Urteil des LAG Hamm vom 26.05.2003
LArbG Hamm: wirtschaftliche einheit, betriebsmittel, betriebsübergang, werk, arbeitsorganisation, verfügung, lagerung, wirtschaftliche tätigkeit, firma, arbeitsgericht
Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 1317/02
Datum:
26.05.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
16 Sa 1317/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 3 Ca 3027/01
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 350/03
Schlagworte:
Betriebsübergang eines Gefahrstofflagers - Teilbetriebsübergang
Normen:
§ 613 a BGB
Leitsätze:
Auch ohne Übernahme des Personals stellt die Fortführung eines
Gefahrstofflagers einen Betriebsübergang dar, wenn die eingelagerte
Ware weiterhin vorhanden ist und die Arbeits-organisation im
Wesentlichen unverändert genutzt wird.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen.
Tenor:
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 07.04.2003
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Hackmann
sowie die ehrenamtlichen Richter Ebeler und Hesse
f ü r Recht erkannt :
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 13.06.2002 - 3 Ca 3027/01 teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis
als Kraftfahrer besteht.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
gez.: Hackmann
Ebeler
Hesse
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.) Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen
aufgrund eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
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Der am 01.02.13xx geborene Kläger war seit dem 25.10.1999 bei der Firma A4xxxxx
S2xxxxxxxx GmbH, der Streitverkündeten des vorliegenden Verfahrens, als Kraftfahrer
beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Arbeitsvertrag vom 25.10.1999 (Bl.
4 - 7 d.A.) zugrunde. Dieser enthält die Bestimmung, dass der Kläger als Kraftfahrer für
alle im Unternehmen betriebenen Verkehre eingestellt wird und sein Aufgabenbereich
auch alle Nebentätigkeiten einschließlich der Fahrzeugpflege umfasst. Zugleich
verpflichtet er sich, auch andere Tätigkeiten im Rahmen des Zumutbaren nach den
betrieblichen Bedürfnissen der Streitverkündeten in ihren verschiedenen Betriebsstätten
auszuüben. Der monatliche Verdienst des Klägers betrug zuletzt 3.700,-- DM brutto,
entsprechend 1.981,78 EUR.
2
Die Streitverkündete betrieb unter der Anschrift "A7 d3x K3xxxxxxxxx 31, 45xxx
B3xxxxx" eine Spedition. Räumlich hiervon getrennt in einer Entfernung von etwa 500 m
unterhielt sie unter der Anschrift "A7 d3x G4xxxxxxx" im Auftrag der Beklagten ein
Gefahrstofflager (im Folgenden: Gefahrstofflager G4xxxxxxx). Dieses errichtete sie,
nachdem sie aufgrund der Ausschreibung der Beklagten vom 16.07.1996 (Bl. 63 - 86
d.A.) den Zuschlag hierfür erhalten hatte. Mit Bescheid vom 02.11.1998 wurde ihr die
Erlaubnis zum Umgang mit und zur Lagerung von diversen Gefahrstoffen erteilt (Bl. 99 -
101 d.A.). Bei den für die Beklagte zu lagernden Gefahrstoffen handelte es sich u.a. um
Batterien, Bremsflüssigkeit, Öle und Fette, Frostschutz, Lacke und Farben sowie
Airbags. Neben der Lagerung dieser Gefahrstoffe hatte die Streitverkündete aufgrund
des Dienstvertrages vom 10.06.1998 die Vereinnahmung, Kommissionierung und den
Versand des Gefahrguts übernommen. Das Lager diente der Versorgung der für die
Beklagte tätigen Fahrzeughändler mit diesen Stoffen. Ursprünglich hatte die Beklagte
selbst diese Aufgabe in ihrem Werk III in B4xxxx durchgeführt. Nachdem 1994 eine
neue Verordnung für wassergefährdende Stoffe und Fachbetriebe erlassen worden war,
erfüllte diese Lagerung jedoch nicht mehr die festgelegten Anforderungen. Es gab
deshalb eine mit Auflagen verbundene Duldung der zuständigen Behörde von
11.10.1996 bis zur Entscheidung, wie weiter verfahren werden sollte. Das in B3xxxxx
durch die Streitverkündete errichtete Lager entsprach den gesetzlichen Anforderungen.
Darüber hinaus erfüllte es Brandschutzstandards, die die Beklagte aufgrund ihrer
Zugehörigkeit zu dem amerikanischen G5-Konzern gestellt hatte und die über das in
Deutschland übliche Maß hinausgehen.
3
In dem Gefahrstofflager der Streitverkündeten waren etwa 20 bis 25 Arbeitnehmer
beschäftigt. Der Kläger wurde dafür eingesetzt, Gefahrstoffe vom Lager zum Werk III
nach B4xxxx mit einem Lkw der Streitverkündeten zu verbringen. Ob er darüber hinaus
für andere Fahrten durch die Streitverkündete eingesetzt wurde bzw. andere Tätigkeiten
erbrachte, ist zwischen den Parteien streitig.
4
Nachdem es im Verlauf des Jahres 2001 zu großen Auftragsrückständen und zu
Unstimmigkeiten bei den abgearbeiteten Aufträgen gekommen war, die Beklagte die
tägliche Händlerversorgung jedoch weiterhin gewährleisten musste und es kurzfristig
nicht möglich war, eine freie und beziehbare, geeignete andere Lagerhalle anzumieten,
entschloss sich die Beklagte, die Gefahrstofflagerhalle der Streitverkündeten
anzumieten. Unter dem 07.08.2001 schlossen die Streitverkündete und die Beklagte
eine Vereinbarung, wonach der Dienstvertrag vom 10.07.1998 beendet und das
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Gefahrstofflager mit Wirkung ab dem 01.08.2001 an die Beklagte vermietet wurde.
Außerdem war die Durchführung einer Inventur vorgesehen und verpflichtete sich die
Streitverkündete ab dem 07.08.2001 für einen Zeitraum von 2 Wochen kostenlos pro
Schicht (10 Stunden) jeweils 2 ihrer Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, die die
Mitarbeiter der Beklagten in die Systeme der Lagerverwaltung einweisen sollten. Zu den
Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Bl. 41 - 42 d.A. verwiesen. Die
Streitverkündete hatte ein eigenes Lagerverwaltungssystem eingesetzt und ihre
Aufträge über eine Datenleitung vom Hauptsitz der Beklagten in R3xxxxxxxxx erhalten.
Von den weiteren Betriebsmitteln nutzte die Beklagte in der Folgezeit zwei
Seitenschubmastenstapler, einen Sitzstapler und zwei Handhubwagen. Einen weiteren
Stapler, drei Handameisen und die Spinde holte die Streitverkündete später ab. Von der
Büroeinrichtung der Streitverkündeten verblieben zwei Schreibtische bei der Beklagten.
Mitarbeiter der Streitverkündeten übernahm die Beklagte nicht. Ob und gegebenenfalls
in welchem Umfang das Lagerverwaltungssystem und die Datenleitung von der
Beklagten nach Anmietung des Gefahrstofflagers eingesetzt wurden, ist zwischen den
Parteien streitig. Gleiches gilt für die Frage, in welcher Weise der Transport der
Gefahrgüter von B3xxxxx zum Werk III der Beklagten in B4xxxx ab diesem Zeitpunkt
erfolgte. Die Aufgaben des Gefahrstofflagers erledigte die Beklagte ab dem 07.08.2001
mit eigenen Mitarbeitern.
Mit Schreiben vom 10.08.2001 (Bl. 45 d.A.) kündigte die Streitverkündete das
Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger zum 15.09.2001 und erklärte, dass der Kläger
ab Montag, dem 06.08.2001 von der Arbeit freigestellt worden sei. In dem wegen dieser
Kündigung beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen geführten Kündigungsschutzverfahren
erfuhr der Kläger im Gütetermin am 18.10.2001 von der Streitverkündeten, dass die
Beklagte möglicherweise als Betriebsübernehmerin in Betracht komme. Mit Schreiben
vom 22.10.2001 (Bl. 9 d.A.) machte er gegenüber der Beklagten die Beschäftigung und
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben
vom 30.10.2001 ab. Mit seiner am 07.11.2001 beim Arbeitsgericht Bochum
eingegangenen Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter. In einem weiteren
Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Bochum hat der Kläger auch gegenüber der Firma
K4xxxx-S2xxxxxxxx GmbH geltend gemacht, dass zwischen ihm und diesem
Unternehmen ein Arbeitsverhältnis bestehe, da dieses Unternehmen Transporte
zwischen dem Gefahrstofflager und dem Werk III der Beklagten durchführe. Seine Klage
ist insoweit rechtskräftig abgewiesen worden.
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Durch Urteil vom 13.06.2002 hat das Arbeitsgericht auch die vorliegende Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger an einem möglichen
Betriebsübergang des Gefahrstofflagers auf die Beklagte nicht teilgenommen habe. Er
sei diesem nicht zugeordnet, sondern im hiervon abgrenzbaren Transportwesen tätig
gewesen.
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Gegen dieses, ihm am 25.07.2002 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlich Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat der
Kläger am 19.08.2002 Berufung eingelegt und diese am 23.09.2002 begründet.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte führe seit dem 07.08.2001 die Transporte vom
Gefahrstofflager G4xxxxxxx zum Werk III in B4xxxx mit einem Lkw aus. Seine Tätigkeit
bei der Streitverkündeten habe keine betriebliche Teilorganisation dargestellt. Er habe
seinen Einsatz von der Leiterin des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx, der Frau H6xx,
erhalten. Seine Tätigkeit habe daraus bestanden, dass er bei Arbeitsaufnahme morgens
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um 6.00 Uhr bis 6.30 Uhr zunächst den Lkw beladen habe, die Teile hätten fertig für ihn
dort gestanden. Er habe diese Ware dann nach B4xxxx verbracht. Seine Tätigkeit hätte
ausschließlich aus dem Beladen des Lkw und der Fahrertätigkeit nach B4xxxx
bestanden. Er hätte vier Touren pro Tag abgewickelt. Bei seiner Abwesenheit sei ein
Vertreter eingesetzt worden, und zwar ein Mitarbeiter der Streitverkündeten. Im Lager
selbst habe er ab und zu mal abgepackt, insoweit eine Tätigkeit als Lagerarbeiter
ausgeführt. Immer dann, wenn Packer krank oder in Urlaub gewesen seien, sei es
besonders häufig vorgekommen, dass er, der Kläger, sich die Teile, die ausgefahren
werden sollten, selbst zusammengestellt hätte. Dies sei vor allem bei Batterien und
Kanistern mit Bremsflüssigkeit der Fall gewesen. Ferntouren habe er nicht
unternommen. Den Disponenten, der am Hauptsitz der Streitverkündeten "A7 d3x
K3xxxxxxxxx" nach seiner Kenntnis die Aufträge erteilt hätte, kenne er selbst nicht.
Ein Betriebsübergang hinsichtlich des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx von der
Streitverkündeten auf die Beklagte habe stattgefunden. Die Beklagte habe die Halle
einschließlich der Hochregale sowie der erstinstanzlich näher bezeichneten
Betriebsmittel übernommen und führe mit diesen Betriebsmitteln die exakt gleichen
Betriebsabläufe durch wie zuvor die Streitverkündete. Die eingesetzte Software spiele
insoweit eine untergeordnete Rolle. Eine irgendwie geartete Automatisierung des Ein-
und Ausräumens der Regalsysteme hätte nicht stattgefunden, die eingesetzte Software
hätte lediglich der Verwaltung der Lagerplätze der gelagerten Ware gedient.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28.10.2002 der Firma A4xxxxx S2xxxxxxxx GmbH
den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
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1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht mit dem
Inhalt, dass der Kläger als Kraftfahrer zu beschäftigen ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Kraftfahrer zu beschäftigen und an ihn
monatlich 1.891,78 EUR brutto ab August 2001 zu zahlen.
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Die Beklagte und die Streitverkündete beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie behauptet, der Kläger sei als Kraftfahrer organisatorisch der Speditionszentrale "A7
d3x K3xxxxxxxxx" zugeordnet gewesen und könne nicht mit den Lagerarbeitern im
Lager "A7 d3x G4xxxxxxx" gleichgesetzt werden. Nicht sie, sondern die Firma K4xxxx-
S2xxxxxxxx GmbH führe seit dem 07.08.2001 die Fahrten zu ihrem Werk III in B4xxxx
aus. Jedenfalls aber läge kein Betriebsübergang vor. Sie, die Beklagte, habe keine
Organisationsstruktur übernommen, insbesondere nicht die Software der
Streitverkündeten, sondern von Anfang an die Absicht gehabt, ihre eigene, bereits
vorhandene Software einzusetzen und dies auch so vollzogen. Unerheblich sei die
Vereinbarung vom 07.08.2001, da sie tatsächlich nicht die Software der
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Streitverkündeten, sondern ihre eigene Software benutze. Mit der Vereinbarung habe
nicht geregelt werden sollen, dass sie, die Beklagte, in die Computersysteme
eingearbeitet werde, damit diese Systeme weiter benutzt werden könnten. Die
Regelung sei vielmehr in die Vereinbarung wegen der chaotischen Zustände im Lager
in den Vertrag aufgenommen worden, damit sie das Lagergut auch auffinden und die für
die Übergabe erforderliche Restabwicklung des Dienstvertrages erfolgen konnte. In der
Praxis sei jedoch von der theoretisch angedachten Regelung abgewichen worden.
Wegen des bei ihr ohnehin vorhandenen Know how wäre eine Regelung, wonach sie in
die Computersysteme hätte eingearbeitet werden müssen, auch widersinnig gewesen.
Bei ihr habe bereits zuvor ein entsprechendes Warenwirtschaftssystem existiert. Ihr
eigenes Lagerverwaltungssystem hätte teilweise die gleichen Funktionen wie das der
Streitverkündeten gehabt. Man habe die entsprechenden Daten aus dem
Lagerverwaltungssystem der Streitverkündeten manuell überführen müssen, um zu
sehen, wo die Standorte (Location) des Lagerguts seien. Beide Systeme seien nicht
kompatibel. Das Programm der Streitverkündeten habe man am Montag, dem
18.08.2002, abgeschaltet. In den Tagen zuvor seien die Inventur durchgeführt und
Differenzen geklärt worden. Etwa 12.000 Positionen seien im Rückstand gewesen und
es habe ein Lieferrückstand von 3 bis 3 1/2 Wochen bestanden. Am 04.08.2003 habe
eine Vollinventur stattgefunden, bei der nicht auf den Datenbestand der
Streitverkündeten zurückgegriffen worden sei. Hierbei sei ihr spiegelbildlich zu dem der
Streitverkündeten benutztes Lagerverwaltungssystem, das WCS-System, aktualisiert
worden. In den ersten Tagen nach Fortführung des Lagers hätten sich Nachfragen bei
der Streitverkündeten bezüglich des Reserveortes von Waren ergeben. Diese
Nachfragen seien allein aus Gründen einer schnelleren Bearbeitung erfolgt, sie hätten
auch über ihr eigenes WCS-System erfolgen können, was jedoch längere Zeit in
Anspruch genommen hätte. Da jedoch das Lagerverwaltungssystem der
Streitverkündeten nicht immer korrekt gewesen und die Fehlerquote auch noch
zugenommen habe, habe man diese Verfahrensweise ab dem 13.08.2001 abgeändert
und von vornherein in ihrem Werk III in B4xxxx angerufen, um fragliche Reserveorte
einer Ware auffinden zu können. Etwa Mitte bis Ende August habe sie sodann vor Ort im
Lager G4xxxxxxx eine eigene WCS-Station eingerichtet. Hieraus ergebe sich, dass sie
keinen Datenbestand der Streitverkündeten übernommen habe. Sie, die Beklagte, habe
lediglich eine Gefahrstofflagerhalle angemietet und das EDV-System nicht
übernommen.
Die Streitverkündete schließt sich den Ausführungen der Beklagten an, trägt jedoch vor,
dass es bei ihr geordnet und ordnungsgemäß zugegangen sei. Das EDV-System habe
zu jeder Zeit ein Abbild der eingelagerten Ware dargestellt.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen C2xxx,
K5xxxxxx, S5xxxxxx, S6xxxxxx und M1xxxxxxxx. Die Parteien haben sich mit der
Verwertung der Aussage des vor der 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts
vernommenen Zeugen S3xxxxxxx, des Geschäftsführers der Streitverkündeten,
einverstanden erklärt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das
Terminsprotokoll vom 07.04.2003, die Aussage des Zeugen S3xxxxxxx im Protokoll der
8. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 06.02.2003, das von der Beklagten zur
Gerichtsakte gereicht worden ist, zum weiteren Sachvortrag der Parteien im
Berufungsverfahren auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
19
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20
Der Rechtsstreit war hinsichtlich des Feststellungsantrages entscheidungsreif, so dass
gemäß § 301 ZPO Teilurteil zu erlassen war. Eine Entscheidung über den Antrag zu 2),
mit dem der Kläger, wie er vorträgt, die Nachzahlung von Arbeitsentgelt begehrt, war
dagegen nicht möglich, da insoweit eine ordnungsgemäße Antragstellung nicht vorliegt.
Auch das im Antrag zu 2) ebenfalls enthaltene Beschäftigungsbegehren bedarf der
Präzisierung. Da es bisher an entsprechenden gerichtlichen Auflagen fehlt, ist ihm
Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen.
21
Zwischen den Parteien ist aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz
1 BGB ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Es liegt bezüglich des Gefahrstofflagers
G4xxxxxxx ein Betriebsübergang vor (I). Der Kläger ist diesem Betrieb zuzuordnen,
seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer hat er nicht im Rahmen eines Betriebsteils ausgeübt (II).
Seine aufgrund des Betriebsübergangs begründeten Ansprüche hat der Kläger auch
rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht, sie sind nicht verwirkt (III).
22
I
23
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist am 08.08.2001 durch Betriebsübergang auf die
Beklagte übergegangen.
24
Durch die Fortführung des Gefahrstofflagers "An der G4xxxxxxx" hat die Beklagte
diesen Betrieb von der Streitverkündeten übernommen.
25
1) Nach neuerer ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt der
Betriebsübergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit
voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen
und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit
eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen
sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt
werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des
betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung,
die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der
Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der
Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit
zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer
eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße
Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen
Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren
Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden
Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt
je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden
unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des BAG im Anschluss an das
Urteil des EuGH vom 11.03.1997 - Rs C - 13/95 - NZA 1997, 433; vgl. beispielhaft das
auch von den Parteien zitierte Urteil des BAG vom 29.06.2000 - 8 AZR 520/99 - zit. nach
JURIS; zuletzt BAG vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - NZA 2003, 93 m.w.N.).
26
2) Im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nimmt auch das
Bundesarbeitsgericht an, dass in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die
menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine
27
gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen
kann. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht
nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde
wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei seiner
Tätigkeit eingesetzt hat. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch den
Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (BAG vom
11.12.1997 - 8 AZR 426/94 - NZA 1998, 532).
3) Im Streitfall hat die Beklagte kein Personal der Streitverkündeten übernommen.
Anhand dieses Kriteriums kann ein Betriebsübergang demnach nicht festgestellt
werden. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Streitverkündete mit der Führung des
Gefahrstofflagers in ihrem Auftrag im Wesentlichen Dienstleistungen für sie erbracht
habe, so dass die fehlende Übernahme des Personals maßgeblich gegen einen
Betriebsübergang spreche. Diese Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Die
Führung des Gefahrstofflagers ist wesentlich an sächliche Betriebsmittel gebunden, wie
die Lagerhalle und das Regalsystem als solches, das zudem den Anforderungen eines
Gefahrstofflagers entsprechen muss. Benötigt werden des weiteren Hilfsmittel, wie
betriebliche Transportfahrzeuge. All diese sächlichen Mittel sind nicht von
untergeordneter Bedeutung, sie bilden vielmehr die Grundlage für die Führung dieses
Lagers. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fortführung des
Gefahrstofflagers ohne Übernahme des Personals der Streitverkündeten von vornherein
eine bloße Funktionsnachfolge darstellt. Es ist vielmehr anhand der oben im Einzelnen
angegebenen Kriterien zu ermitteln, ob ein Betriebsübergang vorliegt.
28
a) Durch die Anmietung der Lagerhalle mit dem dazugehörigen Regalsystem von der
Streitverkündeten hat die Beklagte ein sächliches Betriebsmittel übernommen, ohne das
ihr die Fortführung dieses Lagers nicht möglich gewesen wäre. Vor der Vereinbarung
mit der Streitverkündeten vom 07.08.2001 besaß die Beklagte aufgrund des
Dienstvertrages vom 10.06.1998 zwar Zutrittsrechte und Kontrollbefugnisse, jedoch
keine Berechtigung hinsichtlich der im Eigentum der Streitverkündeten befindlichen
Lagerhalle. Diese wurde ihr erst mit dem Mietvertrag eingeräumt. Die bis dahin der
Streitverkündeten zur eigenwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehenden
Betriebsmittel wurden nunmehr der Beklagten, ebenfalls zur eigenwirtschaftlichen
Nutzung, überlassen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der der
oben zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2000 zugrunde lag
und in dem es auch um Kommissioniertätigkeiten ging, die der frühere Arbeitgeber für
die Beklagte des dortigen Rechtsstreits erbracht hatte. Dem Fall des
Bundesarbeitsgerichts lag die Besonderheit zugrunde, dass diese Dienstleistung an
fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume erbracht wurde, ohne dass
dem Auftragnehmer die Befugnis eingeräumt war, über Art und Weise der Nutzung der
Betriebsmittel im eigenwirtschaftlichen Interesse zu entscheiden. Im vorliegenden Fall
stand die Lagerhalle jedoch im Eigentum der Streitverkündeten, die sie zur Erfüllung
ihres Auftrages gegenüber der Beklagten einsetzte.
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b) Allerdings kann die Übernahme der Lagerhalle als solche einen Betriebsübergang
entgegen der Ansicht der Berufung nicht begründen. Von großer Bedeutung ist jedoch
der besondere Zweck, für den diese Lagerhalle errichtet wurde und für den sie genutzt
werden sollte, nämlich die von der Beklagten benötigten Gefahrstoffe zu lagern. Die
insoweit erteilte öffentlich-rechtliche Erlaubnis sowie das spezifisch an den
Bedürfnissen der Beklagten, einschließlich besonderer Brandschutzmaßnahmen
ausgerichtete Gebäude, bildete die Grundlage für die Fortführung des Gefahrstofflagers
30
G4xxxxxxx durch die Beklagte. Dieses war nicht beliebig austauschbar. Die Beklagte
selbst hat denn auch darauf hingewiesen, dass, obwohl andere Lagerhallen
grundsätzlich zur Verfügung gestanden hätten, die Art des Geschäfts den Wechsel von
heute auf morgen unmöglich gemacht hätte.
Dennoch konstituiert die Nutzung der besonderen Anforderungen entsprechenden
Lagerhalle für sich allein keine wirtschaftliche Einheit - es fehlt an einer organisierten
Gesamtheit von Personen und Sachen. Vielmehr steht lediglich ein wenn auch
bedeutendes Betriebsmittel zur Verfügung, mit dem die wirtschaftliche Tätigkeit mit
eigener Zielsetzung ausgeübt werden kann. Diese bestand im Streitfall auch nicht allein
aus der Lagerung der Gefahrstoffe, sondern zunächst aus der Einnahme, dann aus der
Lagerung und schließlich der Kommissionierung und dem Versand der Ware. Hierfür ist
aber nicht nur auf die vorhandenen sächlichen Mittel abzustellen. Aus diesem Grund
spielen die von der Beklagten unstreitig übernommenen weiteren sächlichen Mittel wie
die zwei Seitenschubmastenstaplern, der eine Sitzstapler und die zwei Handhubwagen
keine Rolle. Hieraus folgt zugleich, dass der fehlenden Übernahme der kompletten
Büroeinrichtung, soweit diese aus Büromöbeln oder auch der Hardware der EDV-
Einrichtung besteht, kein entscheidendes Gewicht zukommt. Es handelt sich hierbei um
leicht austauschbare Arbeitsmittel.
31
c) Ein weiterer wesentlicher Umstand, der für einen Betriebsübergang spricht, ist jedoch,
dass das Gefahrstofflager mit Waren gefüllt war. Richtig ist zwar, dass sich die gelagerte
Ware, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Umfang Eigentumsvorbehalte
vorlagen, jedenfalls im Wesentlichen im Eigentum der Beklagten befand. Durch die
Übergabe des Gefahrstofflagers an die Beklagte hat die Streitverkündete dieser den
unmittelbaren Besitz, damit die Zugriffsmöglichkeit eingeräumt. Hierdurch wurde es der
Beklagten ermöglicht, die vorhandenen und unbearbeitet gebliebenen Aufträge
abzuarbeiten sowie sofort mit der Bearbeitung neu eingehender Aufträge zu beginnen.
Hätte die Beklagte andere Räumlichkeiten übernommen, so hätte sie diese Tätigkeit
zumindest so lange unterbrechen müssen, bis zumindest ein Teil der vorhandenen
Ware dorthin verbracht oder das neue Lager auf andere Weise mit Waren gefüllt worden
wäre. Wesentliches Anliegen der Beklagten war es, die tägliche Händlerversorgung zu
gewährleisten. Wenn die längere Dauer der Unterbrechung einer betrieblichen Tätigkeit
der Annahme eines Betriebsübergangs entgegenstehen kann (BAG vom 22.05.1997 - 8
AZR 101/96 -), so kann dem Ziel der ununterbrochenen Fortführung der betrieblichen
Tätigkeit ein auf einen Betriebsübergang hindeutender indizieller Wert zukommen. Erste
Voraussetzung hierfür war, dass die Beklagte Zugriff auf das Gefahrstofflager und die in
diesem vorhandenen Waren bekam.
32
d) Auch wenn das Gefahrstofflager und die darin vorhandene Ware die Grundlage für
die Fortführung des Betriebs durch die Beklagte darstellte, so wird durch das
Vorhandensein dieser sächlichen Betriebsmittel noch keine wirtschaftliche Einheit
geschaffen. Insoweit fehlt es an einer Organisationsstruktur, die sich der Übernehmer
zunutze macht. In einem Fall wie dem vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet ist,
dass auf der Grundlage notwendiger sächlicher Mittel die betriebliche Tätigkeit in der
Erbringung einer Dienstleistung besteht - im Fall der Streitverkündeten für Zwecke eines
Dritten, der Beklagten, im Fall der Beklagten für eigene Zwecke - wird die wirtschaftliche
Einheit dann, wenn kein Personal übernommen worden ist, maßgeblich durch die
Arbeitsorganisation bestimmt. Im Entscheidungsfall ist die Arbeitsorganisation der
Beklagten zwar nicht vollkommen identisch mit der Arbeitsorganisation der
Streitverkündeten, sie folgt aber denselben Prinzipien und wird mit weitgehend gleichen
33
Mitteln erreicht.
aa) Für die Übernahme auch der Arbeitsorganisation spricht zunächst, dass die
Streitverkündete aufgrund der Vereinbarung mit der Beklagten vom 07.08.2001
verpflichtet war, für einen Zeitraum von 2 Wochen kostenlos jeweils zwei ihrer
Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, die die Mitarbeiter der Beklagten in die Systeme
der Lagerverwaltung einweisen sollten. Die Beklagte trägt zwar vor, dass dies
tatsächlich nicht nötig gewesen wäre, weil ihre Mitarbeiter eigene Kenntnis gehabt
hätten. Unabhängig davon stellt die Vereinbarung jedoch ein Indiz dafür dar, dass es
der Beklagten auf die Systeme der Lagerverwaltung ankam.
34
bb) Das Gefahrstofflager G4xxxxxxx bestand nicht nur aus einer zur Lagerung von
Gefahrgut geeigneten Lagerhalle mit Regalen, es wies darüber hinaus ein System der
Lagerung auf, das die Beklagte, da es auf ihren eigenen Vorgaben beruhte, 1 : 1
übernommen hat. Für die einzelnen Waren sind sogenannte Locationen (Lagerorte oder
Standorte) vorgesehen. Dies bedeutet, dass eingehende Ware immer an dem
entsprechenden Standort gelagert werden muss. Die Einnahme der Ware und die
Lagerung an dem zutreffenden Standort gehört zu den Aufgaben des im Lager
beschäftigten Personals. Dieser Lagerort ist auch für die Abarbeitung eines Auftrags
wesentlich. In dem von der Zentrale der Beklagten in R3xxxxxxxxx mittels einer
Datenleitung überlieferten Auftrag ist der Lagerort von vornherein angegeben. Der einen
Auftrag abarbeitende Mitarbeiter kann sich anhand dieses Auftrags nach wie vor zum
Lagerort begeben und die Ware dort entnehmen.
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An diesem System hat sich nach der Fortführung des Lagers durch die Beklagte
zunächst gar nichts geändert, da die Beklagte für einen Zeitraum von etwa 8 Tagen die
vorhandene direkte Datenleitung von B3xxxxx nach R3xxxxxxxxx weiter genutzt hat. In
der Folgezeit ist eine Änderung dadurch eingetreten, dass die Aufträge nunmehr von
R3xxxxxxxxx nach B4xxxx mittels Datenleitung übermittelt werden, dort ausgedruckt
und sodann durch Kurier nach B3xxxxx gebracht werden. Durch die Angabe im Auftrag
selbst ist aber weiterhin der Sollstandort der Ware bekannt. Das System der Lagerung
ist unverändert. Allerdings hat, was der Zeuge S6xxxxxx bestätigt hat, sich die Tätigkeit
des einen Auftrag ausführenden Mitarbeiters insoweit verändert, als diesem nunmehr
sogenannte Greiferkarten ausgehändigt werden. Diese Greiferkarten führen jedoch nicht
zu einer Änderung des Lagerungssystems, sondern zu einer Steigerung der Effizienz
bei der Abwicklung von Aufträgen. Auf ihnen ist der Auftrag für mehrere Güter in einer
Weise zusammengestellt, dass die Mitarbeiter, die diese Güter kommissionieren
müssen, die kürzesten Wege nutzen und ihre Aufgaben insoweit in effizientester Form
erfüllen. Die Tatsache, dass die Beklagte das bei der Streitverkündeten vorhandene
System insoweit verbessert hat, ändert nichts daran, dass sie dieses System als
Grundlage für ihre eigene betriebliche Tätigkeit übernommen hat. Dies ist unabhängig
davon, welche Datenleitung - die von B3xxxxx nach R3xxxxxxxxx oder die von B4xxxx
nach R3xxxxxxxxx - dabei zum Einsatz kommt.
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cc) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte ein weiteres
Betriebsmittel übernommen, das für die Arbeitsorganisation von Bedeutung ist. Hierbei
handelt es sich um das Labeldrucksystem, das die Adressdatei der zu beliefernden
Händler enthält. Auch in diesem Fall waren die Daten von der Beklagten selbst zur
Verfügung gestellt, der konkrete Umgang mit diesen Daten war jedoch durch die
Streitverkündete mit dem Labeldrucksystem organisiert worden. Dieses System hat die
Beklagte übernommen. Sie besaß, wie der Zeuge C2xxx ausgesagt hat, zum Zeitpunkt
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der Übernahme kein eigenes System. Der Zeuge hat darüber hinaus Mitarbeiter der
Beklagten in das Labeldrucksystem eingewiesen. Allerdings haben sowohl der Zeuge
S6xxxxxx wie auch der Zeuge K5xxxxxx ausgesagt, dass die Erstetiketten von Anfang
an im B6xxxxxx Werk der Beklagten hergestellt worden seien, mit dem
Labeldrucksystem dagegen nur die Folgeetiketten. Auch wenn dies der Fall war, so hat
die Beklagte mit dem Labeldrucksystem dennoch ein die Arbeitsorganisation
mitbestimmendes Betriebsmittel der Streitverkündeten eingesetzt. Dieses Betriebsmittel
hat sie bis November 2001 benutzt. Es ist, wie der mit Zustimmung der Parteien zu
verwertenden Aussage des Zeugen S3xxxxxxx vor der 8. Kammer des
Landesarbeitsgerichts zu entnehmen ist, an die Streitverkündete herausgegeben
worden, nachdem es zu Auseinandersetzungen darüber gekommen war, ob dieses
System mitvermietet worden war.
dd) Nur kurzfristig zum Einsatz gekommen ist dagegen das von der Streitverkündeten
entwickelte Lagerverwaltungssystem. Diesen Sachvortrag der Beklagten konnte der
Zeuge S6xxxxxx aus eigener Anschauung bestätigen. Der Aussage des Zeugen
K5xxxxxx kommt demgegenüber weniger Gewicht zu, da er die Vorgänge nur vom
Hörensagen kannte. Dem steht die Aussage des Zeugen C2xxx nicht entgegen. Dieser
Zeuge hat Mitarbeiter der Beklagten im Wesentlichen in das Labeldrucksystem
eingewiesen, hinsichtlich des Lagerverwaltungssystems ist seine Aussage eher vage.
Konkret konnte der Zeuge hierzu keine Angaben machen. Er ging vielmehr davon aus,
dass die Beklagte nicht alles in zwei Tagen ändern konnte. Außerdem hat er den
Vortrag der Beklagten insoweit bestätigt, als er angegeben hat, dass in der zweiten
Woche Listen eingesetzt wurden. Auch die weitere Angabe des Zeugen, dass ihm nicht
bekannt sei, dass die Beklagte ein neues Lagerverwaltungssystem aufgebaut habe,
spricht nicht gegen die Angaben der Zeugen S6xxxxxx und K5xxxxxx. Danach hätte die
Beklagte ihr eigenes, parallel geführtes Lagerverwaltungssystem, das WCS-System in
B4xxxx, weiter genutzt. Da sich das Lagerverwaltungssystem der Streitverkündeten als
unzulänglich erwiesen hatte, ist es nach Aussagen des Zeugen S6xxxxxx nur für etwa
24 bis 48 Stunden von den Mitarbeitern der Beklagten eingesetzt worden. Auch der
kurzfristige Einsatz dieses Systems weist zunächst darauf hin, dass die
Arbeitsorganisation im Betrieb der Beklagten derjenigen im Betrieb der
Streitverkündeten entsprach. Die Mitarbeiter der Beklagten haben auch nicht deshalb
davon abgesehen, das Lagerverwaltungssystem der Streitverkündeten über den vom
Zeugen S6xxxxxx angegebenen kurzen Zeitraum hinaus zu nutzen, weil dies einer
etwaigen anderen Arbeitsorganisation nicht entsprochen hätte, sondern weil sich dieses
System als so lückenhaft herausstellte, dass es für die Mitarbeiter einfacher war, die
benötigten Angaben telefonisch bei der Beklagten in B4xxxx zu erfragen. Hätte diese
Möglichkeit nicht deshalb bestanden, weil die Beklagte auch in der Vergangenheit ein
paralleles Lagerverwaltungssystem geführt hatte, so hätten die Mitarbeiter der Beklagten
zumindest bis zur Einrichtung des WCS-Systems in dem Gefahrstofflager G4xxxxxxx
zwangsläufig mit dem lückenhaften Lagerverwaltungssystem der Streitverkündeten
arbeiten müssen. Die Tatsache, dass das den Mitarbeitern der Beklagten zur Verfügung
stehende Lagerverwaltungssystem der Streitverkündeten nicht ordnungsgemäß
funktionierte, steht der Annahme eines Betriebsübergangs nicht entgegen. Dieser hängt
nicht davon ab, dass die einzelnen Betriebsmittel tatsächlich ordnungsgemäß arbeiten,
sondern dass sie funktionsfähig sind. Hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht die
Möglichkeit gehabt, auf das WCS-System in B4xxxx zurückzugreifen, so hätte sie das
vorhandene Lagerverwaltungssystem in Ordnung bringen müssen. Hierzu hätten sie,
wie es der Zeuge S5xxxxxx für das WCS-System der Beklagten geschildert hat, eine
körperliche Bestandsaufnahme machen und die dabei gefundenen Daten in das System
38
eingeben müssen. Welcher Aufwand hierfür erforderlich gewesen wäre, ist nicht
feststellbar. Jedenfalls ist die Tatsache, dass die Mitarbeiter der Beklagten nur deshalb
auf die Nutzung des Warenwirtschaftssystems der Streitverkündeten verzichteten, weil
es für sie einfacher war, die Daten telefonisch bei der Beklagten abzurufen, ein Hinweis
darauf, dass die Arbeitsorganisation des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx bestehen
geblieben ist. Die Entscheidung, ein ihr zur Verfügung stehendes Betriebsmittel nicht
mehr zu nutzen, traf die Beklagte in tatsächlicher Weiterführung der auch zuvor in dem
Gefahrstofflager verfolgten wirtschaftlichen Tätigkeit. Hierauf kommt es nach neuerer
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgeblich an (Urteil vom 18.03.1999 - 8
AZR 159/98 - NZA 1999, 704 unter II 4 der Gründe, wo das BAG im Übrigen auf eine
"völlig neue betriebliche Organisation" abstellt).
4) In einer Gesamtwürdigung ist damit festzustellen, dass die Beklagte mit der
Fortführung des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx einen funktionsfähigen, wenn auch nicht
auf allen Ebenen einwandfrei funktionierenden Betrieb übernommen hat. Ihr lag daran,
das Gefahrstofflager seiner Bestimmung gemäß mit einer möglichst geringen
Unterbrechung weiter zu nutzen. Nach der Darstellung des Zeugen S6xxxxxx ist dies
auch bereits am ersten Tag der Übernahme geschehen, es sind sofort Aufträge
ausgeführt worden. Die Beklagte hat die bis dahin eigenwirtschaftlich durch die
Streitverkündete eingesetzten sächlichen Mittel für eine eigenwirtschaftliche Nutzung
weitgehend übernommen. Die Arbeitsorganisation hat sie nicht grundlegend geändert
und keine völlig neue betriebliche Organisation geschaffen, sondern die vorhandenen
Organisationsstrukturen im Wesentlichen weitergeführt und optimiert. Der von der
Beklagten verfolgte Betriebszweck unterscheidet sich zwar insoweit vom Betriebszweck
der Streitverkündeten, als diese ihre betriebliche Tätigkeit zur Erfüllung eines ihr von der
Beklagten erteilten Auftrags entfaltet hat, während die Beklagte die identische
betriebliche Tätigkeit für eigene Zwecke vornimmt, ohne sie jedoch in eine bereits
vorhandene eigene Organisation eingegliedert zu haben (vgl. BAG vom 16.05.2002,
aaO.). Mit der Übernahme des Gefahrstofflagers hat die Beklagte den Vorteil einer
vorhandenen wirtschaftlichen Einheit genutzt, um möglichst ohne Verzögerungen ihr
eigenes Interesse an einer reibungslosen Versorgung der Händler gewährleisten zu
können.
39
II
40
Mit der Übernahme des Gefahrstofflagers durch die Beklagte ist das Arbeitsverhältnis
des Klägers mit der Streitverkündeten auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger
gehörte diesem Betrieb an, er war nicht in einem Betriebsteil, der vom Übergang des
gesamten Betriebes nicht erfasst worden wäre, beschäftigt.
41
1) Betriebsteil ist eine Teilorganisation, in der sächlich und organisatorisch abgrenzbare
arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich um die bloße
Hilfsfunktionen handeln kann. Auch ein Betriebsteil erfüllt die Voraussetzungen des vom
Europäischen Gerichtshofes geprägten Begriffs der auf Dauer angelegten
wirtschaftlichen Einheit. Eine betriebliche Teilorganisation liegt jedoch nicht schon dann
vor, wenn einzelne Betriebsmittel ständig dem betreffenden Teilzweck zugeordnet sind,
auf Dauer in bestimmter Weise eingesetzt werden und dieselben Arbeitnehmer ständig
die entsprechenden Arbeiten durchführen müssen (BAG vom 26.08.1999 - 8 AZR
718/98 - NZA 2000, 144; BAG vom 23.09.1999 - 8 AZR 650/98 - zit. nach JURIS; BAG
vom 16.05.2002, aaO., jeweils m.w.N.).
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a) Der Bereich Transportwesen war bei der Streitverkündeten nicht in einer Weise
organisiert, dass ein abgrenzbarer Betriebsteil vorgelegen hätte. Dies steht nach dem
Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Kläger ist nicht für die Spedition
der Streitverkündeten eingestellt worden, sondern für die Erfüllung der der
Streitverkündeten mit der Führung des Gefahrstofflagers obliegenden Transporttätigkeit.
Auch wenn die Streitverkündete eine Spedition betrieben hat, so hatte sie den Auftrag
für die hier in Frage stehenden Lkw-Fahrertätigkeiten deshalb, weil sie den Auftrag für
die Führung des Gefahrstofflagers hatte. Ihr war nicht die Ausführung aller in dem
Gefahrstofflager anfallenden Transporttätigkeiten übertragen worden. Einen Teil dieser
Tätigkeiten führte vielmehr die Spedition K4xxxx, die für die Beklagte allgemein tätig
wird, aus. Für den Kläger stand aufgrund der Vorgaben der Beklagten von vornherein
fest, welche Tätigkeiten er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu erledigen hatte:
Er hatte pro Tag vier Touren vom Gefahrstofflager zum Werk der Beklagten in B4xxxx
durchzuführen. Für diese Touren waren bestimmte Zeiten vorgegeben, an die sich der
Kläger grundsätzlich zu halten hatte. Konnten diese Zeiten nicht eingehalten werden, so
klärte die Leitung des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx die zu regelnden Fragen mit dem
Werk B4xxxx der Beklagten ab, der für die Spedition zuständige Disponent der
Streitverkündeten wurde nicht eingeschaltet. Der Kläger selbst übernahm
Lagerarbeitertätigkeiten, wenn die zu transportierenden Aufträge noch nicht
zusammengestellt waren und für einen Abtransport bereitstanden. Nach der Aussage
des Zeugen C2xxx war der Kläger fast nur mit den soeben dargestellten Aufgaben
befasst. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger in der geringen verbleibenden Zeit
von der Spedition der Streitverkündeten für andere speditionsmäßige Aufgaben
eingesetzt wurde. Vielmehr führte er dann Arbeiten durch, die mit seiner Lkw-
Fahrertätigkeit für das Gefahrstofflager G4xxxxxxx in Zusammenhang standen, nämlich,
wie der Zeuge C2xxx angegeben hat, z.B. das Abfahren von Paletten.
43
Auch die Tatsache, dass der Kläger in Zeiten seiner Abwesenheit durch einen anderen
Fahrer, der womöglich der Spedition der Streitverkündeten zugeordnet war, vertreten
wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Hieraus kann nicht geschlossen werden,
dass die Transporttätigkeit des Klägers insgesamt der Spedition zuzuordnen war.
Vielmehr ist es so, dass die Spedition einen Vertreter abstellte, der für die Dauer seine
Vertretungstätigkeit in dem Betrieb des Gefahrstofflagers eingegliedert war und der
Leitung dieses Lagers unterstand. Im Streitfall ist die Tätigkeit des Klägers im Übrigen
der Kostenstelle G4xxxxxxx
44
zugeordnet gewesen. Dies ist der vom Kläger überreichten Lohnabrechnung zu
entnehmen und hat der Zeuge C2xxx in einem nicht protokollierten Teil seiner Aussage
angegeben.
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b) Demnach hatte der Kläger innerhalb des Gefahrstofflagers G4xxxxxxx zwar dauerhaft
einen Teilzweck wahrzunehmen, dies geschah jedoch nicht im Rahmen einer vom
Betrieb abgrenzbaren organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen. Hierfür
reicht es nicht aus, dass ein oder mehrere Betriebsmittel ständig dem betreffenden
Teilzweck zugeordnet sind. Es genügt auch nicht, dass ein oder mehrere Arbeitnehmer
ständig bestimmte Aufgaben mit bestimmten Betriebsmitteln erfüllen. Hieraus ergibt sich
noch keine eigenständige Organisation in bezug auf die Erfüllung des Teilzwecks.
46
2) Allerdings haben sowohl der vom Kläger benannte Zeuge C2xxx wie auch die hierzu
befragten Zeugen der Beklagten angegeben, dass ab Übernahme des Lagers durch die
Beklagte die Firma K4xxxx den vom Kläger bis dahin durchgeführten Shuttleservice
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zum Werk III übernommen hat. Auch wenn die Beklagte den Lkw des Klägers, damit das
insoweit wesentliche Betriebsmittel, nicht übernommen hat, so steht dies dem Übergang
des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht entgegen. Der Übergang des
Arbeitsverhältnisses ergibt sich als gesetzliche Rechtsfolge aus der Übernahme des
Gefahrstofflagers G4xxxxxxx als Betrieb. Ob die Beklagte den Kläger in der Form hätte
einsetzen können, wie er bei der Streitverkündeten eingesetzt worden ist, ist hierfür
ohne Bedeutung. Wenn der Arbeitsplatz des Klägers aufgrund der Übertragung seiner
Tätigkeiten auf die Spedition K4xxxx weggefallen ist und eine andere
Beschäftigungsmöglichkeit nicht zur Verfügung stand, so wäre es der Beklagten
unbenommen gewesen, die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen.
III
48
Der Kläger hat seinen Anspruch gegenüber der Beklagten in angemessener Zeit
geltend gemacht. Er ist weder von der Streitverkündeten noch von der Beklagten über
die Veränderungen im Gefahrstofflager G4xxxxxxx aufgeklärt worden. Das
Kündigungsschreiben der Streitverkündeten vom 10.08.2001 enthält lediglich den
Hinweis auf die sofortige Vertragsbeendigung für das Gefahrstofflager in B3xxxxx. Erst
im Verlauf des wegen dieser Kündigung geführten Kündigungsrechtsstreits sind dem
Kläger im Gütetermin am 18.10.2001 Tatsachen bekannt geworden, die auf einen
Betriebsübergang hindeuten könnten. Im unmittelbaren Anschluss hieran, mit Schreiben
vom 22.10.2001 hat sich der Kläger deswegen an die Beklagte gewandt, die jedoch mit
Schreiben vom 30.10.2001 eine Betriebsübernahme in Abrede stellte. Mit seiner am
07.11.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger diesen Anspruch
erhoben.
49
Auch wenn der Kläger zeitgleich die S7xxxxxxx K4xxxx GmbH wegen eines
Teilbetriebsübergangs in Anspruch genommen hat, so ist dies für den vorliegenden
Rechtsstreit ohne Belang. Angesichts der im vorliegenden Verfahren getroffenen
Feststellungen zu den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs kommt dem
Verhalten des Klägers auch kein indizieller Wert zu. Dies gilt vor allem auch deshalb,
weil der Kläger über den Sachverhalt nicht aufgeklärt worden war und damit zur
Wahrung seiner Rechte auch vorsorglich gegen die Firma K4xxxx S7xxxxxxx GmbH
vorgehen musste.
50
Soweit die Kündigungsschutzklage gegen die Streitverkündete rechtskräftig
abgewiesen worden sein sollte, hat dies keine Auswirkungen auf das vorliegende
Verfahren. Die Kündigung vom 10.08.2001 hat für das bereits am 08.08.2001 auf die
Beklagte übergegangene Arbeitsverhältnis keine Rechtswirkungen entfalten können.
51
IV
52
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.
53
Die Kammer hat die Revision im Hinblick auf die Vielzahl der wegen des infrage
stehenden Betriebsübergangs noch anhängigen Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG zugelassen.
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Bg.
55