Urteil des LAG Hamm vom 16.09.2010
LArbG Hamm (treu und glauben, kündigung, höhe, gratifikation, abschluss des vertrages, klage auf zahlung, auszahlung, allgemeine geschäftsbedingungen, arbeitsverhältnis, zahlung)
Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 812/10
Datum:
16.09.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 812/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 3 Ca 228/10
Leitsätze:
Schließen Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, die als Allgemeine
Geschäftsbe-dingungen anzusehen sind, den Anspruch auf eine
Weihnachtsgratifikation aus, wenn sich das Arbeitsverhältnis im
Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befinde, ohne
danach zu differenzieren, ob der Grund für die Kündigung im
Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt,
so benachteiligen diese Vertragsbestimmungen den Arbeitnehmer
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind
damit gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 15.04.2010 – 3 Ca 228/10 – wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.900,-- € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien haben erstinstanzlich um die Wirksamkeit einer Kündigung, die Erteilung
eines Zeugnisses sowie die Herausgabe von Arbeitspapieren und Zahlungsansprüche
der Klägerin gestritten. Zweitinstanzlich ist zwischen den Parteien nur noch streitig, ob
die Klägerin Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 1.900,-- € brutto hat.
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Die Klägerin war seit dem 01.07.2008 als Steuerfachwirtin zu einem durchschnittlichen
Bruttomonatsgehalt von 2.100,-- € mit einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von 38,5
Stunden für den Beklagten tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30.05.2008 enthält
in § 5 u.a. folgende Regelungen:
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"(1) Die Angestellte erhält ein monatliches, nachträglich zu zahlendes Gehalt von
EURO 1.900,-- (in Worten eins-neun-null-null).
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(2) Der Angestellte erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat
November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EURO 1.900,-- (in Worten eins-
neun-null-null).
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(5) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das
Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand
befindet.
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(6) Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine
Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte
aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter
oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des auf
die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine
Monatsvergütung erreicht, bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden
Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, vor
dem 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Dies
gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,-- nicht übersteigt.
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Eine gewährte Urlaubsgratifikation ist zurückzuzahlen, wenn der Angestellte
aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter
oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 30. September des
Urlaubsjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung erreicht, bis zum
30. September des Urlaubsjahres oder, sofern die Gratifikation eine
Monatsvergütung übersteigt, vor dem 31. Dezember des Urlaubsjahres ausscheidet.
Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,-- nicht übersteigt.
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Der Praxisinhaber ist berechtigt, die Rückzahlungsforderungen mit etwa
verbleibenden Vergütungsansprüchen zu verrechnen……"
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Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 15 f. d.A.
Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 23.11.2009 erklärte der Beklagte, bei dem regelmäßig weniger als
10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer tätig sind, der Klägerin die fristgerechte Kündigung
zum 31.12.2009. Hiergegen richtete sich u.a. die am 07.01.2010 beim Arbeitsgericht
Bochum eingegangene Klage. Darüber hinaus verlangte die Klägerin die Erteilung
eines qualifizierten Zeugnisses, Herausgabe des elektronischen Lohnsteuernachweises
für das Kalenderjahr 2009, die Herausgabe des Versicherungsnachweisheftes sowie
die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe von 2.100,-- € brutto sowie Zahlung
weiterer 333,53 € brutto als restliche Urlaubsabgeltung und Vergütung von
Überstunden.
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Hinsichtlich der eingeklagten Weihnachtsgratifikation hat die Klägerin vorgetragen, ihr
stehe insoweit ein Betrag von 2.100,-- € brutto zu. Zwar sei im Arbeitsvertrag
festgehalten, dass ihr Anspruch auf Weihnachtsgeld 1.900,-- € betrage. Hierbei habe es
sich aber um das damalige Einstiegsgehalt gehandelt, das zwischenzeitlich auf 2.100,--
€ erhöht worden sei. Betriebsüblich sei allen Arbeitnehmern als Weihnachtsgeld immer
das aktuelle Gehalt gezahlt worden, sodass sie einen Anspruch auf Weihnachtsgeld in
Höhe von 2.100,-- € brutto habe.
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Soweit der Beklagte sich auf § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages berufe und geltend mache,
der Weihnachtsgeldanspruch sei entfallen, weil das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der
Auszahlung gekündigt gewesen sei, vertrete sie, die Klägerin, die Auffassung, dass
diese Vertragsbestimmung unwirksam sei. Beim Weihnachtsgeld handele es sich um
eine gewinn- und leistungsunabhängige Zahlung, die allein aus dem Grund erfolge, um
dem Arbeitnehmer einen Bonus für das Erbringen der ihm obliegenden Arbeitsleistung
im Kalenderjahr zukommen zu lassen. Wenn die Auszahlung aus Gründen, auf die sie,
die Klägerin, keinen Einfluss habe, versagt werde, obwohl sie ihre Arbeitsleistung im
Bezugszeitraum voll erbracht habe, so sei dies rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte
habe im Jahre 2009 seine Mitarbeiter aufgefordert, freiwillig auf das Weihnachtsgeld zu
verzichten. Da sie, die Klägerin – im Gegensatz zu ihren Kollegen/innen – hierauf nicht
verzichtet habe, sei es zum Ausspruch der Kündigung gekommen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das zwischen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die
schriftliche Kündigung des Beklagten vom 23.11.2009 nicht zum 31.12.2009
beendet worden ist;
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen;
3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin den elektronischen
Lohnsteuernachweis für das Kalenderjahr 2009 herauszugeben;
4. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Abmeldung zur Sozialversicherung
herauszugeben;
5. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.100,00 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der
Klage zu zahlen;
6. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 333,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der
Klage zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat im Hinblick auf die eingeklagte Weihnachtsgratifikation vorgetragen, der von der
Klägerin geltend gemachte Anspruch sei gemäß § 5 Abs.5 des Arbeitsvertrages
ausgeschlossen. Zudem sei im Arbeitsvertrag nur ein Weihnachtsgeld in Höhe von
1.900,00 € vereinbart worden. Die Kündigung sei auch nicht wegen der Weigerung der
Klägerin, auf das Weihnachtsgeld zu verzichten, ausgesprochen worden. Die
Kündigung habe, wie im Kündigungsschreiben dargelegt, betriebliche Gründe gehabt.
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Im Termin vom 15.04.2010 hat das Arbeitsgericht folgendes Urteil verkündet:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den elektronischen Lohnsteuernachweis
für das Kalenderjahr 2009 herauszugeben.
3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Abmeldung zur Sozialversicherung
herauszugeben.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.034,61 €
brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 18.01.2010 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 60 %, der Beklagte zu 40 %.
7. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.233,53 € festgesetzt.
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Gegen diese Entscheidung, die dem Beklagten am 10.05.2010 zugestellt worden ist,
richtet sich die Berufung des Beklagten, die am 07.06.2010 beim Landesarbeitsgericht
eingegangen und gleichzeitig begründet worden ist.
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Der Beklagte macht weiter geltend, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung
eines Weihnachtsgeldes in Höhe von 1.900,-- € brutto. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte
Weihnachtsgratifikation sei Ende des Monats November 2009 fällig gewesen. Zu
diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsverhältnis bereits mit Schreiben vom 23.11.2009, das
der Klägerin am selben Tage zugegangen sei, gekündigt gewesen. Gemäß § 5 Abs. 5
des Arbeitsvertrages sei der Anspruch auf Gratifikation damit ausgeschlossen.
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Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Regelung in § 5 Abs. 5 des
Arbeitsvertrages nicht als unangemessen i. S. des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.
§ 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages enthalte eine gängige und durchaus übliche Regelung,
die im Einklang mit der Rechtsprechung stehe. Die Regelung sei auch nicht
überraschend, sondern klar formuliert, in sich schlüssig und ebenso kurz wie prägnant
formuliert und stehe direkt vor der Regelung in § 5 Abs. 6 des Arbeitsvertrages.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichtes Bochum vom 15.04.2010 zum Aktenzeichen 3
Ca 228/10 in Sachen Ö1, S2 ./. G1, T1 dahingehend abzuändern, dass der
Beklagte gemäß Ziffer 4 des Urteils verurteilt wird, an die Klägerin lediglich
einen Betrag in Höhe von 134,61 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2010 zu zahlen, und im
Übrigen die Klage auf Zahlung abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, sie habe einen Anspruch auf
Zahlung der Weihnachtsgratifikation gemäß § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages. Der
Anspruch sei nicht gemäß § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen. Denn diese
Bestimmung sei gemäß § 307 BGB unwirksam. Wie dem Arbeitsvertrag zu entnehmen
sei, handele es sich bei der Weihnachtsgratifikation um eine Treueprämie, mit der die
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Loyalität und Verlässlichkeit des Arbeitnehmers gewürdigt werden solle. Insbesondere
auch aus diesem Grunde sei es eine unzulässige Benachteiligung, wenn im Rahmen
des Ausschlusses der Gratifikation nicht danach unterschieden werde, wer die
Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag veranlasst habe. Sie, die Klägerin,
habe dem Beklagten treue Dienste erbracht und die vom Beklagten ausgesprochene
betriebsbedingte Kündigung nicht veranlasst. Da sie die ihr obliegende Arbeitsleistung
im Bezugszeitraum voll erbracht habe, dürfe die erwartete Treueprämie nicht aus
Gründen, auf die sie keinen Einfluss gehabt habe, verweigert werden. Da § 5 Abs. 5 des
Arbeitsvertrages nicht nach dem einer Treueprämie immanenten Rechtsgedanken des §
162 BGB differenziere, benachteilige sie die Arbeitnehmer unangemessen und sei
damit überraschend.
Im Übrigen bestehe der Anspruch auch deswegen, weil der Beklagte sich treuwidrig
verhalten habe. Gemäß § 162 BGB sei davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis
zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Weihnachtsgratifikation noch ungekündigt gewesen sei.
Denn der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nur aufgelöst, um die Entstehung des
Gratifikationsanspruchs zu vereiteln. Der Beklagte habe seine Mitarbeiter aufgefordert,
freiwillig auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 zu verzichten. Da sie, die
Klägerin, - im Gegensatz zu ihren Kollegen/innen – hierauf nicht verzichtet habe, sei es
zum Ausspruch der Kündigung gekommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Berufung des Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden.
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II.
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Der Sache nach hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht
hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin eine Weihnachtsgratifikation in
Höhe von 1.900,00 € brutto nebst Zinsen im zuerkannten Umfang zu zahlen.
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1. Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte
Weihnachtsgratifikation ist § 5 Abs. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.05.2008.
Danach erhält der Angestellte mit der Vergütung nach § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages
jeweils für den Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 1.900,00 €.
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2. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist nicht gemäß § 5 Abs. 5 des
Arbeitsvertrages ausgeschlossen, auch wenn das Arbeitsverhältnis der Klägerin sich im
Auszahlungszeitpunkt in gekündigtem Zustand befunden hat. Denn die Bestimmung in
§ 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
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a) Nicht streitig zwischen den Parteien ist, dass es sich bei den Bestimmungen des
Arbeitsvertrages vom 30.05.2008 um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der
§§ 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von
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§§ 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von
Verträgen vorformuliert worden und vom Beklagten der Klägerin als der anderen
Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages gestellt worden.
b) Soweit § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages den Anspruch auf Zahlung der
Weihnachtsgratifikation ausschließt, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt
der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet, benachteiligt diese
Vertragsbestimmung die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen und ist damit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam
anzusehen.
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aa) Die Klausel in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages vom 30.05.2008 knüpft daran an, ob
sich "das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand
befindet". Die Klausel differenziert damit nicht zwischen einer vom Arbeitgeber und
einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung. Sie stellt auch nicht darauf ab,
ob der Grund für die Kündigung im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des
Arbeitgebers liegt, wie dies bei einer Kündigung aus betrieblichen Gründen der Fall ist.
Bei typisierender Betrachtung erscheint es nicht interessengerecht, dem Arbeitnehmer
im Falle einer nicht in seinen Verantwortungsbereich fallenden Kündigung, zum
Beispiel einer Kündigung aus betrieblichen Gründen, die vereinbarte Gratifikation
vorzuenthalten. Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ohne
Differenzierung danach, ob der Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses im
Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt, den Anspruch
auf eine Gratifikation entfallen lässt, benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist damit gemäß § 307 Abs. 1 Satz
1 BGB unwirksam (vgl. hierzu: BAG Urteil vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, AP Nr. 32
zu § 307 BGB; Urteil vom 06.05.2009 – 10 AZR 443/08, AP Nr. 43 zu § 307 BGB). Auch
wenn in den genannten Entscheidungen letztlich offen geblieben ist, ob bei einer
Vertragsgestaltung der hier gegebenen Art eine unangemessene Benachteiligung des
Arbeitnehmers gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der in den genannten
Entscheidungen aufgeführten Argumente davon auszugehen, dass die Regelung in § 5
Abs. 5 des Arbeitsvertrages, die beim Wegfall der vereinbarten Gratifikation nicht
danach differenziert, ob der Grund für die Kündigung im Verantwortungsbereich der
Klägerin oder des Beklagten liegt, als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
anzusehen ist.
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bb) Die Bestimmung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages vom 30.05.2008 kann auch nicht
unter Anwendung der Grundsätze des sogenannten blue-pencil-Tests in
möglicherweise geänderter Form aufrechterhalten werden (zum blue-pencil-Test vgl.
BAG, Urteil vom 12.03.2008 – 10 AZR 152/07). Die teilweise Aufrechterhaltung einer
Vertragsklausel setzt nach § 306 Abs. 1 BGB ihre Teilbarkeit voraus. Die Teilbarkeit
einer Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem "blauen Stift"
zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 06.05.2009 – 10 AZR 443/08 a.a.O.). Eine derartige
Teilbarkeit der Klausel in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages ist vorliegend nicht gegeben.
Wird das Wort "gekündigtem" in dieser Klausel gestrichen, so ist die restliche Regelung
sprachlich nicht mehr verständlich (vgl. BAG, Urteil vom 06.05.2009 – 10 AZR 443/08
m.w.N.).
43
c) Kann die Regelung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages vom 30.05.2008 auch nicht
teilweise aufrechterhalten bleiben, da sie gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt, so
verbleibt es bei der Bestimmung in § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, nach der der
Angestellte mit der Vergütung nach § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages jeweils für den
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Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 1.900,00 € erhält. Die
Voraussetzungen der Rückzahlungsklausel in § 5 Abs. 6 des Arbeitsvertrages sind nicht
gegeben. Denn die Klägerin ist nicht aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund
außerordentlicher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des
Beklagten ausgeschieden. Nach eigenem Sachvortrag der Beklagten ist die Kündigung
aus betrieblichen Gründen erfolgt. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob der
Beklagte entsprechend dem Sachvortrag der Klägerin das Arbeitsverhältnis lediglich
gekündigt hat, weil die Klägerin – im Gegensatz zu ihren Kollegen/innen – auf die
Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2009 nicht verzichtet hat.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.900,00 €.
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Die erkennende Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
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