Urteil des LAG Hamm vom 31.05.2006
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Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 202/05
Datum:
31.05.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 202/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bocholt, 3 BV 11/05
Schlagworte:
Schulungskosten des Betriebsrats;Erforderlichkeit der Schulung über
Logistiksysteme und -prozesse; Erforderlichkeit der Schulung von zwei
Betriebsratsmitgliedern; aktueller betriebsbezogener Schulungsbedarf;
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Normen:
§§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG
Rechtskraft:
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tenor:
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Bocholt vom 27.10.2005
- 3 BV 11/05 - abgeändert.
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, den Betriebsrat und die Beteiligten
zu 3. und 4. von den Kosten der Betriebsratsschulung ,,Logistik und
Wertschöpfungskette: Wie muss die Logistik gestaltet sein, um gute
Arbeitsbedingungen zu sichern?" in H8xxxxxxx in der Zeit vom
08.03.2005 bis 11.03.2005 in Höhe von 2.130,56 € nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz ab dem
31.03.2005 freizustellen und diesen Betrag nebst sich ergebender
Zinsen an das DGB Bildungswerk mit der Angabe der
Rechnungsnummer AG 219104/305073113 und AG 219105/305073113
auf das Konto bei der S5x AG, Bankleitzahl 45x 13x 14, Konto-Nummer
11 01x 02x 61x, zu zahlen.
Gründe:
1
A
2
Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme von zwei
Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung.
3
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Holzindustrie und fertigt an drei Standorten,
unter anderem im Werk O1xxxxxxxx, hochwertige Wohn- , Schlaf- und
Jugendzimmermöbel. Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb
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O1xxxxxxxx gewählte Betriebsrat, der aus neun Personen besteht.
Die gewerblichen Mitarbeiter im Betrieb der Arbeitgeberin sind ein Prämienlohnsystem
eingebunden, das im Wesentlichen aus drei Komponenten besteht:
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1. Teilprämie Mängel, 2. Teilprämie Qualität Q1 und 3. Teilprämie Termintreue Q2.
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Die Arbeitgeberin steht seit Jahren in Gesprächen mit dem Betriebsrats des
vorliegenden Verfahrens sowie den weiteren Betriebsräten und dem gewählten
Gesamtbetriebsrat über die Optimierung ihrer Standorte, Lohnsenkungen,
Kostenreduzierungen, Absenkung von Reklamationen, termingerechte Erledigung von
Aufträgen etc.. Diese Gespräche standen insgesamt unter der Prämisse, eine
Standortsicherung zu gewährleisten und eine positive Entwicklung der Wirtschaftlichkeit
für die jeweiligen Werke zu erreichen.
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Zum Zwecke der Standortsicherung und der Sicherung der Arbeitsplätze schlossen die
Arbeitgeberin und der antragstellende Betriebsrat für das Werk O1xxxxxxxx am
01.08.2003 eine Rahmenvereinbarung (Bl. 67 ff. d. A.), die unter anderem eine
Verrechnung der vereinbarten Beträge, insbesondere eine Verringerung der Prämien
Q1 und Q2 vorsah. Auf die weiteren Bestimmungen der Rahmenvereinbarung vom
01.08.2003 wird Bezug genommen.
8
Im Rahmen der Produktions- und Personaleinsatzplanung war die Einhaltung der
sogenannten Termintreue, die nicht immer gewährleistet war, neben der Entwicklung
von Abwesenheits- und Krankheitsquoten ständiger Diskussionspunkt zwischen
Arbeitgeberin und Betriebsrat. Insbesondere bei der Einführung neuer Wohnprogramme
traten Anlaufprobleme auf, die zu Störungen im Fertigungsablauf führten. Derartige
Anlaufprobleme hatten häufig die Einführung von Mehrarbeit sowie die Regelung von
neuen Arbeitszeitkonten auf Grund von Betriebsvereinbarungen zur Folge. Auf die
Betriebsvereinbarungen vom 16.01.2004, 15.07.2004 und 23.12.2004 (Bl. 99 ff. d. A.)
wird Bezug genommen.
9
In Einzelfällen konnte auf Grund von Versorgungsproblemen die jeweils angeordnete
Mehrarbeit wiederum nicht komplett aufrecht erhalten werden (vgl. Aushang vom
21.01.2005 - Bl. 107 d. A.). Trotz durchgeführter Mehrarbeit und Absinkung des
Krankenstandes war ein Anstieg der sogenannten "Überfälligen" – Bestellungen, die
nur zum Teil fertiggestellt waren und fehlenden Materials noch nicht ausgeliefert werden
konnten – zu verzeichnen.
10
Am 03.02.2005 fasste der Betriebsrat einstimmig den Beschluss, die
Betriebsratsmitglieder T1xxxxx und Banken, die Beteiligten zu 3. und 4. für die Zeit vom
08.02.2005 bis zum 11.03.2005 zu dem vom D2x B6xxxxxxxxxx e. V. in H8xxxxxxx
veranstalteten Seminar "Logistik und Wertschöpfungskette: Wie muss die Logistik
gestaltet sein, um gute Arbeitsbedingungen zu sichern?" zu entsenden (Bl. 9, 10 d. A.).
Auf die Themen, die während des Seminars behandelt wurden, und die
Seminarbeschreibung wird im einzelnen Bezug genommen (Bl. 12 f. 71 d. A.).
11
Die Beteiligten zu 3. und 4. gehören seit 1994 bzw. seit 1998 dem Betriebsrat an und
sind für den Betriebsrat u. a. im Prämienausschuss sowie im Ausschuss für Gefahrstoff
und Arbeitssicherheit tätig (Bl. 45 d. A.). Sie haben in der Vergangenheit an mehreren
Schulungsveranstaltungen teilgenommen (vgl. Aufstellung Bl. 46 ff. d. A.).
12
Mit Schreiben vom 03.02.2005 (Bl. 11 d. A.) unterrichtete der Betriebsrat die
Arbeitgeberin bei gleichzeitiger Übersendung der Themenübersicht für das Seminar
über den Entsendungsbeschluss vom gleichen Tage.
13
Mit Schreiben vom 16.02.2005 teilte die Arbeitgeberin mit, dass sie die beabsichtigte
Schulung nicht für erforderlich halte, und lehnte jegliche Kostenerstattung ab.
14
Mit Schreiben vom 18.02.2005 (Bl. 15 d. A.) schlug der Betriebsrat der Arbeitgeberin den
Kompromiss vor, lediglich den Beteiligten zu 3. zu entsenden. Die Arbeitgeberin
reagierte hierauf nicht mehr. Der Betriebsrat hielt daraufhin an seinem ursprünglich
gefassten Entsendungsbeschluss fest und teilte dies der Arbeitgeberin mit Schreiben
vom 03.03.2005 (Bl. 16 d. A.) mit.
15
Der Beteiligte zu 3. und der Beteiligte zu 4. nahmen daraufhin in der Zeit vom 08. bis
11.03.2005 an dem streitigen Seminar in Hattingen teil (Bl. 17, 18 d. A.). Unter dem
15.03.2005 richtete der Seminarveranstalter, das DGB Bildungswerk e. V. an die
Arbeitgeberin eine Rechnung über die Seminarkosten für die Teilnahme des Beteiligten
zu 3. bzw. des Beteiligten zu 4. in Höhe von jeweils 1.065,28 € (Bl. 19, 20 d. A.). Die
Arbeitgeberin lehnte mit Schreiben vom 14.04.2005 (Bl. 21, 22 d. A.) gegenüber dem
Seminarveranstalter eine Übernahme der Seminarkosten ab.
16
Nach Herbeiführung eines Betriebsratsbeschlusses vom 28.04.2005 (Bl. 27 f. d. A.)
leitete der Betriebsrat daraufhin am 18.05.2005 das vorliegende Beschlussverfahren
beim Arbeitsgericht ein.
17
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Schulungsteilnahme der Beteiligten zu
3. und 4. sei erforderlich gewesen. Bei Beschlussfassung sei der Betriebsrat mit der
Arbeitgeberin in Folge häufiger Störungen im Fertigungsablauf in ständiger Diskussion
gewesen. Häufig würden durch die genannten Störungen Überstunden,
Sonderschichten, Mehrarbeit erforderlich, die zu zusätzlichem Stress bei den
Mitarbeitern führten. Insoweit habe es Handlungsbedarf für den Betriebsrat nach § 92 a
BetrVG gegeben, der insbesondere Formen der Arbeitsorganisation und die Änderung
von Arbeitsverfahren und -abläufen umfasst habe. Auf dem Seminar sei Wissen
vermittelt worden, das den Betriebsrat in die Lage versetzt habe, logistische Systeme
und Prozesse zu verstehen. Es seien Methoden erlernt worden, Gestaltungsvorschläge
und Regelungen zu entwickeln, die effizienteren Abläufen und der Verbesserung von
Arbeitsbedingungen dienten. Der Betriebsrat könne seinen Aufgaben nach § 80 BetrVG
und nach § 92 a BetrVG nicht nachkommen, wenn er keine Kenntnisse von logistischen
Abläufen und deren Wirkung auf optimale interne und externe Prozessabläufe habe.
18
Die Auswahl der Seminarteilnehmer sei auf den Beteiligten zu 3. und den Beteiligten zu
4. gefallen, da diese sich bereits bislang verstärkt mit der Problemanalyse im Rahmen
der Arbeitsabläufe im Betrieb befasst hätten. Darüber hinaus seien sie in verschiedenen
hiermit befassten Ausschüssen tätig.
19
Die vom Seminarveranstalter vorgelegten Rechnungen seien inhaltlich ausreichend
aufgeschlüsselt, die Kosten seien auch der Höhe nach angemessen. Einer
weitergehenden Kostenaufschlüsselungspflicht bedürfe es nicht.
20
Der Betriebsrat hat beantragt,
21
der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2. aufzugeben, den Antragsteller und
Beteiligten zu 1. und die Beteiligten zu 3. und 4. von den Kosten der
Betriebsratsschulung "Logistik und Wertschöpfungskette: Wie muss die Logistik
gestaltet sein, um gute Arbeitsbedingungen zu sichern?" in H8xxxxxxx in der
Zeit vom 08.03.2005 bis 11.03.2005 in Höhe von 2.130,56 € netto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz ab dem
31.03.2005 freizustellen und diesen Betrag nebst sich ergebender Zinsen an
das DGB Bildungswerk mit der Angabe der Rechnungsnummern AG
219104/305073113 und AG 219105/305073113 auf das Konto bei der S5x AG,
Bankleitzahl: 45x 13x 14, Konto-Nummer: 11 01x 02x 61x, zu zahlen.
22
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
23
den Antrag abzuweisen.
24
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Teilnahme des Beteiligten zu 3. und des
Beteiligten zu 4. an dem streitigen Seminar vom 08. bis 11.03.2005 nicht erforderlich
gewesen sei. Die Beteiligten zu 3. und 4. hätten bereits an zahlreichen
Schulungsmaßnahmen teilgenommen. Soweit in der Vergangenheit Probleme in der
Termintreue und Mehrarbeit aufgetaucht seien, seien diese im Wesentlichen durch die
Krankheitsquote zu erklären. Maschinenausfälle seien keine Logistikprobleme oder
Qualitätsprobleme. Das weitere Vorbringen des Betriebsrats sei im Übrigen zu
unsubstantiiert, um die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme feststellen zu können.
Konkrete Aussagen zu den angeblichen Schulungsinhalten seien nicht gemacht
worden. Aus welchem Grund das Seminar unbedingt von zwei Teilnehmern habe
besucht werden müssen, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen habe nicht der Betriebsrat
darüber zu entscheiden, welche Logistik das Unternehmen einsetze und welche nicht.
Der Betriebsrat habe die Unterschiede zwischen betrieblicher Mitbestimmung und
Unternehmensmitbestimmung nicht verinnerlicht.
25
Durch Beschluss vom 27.10.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Erforderlichkeit der
Schulungsteilnahme sei nicht erkennbar.
26
Gegen den dem Betriebsrat am 21.11.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts
vom 27.10.2005, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am
07.12.2005 Beschwerde eingelegt und diese mit dem am 19.01.2006 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
27
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat der Schulungsveranstalter auf den Hinweis der
Beschwerdekammer vom 26.01.2006 am 13.02.2006 neue Rechnungen über die
Seminarkosten an den antragstellenden Betriebsrat gerichtet (Bl. 123, 124 d. A.). Die
Rechnungen entsprechen inhaltlich den ursprünglich an die Arbeitgeberin gerichteten
Rechnungen vom 10.03.2005.
28
Durch eine Mitarbeiterinformation vom 24.03.2006 teilte die Arbeitgeberin in ihrem
Betrieb mit, dass sie im Rahmen einer Qualitätsoffensive inzwischen eine Analyse des
kompletten Logistikprozesses bei der Unternehmensberatung "S7xxxxx, B7xxxx und
Partner" in Auftrag gegeben habe. Ziel dieser Analyse sei es, den gesamten
Logistikprozess, angefangen mit der Endkontrolle und Verpackung, über die komplette
29
Transportlogistik und den Lagerumschlag im Handel, bis hin zur Auslieferung an den
Endkunden zu untersuchen. Aus den Untersuchungsergebnissen sollen
Verbesserungen für den Gesamtprozess abgeleitet werden.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe in dem abweisenden
Beschluss vom 27.10.2005 den gesamten Inhalt des Schriftsatzes vom 07.10.2005
überhaupt nicht berücksichtigt. Der Betriebsrat habe bei Beschlussfassung
insbesondere vor der Frage gestanden, ob er der immer wieder beantragten Mehrarbeit
zustimmen solle, ob die Mehrarbeit auf unvermeidbare sonstige Umstände
zurückzuführen sei oder den Mehrarbeitsanträgen die Zustimmung verweigert werden
könne, weil Maßnahmen in der Logistik möglich erschienen und zumutbar seien und
Mehrarbeit dadurch vermieden werden könne. Der Betriebsrat habe durch die
Schulungsteilnahme befähigt werden sollen, gerade diese zentrale Fragestellung
sachgerecht zu bearbeiten und entsprechende Stellungnahmen zu den immer
wiederkehrenden Anträgen der Arbeitgeberin auf Zustimmung zur Mehrarbeit geben zu
können. Diese Zielrichtung sei auch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen erkennbar.
Das Arbeitsgericht habe sich hiermit jedoch überhaupt nicht befasst.
30
Dass im Betrieb eine entsprechende Problematik bestanden habe, werde auch daraus
ersichtlich, dass die Arbeitgeberin inzwischen eine Analyse des kompletten
Logistikprozesses bei einer Unternehmensberatung in Auftrag gegeben habe. Der
Betriebsrat habe zu dieser Problematik seinerzeit bereits Unmutsbekundungen aus der
Belegschaft sowie Hinweise erhalten, dass die Mehrarbeit nicht eben unbedingt allein
mit der Einführung neuer Modelle und Ähnlichem begründet werden könne, sondern
dass Mehrarbeit vermieden werden könne, wenn es nicht immer wieder zu
Materialengpässen käme. Über die Anträge auf Mehrarbeit könne nur sachgerecht
entschieden werden, wenn der Betriebsrat auch Kenntnisse über andere zumutbare und
mögliche Lösungen in der Logistik besitze. Insoweit sei der Beschluss des Betriebsrates
vom 03.02.2005 über die Entsendung der Beteiligten zu 3. und 4. zu dem streitigen
Seminar nicht zu beanstanden. Über die entsprechenden Kenntnisse habe der
Betriebsrat seinerzeit nicht verfügt. Zu beanstanden sei auch nicht, dass zwei
Betriebsratsmitglieder zu dem streitigen Seminar entsandt worden seien. Die Beteiligten
zu 3. und 4. seien gerade in der Endmontage beschäftigt, wo die größten
Logistikprobleme aufgetreten seien.
31
Das streitige Seminar habe auch die dem Betriebsrat fehlenden Kenntnisse über die
Logistikproblematik vermittelt. Das Seminar sei so durchgeführt worden, wie es in der
Ausschreibung angegeben worden sei. Der Betriebsrat sei nunmehr in die Lage
versetzt, logistische Systeme und Prozesse zu verstehen. Es seien Methoden erlernt
worden, Gestaltungsvorschläge und Regelungen zu entwickeln, die effizienteren
Abläufen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen dienten. Die Seminarteilnahme
vom 08. bis 11.03.2005 sei im Übrigen keineswegs wirkungslos geblieben. Der
Betriebsrat habe inzwischen auf Grund der im Seminar erworbenen Fachkompetenz
einen Fragenkatalog an die Arbeitgeberin gerichtet. Der Belegschaft sei inzwischen ein
Projekt "SAP-Lagerverwaltungssystem" vorgestellt worden, das zur Optimierung der
Abläufe und dadurch eben der Verringerung der Mehrarbeit diene. Schließlich sei am
22.06.2005 eine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitkonten abgeschlossen worden,
nach deren § 1 die Präambel nunmehr anders als bisher formuliert sei.
32
Der Betriebsrat beantragt,
33
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 27.10.2005 – 3 BV 11/05 –
abzuändern und der Arbeitgeberin aufzugeben, den Betriebsrat und die
Beteiligten zu 3. und 4. von den Kosten der Betriebsratsschulung "Logistik und
Wertschöpfungskette: Wie muss die Logistik gestaltet sein, um gute
Arbeitsbedingungen zu sichern?" in H8xxxxxxx in der Zeit vom 08.03.2005 bis
11.03.2005 in Höhe von 2.130,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz ab dem 31.03.2005
freizustellen, und diesen Betrag nebst sich ergebender Zinsen an das DGB
Bildungswerk mit der Angabe der Rechnungsnummer AG 219104/305073113
und AG 219105/305073113 auf das Konto bei der S5x AG, Bankleitzahl 45x 13x
14, Konto-Nummer 11 01x 03x 61x, zu zahlen.
34
Die Arbeitgeberin beantragt,
35
die Beschwerde zurückzuweisen.
36
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass
die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme vom Betriebsrat nicht nachvollziehbar
dargestellt sei. Ein konkreter Bezug zu den Themenstellungen des streitigen Seminars
seien nicht ersichtlich. Der Betriebsrat behaupte nach wie vor unsubstantiiert, dass
durch den Seminarbesuch notwendige Kenntnisse vermittelt worden seien. Welche
konkreten Schulungsinhalte an welchem Tag behandelt worden sind, sei nicht konkret
vorgetragen worden. Das gesamte Vorbringen des Betriebsrates müsse als
unsubstantiiert unberücksichtigt bleiben. Welche Themenstellung konkrete
Berührungspunkte mit konkreten Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates haben
könnten, sei nicht ersichtlich. Erforderlich sei es auch nicht gewesen, gleich zwei
Betriebsratsmitglieder zu der streitigen Schulungsmaßnahme zu entsenden.
37
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
38
B
39
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet.
40
I.
41
Der vom Betriebsrat gestellte Antrag ist zulässig.
42
1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§
2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche
Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich um einen auf die §§ 40 Abs. 1,
37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf Freistellung von Kosten, die durch die
Schulung von Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG, Beschluss vom
15.01.1992 – AP BetrVG 1972
43
§ 40 Nr. 41).
44
2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrates und die Beteiligung der Arbeitgeberin ergeben
sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
45
Neben dem antragstellenden Betriebsrat und der Arbeitgeberin waren auch die an der
streitigen Schulungsveranstaltung teilnehmenden Betriebsratsmitglieder, die Beteiligten
zu 3. und 4. am vorliegenden Verfahren zu beteiligen. Aus § 83 Abs. 3 ArbGG ergibt
sich, dass sich die Beteiligungsbefugnis nach materiellem Betriebsverfassungsrecht
bestimmt. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist daher, wer von der zu erwartenden
Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis
unmittelbar betroffen wird. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder, die an einer
Schulungsmaßnahme teilnehmen, sind grundsätzlich aus abgeleitetem Recht
beteiligungsbefugt, selbst wenn der Betriebsrat von seinem Recht Gebrauch macht,
selbst den Arbeitgeber auf Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen (BAG, Beschluss
vom 15.01.1992 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, Beschluss vom 30.03.1994 – AP
BetrVG 1972 § 40 Nr. 42; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5.
Auflage, § 83 Rz. 61 m. w. N.).
46
II.
47
Der Antrag des Betriebsrates auf Freistellung von Kosten für die streitige
Schulungsveranstaltung sowie auf Zahlung an den Schulungsveranstalter ist auch
begründet.
48
Der Arbeitgeber ist nämlich zur Tragung der Schulungskosten für die Teilnahme der
Beteiligten zu 3. und 4. an der streitigen Schulungsmaßnahme vom 08. bis 11.03.2005
nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG verpflichtet.
49
1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach
§ 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG
gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind
(BAG, Beschluss vom 31.10.1972 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2; BAG, Beschluss vom
15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - AP
BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23.
Aufl., § 40 Rz. 66; ErfK/Eisemann, 6. Aufl., § 40 BetrVG Rz. 9 m.w.N.).
50
Da der Betriebsrat grundsätzlich selbst nicht vermögensfähig ist, geht bei Streitigkeiten
über die Kosten des Betriebsrats sein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Übernahme
der Kosten oder für den Fall, dass eine Verbindlichkeit begründet worden ist, auf
Freistellung von dieser Verbindlichkeit. Soweit der Betriebsrat wegen der
Schulungskosten selbst in Anspruch genommen wird, hat er einen entsprechenden
Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Wird dagegen das
Betriebsratsmitglied selbst in Anspruch genommen, kann auch dem einzelnen
Betriebsratsmitglied ein Freistellungsanspruch zustehen. Daneben kann - wie im
vorliegenden Fall - auch der Betriebsrat den Freistellungsanspruch des einzelnen
Betriebsratsmitglieds geltend machen.
51
2. Die Arbeitgeberin ist zur Tragung der Schulungskosten für die Beteiligten zu 3. und 4.
für deren Teilnahme an der streitigen Schulungsmaßnahme verpflichtet, da auf der
Schulungsveranstaltung vom 08. bis 11.03.2005 Kenntnisse vermittelt worden sind, die
für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
52
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von
Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die
53
Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der
konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst
anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig
der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können,
dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in
naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der
Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG,
Beschluss vom 09.10.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4 ; BAG, Beschluss vom
06.11.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6 ; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP BetrVG
1972 § 37 Nr. 18 ; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 ;
BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 140,
141 f.; DKK/Wedde, BetrVG, 10. Aufl., § 37 Rz. 92 ff.; Richardi/Thüsing, BetrVG, 10.
Aufl., § 47 Rz. 86 ; GK-BetrVG/Weber, 8. Aufl., § 37 Rz. 156 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., §
37 BetrVG Rz. 16 m.w.N). Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der
Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Schulungsveranstaltung
entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf abzustellen, ob nach
den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in
absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen
und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates und unter
Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses
Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.
Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf
es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im
Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes
Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der
gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare
Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom
21.11.1978 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37
Rz. 143 f.; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.;
ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17; Richardi/Thüsing, a.a.O.; § 37 Rz. 89
m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets,
ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im
Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
58; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 144; Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37
Rz. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).
54
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer
Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten
Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt.
Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG,
Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom
16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 118 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174; Weber,
a.a.O., § 37 Rz. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37
BetrVG Rz. 16).
55
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war davon auszugehen, dass die
Teilnahme der Beteiligten zu 3. und 4. an dem streitigen Seminar erforderlich gewesen
ist.
56
aa) Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin können sowohl Schulungen über
wissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit wie
auch Schulungen zum Bereich Beschäftigungssicherung und Innovation für die Arbeit
des Betriebsrats erforderliche Kenntnisse vermitteln. Schulungsmaßnahmen können
insbesondere dann erforderlich sein, wenn entsprechende Änderungen und Planungen
im Betrieb anstehen, etwa wenn der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsplätze, des
Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung plant (BAG, Beschluss vom 14.06.1977 – AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 30; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; DKK/Wedde, a.a.O. § 37 Rz. 108;
Däubler, Handbuch Schulung und Fortbildung, 5. Aufl. 2004, Rz. 205, 206, 230). Die
Arbeitgeberin übersieht, dass sowohl die Beschäftigungsförderung und -sicherung nach
§ 80 Abs. 1 Nr. 8 wie auch die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und
Arbeitsumgebung nach § 90 Abs. 1 BetrVG zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört.
Gemäß § 92 a Abs. 1 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber auch Vorschläge
zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen. Diese können sich
insbesondere auch auf neue Formen der Arbeitsorganisation, auf Änderungen der
Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe beziehen. Nach § 90 a Abs. 2 BetrVG hat der
Arbeitgeber entsprechende Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten. Insoweit ist den
Betriebsratsmitgliedern auch die Möglichkeit zu eröffnen, sich im Rahmen von
Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG jedenfalls die
nötigen Grundkenntnisse zu verschaffen. Dies gilt mindestens dann, wenn Änderungen
und Planungen im Betrieb konkret anstehen (DKK/Däubler, a.a.O., § 92 a Rz. 7 und 10;
Richardi/Thüsing, a. a. O., § 37 Rz. 92 a; Fitting, a.a.O. § 92 a Rz. 6 m. w. N.).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte der Betriebsrat die streitige
Schulungsveranstaltung für die Betriebsratsmitglieder T1xxxxx und Banken als
erforderlich ansehen. Betriebsrat und Arbeitgeberin stehen seit längerer Zeit in
ständigen Gesprächen über die Optimierung der Standorte der Betriebe der
Arbeitgeberin, über Kostenreduzierungen, Einhaltung der Termintreue etc.. In diesem
Zusammenhang sind in der Vergangenheit häufiger insbesondere bei der Einführung
neuer Wohnprogramme Probleme im Fertigungsablauf aufgetreten, die zur Anordnung
von Mehrarbeit sowie auf Grund von Versorgungsproblemen zur Streichung der
angeordneten Mehrarbeit geführt haben. In diesem Zusammenhang haben sich
insbesondere auch für den Betriebsrat Fragen der Arbeitsabläufe im Betrieb gestellt.
Störungen im Fertigungsablauf führten im Jahre 2004/05 immer wieder zu
Betriebsvereinbarungen über Mehrarbeit und Sonderschichten; in Einzelfällen konnte
auf Grund von Versorgungsproblemen die angeordnete Mehrarbeit nicht komplett
aufrecht erhalten werden. Dies ist durch die vorgelegten Betriebsvereinbarung und
Schreiben der Arbeitgeberin unstreitig. Die von der Arbeitgeberin inzwischen in Auftrag
gegebene Analyse des kompletten Logistikprozesses verdeutlicht dies. Damit ist auch
entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ein konkreter aktueller
Zusammenhang zwischen der nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtigen
Mehrarbeit und den Arbeitsabläufen im Betrieb substantiiert dargetan. Ein konkreter
betriebsbezogener Anlass, der Voraussetzung für die Erforderlichkeit einer speziellen
Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG ist, besteht auch dann, wenn
der Betriebsrat eine entsprechende Initiative ergreifen will. Die Möglichkeit hierzu hat er
nicht nur im Bereich seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG, vielmehr kann er
sich in diesem Zusammenhang auch seines Vorschlagsrechts nach § 92 a BetrVG oder
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seiner Anregungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 BetrVG bedienen (Fitting, a.a.O., § 37 Rz.
147; DKK/Wedde, a.a.O, § 37 Rz. 101; Wiese/Weber, GK - BetrVG, a.a.O. § 37 Rz. 161,
ErfK/Eisemann, a.a.O. § 37 BetrVG Rz. 17; Däubler a.a.O., Rz. 179 m. w. N.).
cc) Soweit der Arbeitgeber im Beschwerdeverfahren bestritten hat, dass anlässlich des
Seminarbesuchs den Beteiligten zu 3. und 4. Wissen vermittelt worden ist, welches sie
in die Lage versetzt, logistische Systeme und Prozesse zu verstehen sowie
Gestaltungsvorschläge und Regelungen zu entwickeln, die effizienten Abläufen und
Verbesserungen der Arbeitsbedingungen dienten, ist dieses Bestreiten unbeachtlich.
Der Betriebsrat hat sowohl erstinstanzlich wie im Beschwerdeverfahren substantiiert
vorgetragen, dass das streitige Seminar vom 08. bis 11.03.2005 den Beteiligten zu 3.
und 4. erforderliche Kenntnisse vermittelt hat. Der Themenkatalog ist ausführlich
beschrieben worden. Die Seminarteilnahme hat den Betriebsrat in die Lage versetzt,
das auf dem Seminar vermittelte Wissen in einer Zusammenkunft im Rahmen einer
Power-Point-Präsentation offiziell vorzustellen und auf Grund der dort erworbenen
Fachkompetenz einen ausführlichen Fragenkatalog an die Arbeitgeberin zu richten.
Selbst wenn die Seminarteilnahme nicht in allen Punkten so erfolgreich gewesen wäre,
wie der Betriebsrat dies selbst darstellt, würde dies an der Erforderlichkeit der
Seminarteilnahme nichts ändern.
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Dass der Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder auf Grund der Teilnahme an früheren
Schulungsveranstaltungen oder sonstiger Erfahrungen nicht über entsprechende
Vorkenntnisse im Bereich Logistik verfügt hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
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3. Auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann die Teilnahme
der Beteiligten zu 3 und 4 an der Schulungsveranstaltung vom 08. bis 11.03.2005 nicht
in Frage gestellt werden.
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a) Dies gilt zunächst für die Dauer der Schulungsmaßnahme. Es ist bereits darauf
hingewiesen worden, dass dem Betriebsrat bei der Entsendung eines
Betriebsratsmitglieds zu einer Schulungsveranstaltung ein gewisser
Beurteilungsspielraum sowohl hinsichtlich des Inhalts der Veranstaltung als auch
hinsichtlich deren Dauer zusteht. Bereits insoweit ist die Entsendung eines
Betriebsratsmitglieds zu einer viertägigen Veranstaltung nicht zu beanstanden. Ein
inhaltlich gleichwertiges Seminar von kürzerer Dauer, an dem Betriebsratsmitglieder
hätten teilnehmen können, ist auch von der Arbeitgeberin nicht benannt oder angeboten
worden.
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b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch nicht deshalb verletzt worden, weil
der Betriebsrat die Entsendung von zwei Betriebsratsmitgliedern, des Beteiligten zu 3.
und des Beteiligten zu 4., zu der streitigen Veranstaltung beschlossen hat. Die
Arbeitgeberin kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Entsendung eines
Betriebsratsmitglieds zur Vermittlung der notwendigen Kenntnisse ausreichend
gewesen wäre. Abgesehen davon, dass der Betriebsrat der Arbeitgeberin vorprozessual
als Kompromisslösung die Entsendung lediglich eines Betriebsratsmitglieds angeboten
hat, die Arbeitgeberin hierauf jedoch nicht eingegangen ist, haben in Ausschüssen, die
der Betriebsrat in zulässiger Weise gebildet hat, sämtliche Ausschussmitglieder einen
Schulungsanspruch darauf, dass ihnen die erforderlichen Kenntnisse für die Arbeit im
Ausschuss vermittelt werden. Hat der Betriebsrat eine gewisse Aufgabenverteilung
vorgenommen und Aufgaben zur selbständigen Erledigung auf einen Ausschuss oder
eine Arbeitsgruppe übertragen, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn
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diejenigen Betriebsratsmitglieder geschult werden, denen die Wahrnehmung dieser
Aufgaben obliegt (BAG, Beschluss vom 29.01.1974 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 9; BAG,
Beschluss vom 20.12.1995 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 166;
Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 189; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 116; ErfK/Eisemann,
a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 18 m. w. N.). Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden,
dass verantwortliche Betriebsratsarbeit in gebildeten Ausschüssen oder Arbeitsgruppen
nur dann möglich ist, wenn jedes Ausschussmitglied über Mindestkenntnisse für die mit
seinem Amt verbundenen Aufgaben verfügt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom
12.10.1981 – EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 72; vgl. auch LAG Hessen, Beschluss vom
29.06.1995 – LAGE BetrVG 1972 § 40 Nr. 48 = BB 1996, 328). Hinzukommt, dass es
Sache des Betriebsrats ist, wie er innerhalb seines Gremiums seine Aufgaben verteilt
und welche Personen er mit welchen Aufgaben befasst. Bei der Übertragung von
Aufgaben und Besetzungen von Posten innerhalb des Betriebsrats und seiner
Ausschüsse ist der Betriebsrat autonom; diese Autonomie ist auch nicht im Rahmen der
Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme überprüfbar (Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 166;
DKK/Wedde a.a.O., § 37 Rz. 103). Die Entsendung von zwei Betriebsratsmitgliedern zu
der streitigen Schulungsveranstaltung ist danach auch insoweit erforderlich gewesen,
als die Beteiligten zu 3. und 4. innerhalb des Betriebsrates und seiner Ausschüsse mit
Logistikfragen ständig befasst sind.
4. Die Arbeitgeberin kann die Erforderlichkeit der Teilnahme der Beteiligten zu 3. und 4.
an der streitigen Schulungsmaßnahme auch nicht unter Kostengesichtspunkten
beanstanden. Die Höhe der Seminarkosten waren vom Betriebsrat in keiner Weise zu
beeinflussen. Bereits erstinstanzlich hat der Betriebsrat darüber hinaus darauf
hingewiesen, dass die Schulungsveranstaltung vom DGB-Bildungswerk e. V.
durchgeführt worden ist. Dieser Schulungsveranstalter ist aus koalitionsrechtlichen
Gründen zu einer weiteren Konkretisierung der berechneten Schulungskosten nicht
verpflichtet. Beschränkt sich ein in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins
geführter gewerkschaftlicher Schulungsveranstalter auf die Durchführung
betriebsverfassungsrechtlicher Schulungen, kommt eine Aufschlüsselung pauschaler
Schulungsgebühren erst bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine
Gegnerfinanzierung in Betracht (BAG, Beschluss vom 17.06.1998 – AP BetrVG 1972 §
40 Nr. 62; Fitting, a.a.O. § 40 Rz. 87; ErfK/Eisemann, a.a.O.; BetrVG Rz. 13). Konkrete
Anhaltspunkte für eine versteckte Gegnerfinanzierung sind von der Arbeitgeberin aber
nicht vorgetragen worden.
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III.
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Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach
den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
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Schierbaum
Schöneberg
Dau
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