Urteil des LAG Hamm vom 30.11.2007
LArbG Hamm: betriebsrat, einstweilige verfügung, mitbestimmungsrecht, absolutes recht, schutzwürdiges interesse, arbeitsgericht, beschwerdekammer, bezahlung, absicht, anhörung
Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBVGa 19/07
Datum:
30.11.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBVGa 19/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 4 BVGa 23/07
Schlagworte:
Einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren; Unterlassungsanspruch
des Betriebsrats; Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte; Verteilung der
Arbeitszeit auf die Wochentage; freiwillige Leistungen von
Samstagsarbeit; Verfügungsgrund
Normen:
§ 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 23 Abs. 3, 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, §§ 890, 935,
940 ZPO
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.09.2007 - 4 BVGa 23/07 - wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e:
1
A
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Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nimmt der Betriebsrat die
Arbeitgeberin auf Unterlassung in Anspruch.
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Die Arbeitgeberin betreibt im Kraftwerk H1 die Industriereinigung. Seit der Übernahme
des Betriebes durch die jetzige Arbeitgeberin erstrebt sie den Tarifwechsel in die für
allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk.
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Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Frühjahr 2006 gewählte
Betriebsrat, der aus drei Personen besteht.
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Im Betrieb der Arbeitgeberin werden Arbeitnehmer auch im Bereich der sogenannten
Contherm-Anlage eingesetzt, dort wurde in der Vergangenheit in zwei Schichten von
6.00 Uhr bis 14.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr gearbeitet; bei einer täglichen
Arbeitszeit von acht Stunden jeweils montags bis freitags wurden 40 Stunden
wöchentlich vergütet.
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Um die vorgeschriebenen Ruhepausen von 30 Minuten einzuhalten, beabsichtigte die
Arbeitgeberin, die restlichen Arbeitsstunden jeweils am letzten Samstag im Monat
arbeiten zu lassen. Verhandlungen hierüber mit dem Betriebsrat führten zu keiner
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Einigung. Auf den zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat geführten
Schriftverkehr (Bl. 15 ff.d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20.08.2007 (Bl. 21 d.A.) teilte die Arbeitgeberin den Mitarbeitern in
der Contherm-Anlage mit:
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"Der Betriebsrat hat meinem Vorschlag zur Neuregelung der Arbeitszeit im
ConTherm-Annahmebereich nicht zugestimmt, sodass es bei der bisherigen
Regelung verbleibt.
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Die geleisteten Stunden werden von dem Vorarbeiter erfasst und Ihnen zur
Gegenzeichnung vorgelegt. Soweit die tarifliche Arbeitszeit dadurch nicht
ausgeschöpft wird, biete ich die Arbeitsleistung generell am letzten Samstag im
Monat an."
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Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 20.08.2007 (Bl. 22 d.A.) und vom
21.08.2007 (Bl. 24 d.A.) auf seine Mitbestimmungsrechte hingewiesen hatte, erklärte die
Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 22.08.2007 (Bl. 25 d.A.):
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"Der Betriebsrat hat einer Neuregelung zur Arbeitszeit aus mir nicht
nachvollziehbaren Gründen nicht zugestimmt, sodass ich diese nun nicht weiter
verfolge. Allerdings bringt dies mit sich eine Bezahlung gemäß Tarif und
Arbeitsvertrag. Das dürften auch Sie einsehen, denn nirgendwo ist geregelt, dass
der Arbeitgeber Stunden zu bezahlen hat, die nicht geleistet wurden, obwohl
Arbeit angeboten wurde. Ich verweise auf § 615 BGB.
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…
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Bei der vom Betriebsrat gewünschten Schichtzeit 06.00 h bis 14.00 h und 14.00
bis 20.00 h sind schon bei einfacher Berechnung nur 7,5 Stunden Arbeitszeit zu
erreichen, sodass darüber hinaus den Mitarbeitern Arbeit am Samstag angeboten
wird, damit diese das Stundensoll gemäß Arbeitsvertrag und Tarifvertrag
erreichen können. Der Betriebsrat ist daran nicht zu beteiligen, da es sich hier um
das Direktionsrecht des Arbeitgebers handelt."
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Mit dem am 05.09.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren begehrte
der Betriebsrat daraufhin die Unterlassung der Anordnung oder Annahme von Arbeit am
letzten Samstag im Monat ohne seine Zustimmung.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin verletze sein
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Da die Arbeitgeberin in
grober Weise gegen die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes verstoße, sei
der Erlass einer einstweiligen Verfügung geboten, da sein Mitbestimmungsrecht sonst
durch Zeitablauf unwiederbringlich verletzt werde.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, gegenüber Arbeitnehmern im
Bereich der Contherm-Anlage am letzten Samstag im Monat gemäß dem
Schreiben an die Mitarbeiter vom 20.08.2007 Arbeit anzuordnen und/oder
anzunehmen ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder eine diese
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ersetzende Entscheidung einer Einigungsstelle, sofern es sich nicht um leitende
Angestellte oder Notfälle handelt.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, dass in der Contherm-Anlage bei fünf Arbeitstagen nur
37,5 Stunden gearbeitet werden könne, da Ruhepausen von täglich 30 Minuten
dringend vorgeschrieben seien. Um den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, auf
die arbeitsvertragliche bzw. tarifvertragliche Arbeitszeit von 39 Stunden zu kommen,
solle den Arbeitnehmern ab 01.09.2007 die Möglichkeit der Arbeitsleistung am letzten
Samstag im Monat oder an anderen Tagen gegeben werden. Eine Änderung der
bisherigen Arbeitszeit werde dadurch nicht verursacht.
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Dem vom Betriebsrat vorgelegten Entwurf einer entsprechenden Betriebsvereinbarung
könne nicht zugestimmt werden, da der Betriebsrat die Arbeitszeit ausdehnen wolle, der
Betriebsvereinbarungsentwurf sei nicht durchführbar.
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Durch Beschluss vom 13.09.2007 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats
stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Unterlassungsantrag des Betriebsrats
sei begründet, da die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach §
87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG verletze, sie beabsichtige, ohne Einhaltung des
Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats die zeitliche Lage der Arbeitszeit der Mitarbeiter
in der Contherm-Anlage zu ändern, bislang sei samstags dort nicht gearbeitet worden.
Auch der erforderliche Verfügungsgrund sei gegeben.
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Gegen den der Arbeitgeberin am 18.09.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen
Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 15.10.2007
Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 17.10.2007
beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Betriebsrat hat inzwischen beim Arbeitsgericht wegen der Arbeitszeiteinteilung in
der Contherm-Anlage die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt. Dem Antrag des
Betriebsrats wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.10.2007 – 6
BV 140/07 – stattgegeben. Über die dagegen von der Arbeitgeberin eingelegte
Beschwerde zum Landesarbeitsgericht - 10 TaBV 111/07 - ist noch nicht entschieden.
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Im vorliegenden Verfahren ist die Arbeitgeberin der Auffassung, dass der Betriebsrat
einen Verstoß der Arbeitgeberin gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht
ordnungsgemäß dargelegt habe. Insbesondere habe der Betriebsrat nicht behauptet, die
Arbeitgeberin habe Arbeiten angeordnet oder angenommen. An der bisherigen
Arbeitszeit in der Contherm-Anlage von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis
22.00 Uhr habe sich nichts geändert. Geändert habe sich allenfalls die Bezahlung für
diese Zeit, weil die Arbeitgeberin die von den Mitarbeitern in der Contherm-Anlage
gemachten Pausen nicht mehr bezahle. Es würden nur noch 7,5 Stunden pro Schicht
gezahlt. Lediglich um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, wieder 40 Stunden pro
Woche bezahlt zu bekommen, sei den Mitarbeitern das Angebot der Samstagsarbeit
gemacht worden. Der Betriebsrat verfolge rechtswidrige Ziele, er arbeite nicht für die
Mitarbeiter, sondern gegen deren Interessen.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.09.2007 – 4 BVGa 23/07 –
abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückzuweisen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Insbesondere ist er der Auffassung, die
Arbeitgeberin verletze Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Mit Schreiben vom
22.08.2007 habe sie "Arbeit am Samstag" angeboten. Wer dies so anbiete, wolle
erkennbar diese Arbeit auch annehmen. Hierzu sei aber die Zustimmung des
Betriebsrats bzw. ein Spruch der Einigungsstelle notwendig. Die Arbeitgeberin bestreite
auch weiterhin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Veränderung der
Lage der Arbeitszeit.
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Die Beschwerdekammer hat die Akten des Beschwerdeverfahrens 10 TaBV 111/07
Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten
wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze.
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B
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Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.
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I.
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Der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag ist zulässig.
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1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§
2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche
Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um die Frage, ob dem Betriebsrat
wegen Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ein
Unterlassungsanspruch zusteht.
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Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch im Beschlussverfahren der Erlass einer einstweiligen
Verfügung zulässig.
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2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin ergeben
sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
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3. Dem Unterlassungsantrag fehlt es auch nicht an dem erforderlichen
Rechtsschutzbedürfnis.
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Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich regelmäßig aus der
Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs (BAG, Urteil vom 14.09.1994 – AP
BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; BAG, Urteil vom 03.06.2003 – AP BetrVG 1972 § 77
Tarifvorbehalt Nr. 19; BAG, Urteil vom 09.05.2006 – AP BErzGG § 15 Nr. 47). Für eine
Unterlassungsklage gilt nichts anderes. Das gilt auch im arbeitsgerichtlichen
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Beschlussverfahren. Insoweit genügt regelmäßig die Behauptung, dass der vom
Antragsteller verfolgte Anspruch besteht. Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, ist eine
Frage der materiell-rechtlichen Begründetheit. Nur besondere Umstände können das
Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung des Anspruches einzutreten, als nicht
schutzwürdig erscheinen lassen. Derartige besondere Umstände, aus denen sich ergibt,
dass der Betriebsrat vorliegend kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten
Entscheidung haben kann, liegen nicht vor.
II.
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Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats
stattgegeben, er ist begründet.
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1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus einem Verstoß der
Arbeitgeberin gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1
BetrVG.
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a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass dem Betriebsrat
grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen
zusteht, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1
BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Pflichtverletzung des
Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, Beschluss vom 03.05.1994
– AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAG, Beschluss vom 23.07.1996 – AP BetrVG 1972 §
87 Arbeitszeit Nr. 68; BAG, Beschluss vom 29.02.2000 – AP BetrVG 1972 § 87
Lohngestaltung Nr. 105; BAG, Beschluss vom 27.01.2004 – AP BetrVG 1972 § 87
Überwachung Nr. 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl.,
§ 87 Rz. 596 und § 23 Rz. 99 f.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 87 Rz. 316;
ErfK/Kania, 8. Aufl., Einl. vor § 74 BetrVG Rz. 28; GK/Oetker, BetrVG, 8. Aufl., § 23 Rz.
130 ff., 137 f. m.w.N.). Auch die beim Beschwerdegericht zuständigen Kammern haben
einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verstoß gegen
Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich anerkannt (LAG Hamm,
Beschluss vom 06.02.2001 – 13 TaBV 132/00 – AiB 2001, 488, LAG Hamm, Beschluss
vom 14.01.2005 – 10 TaBV 85/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 26.02.2007 – 10
TaBVGa 7/07 – ).
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b) Der Betriebsrat nimmt im vorliegenden Fall zu Recht ein Mitbestimmungsrecht nach §
87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für sich in Anspruch. Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrats bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der
Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
Dadurch, dass die Arbeitgeberin, wie sie in ihrem Schreiben vom 20.08.2007 an die
Mitarbeiter in der Contherm-Anlage unmissverständlich mitgeteilt hat, die Arbeitnehmer
auch am letzten Samstag im Monat einsetzen will, ist das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Satz 2 BetrVG berührt. Unstreitig ist zwischen den
Beteiligten, dass die Mitarbeiter in der Contherm-Anlage bislang in zwei Schichten von
montags bis freitags gearbeitet haben. Diese beabsichtigte Änderung der Arbeitszeit ist
nur unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG möglich. Für den Einsatz der Mitarbeiter in der Contherm-Anlage auch an
Samstagen ist die Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
unerlässlich.
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c) Gegen dieses Mitbestimmungsrecht hat die Arbeitgeberin verstoßen, indem sie die
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Arbeit in der Contherm-Anlage auch am letzten Samstag im jeweiligen Monat
ermöglichen will. Dies ist aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Eine Zustimmung des Betriebsrats liegt nicht vor.
Die Arbeitgeberin kann demgegenüber auch nicht einwenden, die streitige Maßnahme
liegen im Direktionsrecht des Arbeitgebers. Bei der Frage, ob der Arbeitgeber
gegenüber einem Arbeitnehmer individualrechtlich berechtigt ist, Samstagsarbeit
anzuordnen oder zu dulden, mag es sich um eine Frage des Direktionsrechts des
Arbeitgebers gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer handeln. Das Direktionsrecht des
Arbeitgebers steht aber im vorliegenden Fall nicht im Streit, streitig vielmehr ist, ob die
Arbeitgeberin kollektivrechtlich berechtigt ist, Samstagsarbeit anzuordnen oder zu
dulden. Selbst wenn die Arbeitgeberin individualrechtlich gegenüber den Mitarbeitern in
der Contherm-Anlage kraft Direktionsrechts berechtigt wäre, Samstagsarbeit
anzuordnen oder zu dulden, enthebt dies die Arbeitgeberin nicht von ihrer Verpflichtung,
kollektive Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.
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Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch nicht deshalb entfallen, weil die
Arbeitgeberin den Mitarbeitern in der Contherm-Anlage, wie sie meint, lediglich
ermöglicht hat, am letzten Samstag im Monat Arbeitsleistungen zu erbringen. Selbst
wenn die Mitarbeiter in der Contherm-Anlage sich zu der Samstagsarbeit freiwillig bereit
erklären würden, schließt dies das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht aus. Das
Einverständnis der betroffenen Mitarbeiter mit der Samstagsarbeit beseitigt nicht das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Auch die Duldung von freiwillig geleisteten
Arbeitsstunden durch den Arbeitgeber unterliegt dem Mitbestimmungsrecht (vgl. BAG,
Beschluss vom 27.11.1990 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 41; BAG, Beschluss
vom 16.07.1991 – AP BetrVG § 87 Arbeitszeit Nr. 44; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 144;
DKK/Klebe, a.a.O., § 87 Rz. 98; ErfK/Kania, a.a.O., § 87 BetrVG Rz. 34 m.w.N.). Der
Betriebsrat hat bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestands nicht nur dann
mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber Arbeiten an bestimmten Tagen ausdrücklich
anordnet, sondern auch dann, wenn er freiwillig geleistete Arbeitsstunden nur duldet,
indem er sie entgegennimmt. So liegt der vorliegende Fall. Die Arbeitgeberin hat sich
bereit erklärt, dass an Samstagen in ihrem Betrieb gearbeitet wird. Sie ist bereit,
Samstagsarbeit von Mitarbeitern in der Contherm-Anlage entgegenzunehmen, sie zu
dulden. Dies ist ohne Mitbestimmung des Betriebsrats nicht möglich.
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Auch in der Anhörung vor der Beschwerdekammer hat sich herausgestellt, dass die
Arbeitgeberin an ihrer Absicht, den Mitarbeitern in der Contherm-Anlage Samstagsarbeit
"auf freiwilliger Basis" anzubieten, festhält. Dies stellt einen Verstoß gegen das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats dar.
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2. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist auch der für den Erlass einer
einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund gegeben.
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Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines
Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
Zur Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein.
Angesichts der Tatsache, dass die auf Unterlassung oder Rückgängigmachung
gerichtete einstweilige Verfügung Erfüllungswirkung hat, ist eine umfassende
Interessenabwägung erforderlich. Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft
gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur
Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige
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Regelung zu treffen (LAG Hamm, Urteil v. 19.04.1984 - LAGE Art. 9 GG Nr. 14 = NZA
1994, 130; LAG Hamm, Urteil v. 17.03.1987 - LAGE Art. 9 GG Nr. 31 = DB 1987, 846;
LAG Hamm, Beschluss v. 06.02.2001 - AiB 2001, 488). Dabei ist auch das Gewicht des
drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für den
Arbeitgeberin und andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen
(BAG, Beschluss v. 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 - unter B. III. 3. der
Gründe). Das durch eine Unterlassungsverfügung zu sichernde Beteiligungsrecht des
Betriebsrats ist kein subjektives, absolutes Recht, sondern eine Berechtigung, zum
Schutz der Arbeitnehmer durch Ausübung des jeweiligen Beteiligungsrechtes
mitgestaltend tätig zu werden. Für die Feststellung eines Verfügungsgrundes kommt es
daher nicht allein darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausübung seiner Beteiligungsrechte
ganz oder jedenfalls für die Vergangenheit unmöglich gemacht wird, sondern auch
darauf, ob für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer mitbestimmten Regelung der damit
bezweckte Schutz der Arbeitnehmer unwiederbringlich vereitelt wird.
Bereits die zum Verfügungsanspruch gemachten Ausführungen zeigen, dass die
Arbeitgeberin nicht bereit ist, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs.
1 Nr. 2 BetrVG zu beachten. Dies ist für den Betriebsrat nicht hinnehmbar. Der Verstoß
gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin ist eindeutig
und zweifelsfrei. Die Arbeitgeberin hat, wie die Anhörung vor der Beschwerdekammer
gezeigt hat, ihre Absicht, den Mitarbeitern in der Contherm-Anlage Samstagsarbeit
anzubieten, auch nicht inzwischen aufgegeben. Dies zeigt, dass der Betriebsrat auf den
Erlass einer einstweiligen Verfügung dringend angewiesen ist. Sinn der §§ 935, 940
ZPO ist es gerade zu verhindern, dass die Verwirklichung des Rechts einer Partei
vereitelt wird. Bestehen an dem Bestand des Verfügungsanspruchs keine vernünftigen
Zweifel, ist eine einstweilige Verfügung zu erlassen, da das mögliche Interesse der
Arbeitgeberin an der Beibehaltung einer offensichtlich rechtswidrigen Verfahrensweise
rechtlich nicht schützenswert ist (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2005
– AiB 20006, 369; LAG Hamm, Beschluss vom 26.02.2007 - 10 TaBV 7/07 -; Walker,
ZfA 2005, 45, 53 m.w.N.). Der Betriebsrat ist auf den Erlass der begehrten einstweiligen
Verfügung dringend angewiesen, da ohne Erlass ihm ein endgültiger Rechtsverlust
hinsichtlich seiner Mitbestimmungsrechte droht. Bereits hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit und Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Verfügung. Die
Anforderungen an den Verfügungsgrund sind umso geringer, desto schwerer und
offensichtlicher die drohende oder bestehende Rechtsverletzung ist (LAG Köln, Urteil
vom 24.11.1998 – NZA 1999, 1008; LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2001 – NZA 2003,
311; LAG Hamm, Beschluss vom 26.02.2007 – 10 TaBVGa 7/07 -). Gegen die
besondere Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Verfügung spricht auch nicht, dass
der Betriebsrat, wie die Arbeitgeberin meint, rechtswidrige Ziele verfolge und gegen die
betroffenen Mitarbeiter und deren Interessen arbeite. Ein rechtlich anerkennenswertes
Interesse der Arbeitgeberin an der Abweisung des Antrags des Betriebsrats besteht
schon deshalb nicht, weil nicht der Betriebsrat, sondern die Arbeitgeberin sich
mitbestimmungswidrig und damit rechtswidrig verhält. Auch die den Mitarbeitern in der
Contherm-Anlage eingeräumte Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Samstagsarbeit zu
leisten, ist mitbestimmungspflichtig.
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Schierbaum Ebeler Himmelmann
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