Urteil des LAG Hessen vom 18.11.2009

LAG Frankfurt: leiter, dienstzeit, versorgung, umgestaltung, dringlichkeit, berufungskläger, öffentlich, baurecht, bankrecht, rechtsstaatlichkeit

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 1168/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 3 Abs 1 BeamtVÜV
(Betriebliche Altersversorgung - Aufbauhilfe -
ruhegehaltfähige Dienstzeit)
Leitsatz
Zur Frage der Verwendung eines Beamten aus dem früheren Bundesgebiet zum
Zwecke der Aufbauhilfe im Beitrittsgebiet (Leiter Fachbereich Nahverkehr bei Deutscher
... und Deutscher ...).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am
Main vom 28. April 2009 – 16 Ca 9366/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die drei Jahre, die er im Rahmen eines öffentlich-
rechtlichen Amtsverhältnisses zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Leiter eines
Fachbereichs bei der Hauptverwaltung der Deutschen ... tätig war, doppelt als
ruhegehaltsfähige Dienstzeit für seine von der Beklagten geschuldete Versorgung
zu berücksichtigen seien.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit als Leiter eines
Fachbereichs bei der Hauptverwaltung der Deutschen ... sei eine Verwendung zum
Zwecke der Aufbauhilfe im Sinne von § 3 Abs. 1 der Verordnung über
beamtenversorgungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit
Deutschlands (BeamtVÜV) gewesen. Ihm stehe deshalb statt der von der
Beklagten nach einem Ruhegehaltssatz von 73 v.H. berechnete Pension nach
Besoldungsgruppe B 6 eine solche nach einem Ruhegehaltssatz von 75 v.H. zu.
Der Kläger hat die Feststellung eines solchen Anspruchs ab 01. Juni 2006 verlangt
sowie Schadensersatz.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger gehöre nicht zu dem Personenkreis, für
den § 3 BeamtVÜV gelte. Es seien auch nicht die zeitlichen Voraussetzungen des
§ 3 BeamtVÜV erfüllt. Die Ergänzungen des Amtsvertrages, mit dem er zum Leiter
eines Fachbereichs bei der Hauptverwaltung der Deutschen ... ernannt wurde, sei
auch nicht zum Zwecke der Aufbauhilfe erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 28. April 2009, auf das
insbesondere zur Darstellung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die
Berufung erheblichen Daten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. November
2009 verwiesen.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt, dass
im arbeitsgerichtlichen Urteil Passagen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts
vom 10.06.1999 ohne sie als Zitat kenntlich zu machen verwertet worden seien.
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vom 10.06.1999 ohne sie als Zitat kenntlich zu machen verwertet worden seien.
Die vom Berufungskläger vorgebrachten Tatsachen seien nur unzureichend und
oberflächlich verwertet. Der Kläger sei bei der Mithilfe beim Aufbau neuer oder bei
der Umgestaltung von organisatorischen Strukturen bei der damaligen Deutschen
... eingesetzt worden. Die Verwaltung der Deutschen ... im Beitrittsgebiet habe zu
einem marktwirtschaftlichen System umgeformt werden müssen. Der Kläger sei
maßgeblich beim Aufbau neuer oder der Umgestaltung vorhandener
organisatorischer Strukturen innerhalb der Deutschen ... beteiligt gewesen. Das
stelle sich als Aufbauhilfe im Sinne des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV dar. Auch im Hinblick
auf die Rechtsstaatlichkeit seien die vorhandenen organisatorischen,
personalpolitischen und technischen Strukturen der Deutschen ... umzuformen
gewesen. Nach dem Einigungsvertrag sei das Verkehrsrecht der Bundesrepublik
Deutschland auf das Beitragsgebiet überzuleiten gewesen aus Gründen des
ordnungsgemäßen Funktionierens der Verwaltung, der Bürgerfreundlichkeit der
Verwaltung sowie des Bestandsschutzes für begünstigende Verwaltungsakte. Die
Aufgabe des Klägers habe darin bestanden, Aufbauhilfe im normativen Sinn dieser
Vorschrift zu leisten.
Die Tätigkeit des Klägers als Leiter des Bereichs ... bei der Hauptverwaltung der
Deutschen ... sei seit dem 01. Juni 1992 geprägt gewesen durch die Einführung der
für die Kunden im Beitrittsgebiet sichtbaren Maßnahmen, aber auch durch den
internen Aufbau von Strukturen im Bereich ... der Deutschen ..., die die Vorgabe
einer effektiven und rechtsstaatlichen Verwaltung erfüllten.
Angesichts der Dringlichkeit und des Umfangs der Aufgaben habe der Zeitaufwand
als Leiter des Bereichs ... bei der Deutschen ... mit drei Tagen pro Woche den
Zeitaufwand des Leiters des Bereichs ... bei der Deutschen ... überwogen. Der
Bürositz des Leiters des Bereichs ... bei der Hauptverwaltung der Deutschen ...
befand sich in Ost-Berlin, also im Beitrittsgebiet. Im Rahmen seines bis zum 26.
April 1996 befristeten Amtsverhältnisses als Leiter eines Fachbereichs bei der
Hauptverwaltung der Deutschen ... habe der Kläger ab 01. Januar 1994 bei der
Deutschen ... AG die Aufgaben des Vorsitzenden und des Leiters Betrieb im
Geschäftsbereich Traktion bei der Zentrale der Deutschen ... AG übernommen.
Seine Aufgaben hätten sich somit weiterhin auf das Beitrittsgebiet erstreckt.
Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf die Berufungsbegründung
vom 31. Juli 2009 (Bl. 123 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 28. April 2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main - 16 Ca 9366/08 - festzustellen, dass die Berufungsbeklagte
verpflichtet ist, an den Berufungskläger zukünftig Versorgungsbezüge nach einem
Ruhegeldsatz von 75 v.H. nach Besoldungsgruppe B 6 zur Auszahlung zu bringen
sowie die Differenzbeträge in Höhe von 2 v.H. der genannten Besoldungsgruppe
nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen
Fälligkeitsdatum, beginnend mit dem 01.06.2006 nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Tätigkeit des Klägers habe sich aus
der neuen Führungsstruktur im Vorfeld der Zusammenführung der beiden …
Deutschlands ergeben. Deswegen sei es erforderlich gewesen, die Strukturen der
... zu vereinheitlichen. Es sei keine Aufbauhilfe, wenn lediglich Strukturen der
Deutschen ... bei der Deutschen ... implementiert worden seien. Der Kläger sei
auch seit 1990 kein Beamter mehr gewesen sondern sei im Rahmen eines
Amtsverhältnisses tätig geworden. Die Vereinbarung zu Gehältern, Versorgung
usw. seien privatrechtlicher Natur gewesen. Das BeamtVÜV sei in den Verträgen
mit dem Kläger nicht erwähnt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird
auf die Berufungserwiderung vom 01.09.2009 verwiesen. Hinsichtlich des weiteren
Vorbringens des Klägers wird auf seinen Schriftsatz vom 05.10.2009 (Bl. 176 d. A.)
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden und die wesentlichen Rechtsfragen
umfassend erörternden Gründen des Arbeitsgerichts.
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Auf die Berufung ist zu ergänzen:
I.
Die Klage ist auch in der Form des in der Berufungsinstanz gestellten Antrags
zulässig. Hinsichtlich des Feststellungsinteresses wird auf das erstinstanzliche
Urteil verwiesen. Der Antrag ist insgesamt auszulegen als das Begehren,
festzustellen, dass dem Kläger ab dem 01.06.2006 Versorgungsbezüge nach
einem Ruhegeldsatz von 75 v.H. nach Besoldungsgruppe B 6 zustehen.
II.
Auch das Vorbringen in der Berufungsinstanz kann nicht zu einem Erfolg der Klage
führen.
1. Es kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass § 3
BeamtVÜV auch auf sein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis anzuwenden ist und
die Verweisung auf die beamtenrechtliche Versorgung im Amtsvertrag auch das
BeamtVÜV umfasst.
2. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV. Danach
wird die Zeit der Verwendung eines Beamten oder eines Richters aus dem
früheren Bundesgebiet zum Zwecke der Aufbauhilfe in dem Beitrittsgebiet doppelt
als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt, wenn sie ununterbrochen
mindestens ein Jahr gedauert hat.
a) Es fehlt schon daran, dass der Kläger die erforderliche Zeit im Beitrittsgebiet
verwendet wurde. Dafür genügt nicht, dass der Kläger ein Büro in Ost-Berlin hatte.
Daraus ergibt sich noch keine überwiegende oder der Tätigkeit das Gepräge
gebende Tätigkeit im Beitrittsgebiet. Es genügt nicht, dass Tätigkeiten, die nicht im
Beitrittsgebiet erbracht wurden für dieses nützlich war. Nach dem Zweck der
Regelung des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV sollten erfahrene und leistungsfähige Beamte
und Richter aus dem früheren Bundesgebiet für den Einsatz im Beitrittsgebiet
gewonnen werden, um eine funktionsfähige Verwaltung und Justiz sowie ein
marktwirtschaftliches System aufzubauen. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass
angesichts der Dringlichkeit und des Umfangs der Aufgaben der Zeitaufwand als
Leiter des Bereichs ... bei der Deutschen ... mit drei Tagen pro Woche den
Zeitaufwand des Leiters des Bereichs ... bei der Deutschen ... überwogen habe. Er
hat dies allerdings nicht näher substantiiert und nicht dargetan, dass er in diesem
Umfang im Beitrittsgebiet verwendet wurde.
b) Die zusätzliche Übertragung des Amts des Leiters des Fachbereichs ... bei der
Hauptverwaltung der Deutschen ... zusätzlich zu seinem bisherigen Amt als Leiter
des Fachbereichs ... bei der Hauptverwaltung der Deutschen ... war keine
Verwendung zum Zwecke der Aufbauhilfe. Auch die vom Kläger zweitinstanzlich
geschilderte Tätigkeit erfüllt nicht das Merkmal einer Verwendung „zum Zwecke
der Aufbauhilfe“. Sie diente der Zusammenführung der Struktur der Deutschen ...
und der Deutschen ... im Hinblick auf die geplante und bevorstehende
Zusammenfassung und Übergang zur privaten Deutschen ... XX. Der daraus sich
ergebende Zuwachs an Aufgaben, der Integration der Strukturen der Deutschen
..., stellt keine Aufbauhilfe im Sinne des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV dar
. Der Kläger hat
damit keine Tätigkeiten verrichtet, die dem Aufbau neuer oder der Umgestaltung
vorhandener, aber den Anforderungen einer rechtsstaatlichen und effektiven
Verwaltung oder Justiz nicht genügende organisatorischen Strukturen diente.
3. Danach kann dahinstehen, welche Zeit der Verwendung überhaupt in Betracht
käme. Wohl war der Kläger ab 01.06.1992 mit der Leitung des Fachbereichs ... bei
der Hauptverwaltung der Deutschen ... beauftragt - die Vertragsergänzung zum
Amtsvertrag von 1990 kam aber erst am 01. April 1993/17. April 1992 zustande
und die entsprechende Urkunde wurde dem Kläger erst am 27. April 1993
überreicht. Weiter war der Kläger mit der Gründung der Deutschen ... ab
01.01.1994 in deren Diensten als Vorsitzender und Leiter Betrieb im
Geschäftsbereich Traktion bei der Zentrale der Deutschen ... XX tätig. Auch wenn
seine Aufgaben sich weiterhin auf das Beitrittsgebiet erstrecken ist nicht dargetan,
dass über diesen Zeitpunkt hinaus überhaupt noch eine Verwendung im
Beitrittsgebiet und zur Aufbauhilfe erfolgte. Wie bereits oben ausgeführt kommt es
nicht darauf an, dass Tätigkeiten für das Beitrittsgebiet nützlich sind.
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III.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.