Urteil des LAG Hessen vom 23.05.2008

LAG Frankfurt: betriebsabteilung, betriebsstätte, abgrenzung, betriebsmittel, ware, werken, entschädigung, arbeitsgericht, begriff, betriebsrat

1
2
3
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 532/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 4 TVG, § 1 TVG
Betonsteingewerbe - selbständige Betriebsabteilung -
Tarifauslegung
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden
vom 25. Januar 2007 – 4 Ca 1046/06 – wird mit der Maßgabe kostenpflichtig
zurückgewiesen, dass die Beklagte Auskunft wie tenoriert hinsichtlich der
gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten des Werkes in E. zu erteilen hat.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu erteilen und
im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu leisten.
Die Klägerin ist die F.. Sie nimmt die Beklagte auf der Grundlage des
allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Verfahren der überbetrieblichen
Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe (Beton- und Fertigteilindustrie und
Betonsteinhandwerk) Nordwestdeutschlands vom 01. April 1986 (VTV) in der
Fassung vom 01. September 2004 auf Erteilung der im Tarifvertrag vorgesehenen
Auskünfte in zunächst zwei getrennten Verfahren, die vom Arbeitsgericht zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hinsichtlich
der gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten im Werk G. für den Zeitraum
Februar 2005 bis Mai 2006 sowie auf bedingte Entschädigungszahlung in Höhe von
etwa 80 % des Betrages, den die Beklagte an Beiträgen zu melden hat, in
Anspruch.
Die Beklagte ist ein Betrieb, welcher Betonwerksteine und Betonwaren herstellt
und vertreibt. Der Sitz der Hauptverwaltung der Beklagten liegt in H., Rheinland-
Pfalz. Die Beklagte unterhält mehrere Werke und Verkaufsbüros innerhalb ihres
Unternehmens in der BRD, so auch das Werk in I., J.. Ausweislich der
Gewerberegisterauskunft der Gemeinde K. vom 09. Oktober 2006 ist die
Betriebsstätte in L. mit folgender Tätigkeit gemeldet: Herstellung und Vertrieb von
Betonwaren, im Speziellen Bodenbeläge aus Betonwerkstein (vgl. Bl. 21 bis Bl. 22
d. A.). Das Werk in M. verfügt über eine eigene Postadresse, eine eigene Telefon-
und Faxnummer. In diesem Werk besteht ein Betriebsrat. Die im Werk N.
vorhandenen technischen Betriebsmittel stehen im Eigentum der O., welche diese
an die Beklagte verpachtet hat. Diese Firma nahm bis zum 31. Dezember 2003
am VTV teil und hat zu diesem Zeitpunkt ihr Gewerbe abgemeldet. Werksleiter im
Werk P. ist der Meister Q.. Der Meister R. ist für die technische Betreuung und für
die Überwachung der Produktionsmitarbeiter zuständig; ob ihm weitere Befugnisse
zustehen, ist zwischen den Parteien streitig. Er ist zugleich stellvertretender
Werksleiter im Werk in S. in T.. Hinsichtlich der weiteren in Deutschland befindlichen
Werke und Verkaufsbüros innerhalb des Unternehmens wird auf die Aufstellung Bl.
23 d. A. Bezug genommen. Die Buchhaltung für alle Werke und Verkaufsbüros
sowie die kaufmännische Verwaltung befindet sich zentral in U., wobei für die
einzelnen Werke Kostenstellen gebildet sind.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei hinsichtlich des Betriebes
S. auskunftspflichtig, da es sich um eine selbständige Betriebsstätte handele,
welche dem räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfalle. Die
Selbständigkeit der Betriebsstätte ergebe sich daraus, dass der Betrieb räumlich
weit vom Hauptsitz in V. entfernt sei und kein regelmäßiger wechselseitiger
Austausch von Arbeitnehmern stattfinde. Der Betriebsleiter in W. sei auch zu
Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern befugt und als leitender
Angestellter anzusehen. Die Betriebsstätte verfüge über eigene technische
Betriebsmittel. Ihr eigenständiger Betriebszweck bestehe in der Produktion von
Betonwaren.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu
erteilen,
1.1 wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches
Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Februar 2005 bis Mai
2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche
Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese
Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,
1.2 wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des sechsten
Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI)
versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – ausgenommen sind geringfügig
Beschäftigte im Sinn von § 8 des vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) – in
den Monaten Februar 2005 bis Mai 2006 in den Betrieb der Beklagtenseite
beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils
genannten Monaten angefallen sind,
2. für den Fall dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht
innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger
folgende Entschädigung zu zahlen:
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Betriebsstätte in X.
nicht um eine selbständige Betriebsabteilung handele, was sich aus Folgendem
ergebe: die Leitung dieser Betriebsstätte erfolge ausschließlich durch die
Verwaltung in Y. Herr Z. sei kein leitender Angestellter und habe an der letzten
Betriebsratswahl nicht teilgenommen. Einstellungen, Abmahnungen etc. erfolgten
durch die Personalabteilung und würden vom Werksleiter lediglich übergeben. Der
Werksleiter habe keine Personalhoheit, ihm obliege vor Ort lediglich die technische
Betreuung und Überwachung der Mitarbeiter.
Das Arbeitsgericht A. hat mit Urteil vom 25. Januar 2007 – 4 Ca 1046/06 – der
Klage stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, die Beklagte sei gemäß §§
6 und 7 des Tarifvertrages über das Verfahren der überbetrieblichen
Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe Nordwestdeutschlands vom 01. April
1986 (VTV) in der jeweils geltenden Fassung zur Erteilung der tarifvertraglich
vorgesehenen Auskünfte verpflichtet. Die Beklagte falle unter den betrieblichen
und mit dem Werk in B. auch unter den räumlichen Geltungsbereich des VTV,
welcher sich auf C. erstrecke. Bei der Betriebsstätte in D. handele es sich um eine
selbständige Betriebsabteilung im Tarifsinn. Eine Betriebsabteilung sei nach
allgemeinem Sprachgebrauch ein räumlich, personell und organisatorisch vom
Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der mit eigenen technischen
Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolge, der auch nur ein Hilfszweck
sein könne. Das zusätzliche tarifliche Merkmal der Selbständigkeit erfordere eine
auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische
Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen
Zweck. Ein ausschließlich eigener Betriebszweck sei nicht zwingend erforderlich, da
16
17
18
19
20
21
22
Zweck. Ein ausschließlich eigener Betriebszweck sei nicht zwingend erforderlich, da
ein Betrieb auch aus mehreren organisatorisch abgegrenzten Betriebsteilen
bestehen könne, die den gleichen arbeitstechnischen Zweck verfolgten. Die
Betriebsstätte der Beklagten in E. sei eine Betriebsabteilung, da in ihr mit den dort
eingesetzten Arbeitnehmern und eigenen Betriebsmitteln ein bestimmter
arbeitstechnischer Zweck, nämlich die Herstellung und der Vertrieb von
Betonwaren, verfolgt werde. Rechtlich sei es irrelevant, dass sich die Betriebsmittel
nicht im Eigentum der Beklagten befänden. Irrelevant sei darüber hinaus, dass in
F. der gleiche oder ein ähnlicher arbeitstechnischer Zweck verfolgt werde, wie in
anderen Betriebsstätten der Beklagten. Darüber hinaus sei in G. ein Werksleiter
eingesetzt, der jedenfalls für die technische Betreuung und Überwachung der
Mitarbeiter zuständig gewesen sei. Es handele sich auch um eine selbständige
Betriebsabteilung, da die Betriebsstätte räumlich weit von der Hauptverwaltung in
H. entfernt liege. Wegen der Entfernung spreche eine tatsächliche Vermutung
dafür, dass alle die Betriebsstätte in I. betreffenden täglichen Belange vor Ort
geregelt würden. Zwar habe die Beklagte in Abrede gestellt, dass der Werksleiter J.
die Befugnis zur Personalführung im Hinblick auf Einstellung, Entlassung,
Abmahnung, Urlaubsplanung etc. besessen habe, jedoch nicht ausdrücklich
bestritten, dass der Werksleiter zumindest im Rahmen des Auswahlverfahrens des
Personals beteiligt und bei der Entgegennahme der Urlaubsanträge und deren
Genehmigung eingebunden werde, was zur Annahme einer selbständigen
Betriebsabteilung ausreichend sei. Wäre dem Werksleiter vor Ort die selbständige
Einstellung und Entlassung übertragen worden und wäre darüber hinaus vor Ort die
eigenständige Buchführung für das Werk angesiedelt gewesen, so würde es sich
bei dem Werk nicht um eine selbständige Betriebsabteilung sondern um einen
eigenständigen Betrieb handeln.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 13. März 2007 zugestellt worden. Die Berufung
der Beklagten ist am 28. März 2007 und die Berufungsbegründung am 11. Mai
2007 bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht,
nicht auskunftspflichtig zu sein, da sich der Standort des Hauptbetriebes in K.
befinde und die Beklagte deshalb nicht unter den räumlichen Geltungsbereich des
Tarifvertrages falle. Sie behauptet, der Werksleiter L. sei nicht legitimiert,
Personalentscheidungen zu treffen. Am Auswahlverfahren bei Einstellungen sei er
nicht beteiligt gewesen. Die Entscheidung über die Einstellung eines
Arbeitnehmers habe allein der technische Leiter M. und der Personalleiter N. in der
Hauptverwaltung getroffen; bei Einstellungsverfahren sei der Werksleiter nur im
Hinblick auf Fachfragen hinzugezogen worden. Abmahnungen habe der Werksleiter
nicht aussprechen dürfen. Urlaubsanträge nehme der Werksleiter lediglich
entgegen und fertige einen Entwurf; der Urlaubsplan werde sodann vom
technischen Leiter O. genehmigt. Der Werksleiter P. überwache und betreue die
Mitarbeiter technisch und sei disziplinarischer Vorgesetzter wie ein
Abteilungsleiter, nicht jedoch wie ein Betriebsleiter. Die Betriebsstätte in Q. habe
auch keinen eigenen Betriebszweck, sondern diene dem Betriebszweck des
Hauptwerkes in R.. Die Rohstoffe würden zentral verhandelt und eingekauft, wobei
die Werksleiter die von ihnen benötigte Menge beim Lieferanten lediglich abriefen.
Die Betriebsstätte in S. verkaufe 50 % der im Werk produzierten Ware ab Werk,
ohne über ein eigenständiges Verkaufsbüro zu verfügen; der Verkauf würde über
das Verkaufsbüro in T. abgewickelt. Die weiteren 50 % der produzierten Ware
werde in andere Werke transportiert und dort verkauft, woraus sich ergebe, dass
im Werk U. kein eigenständiger arbeitstechnischer Zweck verfolgt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts V. vom 25. Januar 2007, Az.: 4 Ca 1046/06,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist weiterhin der Ansicht,
dass die Beklagte auskunftspflichtig sei, da das Werk und das Verkaufsbüro in W.
eine selbständige Betriebsabteilung darstellten, was sich aus Folgendem ergebe:
Wegen der räumlich weiten Entfernung würden alle kurzfristigen Entscheidungen
vor Ort getroffen. Das Werk verfüge über einen eigenen Zweck, da es die eigene
Ware vertreibe. Es verfüge über eigene Betriebsmittel und eigenes Personal, wobei
ein Arbeitnehmeraustausch zwischen den Werken nicht stattfinde. Das Werk
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
ein Arbeitnehmeraustausch zwischen den Werken nicht stattfinde. Das Werk
verfüge mit dem Meister X. über eine eigene Leitung, da er die dortigen
Arbeitnehmer betreue und überwache und bei der Personalauswahl und der
Urlaubsplanung beteiligt sei. Die Klägerin behauptet, dass der Werksleiter das
einzustellende Personal auswähle und befugt sei, Mitarbeiter abzumahnen. Auch
habe der Werksleiter Y. aus dem Werk in Z. als Vertreter des Werksleiters A. eine
Kündigung zurückgenommen. Unschädlich sei, dass die Hauptverwaltung in B. sich
"das letzte Wort" vorbehalte.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts C. ist gemäß §§ 8
Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch form- und
fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, denn der Klägerin stehen die
geltend gemachten Auskunftsansprüche gegen die Beklagte nebst bedingter
Entschädigung zu. Das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Das
Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung und macht
sie sich zu eigen, § 69 Absatz 2 ArbGG. Im Hinblick auf den ergänzenden Vortrag
der Parteien im Berufungsrechtszug ist Folgendes hinzuzufügen:
Als Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte kommt allein § 7 Abs. 2 und 3 VTV in Verbindung mit § 6 VTV in Betracht.
Danach ist der Arbeitgeber u. a. verpflichtet, der Kasse monatlich bis spätestens
zum 15. des folgenden Monats die dort genannten Auskünfte hinsichtlich der
gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten zu erteilen.
Da die Beklagte nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Parteien des VTV
ist, ist sie nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Allerdings war der VTV im
streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt worden, weshalb
die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 4 TVG erfassen.
Anspruchsgrundlage für den bedingten Entschädigungsanspruch ist § 61 Abs. 2
Satz 1 ArbGG. Danach ist, sofern das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer
Handlung ausspricht, der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall,
dass die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen wird, zur
Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden
Entschädigung zu verurteilen.
Die Ansprüche setzen voraus, dass der Betrieb der Beklagten im fraglichen
Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel. In § 1 Abs. 1 VTV wird
hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereiches u. a. auf das Gebiet der Länder D.
und E. verwiesen. In § 1 Abs. 2 VTV wird hinsichtlich des betrieblichen
Geltungsbereichs auf den Tarifvertrag über die überbetriebliche Zusatzversorgung
im Betonsteingewerbe Nordwestdeutschlands (TVZN) in der jeweils geltenden
Fassung Bezug genommen. In § 1 Abs. 2 TVZN ist hinsichtlich des betrieblichen
Geltungsbereichs unter Abschn. I u. a. Folgendes geregelt:
"Beton und Betonfertigteilwerke.
Hierunter fallen alle industriellen und handwerklichen Betriebe, die
Betonwaren, Stahlbetonwaren, Porenbetonerzeugnisse, Betonwerkstein und
Betonfertigbauteile aller Art stationär herstellen und diese zum überwiegenden Teil
an nicht beteiligte Dritte veräußern.
...
Als Betriebe gelten auch selbständige Betriebsabteilungen."
Zwar ist im Rahmen der Regelungen des räumlichen Geltungsbereichs nicht
danach differenziert, ob in den angegebenen Gebieten ein Betrieb oder eine
selbständige Betriebsabteilung liegt. Der räumliche Geltungsbereich des TVZN
erstreckt sich jedenfalls auf alle Betriebe, die in den genannten Ländern liegen. Im
Rahmen der Definition des betrieblichen Geltungsbereichs in § 1 Abs. 2 TVZN habe
die Betriebsparteien fingiert, dass selbständige Betriebsabteilungen als Betriebe
34
35
36
37
die Betriebsparteien fingiert, dass selbständige Betriebsabteilungen als Betriebe
gelten. Daraus ist zu schließen, dass auch dann, wenn im räumlichen
Geltungsbereich lediglich eine selbständige Betriebsabteilung unterhalten wird, der
TVZN hinsichtlich dieser selbständigen Betriebsabteilung anwendbar ist.
Bei dem Werk in F. handelt es sich um ein Betonwerk im Sinne von § 1 Abs. 2
Abschn. I Satz 1 TVZN. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass in diesem
Werk Betonwerkstein hergestellt wird. Es ist darüber hinaus davon auszugehen,
dass der Betonwerkstein entsprechend der Tarifbestimmung zum überwiegenden
Teil an nicht beteiligte Dritte veräußert wird. Zwar behauptet die Beklagte in der
Berufungsinstanz, dass 50 % der im Werk produzierten Ware ab Werk über ein
Verkaufsbüro in G. verkauft und weitere 50 % in andere Werke transportiert und
dort verkauft werde. Damit ergibt sich jedenfalls, dass die im Werk produzierte
Ware insgesamt letztlich an Dritte veräußert wird. Die tarifliche Regelung verlangt
nicht, dass diese Veräußerung durch den Betrieb bzw. durch die Betriebsabteilung
selbst vorgenommen werden muss. Die Regelung zur Veräußerung an nicht
beteiligte Dritte ist im Zusammenhang zu sehen mit dem folgenden Abschnitt, in
welchem geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen ein Herstellerbetrieb auch
dann unter den betrieblichen Geltungsbereich fällt, wenn die produzierte Ware
nicht an Dritte veräußert, sondern zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung
oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut wird.
Das Werk der Beklagten in H. ist eine selbständige Betriebsabteilung im Tarifsinn.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine Betriebsabteilung ein räumlich,
personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der
mit eigenen technischen Mitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch
nur ein Hilfszweck sein kann (BAG 28.09.2005 10 AZR 587/04 AP Nr. 278 zu § 1
TVG Tarifverträge: Bau). Das Werk in I. ist räumlich, personell und organisatorisch
vom Gesamtbetrieb abgrenzbar. In diesem Werk werden eigene Arbeitnehmer und
ein Werksleiter beschäftigt. Der Umstand, dass der Werksleiter und ggf. auch
weitere Arbeitnehmer in zeitlich beschränktem Umfang auch in anderen Werken
eingesetzt werden, ändert daran nichts. Das Werk verfügt über eigene technische
Betriebsmittel. Dieser Begriff dient der Abgrenzung. Maßgeblich ist insoweit, dass
die Arbeitnehmer in J. andere Arbeitsmittel einsetzen als zum Beispiel die
Arbeitnehmer im Hauptbetrieb oder den weiteren Werken der Beklagten in
Deutschland (BAG 21.11.2007 – 10 AZR 782/06 – Rn 33 n. v./juris). Die
Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der Betriebsmittel sind nicht maßgeblich. Das
Werk verfolgt mit der Produktion von Betonwaren einen eigenen Betriebszweck.
Auch dieser Begriff dient der Abgrenzung. Maßgeblich ist insoweit, dass der in der
Betriebsabteilung verfolgte Betriebszweck nicht Teil einer gemeinsamen
Zweckverfolgung zusammen mit anderen Betriebsabteilungen oder Betriebsteilen
ist (vgl. dazu auch Hess. LAG 18.12.2003 – 16 Sa 785/03 – Rn 43 n. v./juris). Der
eigene Betriebszweck, den die Betriebsabteilung in K. erfüllt, besteht in der
Herstellung von Betonwerksteinen. Dass dieser Betriebszweck auch in anderen
Werken verfolgt wird, steht dem nicht entgegen.
Das Werk in L. ist eine selbständige Betriebsabteilung. Nach der Rechtsprechung
des BAG bedeutet das Wort "selbständig" soviel wie eigenständig und unabhängig.
Erforderlich ist, dass eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und
organisatorische Abgrenzung sowie ein besonders ausgeprägter spezifischer
arbeitstechnischer Zweck besteht. Eine bloße betriebsinterne Spezialisierung der
Art, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmt Aufgaben versehen, genügt
für die Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung nicht. Eine selbständige
Betriebsabteilung liegt nicht vor, wenn die personelle und organisatorische
Abgrenzbarkeit fehlt, weil Arbeitnehmer je nach Auftragslage für unterschiedliche
Betriebszwecke eingesetzt werden. Eine selbständige Betriebsabteilung kann
dagegen vorliegen, wenn ein Arbeitgeber weit entfernt vom Betriebssitz eine
Niederlassung unterhält, von der aus er den Einsatz von Arbeitnehmern
koordiniert. In einem solchen Fall ist in der Regel die Voraussetzung einer nach
außen hin deutlich erkennbaren personellen, räumlichen und organisatorischen
Abgrenzung vom Gesamtbetrieb erfüllt (BAG 28.09.2005 – 10 AZR 587/04 – a. a.
O.).
Das Gericht unterstellt zu Gunsten der Beklagten, dass die Letztendscheidung bei
Einstellung, Kündigung, Abmahnung, Urlaubsplan etc., mithin die maßgebliche
Entscheidungskompetenz in sämtlichen personellen und sozialen Angelegenheiten
hinsichtlich der Arbeitnehmer des Werks in M. beim technischen Leiter N. und beim
Personalleiter O. liegt. Unstreitig ist darüber hinaus, dass die gesamte
kaufmännische Verwaltung einschließlich des Einkaufs der Rohstoffe für alle Werke
38
39
kaufmännische Verwaltung einschließlich des Einkaufs der Rohstoffe für alle Werke
in der Zentrale in P. abgewickelt wird. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass das
Werk in Q. eine selbständige Abteilung darstellt. Das Werk ist für einen
Außenstehenden räumlich und organisatorisch sowohl vom Hauptbetrieb wie auch
von sämtlichen anderen Werken der Beklagten abgegrenzt. Es verfügt über eine
eigene Postanschrift, Telefon- und Faxnummer. Der von ihm verfolgte spezifische
arbeitstechnische Zweck besteht in der Produktion von Betonwerkstein. Es liegt
keine bloße betriebsinterne Spezialisierung der Art vor, dass die Arbeitnehmer in
R. im Rahmen einer arbeitsteiligen Gesamtproduktion lediglich bestimmte
Aufgaben versehen. Der Werksleiter S. überwacht und betreut die Mitarbeiter vor
Ort technisch und ist ihr disziplinarischer Vorgesetzter. Die Beklagte geht selbst
davon aus, dass er zwar nicht wie ein Betriebsleiter, aber wir ein Abteilungsleiter
agiert. Von mehr als einer Abteilung, nämlich einer Betriebsabteilung ist vorliegend
auch nicht die Rede. Und schließlich ist mit dem BAG davon auszugehen, dass in
der Regel die Voraussetzung einer solchen nach außen deutlich erkennbaren
personellen, räumlichen und organisatorischen Abgrenzung vom Gesamtbetrieb
immer dann vorliegt, wenn die Betriebsteile räumlich weit voneinander entfernt
sind, wie es vorliegend der Fall ist. Und schließlich kann nicht unberücksichtigt
bleiben, dass im Betrieb in T. ein Betriebsrat besteht. Der Begriff der selbständigen
Betriebsabteilung ist zwar nicht identisch mit dem Begriff des Betriebsteils in § 4
Abs. 1 BetrVG. Jedoch zeigt der Umstand, dass die Beklagte vor Ort in U.
insbesondere hinsichtlich der personellen und sozialen Angelegenheiten mit dem
Betriebsrat entsprechend zu verhandeln hat, dass in V. eine organisatorisch
verselbständigte Einheit besteht. Dass der Betriebszentrale das Recht zur
Letztentscheidung in personellen und sozialen Angelegenheiten zusteht, steht
dem schon deshalb nicht entgegen, da Betriebsteile kündigungsschutzrechtlich
dem Hauptbetrieb zuzurechnen sind und etwa die Sozialauswahl
betriebsteilübergreifend durchzuführen ist (vgl. dazu BAG 20. August 1998 – 2 AZR
84/98 – NZA 1999, 255). Das setzt eine entsprechende Kompetenz in der
Betriebszentrale voraus.
Die Beklagte trägt die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels, § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.