, sondern auch ungünstige Regelungen enthalten. Ist
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Arbeitnehmer günstige, sondern auch ungünstige Regelungen enthalten. Ist
unklar, ob die vertragliche Verweisung auf einen Vergütungstarifvertrag statisch
oder dynamisch ist, wird man bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses
davon ausgehen können, dass eine dynamische Bezugnahme für den
Arbeitnehmer stets günstiger ist, weil die Vergütungserhöhung durch spätere
Tarifverträge die Regel ist und eine Vergütungsabsenkung kaum je vorkommen
wird. Ob dies auch für die vertragliche Verweisung auf einen Manteltarifvertrag
oder ein ganzes Tarifwerk angenommen werden kann, erscheint jedoch zweifelhaft.
Jedenfalls kann man die Frage der Günstigkeit nicht je nach der Art des streitigen
Anspruchs und des Zeitpunkts der Geltendmachung von Fall zu Fall
unterschiedlich beantworten und damit von Fall zu Fall zu unterschiedlichen
Auslegungsergebnissen hinsichtlich ein und derselben vertraglichen
Bezugnahmeregelung kommen (BAG vom 24. September 2008, NZA 2009, 154;
Preis, a. a. O.; a. A. Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, AGB-Kontrolle im
Arbeitsrecht, 2. Auflage, § 305 c Randnummer 43).
Eine weitere Inhaltskontrolle der einbezogenen – einschlägigen! – Tarifverträge
gemäß den §§ 310 Abs. 4 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 307 Abs. 3 BGB, wonach
Tarifverträge Rechtsvorschriften gleichstehen und nur Abweichungen von oder
Ergänzungen zu diesen kontrollfähig sind, hat sich das Gericht wegen der
verfassungsrechtlichen Garantien des Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz weitgehend zu
versagen. Die anzunehmende Gleichgewichtigkeit der Tarifpartner lässt bei der
Gesamtbetrachtung eines Tarifwerks eine ausgewogene, also auch die
Arbeitnehmerinteressen berücksichtigende Regelung vermuten. Die dann noch
verbleibende Prüfungspflicht auf einen Verstoß gegen die Verfassung,
höherrangiges Recht oder gegen die guten Sitten (BAG vom 06. September 1995,
NZA 1996, 473) führt im vorliegenden Fall auch nicht zu einem der Beklagten
nachteiligen Ergebnis. Irgendwelche tatsächlichen Gesichtspunkte für
entsprechende Verstöße sind vom Kläger nicht dargetan.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1
ZPO).
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
gez. Henkel
gez. Amend
gez. Wrobleswki
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.