Urteil des LAG Hamm vom 12.10.2007

LArbG Hamm: arbeit auf abruf, arbeitsgericht, wahlergebnis, anfechtbarkeit, gewerkschaft, geschäftsführer, betriebsrat, beschwerdekammer, hauptbetrieb, unternehmen

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 9/07
Datum:
12.10.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 9/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 1 BV 31/06
Schlagworte:
Anfechtung einer Betriebsratswahl; Wahlberechtigung und Wählbarkeit
von leitenden Angestellten; Berichtigung des Wahlausschreibens;
ordnungsgemäße Beschlussfassung des Wahlvorstands für
Berichtigung; Vollständigkeit der Wählerliste; Zulässigkeit einer
Briefwahl; Benachteiligung einer Vorschlagsliste durch Arbeitgeber;
Beeinflussung des Wahlergebnisses;
Normen:
§§ 5 Abs. 3, 7, 8, 18 a, 19, 20 BetrVG, §§ 3 Abs. 2 und 4, 4 Abs. 1, 8 Abs.
1, 15, 24 Abs. 3 WO
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.12.2006 - 1 BV 31/06 - wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
1
A
2
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
3
Die Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 22), ist ein Logistik-Unternehmen mit ca. 1.300
Arbeitnehmern. Sie ist zuständig für Dienstleistungen durch Zustellung der Zeitung "N1
W5" sowie weiterer Auftraggeber. Zum 01.06.2005 ist die Arbeitgeberin aus der "N4
W7" ausgegliedert und rechtlich verselbstständigt worden.
4
Bereits vor dieser Ausgliederung haben die Zeitungszusteller aufgrund eines
entsprechenden Tarifvertrages einen eigenen Betriebsrat gewählt.
5
Zur Vorbereitung der turnusmäßigen Betriebsratswahlen 2006 wurde vom amtierenden
Betriebsrat ein fünfköpfiger Wahlvorstand bestellt. Wahlvorstandsvorsitzende war die als
Zeugin benannte Mitarbeiterin C2 S9. Auf die Protokolle der Wahlvorstandssitzungen
vom 22.08.2005 (Bl. 218 ff. d.A.), vom 31.10.2005 (Bl. 227 ff. d.A.) und vom 06.01.2006
6
(Bl. 230 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Im Sitzungsprotokoll vom 06.01.2006 (Bl. 230 ff. d.A.) ist u.a. folgendes festgehalten:
7
"…
8
Top 3. Beschlussfassung über Einleitung der Wahl
9
Der Wahlvorstand fasste einstimmig in offener Abstimmung den Beschluss die
Betriebsratswahl mit dem Aushang des Wahlausschreibens, am 16.01.2006 um
12 Uhr, einzuleiten.
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Top 4. Beschlussfassung über Inhalt des Wahlausschreibens
11
Der Wahlvorstand fasste einstimmig, in offener Abstimmung den Beschluss,
dass das Wahlausschreiben (siehe Anlage) so ordnungsgemäß ist und
ausgehangen wird.
12
…"
13
In dem Wahlausschreiben vom 12.01.2006 (Bl. 169 ff. d.A.) war für die am 13.03.2006
vorgesehene Wahl des Betriebsrates, der aus 15 Mitgliedern bestand, unter Ziffer 5 die
schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) vorgesehen. Die Wahlunterlagen sollten allen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern rechtzeitig und unaufgefordert zugehen. Die
Frist für die Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste und für die Einreichung
von Wahlvorschlägen war auf den 30.01.2006, 18.30 Uhr, festgesetzt worden.
14
Das Wahlausschreiben vom 12.01.2006 wurde an alle Geschäftsstellen der
Arbeitgeberin sowie an sämtliche Mitarbeiter versandt.
15
Am 16.01.2006 wurde das Wahlausschreiben vom 12.01.2006 wegen der
unzutreffenden Fristen für die Einsprüche gegen die Wählerliste und für die Einreichung
von Vorschlagslisten berichtigt. Als neue Frist wurde in dem berichtigten
Wahlausschreiben vom 12.01.2006 (Bl. 15 ff. d.A.) der 26.01.2006, 18.30 Uhr, festgelegt.
16
Auch das berichtigte Wahlausschreiben wurde an alle Geschäftsstellen zwecks
Aushangs weitergegeben und an alle Mitarbeiter per Post versandt.
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Die Beschwerdekammer hat zu diesem Punkt die damalige Wahlvorstandsvorsitzende,
die als Zeugin benannte Mitarbeiterin C2 S9, im Anhörungstermin vom 07.09.2007
hierzu informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.09.2007
(Bl. 504 ff. d.A.) Bezug genommen.
18
Auf der Wählerliste für die am 13.03.2006 vorgesehene Betriebsratswahl waren u.a.
auch 11 sogenannte Außendienstmitarbeiter, die die Zustellbezirke mit jeweils etwa 100
Zustellern leiteten, als wahlberechtigte Arbeitnehmer aufgeführt. Ob diese 11
Außendienstmitarbeiter Leitende Angestellte sind und demzufolge nicht zu den
wählbaren und wahlberechtigten Arbeitnehmern gehören, ist zwischen den Beteiligten
streitig.
19
Die Betriebsratswahl vom 13.03.2006 wurde als Listenwahl durchgeführt. Insgesamt
20
kandidierten vier Listen (Bl. 21 d.A.), u.a. die Liste 2, die von der Gewerkschaft ver.di, die
im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten ist, geführt wurde. Die Listen 1, 3 und 4 waren
regional geordnet. Dabei führte die Liste 1 das Kennwort: "Stimmen für den Süden", die
Liste 3 das Kennwort: "B9 für B7" und die Liste 4 das Kennwort: "NordPower Lü-BO-Lö-
Bü". Mindestens fünf Außendienstmitarbeiter kandidierten für die Listen 1, 3 und 4.
Ob die Liste 2 u.a. bei der Wahlwerbung und im Wahlablauf durch die Arbeitgeberin
benachteiligt wurden, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Arbeitgeberin
beschuldigte ihrerseits im Wahlverfahren den Wahlvorstand, Adressenlisten allein an
die Gewerkschaft ver.di, die Beteiligte zu 1) des vorliegenden Verfahrens,
weitergegeben zu haben.
21
Nach Durchführung der Betriebsratswahl am 13.03.2006 wurde durch Aushang vom
22.03.2006 (Bl. 18 ff. d.A.) das Wahlergebnis bekannt gegeben. Von den abgegebenen
gültigen Stimmen entfielen auf die Liste 1 189 Stimmen, auf die Liste 2 211 Stimmen,
auf die Liste 3 163 Stimmen und auf die Liste 4 197 Stimmen. Die Listen 1, 2 und 4
erhielten vier Betriebsratssitze, die Liste 3 drei Sitze. Drei von 15 gewählten
Betriebsratsmitglieder waren Außendienstmitarbeiter. Der Außendienstmitarbeiter N2
wurde auf der konstituierenden Sitzung des Betriebsrates zum Betriebsratsvorsitzenden
gewählt.
22
Mit den am 04.04.2006 und 05.04.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen
leiteten die Antragsteller zu 1) bis 15) sowie die Antragsteller zu 16) bis 20) das
vorliegende Beschlussverfahren ein, mit dem sie die Anfechtbarkeit der
Betriebsratswahl vom 13.03.2006 geltend machten. Durch Beschluss vom 22.06.2006
(Bl. 155 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Beschlussverfahren zur gemeinsamen
Anhörung und Entscheidung verbunden.
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Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, dass die auf Wählerliste aufgeführten
Außendienstmitarbeiter aufgrund ihrer Stellung und ihrer Kompetenzen im Betrieb als
Leitende Angestellte gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen seien. Als Leitende
Angestellte seien sie weder wählbar noch wahlberechtigt gewesen. Die
Außendienstmitarbeiter seien disziplinarischer und fachlicher Vorgesetzter der ihnen
zugeordneten Zusteller. Jeder Außendienstmitarbeiter sei zuständig etwa für ca. 100
Zusteller/-innen. Er habe, so haben die Antragsteller behauptet, auch die Kompetenz zur
Einstellung der Mitarbeiter und auch zur Entlassung dieser Zusteller. Die
Außendienstmitarbeiter hätten eine herausragende Funktion im Unternehmen, sie
organisierten die Verteilung der "N4 W7" in ihrem Bereich. Sie könnten Vorschüsse
gewähren und hätten die Funktion eines Abteilungsleiters. Der Geschäftsführer der
Arbeitgeberin allein könne die Organisation in jedem einzelnen Zustellbereich gar nicht
regeln. Hierzu sei er auf die Mithilfe der Außendienstmitarbeiter angewiesen, die
weitgehende Weisungs- und Organisationsbefugnisse hätten.
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Die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl ergebe sich auch daraus, dass das
Wahlausschreiben vom 12.01.2006 unzutreffend wegen falscher Fristberechnung für die
Einreichung von Vorschlagslisten und für die Einsprüche gegen die Wählerliste
berichtigt worden sei. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, dass die
Berichtigung des Wahlausschreibens aufgrund eines ordnungsgemäß gefassten
Beschlusses des Wahlvorstandes beruht habe. Der Austausch des fehlerhaften
Wahlausschreibens sei lediglich auf Veranlassung des Geschäftsführers der
Arbeitgeberin erfolgt. Weder sei hierüber eine Beschlussfassung noch eine Abstimmung
25
im Wahlvorstand durchgeführt worden. Im Übrigen sei der Austausch des fehlerhaften
Wahlausschreibens nicht in allen Geschäftsstellen erfolgt. Nicht alle Zusteller hätten das
berichtigte Wahlausschreiben erhalten.
Die Antragsteller haben ferner die Auffassung vertreten, dass die generelle
Briefwahlanordnung nicht hätte erfolgen dürfen. Insoweit habe der Wahlvorstand gegen
§ 24 WO verstoßen. Die Voraussetzungen für eine flächendeckende Briefwahl hätten
nicht vorgelegen. Im Übrigen sei ein formeller Beschluss über die generelle
Briefwahlanordnung nicht gefasst worden. Wäre die Wahl ohne Briefwahl durchgeführt
worden, wäre die Wahlbeteiligung erheblich geringer ausgefallen, weil die Mitarbeiter
erhebliche Entfernungen zum Wahllokal hätten zurücklegen müssen.
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Schließlich haben die Antragsteller die Auffassung vertreten, dass die Arbeitgeberin
unberechtigt zu Lasten der Liste 2 Einfluss auf die Wahlen genommen habe. Die
Listenführer der Listen 1, 3 und 4 hätten Adressen sämtlicher Mitarbeiter von der
beteiligten Arbeitgeberin erhalten, die Listenführerin der Liste 2 hingegen nicht; diese
habe sich die Adressen selbst beschaffen müssen. Alle Mitarbeiter hätten ferner im
Rahmen der Betriebsratswahl Post von den Listen 1, 3 und 4 erhalten. Auch hieraus
ergebe sich, dass die Arbeitgeberin in unzulässiger Weise die Listen 1, 3 und 4
bevorteilt habe.
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Ferner habe die Arbeitgeberin sich auch an den Kosten der Wahlwerbung beteiligt.
Diese ergebe sich einmal aus der Herstellung von besonders auffälligen
Werbedruckmaßnahmen, so seien beispielsweise farbige Drucke für die Liste 3 erstellt
worden. Die Kosten hierfür habe die Arbeitgeberin übernommen. Darüber hinaus habe
auch am 13.03.2006 eine Wahlparty stattgefunden, auf der Speisen und Getränke
kostenlos serviert worden seien, die Finanzierung hierfür habe die Arbeitgeberin
übernommen.
28
Demgegenüber habe die Liste 2 die Finanzierung für ihre Wahlwerbung selbst
übernehmen müssen. Die Liste 2 hätte sich sämtliche Adressen der wahlberechtigten
Arbeitnehmer mühsam aus Telefonbüchern heraussuchen müssen. Die übrigen
Listenführer hätten über die Arbeitgeberin weitaus bessere Möglichkeiten gehabt.
Insoweit sei gegen den ungeschriebenen Grundsatz der Chancengleichheit der
Wahlbewerber verstoßen worden.
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Im Übrigen sei der Liste 2 durch die Arbeitgeberin vorgeworfen worden,
Adressenmaterial aus Beständen des Unternehmens an die Gewerkschaft ver.di zu
Zwecken der Wahlwerbung weitergegeben zu haben.
30
Die Antragsteller haben beantragt,
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festzustellen, dass die am 13.03.2006 durchgeführte Betriebsratswahl im
Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin unwirksam ist.
32
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt,
33
den Antrag zurückzuweisen.
34
Sie sind der Auffassung, dass die Betriebswahlwahl ordnungsgemäß abgelaufen sei
und Anfechtungsgründe nicht gegeben seien. Konkrete Tatsachen, die die Anfechtung
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rechtfertigen könnten, hätten die Antragsteller nicht vorgetragen. Ihr Vorbringen
beschränke sich auf pauschale Behauptungen und bloße Vermutungen.
Die Anfechtung der Betriebsratswahl könne nicht auf eine unrichtige Wählerliste gestützt
werden. Die Wählerliste sei zutreffend und laufend aktualisiert worden. Die im Betrieb
beschäftigten 11 Außendienstmitarbeiter seien keine Leitenden Angestellten, sondern
wahlberechtigte und wählbare Arbeitnehmer. Ihre Tätigkeit habe keine
unternehmerische Bedeutung, auch nicht in Bezug auf etwaige Personalmaßnahmen.
Die Außendienstmitarbeiter hätten auch keine herausgehobene Stellung im
Unternehmen, sie nähmen keine besonderen Führungsaufgaben wahr, die für den
Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von entscheidender Bedeutung seien.
Die Außendienstmitarbeiter seien auch nicht zur Einstellung und Entlassung der ihnen
unterstellten Zusteller/-innen befugt. Die Entscheidung über die Entlassung eines
Zustellers treffe der Geschäftsführer. Lediglich er korrespondiere mit dem Betriebsrat
und spreche ggf. Abmahnungen aus. Die einzelnen Zustellungsbezirke würden auch
nicht durch die Außendienstmitarbeiter, sondern durch den Geschäftsführer festgelegt.
Die Außendienstmitarbeiter hätten lediglich dafür zu sorgen, dass in ihrem Zustellbezirk
die Zeitung ordnungsgemäß zugestellt werde. Auch der Verdienst der
Außendienstmitarbeiter nach der Tarifgruppe TG 4 spreche nicht für eine Stellung der
Außendienstmitarbeiter als L7 Angestellter. Die Tarifgruppe TG 4 entspreche von der
Wertigkeit her der Funktion eines Sachbearbeiters.
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Die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl könne auch nicht mit der vom Wahlvorstand
durchgeführten Berichtigung des Wahlausschreibens vom 12.01.2006 begründet
werden. Die Berichtigung des Wahlausschreibens hinsichtlich der dort festgelegten
Fristen sei zu Recht erfolgt. Die ursprüngliche Fristsetzung auf den 30.01.2006 sei
unzutreffend gewesen. Das berichtigte Wahlausschreiben sei in allen Geschäftsstellen
ausgehängt worden. Im Übrigen sei es an alle 197 Mitarbeiter verschickt worden.
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Schließlich sei die Berichtigung auch aufgrund eines ordnungsgemäßen Beschlusses
des Wahlvorstandes durch Anweisung seiner Vorsitzenden erfolgt. Diese habe nämlich
durch Schreiben an alle Zustellerinnen und Zusteller auf den Berechnungsfehler
hingewiesen (Bl. 172 ff. d.A.).
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Auch die Durchführung der Betriebsratswahl als reine Briefwahl sei zulässig gewesen.
Sie beruhe auf dem Beschluss des Wahlvorstandes vom 22.08.2005 bzw. 06.01.2006.
Der Wahlvorstand habe ausdrücklich die Durchführung einer Briefwahl beschlossen.
Dies sei auch zulässig gewesen, weil keiner der Zusteller am Wahltag am Betriebsort im
Verlagsgebäude der N4 W7 in B7 tätig geworden sei. Ziel der Wahl sei es gewesen,
eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung herbeizuführen, um das Mandat des
Betriebsrats zu stärken. Dies sei kein Verstoß gegen Wahlvorschriften.
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Schließlich habe die Arbeitgeberin die Liste 2 auch nicht ungerechtfertigt benachteiligt
und nicht allein die Listen 1, 3 und 4 unterstützt. Die Arbeitgeberin habe keine
Adressenlisten an die Listenführer der Listen 1, 3 und 4 übergeben. Die Listenführer
hätten sich diese Adressen selbst besorgt. Wahlwerbung sei auch von der Liste 2 bzw.
der Gewerkschaft ver.di, der Beteiligten zu 1), betrieben worden. Die Arbeitgeberin habe
lediglich Rückfrage bei der Wahlvorstandsvorsitzenden genommen, nachdem sich
einige Mitarbeiter bei der Arbeitgeberin darüber beschwert hätten, dass sie
unaufgefordert Post von der Gewerkschaft ver.di erhalten hätten. Nachdem die
Listenführer der Listen 1, 3 und 4 davon erfahren hätten, dass die Gewerkschaft ver.di
40
Wahlwerbung an alle Mitarbeiter verschickt habe, hätten diese ebenfalls Wahlwerbung
an alle Zusteller verschickt. Dies sei alles ohne Zutun der Arbeitgeberin geschehen.
Die Arbeitgeberin habe auch keine Kosten für die Wahlwerbung für die Listen 1, 3 und 4
getragen.
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Durch Beschluss vom 14.12.2006 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Antragsteller
zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Gründe für eine Anfechtung der
Betriebsratswahl vom 13.03.2006 lägen nicht vor. Die Außendienstmitarbeiter seien zu
Recht als wahlberechtigte und wählbare Arbeitnehmer auf der Wählerliste geführt
worden, sie seien keine Leitenden Angestellten, weil sie keine erhebliche
Personalverantwortung trügen. Auch die Anordnung der Durchführung der
Betriebsratswahl als Briefwahl sei zulässig gewesen. Selbst wenn hierüber kein formell
wirksamer Beschluss des Wahlvorstandes vorgelegen habe, habe doch Einigkeit im
Wahlvorstand bestanden, dass durch Briefwahl gewählt werden sollte. Insoweit lägen
mindestens bestätigende Beschlüsse des Wahlvorstandes vor. Eine Anfechtung der
Wahl ergebe sich auch nicht aus dem ursprünglich fehlerhaften Wahlausschreiben. Das
Wahlausschreiben sei in zulässiger Weise wegen falscher Fristberechnung berichtigt
worden. Auch das berichtigte Wahlausschreiben sei ordnungsgemäß ausgehängt
worden. Schließlich liege kein Verstoß gegen die Chancengleichheit aller Listen vor,
eine Wahlbenachteiligung zu Lasten der Liste 2 sei nicht gegeben. Der Einwand der
Liste 2, sie habe von der Arbeitgeberin kein Adressenmaterial erhalten, reiche nicht aus.
Das Vorbringen der Antragsteller sei insoweit unsubstantiiert.
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Gegen den den Antragstellern am 22.12.2006 zugestellten Beschluss, auf dessen
Gründe ergänzend Bezug genommen wird, haben die Antragsteller am 18.01.2007
Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 21.02.2007
bzw. nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 22.03.2007 mit dem
am 22.03.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen begründet.
43
Die Antragsteller sind nach wie vor der Auffassung, dass die Außendienstmitarbeiter
Leitende Angestellte und demzufolge nicht wählbar bzw. nicht wahlberechtigt gewesen
seien. Die anders lautende Auffassung werde vom Arbeitsgericht nicht begründet. Der
Jahresverdienst der Außendienstmitarbeiter sei allein als absolutes Hilfskriterium nicht
entscheidend. Wieso es den Außendienstmitarbeitern an einer erheblicher
Personalverantwortung fehle, lege auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen
Beschluss nicht dar.
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Auch die generelle Briefwahlanordnung sei unzulässig gewesen. Insoweit fehle es an
einem ordnungsgemäßen Beschluss des Wahlvorstandes. Auch für die Vorbereitung
und Durchführung einer Betriebsratswahl durch den Wahlvorstand, der als
Kollegialorgan tätig werde, sei eine ordnungsgemäße und nachprüfbare Willensbildung
unerlässlich.
45
Selbst wenn ein ordnungsgemäßer Beschluss des Wahlvorstandes vorliege, hätte eine
flächendeckende Briefwahl nicht angeordnet werden dürfen, weil die Voraussetzungen
des § 24 Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG nicht vorgelegen hätten. Der
Wahlvorstand habe nicht davon ausgehen dürfen, dass alle Arbeitnehmer am Wahltag
voraussichtlich nicht im Betrieb sein würden. Allein mit den Zustellern seien nicht alle
Arbeitnehmer des Betriebes der Arbeitgeberin erfasst. So arbeiteten etwa die 11
Außendienstmitarbeiter in den jeweiligen Geschäftsstellen. Hinzu kämen noch
46
Mitarbeiter im Kundenservice, die in den Geschäftsstellen arbeiteten. Soweit der
Geschäftsführer der Arbeitgeberin im Anhörungstermin beim Arbeitsgericht vom
14.12.2006 eine anders lautende Angabe gemacht habe, müsse dies bestritten werden.
Auch die Berichtigung des Wahlausschreibens vom 12.01.2006 hinsichtlich der
Fristberechnung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Eine Berichtigung des ursprünglichen
Wahlausschreibens sei ohne ordnungsgemäßen Beschluss des Wahlvorstandes nicht
möglich. Insoweit seien die §§ 29, 33 BetrVG analog anzuwenden. Ohne
ordnungsgemäß gefassten Beschluss habe der Wahlvorstand das ursprüngliche
Wahlausschreiben nicht berichtigen dürfen. Ein derartiger Beschluss sei nicht gefasst
worden.
47
Im Übrigen müsse bestritten werden, dass das berichtigte Wahlausschreiben in allen
Geschäftsstellen ordnungsgemäß ausgehängt worden sei. Der Austausch der
Wahlausschreiben sei unstreitig nicht durch die Wahlvorstandsmitglieder erfolgt. Wer
wann in welcher Geschäftsstelle das Wahlausschreiben ausgetauscht habe und in
welcher Weise das berichtigte Wahlausschreiben bekannt gemacht worden sei,
entziehe sich der Kenntnis der Antragsteller, das Bestreiten mit Nichtwissen sei insoweit
zulässig.
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Im Übrigen liege, wie die Antragsteller zwischenzeitlich erfahren hätten, ein weiterer
Anfechtungsgrund vor. Die Wählerliste sei nämlich unvollständig gewesen, auch wenn
sie in gewissem Maße fortlaufend aktualisiert worden sei. Die in der Liste (Bl. 318 d.A.)
aufgeführten Mitarbeiter/-innen aus dem Bezirk L1/B3 O1 seien nicht in der zuletzt
aktualisierten Wählerliste vom 02.01.2006 (Bl. 319 ff. d.A.) enthalten. Sie seien auch
nicht bis zum Wahltag am 13.03.2006 in die Wählerliste aufgenommen worden.
Mindestens acht Mitarbeiter/-innen, nämlich die Mitarbeiter K9, S10, W6, O2, R4, M4,
K10 und L8 (Bl. 488 d.A.) seien nicht in der zuletzt aktualisierten Wählerliste enthalten.
Hinzu kämen weitere vier Mitarbeiter aus den Geschäftsstellen in B7 und G5, die nicht in
der Wählerliste aufgeführt worden seien. Hierbei handele es sich um die Mitarbeiter
B10, D9, J3 und C3.
49
Im Übrigen müssten diejenigen Mitarbeiter/-innen berücksichtigt werden, die regelmäßig
als Aushilfskräfte beschäftigt würden. Hierbei handele es sich um einen Personenkreis
in einem Pool, der bei Bedarf und beim Auswahl eines Zustellers von den jeweils
zuständigen Außendienstmitarbeitern angerufen werde, um kurzfristig eine Vertretung
zu übernehmen. Diese Mitarbeiter verrichteten faktisch gewissermaßen "Arbeit auf
Abruf" gemäß § 12 TzBfG. Sie seien mit den wahlberechtigten Arbeitnehmern
gleichzustellen, auch wenn sie Wahltag selbst nicht über einen formalen Arbeitsvertrag
verfügt hätten.
50
Die Antragsteller beantragen,
51
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.12.2006 – 1 BV 31/06 –
abzuändern und die Betriebsratswahl vom 13.03.2006 für unwirksam zu
erklären.
52
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragen,
53
die Beschwerde zurückzuweisen.
54
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und sind nach wie vor der Auffassung,
die Außendienstmitarbeiter hätten zu Recht auf der Wählerliste gestanden, da sie keine
Leitenden Angestellten seien. Sie hätten keine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis.
Sie verfügten auch nicht über eine Personalverantwortung von erheblicher
unternehmerischer Bedeutung. Alle diesbezüglichen Entscheidungen, wenn auch auf
Vorschlag der Außendienstmitarbeiter, treffe allein der Geschäftsführer der
Arbeitgeberin. Dies gelte nicht nur für Kündigungen, sondern auch für Abmahnungen
oder sonstige disziplinarische Maßnahmen.
55
Die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl ergebe sich auch nicht aus der angeordneten
Briefwahl. Die Betriebsratswahl werde seit Jahren im Betrieb der Arbeitgeberin als
Briefwahl durchgeführt, weil die Zusteller regelmäßig des Nachts arbeiteten und daher
zu den üblichen Geschäftszeiten grundsätzlich nie im Betrieb seien. Das gelte auch für
die Vertretungskräfte. Auch die sogenannten Außendienstmitarbeiter hielten sich
üblicherweise nicht im Betrieb, sondern in den räumlich entfernten unselbstständigen
Geschäftsstellen der Arbeitgeberin auf. Im Verlagsgebäude der Arbeitgeberin in B7
seien für den Zustellbezirk B7 lediglich sechs sogenannte Außendienstmitarbeiter tätig
sowie zwei Frühdienstkräfte. Dort befinde sich auch lediglich eine Abholstelle, von der
aus etwa sechs/sieben Zusteller des Nachts ihre Tätigkeit aufnähmen.
56
Andere Arbeitnehmer seien im Betrieb der Arbeitgeberin nicht vorhanden. Bei den
Mitarbeitern im Kundenservice handele es sich nicht, wie der Geschäftsführer der
Arbeitgeberin im Anhörungstermin beim Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, um
Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Aus welchen Gründen dieses Vorbringen des
Geschäftsführers der Arbeitgeberin unzutreffend sein solle, werde von den
Antragstellern nicht vorgetragen.
57
Die Antragsteller könnten sich auch nicht auf eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte
Berichtigung des Wahlausschreibens berufen. Die ursprüngliche Fristangabe im
Wahlausschreiben sei fehlerhaft gewesen. Diese fehlerhafte Frist sei anschließend
richtig berechnet und berichtigt worden. Diese Änderung rühre vom Wahlvorstand her.
Die Wahlvorstandsvorsitzende habe insoweit nicht eigenmächtig gehandelt. Das
berichtigte Wahlausschreiben sei auch allen Mitarbeitern per Post übermittelt und in den
einzelnen Geschäftsstellen ausgehängt worden. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich in
einer Geschäftsstelle zwei Wahlausschreiben nebeneinander befunden. Es sei auch
nicht die Annahme gerechtfertigt, dass ein Arbeitnehmer ganz konkret durch die
Berichtigung des Wahlausschreibens etwa an der Einreichung eines Wahlvorschlages
behindert worden wäre. Unstreitig sei auch innerhalb der längeren Frist kein weiterer
Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingegangen. Eine Beeinflussung des
Wahlergebnisses durch die Berichtigung der Frist für die Einreichung von
Wahlvorschlägen komme daher nicht in Betracht.
58
Schließlich sei auch nicht die Wählerliste fehlerhaft gewesen. Es müsse davon
ausgegangen werden, dass die Wählerliste vom Wahlvorstand zutreffend immer wieder
aktualisiert worden sei. Soweit sich die Antragsteller mit der Beschwerde darauf
beriefen, dass zahlreiche Mitarbeiter nicht in der Wählerliste aufgeführt seien, liege das
daran, dass sie am 02.01.2006 nicht Mitarbeiter der Arbeitgeberin gewesen seien. Bei
den von den Antragstellern aufgeführten Mitarbeitern handele es sich um reine
Aushilfskräfte. Diejenigen Mitarbeiter, die am 13.03.2006 in einem Arbeitsverhältnis zu
der Arbeitgeberin gestanden hätten, habe die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand
gemeldet. Insoweit macht die Arbeitgeberin zu der von den Antragstellern eingereichten
59
Liste (Bl. 318 d.A.) weitere Angaben (Bl. 405 ff. d.A.), auf die Bezug genommen wird.
Mindestens fünf Arbeitnehmer aus dieser Liste, die am 13.03.2006 in einem
Arbeitsverhältnis gestanden hätten, seien in der Wählerliste vorhanden gewesen.
Insoweit gebe es allenfalls sechs unklare Fälle, die aber keine Änderung des
Wahlergebnisses herbeigeführt hätten. Die Ein- und Austritte der jeweiligen Zusteller
seien dem Wahlvorstand bis zum Wahltag am 13.03.2006 vollständig gemeldet worden
(Bl. 477 ff. d.A.).
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen der Beteiligten
ergänzend Bezug genommen.
60
B
61
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.
62
Das Arbeitsgericht ist zu Recht in dem angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Wahl des Betriebsrates vom 13.03.2006 nicht anfechtbar ist.
63
I
64
Der von den Antragstellern gestellte Antrag ist zulässig.
65
1. Die Antragsteller verfolgen ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist
eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Wirksamkeit der
am 13.03.2006 durchgeführten Betriebsratswahl, § 19 BetrVG.
66
2. Die Antragsbefugnis der Antragsteller und die Beteiligung des gewählten
Betriebsrates und der Arbeitgeberin ergeben sich aus den §§ 10, 81, 83 Abs. 3 ArbGG
i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.
67
II
68
Die Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.
69
Die am 13.03.2006 durchgeführte Betriebsratswahl ist nicht nach § 19 BetrVG
anfechtbar. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend
ausgeführt.
70
1. Die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 13.03.2006 durch die Antragsteller ist form-
und fristgerecht erfolgt.
71
a) Die Antragsteller gehören zu dem nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG
anfechtungsberechtigten Personenkreis. Hiernach sind neben der Gewerkschaft und
dem Arbeitgeber auch mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer zur Anfechtung
einer Wahl berechtigt. Die Gewerkschaft ver.di, die Beteiligte zu 1), ist im Betrieb der
Arbeitgeberin vertreten. Bis zum Schluss des Anhörungstermins vor der
Beschwerdekammer waren auch mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer
vorhanden.
72
b) Der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 13.03.2006 steht auch nicht die
Versäumung der zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG
entgegen.
73
Unstreitig sind die Anträge der Antragsteller am 04.04.2006 bzw. am 05.04.2006 und
damit innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses
am 22.03.2006 beim Arbeitsgericht eingegangen. Auch wenn die Antragsteller
erstinstanzlich die Feststellung beantragt haben, dass die am 13.03.2006 durchgeführte
Betriebsratswahl unwirksam ist, ergibt sich hieraus nicht, dass die Antragsteller die
Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG versäumt hätten. Richtigerweise muss
zwar ein Antrag, mit dem eine Wahl eines Betriebsrates oder einer Personalvertretung
angefochten werden soll, dahin gehen, die Wahl für unwirksam zu erklären (BAG,
Beschluss vom 05.05.2004 – AP BetrVG 1972 § 3 WO Nr. 1; BAG, Beschluss vom
13.10.2004 – AP BetrVG 1972 § 2 WO Nr. 1). Die insoweit gestellten Anträge beim
Arbeitsgericht zielen hingegen auf die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl ab. Hieraus
ergibt sich aber nicht, dass die Antragsteller die Wirksamkeit der Betriebsratswahl
lediglich unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit überprüft wissen wollten. Der bloße
Wortlaut eines Antrags ist nämlich nicht für den Umfang eines Rechtsschutzbegehrens
entscheidend. Nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sind Anträge mit
dem Inhalt, eine Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, in aller Regel dahin
auszulegen, dass die Wahl unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt, d.h. sowohl der
Nichtigkeit als auch der Anfechtbarkeit, überprüft werden soll (BAG, Beschluss vom
24.01.1964 – AP BetrVG § 3 Nr. 6; BAG, Beschluss vom 28.04.1964 – AP BetrVG § 4
Nr. 3; BAG, Beschluss vom 22.10.1981 – 6 ABR 1/81 – n.v.; LAG München, Beschluss
vom 01.12.1999 – 7 TaBV 42/99 – n.v.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier,
BetrVG, 23. Aufl., § 19 Rz. 9; GK Kreutz, BetrVG, 8. Aufl., § 19 Rz. 91;
ErfKomm/Eisemann, 7. Aufl., § 19 Rz. 10 m. jeweils w.N.). Auch wenn die
Beschränkung eines Antrages auf die bloße Feststellung der Nichtigkeit einer
Betriebsratswahl grundsätzlich zulässig ist, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die
Unwirksamkeit der Betriebsratswahl unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geltend
gemacht werden soll.
74
So liegt der vorliegende Fall. Aus der Begründung der Antragsschriften der Antragsteller
ergibt sich insbesondere, dass die Antragsteller die Betriebsratswahl für anfechtbar,
nicht für nichtig gehalten haben. Auch das Arbeitsgericht hat die Anträge der
Antragsteller lediglich unter dem Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl
geprüft. Nichtigkeitsgründe sind von den Antragstellern zu keinem Zeitpunkt
ausdrücklich geltend gemacht worden. Die Beschwerdekammer hat daraufhin im
Anhörungstermin vom 07.09.2007 die Anträge der Antragsteller entsprechend gefasst.
75
2. Die Wahl des Betriebsrates vom 13.03.2006 ist nicht nach § 19 Abs. 1 BetrVG
unwirksam. Den Antragstellern steht ein Anfechtungsgrund nach § 19 Abs. 1 BetrVG
nicht zur Seite.
76
Gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden,
wenn gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder
das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei
denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst
werden konnte.
77
a) Die Anfechtung der Betriebsratswahl kann nicht darauf gestützt werden, dass 11
78
Außendienstmitarbeiter der Arbeitgeberin sowohl als wahlberechtigte Arbeitnehmer wie
auch als wählbare Arbeitnehmer teilgenommen haben.
Zwar kann grundsätzlich die Teilnahme von nicht wahlberechtigten oder wählbaren
Arbeitnehmern an einer Betriebsratswahl die Anfechtbarkeit der Wahl begründen. Die
Verkennung der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer nach § 7 BetrVG oder der
wählbaren Arbeitnehmer nach § 8 BetrVG kann zur Anfechtbarkeit einer
Betriebsratswahl führen (BAG, Beschluss vom 12.10.1976 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 5;
BAG, BAG, Beschluss vom 28.11.1977 – AP BetrVG 1972 § 8 Nr. 2; BAG, Beschluss
vom 29.06.1991 – AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 2; Fitting, aaO., § 19 Rz. 12 und 16; GK
Kreutz, aaO., § 19 Rz. 21 f., 23 f.; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 10. Aufl., §
19 Rz. 5 ff., 8 m.w.N.).
79
Die Zuordnung der sogenannten Außendienstmitarbeiter zu dem Kreis der
wahlberechtigten und wählbaren Arbeitnehmer im Sinne der § 7, 8 BetrVG ist aber nicht
offensichtlich fehlerhaft, § 18 a Abs. 5 Satz 3 BetrVG. Aus dem Vorbringen der
Antragsteller ergibt sich insbesondere nicht, dass die Außendienstmitarbeiter
offensichtlich Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG sind.
80
Die Außendienstmitarbeiter sind nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung
von im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt, § 5 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 BetrVG. Diese Berechtigung muss sich nicht nur auf die selbstständige
Einstellung von Arbeitnehmern beziehen, sondern auch auf die Entlassung von
Arbeitnehmern; eine der beiden Befugnisse reicht nicht aus (Fitting, aaO., § 5 Rz. 336;
DKK-Trümmner, aaO., § 5 Rz. 200 m.w.N.). Dass diese Einstellungs- und
Entlassungsbefugnis gemeinsam bei allen Außendienstmitarbeitern vorliegt, ergibt sich
aus dem Vorbringen der Antragsteller schon nicht. Dass ein Außendienstmitarbeiter im
Einzelfall der Geschäftsführung der Arbeitgeber entsprechende Vorschläge unterbreitet,
ist unzureichend.
81
Darüber hinaus fehlt es den Außendienstmitarbeitern auch an einer
Personalverantwortung von erheblicher unternehmerischer Bedeutung. Die von § 5 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG vorausgesetzte Personalverantwortung kann den Status als
Leitender Angestellter nur begründen, wenn ihr auch ein entsprechend bedeutsames
Aufgabengebiet zugrunde liegt, wenn sie von erheblicher unternehmerischer Bedeutung
ist. Diese erhebliche unternehmerische Bedeutung kann sich aus der Zahl der
betreffenden Arbeitnehmer oder aus der Bedeutung von deren Tätigkeit für das
Unternehmen ergeben (BAG, Beschluss vom 16.04.2002 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 69).
Entscheidend ist insoweit, ob die dem Betriebsrat zur selbstständigen Ausübung
zugewiesene Personalführungsbefugnis von hinreichender unternehmerischer
Relevanz ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass es sich um ein
Aufgabengebiet handelt, das wegen seiner unternehmerischen Bedeutung die
Zuordnung des Betroffenen zum Kreis der Leitenden Angestellten auch rechtfertigt
(Fitting, aaO., § 5 Rz. 338; ErfKomm/Eisemann, aaO., § 5 Rz. 32; GK Raab, aaO., § 5
Rz. 109; Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 5 Rz. 201 m.w.N.). Auch nach dem Vorbringen
der Antragsteller kann von einer derartigen erheblichen Personalverantwortung bei den
Außendienstmitarbeitern nicht ausgegangen werden. Die Außendienstmitarbeiter haben
keine herausragende Stellung im Unternehmen der Arbeitgeberin, die einen Status als
Leitender Angestellter rechtfertigen könnte. Sie organisieren lediglich die Zustellung
einer Tageszeitung in ihrem jeweiligen Bereich. Auch wenn eine Geschäftsstelle der
Arbeitgeberin mehr als 100 Zusteller umfasst, folgt hieraus allein noch nicht, dass die
82
Außendienstmitarbeiter Leitende Angestellte wären. Die bloße Weisungsbefugnis
gegenüber den Zustellern ist insoweit unzureichend. Ein bloßer Personalleiter, der
Entscheidungen der Geschäftsleitung vollzieht, scheidet aus dem Kreis der Leitenden
Angestellten aus (DKK Trümmner, aaO., § 5 Rz. 201; Fitting, aaO., § 5 Rz. 339 m.w.N.).
Aus den vorgenannten Ausführungen folgt zugleich, dass die Außendienstmitarbeiter
auch keine Leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG sind.
Sie nehmen keine Aufgaben wahr, die für den Bestand und die Entwicklung des
Unternehmens oder des Betriebes der Arbeitgeberin von Bedeutung sind und deren
Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt. Sie treffen keine
Entscheidungen, an denen die Geschäftsführung der Beklagten nicht vorbei gehen
könnte.
83
b) Die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 13.03.2006 kann auch nicht darauf gestützt
werden, dass eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern, Zustellern, sich zum Zeitpunkt
der Betriebsratswahl nicht auf der Wählerliste befunden hat und insoweit von der Wahl
ausgeschlossen worden ist.
84
Zwar kann grundsätzlich auch der Ausschluss von wahlberechtigten Arbeitnehmern von
der Teilnahme an einer Betriebsratswahl zur Anfechtung der Wahl führen. Nach dem
Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sind aber lediglich unstreitig 12
Mitarbeiter möglicherweise von der Teilnahme an der Betriebsratswahl vom 13.03.2006
ausgeschlossen gewesen. Ein Großteil der Mitarbeiter, die die Antragsteller im
Beschwerdeverfahren benannt haben (Liste Bl. 318 d.A.), war nach dem nicht
widerlegten Vortrag der Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl nicht als
Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin tätig. Bis zum Anhörungstermin vor der
Beschwerdekammer vom 07.09.2007 hat sich herausgestellt, dass möglicherweise
lediglich 12 Mitarbeiter, nämlich die im Schriftsatz der Antragsteller vom 03.08.2007 (Bl.
488 d.A.) genannten Mitarbeiter, nicht auf der zuletzt aktualisierten Wählerliste registriert
gewesen sind. Selbst wenn insoweit zugunsten der Antragsteller davon ausgegangen
wird, dass diese 12 Mitarbeiter zu Unrecht von der Teilnahme an der Betriebsratswahl
vom 13.03.2006 ausgeschlossen worden sind, rechtfertigt dies die Anfechtung der
Betriebsratswahl nicht. Der Ausschluss dieser Mitarbeiter hätte nämlich keine
Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt.
85
Nach § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften
dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv
weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob bei einer
hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung
der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG,
Beschluss vom 14.09.1988 – AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 1; BAG, Beschluss vom
31.05.2000 – AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12; BAG, Beschluss vom
05.05.2004 – AP BetrVG 1972 § 3 WO Nr. 1; BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – AP
BetrVG 1972 § 2 WO Nr. 1; BAG, Beschluss vom 25.05.2005 – AP BetrVG 1972 § 14 Nr.
2 m.w.N.). Die Teilnahme der möglicherweise zu Unrecht ausgeschlossenen 12
Mitarbeiter an der Betriebsratswahl vom 13.03.2006 hätte aber nicht zu einem anderen
Wahlergebnis geführt. Dies gilt selbst dann, wenn sämtliche 12 Mitarbeiter ihre Stimme
für die Liste 2 abgegeben hätten. Auf die Liste 2 wären dann statt 211 Stimmen 223
Stimmen entfallen. Bei 223 Stimmen zugunsten der Liste 2 wäre aber auf diese Liste
kein weiteres, fünftes Betriebsratsmandat entfallen. Insoweit würde sich nämlich nach
dem d’Hondtschen Höchstzahlensystem gem. § 15 WO lediglich eine Höchstzahl von
86
44,6 ergeben. Ein fünftes Betriebsratsmandat hätte die Liste 2 erst erreicht, wenn sie
insgesamt 237 Stimmen erhalten hätte; in diesem Fall würde sich nämlich für das fünfte
Mandat eine Höchstzahl von 47,4 ergeben. Nach dem Vorbringen der Antragsteller sind
jedoch lediglich 12 Mitarbeiter nicht an der Wahl beteiligt gewesen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen der Antragsteller,
wonach einige Mitarbeiter über kürzere Zeiträume hinweg mehrere Arbeitsverträge
abgeschlossen haben und beim Bedarf kurzfristig auch Vertretungen übernehmen. Dass
es sich in diesen Fällen um Arbeitsverhältnisse auf Abruf im Sinne des § 12 Abs. 1
TzBfG gehandelt hatte, ergibt sich aber aus dem eigenen Vorbringen der Antragsteller
nicht. Voraussetzung für das Vorliegen einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf ist
nämlich, dass eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit
festgelegt worden ist. Dies ist nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller nicht der
Fall. Die Antragsteller haben darüber hinaus auch nicht vorgetragen, um wie viel
Arbeitskräfte es sich insoweit handeln soll, sodass auch insoweit nicht festgestellt
werden kann, dass ein möglicher Ausschluss dieser Kräfte Auswirkungen auf das
Wahlergebnis gehabt hätte.
87
c) Ein Anfechtungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass das Wahlausschreiben
vom 12.01.2006 in nicht ordnungsgemäßer Weise berichtigt worden wäre.
88
Zwar können unzutreffende Fristen im Wahlausschreiben, etwa für die Einreichung von
Wahlvorschlägen (§ 3 Abs. 2 Nr. 8, § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO) oder für die Einlegung eines
Einspruches gegen die Wählerliste (§ 4 Abs. 1 WO), grundsätzlich auch zur
Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl führen. Richtig ist auch, dass das ursprüngliche
Wahlausschreiben nicht die durch die Wahlordnung festgelegten Fristen enthielt. Der
Wahlvorstand hat diesen Fehler jedoch zu Recht korrigiert und am 16.01.2006 ein
berichtigtes Wahlausschreiben herausgegeben.
89
Die Antragsteller stehen insoweit auch zu Recht auf dem Standpunkt, dass die
Änderung des Wahlausschreibens eines ordnungsgemäß gefassten Beschlusses des
Wahlvorstandes bedarf. Eine ohne formell wirksamen Beschluss des Wahlvorstandes
vorgenommene Berichtigung des Wahlausschreibens könnte zur Anfechtbarkeit der
Betriebsratswahl führen (Wiesner, FA 2007, 38, 39; Richardi/Thüsing, aaO., § 19 Rz.
34). Aus der Aussage der informatorisch angehörten Zeugin S9, der damaligen
Wahlvorstandsvorsitzenden, ergibt sich jedoch, dass der Wahlvorstand insgesamt einen
Beschluss gefasst hat, das Wahlausschreiben entsprechend zu berichtigen. Die
Berichtigung des Wahlausschreibens ist jedenfalls nicht aufgrund einer
Alleinentscheidung der Wahlvorstandsvorsitzenden erfolgt. Die Zeugin S9 hat
ausdrücklich bekundet, dass sie sich nach dem Hinweis durch den Geschäftsführer der
Arbeitgeberin auf die unzutreffenden Fristen im Wahlausschreiben mit ihren
Wahlvorstandskollegen ausführlich besprochen habe. Daraufhin habe man
beschlossen, ein berichtigtes Wahlausschreiben mit den Fristen 26.01.2006
auszuhängen.
90
Die Antragsteller können sich auch nicht darauf berufen, dass das berichtigte
Wahlausschreiben nicht ordnungsgemäß nach § 3 Abs. 4 WO bekannt gemacht worden
wäre. Unstreitig ist die Berichtigung an sämtliche Beschäftigten der Arbeitgeberin
versandt worden. Zudem hat der Wahlvorstand veranlasst, dass das berichtigte
Wahlausschreiben unverzüglich in den Geschäftsstellen ausgehängt wurde. Dass der
Aushang des berichtigten Wahlausschreibens nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, tragen
91
die Antragsteller auch selbst nicht substantiiert vor.
Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass ein etwaiger Fehler bei der
Berichtigung des Wahlausschreibens Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt
hätte. Nach dem 26.01.2006, der berichtigten Frist im Wahlausschreiben, eingehende
Einsprüche gegen die Wählerliste oder weitere Wahlvorschläge, die erst nach dem
26.01.2006 beim Wahlvorstand eingegangen wären, hätten wegen Fristablaufs
zurückgewiesen werden müssen. Im Übrigen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor,
dass irgendein Arbeitnehmer die Aufstellung einer weiteren Liste beabsichtigt hätte und
ausschließlich wegen der Verkürzung der Einreichungsfrist vom 30.01.2006 auf den
26.01.2006 hieran gehindert worden wäre.
92
d) Ein Anfechtungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass die Betriebsratswahl
generell im Wege der Briefwahl stattgefunden hat.
93
Zwar kann grundsätzlich die generelle Zulassung einer Briefwahl ohne Vorliegen der
Voraussetzungen des § 24 WO die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl begründen.
Eine Betriebsratswahl ist unwirksam, wenn sie für alle Arbeitnehmer als Briefwahl
durchgeführt wird, ohne dass die Voraussetzungen des § 24 WO erfüllt sind (LAG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.03.1999 – NZA-RR 1999, 523; für die Wahl der
Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat: BAG, Beschluss vom 27.01.1993 – AP BetrVG
1952 § 76 Nr. 29; Fitting, aaO., § 19 Rz. 22; DKK Schneider, aaO., § 19 Rz. 9; GK
Kreutz, aaO., § 14 Rz. 22 und § 24 WO Rz. 12; Richardi/Thüsing, aaO., § 24 WO Rz. 5).
94
Im vorliegenden Fall hat jedoch der Wahlvorstand ordnungsgemäß einen Beschluss
über die Durchführung der Betriebsratswahl als Briefwahl gefasst. Hierzu war der
Wahlvorstand nach § 24 Abs. 3 WO auch befugt.
95
Ein ordnungsgemäßer Beschluss des Wahlvorstandes über die Durchführung der
Betriebsratswahl vom 13.03.2006 als Briefwahl liegt entgegen der Rechtsauffassung der
Antragsteller vor. Ein derartiger Beschluss ist nämlich bereits im Wahlausschreiben
unter Ziffer 5. enthalten. Dort ist – wenn auch in kurzer Form – die schriftliche
Stimmabgabe (Briefwahl) angeordnet und darauf hingewiesen worden, dass die
Wahlunterlagen allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern rechtzeitig und
unaufgefordert zugehen. Dieses Wahlausschreiben ist auch aufgrund einer
ordnungsgemäßen Wahlvorstandssitzung am 06.01.2006 verabschiedet worden. Im
Protokoll der Wahlvorstandssitzung vom 06.01.2006 heißt es unter TOP 3, dass der
Wahlvorstand einstimmig den Beschluss gefasst hat, die Betriebsratswahl mit dem
Aushang des Wahlausschreibens einzuleiten. Darüber hinaus hat der Wahlvorstand
einstimmig den Beschluss gefasst, dass das Wahlausschreiben ordnungsgemäß ist und
ausgehangen wird (Top 4 des Protokolls der Wahlvorstandssitzung vom 06.01.2006).
Inwieweit diese Beschlussfassung unzureichend sein soll, erschließt sich aus dem
Vorbringen der Antragsteller nicht.
96
Die Durchführung der Betriebsratswahl vom 13.03.2006 in Form der Briefwahl war auch
nach § 24 Abs. 3 WO zulässig.
97
Hiernach kann der Wahlvorstand für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit
vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschließen.
98
Zwar ist nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 WO die Briefwahl nur bei räumlich weiter
99
Entfernung vom Hauptbetrieb möglich. Obwohl sich dieser Begriff mit der Formulierung
in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG deckt, hat er in § 24 Abs. 3 WO einen anderen
Bedeutungsgehalt, weil sonst insoweit eine Briefwahl nur bei solchen Betriebsteilen in
Betracht käme, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen.
Die Regelung in Abs. 3 des § 24 WO liefe weitgehend leer, weil räumlich weit entfernte
Betriebsteile im Sinne des § 4 BetrVG im Allgemeinen nämlich einen eigenen
Betriebsrat zu wählen haben. Der Begriff der räumlich weiten Entfernung im Sinne des §
24 Abs. 3 WO ist danach entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den
Arbeitnehmern die Beteiligung an der Betriebsratswahl zu erleichtern, in einem weiteren
Sinne zu verstehen. Entscheidend ist, ob es den Arbeitnehmern der außerhalb des
Hauptbetriebes liegenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe unter Berücksichtigung der
bestehenden oder gegebenenfalls vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden
zusätzlichen Verkehrsmöglichkeiten zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre
Stimme abzugeben (Fitting, aaO., § 24 WO Rz. 18; DKK/Schneider, aaO., § 24 WO Rz.
14; GK Kreutz, aaO., § 24 WO Rz. 12). Ob der Betriebsrat in derartigen Fällen entweder
in allen Betriebsteilen oder Kleinstbetrieben eigene Wahllokale einrichtet oder für die
beschäftigten Arbeitnehmer die schriftliche Stimmabgabe beschließt, hat danach der
Wahlvorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Hiernach kann die Entscheidung des Wahlvorstandes im vorliegenden Fall, für alle
Betriebsteile die schriftliche Stimmabgabe anzuordnen, nicht als ermessensfehlerhaft
angesehen werden. Die Besonderheit des Betriebes der Arbeitgeberin rechtfertigte es,
für alle Arbeitnehmer Briefwahl anzuordnen. Bei den wahlberechtigten Arbeitnehmern
handelte es sich nämlich weitaus überwiegend um Zusteller der Tageszeitung "N1 W5",
die ihre Tätigkeit des Nachts ausüben. Auch die Einrichtung von Wahllokalen in den
einzelnen Geschäftsstellen der Arbeitgeberin würde den Zustellern die Beteiligung an
der Betriebsratswahl nicht erleichtert haben. Hinzukommt, dass im Betrieb der
Arbeitgeberin auch bei früheren Betriebsratswahlen immer per Briefwahl gewählt
worden ist. Unter diesen Umständen hielt die Beschwerdekammer es nicht für
ermessensfehlerhaft, für sämtliche Mitarbeiter der Arbeitgeberin, auch für diejenigen, die
im Hauptbetrieb in B7 tätig waren, Briefwahl anzuordnen.
100
Die Antragsteller können sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen,
dass bei der Arbeitgeberin noch weitere 45 Mitarbeiter im Kundenservice tätig sind und
die Briefwahlanordnung aus diesem Grunde unzulässig gewesen wäre. Der
Geschäftsführer der Arbeitgeberin hat ausdrücklich im Anhörungstermin beim
Arbeitsgericht vom 14.12.2006 ausdrücklich zu Protokoll gegeben, dass diese 45
Mitarbeiter im Kundenservice nicht zum Betrieb der Arbeitgeberin gehörten, sondern zur
"N4 W7". Zu keinem Zeitpunkt haben sich diese Mitarbeiter auf der Wählerliste der
Arbeitgeberin befunden. Aus welchen Gründen die Angaben des Geschäftsführers der
Arbeitgeberin unzutreffend gewesen sein soll, erschließt sich auch für die
Beschwerdekammer nicht.
101
Damit verbleiben allein sechs sogenannte Außendienstmitarbeiter sowie zwei
Frühdienstkräfte, die im Hauptbetrieb der Arbeitgeberin ihre Tätigkeit verrichten. Die
Entscheidung des Betriebsrats, auch für diese Mitarbeiter die Teilnahme an der
Betriebsratswahl durch Briefwahl zu ermöglichen, statt für sie im Hauptbetrieb noch ein
Wahllokal einzurichten, überschreitet nach Auffassung der Beschwerdekammer das
dem Wahlvorstand zustehende Ermessen nicht.
102
Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass für die Mitarbeiter, die im
103
Hauptbetrieb in B7 ihrer Tätigkeit nachgehen, die Briefwahlanordnung nach § 24 Abs. 3
WO unzulässig gewesen wäre, hätte die vom Wahlvorstand getroffene
Briefwahlanordnung auch insoweit keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt.
Die Briefwahlanordnung wäre allenfalls für sechs Außendienstmitarbeiter und zwei
Frühdienstkräfte unzulässig gewesen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass möglicherweise zwölf wahlberechtigte Arbeitnehmer sich fehlerhaft nicht auf der
Wählerliste befunden haben und von der Teilnahme an der Betriebsratswahl vom
13.03.2006 ausgeschlossen gewesen sind, wär das Wahlergebnis bei insgesamt 20
wahlberechtigten Arbeitnehmern nicht in anderer Weise zugunsten der Liste 2
ausgefallen. Wie bereits ausgeführt, hätte die Betriebsratswahl vom 13.03.2006
zugunsten der Liste 2 erst ab einer Stimmendifferenz von 26 Stimmen Auswirkungen auf
das Wahlergebnis haben können.
e) Schließlich hat das Arbeitsgericht auch bereits zu Recht erkannt, dass die
Betriebsratswahl vom 13.03.2006 auch nicht wegen Benachteiligung der Liste 2 durch
die Arbeitgeberin anfechtbar ist.
104
Die Grundsätze geheimer, unmittelbarer, freier und allgemeiner Wahlen haben auch im
Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes Geltung. Nach § 20 Abs. 1 BetrVG darf
niemand die Wahl des Betriebsrates behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in
der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. § 20 Abs. 2
BetrVG bestimmt darüber hinaus ausdrücklich, dass niemand die Wahl des
Betriebsrates durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung
oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen darf. Die rechtswidrige Wahlbehinderung
oder Wahlbeeinflussung kann auch grundsätzlich zur Wahlanfechtung nach § 19
BetrVG führen, soweit durch diesen Verstoß das Wahlergebnis geändert und beeinflusst
werden konnte (BAG, Beschluss vom 04.12.1986 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 13; BAG,
Beschluss vom 06.12.2000 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 48; Fitting, aaO, § 19 Rz. 22;
GK/Kreutz, aaO, § 19 Rz. 31 m.w.N.).
105
Inwieweit aber die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall durch Zufügung oder Androhung
von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen die
Betriebsratswahl vom 13.03.2006 beeinflusst hat, geht aus dem Vorbringen der
Antragsteller nicht in ausreichender Weise hervor. Hierzu hat das Arbeitsgericht in dem
angefochtenen Beschluss entsprechende Ausführungen gemacht, auf die Bezug
genommen werden kann. Mit der Beschwerde sind von den Antragstellern hiergegen
keine neuen Eiwendungen erhoben worden. Allein das Vorbringen, die Liste 2 habe
sich für ihre Werbung die Adressen der Zusteller selbst besorgen müssen, wohingegen
die Arbeitgeberin die Adressen der Zusteller den Listen für ihren jeweiligen regionalen
Bereich zur Verfügung gestellt habe, reicht für die Annahme eines Verstoßes gegen die
Chancengleichheit nicht aus, insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass durch
einen etwaigen Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Unstreitig ist
nämlich, dass auch der Liste 2 eine Wahlwerbung gegenüber allen wahlberechtigten
Zustellern möglich gewesen und auch durchgeführt worden ist.
106
III.
107
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den
§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
108
Schierbaum Haase Himmelmann
109
/Bg
110