Urteil des LAG Hamm vom 09.09.2005
LArbG Hamm: freiwillige leistung, betriebsrat, zulage, arbeitsgericht, mitbestimmungsrecht, form, kündigungsfrist, gewerkschaft, beschwerdekammer, zukunft
Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 13/05
Datum:
09.09.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 13/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 1 BV 21/04
Schlagworte:
Beschlussverfahren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Nachwirkung einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung
Veränderung des Leistungsplanes
Normen:
§ 256 ZPO§ 77 Abs. 6 BetrVG
Rechtskraft:
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.12.2004 - 1 BV 21/04 - wird
zurückgewiesen
G r ü n d e:
1
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Nachwirkung einer
gekündigten Betriebsvereinbarung.
2
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Holzindustrie mit mehreren Betrieben in der
B6x-xxxxxxxxxxx D3xxxxxxxxx. Unter anderem hat sie in R1xxx-W2xxxxxxxxx ein Werk
betrieben, das inzwischen zum 30.11.2004 geschlossen worden ist. Antragsteller des
vorliegenden Verfahrens ist der im Werk R1xxx-W2xxxxxxxxx gewählte Betriebsrat, der
aus neun Mitgliedern besteht. Die Betriebsräte der einzelnen Betriebe der Arbeitgeberin
in D3xxxxxxxxx haben einen Gesamtbetriebsrat gebildet.
3
Der antragstellende Betriebsrat hat mit der Arbeitgeberin am 22.02.1996 eine
Betriebsvereinbarung über die Führung eines Vollkontibetriebes für die
Rohspanplattenproduktion im Werk R1xxx-W2xxxxxxxxx abgeschlossen (Bl. 5 ff.d.A.). In
§ 8 dieser Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 war folgendes geregelt:
4
"
§ 8
5
Zulagenregelung
6
Für jede tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsstunde an Arbeitsplätzen nach
§ 3 dieser Betriebsvereinbarung wird ein Antrittsgeld in Höhe von 10,00 DM/Std.
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als freiwillige Zulage zusätzlich zu den tariflichen Zulagen gezahlt.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass gem. Ziff. 90 des gültigen
Manteltarifvertrages das Antrittsgeld in die Berechnung des Urlaubsentgeltes und
des zusätzlichen Urlaubsgeldes mit einfließt. Weiter wird vereinbart, dass das
Antrittsgeld über die Bestimmungen der Ziff. 5 b des Tarifvertrages über die
stufenweise Einführung des 13. Monatsverdienstes hinaus auch bei der
Berechnung des Weihnachtsgeldes Berücksichtigung findet.
8
Nach § 4 EFZG fließt es auch in die Berechnung des fortzuzahlenden
Arbeitsentgeltes mit ein."
9
Ähnliche Regelungen bestanden in anderen Betrieben der Arbeitgeberin.
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Gemäß Ziffer 17 des Manteltarifvertrages für die Holzbearbeitung (Sägeindustrie und
verwandte Betriebe) sowie den Holzhandel im Land N4xxxxxx-W5xxxxxx vom
08.03.1995 wurde für die Einführung des sog. "Vollkontibetriebes" die Zustimmung der
Tarifvertragsparteien eingeholt. Die Tarifvertragsparteien stimmten der
abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 ausdrücklich zu.
11
Mit Schreiben vom 26.06.2003 (Bl. 162 d.A.) kündigte die Arbeitgeberin u.a. die
Betriebsvereinbarung vom 22.06.1996 zum 31.12.2003.
12
Anschließend nahm sie Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat über die
Vereinbarung eines neuen Rahmenvergütungssystems der variablen Entlohnung für
gewerbliche Mitarbeiter in sämtlichen Betrieben auf. Mit Schreiben vom 19.09.2003 (Bl.
167 d.A. 10 TaBV 12/05 LAG Hamm) teilte die Arbeitgeberin dem
Betriebsratsvorsitzenden des Werkes R1xxx-W2xxxxxxxxx, der zugleich
Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, folgendes mit:
13
"Sehr geehrter Herr R2xxx-F1xxxxxxxxxx,
14
da die gekündigten Betriebsvereinbarungen beginnen zum 30.09.2003
auszulaufen, möchten wir gemeinsam mit Ihnen Konzepte für neue Re-gelungen
erarbeiten, sofern diese standortübergreifend angewendet werden können.
15
Es ist zunächst vorgesehen, eine Arbeitsgruppe aus dem Kreis der Betriebsräte,
die zu diesem Thema auch einen inhaltlichen Beitrag leisten können und wollen,
und drei Personalern (Frau M6xxxx, Herrn G1xxxx und Herrn H4xxxxx) zu bilden.
Zu gegebener Zeit werden wir dann ggfs. Experten aus den Fachabteilungen
hinzuziehen.
16
Wir gehen davon, dass in diesem Zusammenhang von seiten der Betriebsräte an
den Standorten die Sonntags- und Mehrarbeit nicht mehr behindert wird.
17
Bitte informieren Sie uns, ob Sie mit der Vorgehensweise einverstanden sind und
nennen uns die Teilnehmer der Arbeitsgruppe von Ihrer Seite. Wir werden dann
anschließend einen Termin für das erste Meeting koordinieren."
18
Mit Bekanntmachung vom 12.11.2003 (Bl. 12 d.A.) richtete sich die Arbeitgeberin an
sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebe in D3xxxxxxxxx wie folgt:
19
"
Neue Vergütungssystematik für gewerbliche Mitarbeiter
20
Im Zuge der Kündigungen verschiedener Betriebsvereinbarungen hat eine
Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats und des Personalwesens
Gespräche aufgenommen mit dem Ziel, gemeinsam ein neues Rahmen-
Vergütungssystem der variablen Entlohnung für gewerbliche Mitarbeiter an allen
unseren inländischen Standorten zu schaffen. Hiervon betroffen sind
Prämienregelungen, Arbeitsplatzzulagen und andere. Dieser Rahmen soll dann
durch örtliche Betriebsvereinbarungen, die zwischen den Betriebsräten und den
jeweiligen Werk-/Personalleitungen abgeschlossen werden, den betrieblichen
Belangen Rechnung tragen.
21
Damit möglichst rasch der derzeit aufgrund der Kündigungen von
Betriebsvereinbarungen ungeregelte Zustand aufgehoben wird, werden alle
Anstrengungen unternommen, ab 01. Januar 2004 die neuen
Betriebsvereinbarungen wirksam werden zu lassen, gegebenenfalls auch, falls
dieser Terminplan nicht einzuhalten ist, mit entsprechender Rückwirkung."
22
Seit Januar 2004 zahlte die Arbeitgeberin die in § 8 der Betriebsvereinbarung vom
22.02.1996 geregelte Zulage nicht mehr an die betroffenen Arbeitnehmer aus. Die
vollkontinuierliche Arbeitsweise wurde im Werk R1xxx-W2xxxxxxxxx jedoch
beibehalten.
23
Erst im Oktober 2004 kam es zum Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur
Einführung einer einheitlichen Vergütungssystematik in den Betrieben der Arbeitgeberin
(Bl. 44 ff.d.A.). In der Präambel zur Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01./28.10.2004 ist
u.a. ausgeführt, dass es Ziel der Gesamtbetriebsvereinbarung sei, die Vielzahl der
Lohnarten zu reduzieren und die unterschiedlichen Zulagen in Form einer
Prämienentlohnung und einer Leistungszulage zusammenzufassen. Unter § 2 der
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01./28.10.2004 war u.a. geregelt:
24
"...
25
Die zeitabhängigen, variablen Bestandteile
26
Aufgrund des relativ hohen Anteils von 2- und 3-Schichtarbeit, sowie Sonn- und
Feiertagsarbeit spielen die zeitabhängigen variablen Entgeltbestandteile eine
bedeutende Rolle im Vergütungsaufbau. Die zeitabhängigen variablen
Entgeltbestandteile werden gemäß den jeweils geltenden tariflichen
Bestimmungen und gemäß geltender betrieblichen Regelungen ermittelt und
entlohnt.
27
..."
28
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung vom
01./28.10.2004 Bezug genommen.
29
Da die Arbeitgeberin sich gegenüber den beteiligten Betriebsräten auf den Standpunkt
gestellt hatte, dass die gekündigte Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung entfalte,
hat der antragstellende Betriebsrat bereits am 02.04.2004 das vorliegende
30
Beschlussverfahren ein-geleitet.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin verweigere zu Unrecht
die Auszahlung der in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 geregelten Zulage.
Auch die Regelung in § 8 der Betriebsvereinbarung wirke nach. Die Regelungen in der
Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 seien seinerzeit als Paket verhandelt worden.
Die Zustimmung des Betriebsrats zur vollkontinuierlichen Arbeitsweise hätte nicht
zuletzt auch auf der in § 8 als Gegenleistung vereinbarten Zulage basiert. Zwar handele
es sich insoweit um eine freiwillige Leistung, die lediglich einem eingeschränkten
Mitbestimmungsrecht unterliege. Die Regelungen einer teilmitbestimmten
Betriebsvereinbarung würden nach Ablauf der Kündigungsfrist jedoch dann weiter
gelten, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung beabsichtige, die freiwillige Leistung
nicht vollständig entfallen zu lassen. In einem solchen Fall wirke die
Betriebsvereinbarung solange nach, bis eine neue Vereinbarung abgeschlossen
worden sei. Die beteiligte Arbeitgeberin habe im Rahmen ihres Verhaltens bzw. ihrer
schriftlichen Äußerungen zu keinem Zeitpunkt klargestellt, dass zukünftig eine Zulage in
Form des bisherigen Antrittsgeldes nicht mehr gezahlt werden würde. Der Arbeitgeberin
sei es lediglich darum gegangen, einzelne Zulagen zusammenzufassen und neu zu
ordnen. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung hätte allein dem Zweck gedient, die
Vergütungssystematik in allen Betrieben zu vereinheitlichen. Ein Ausschluss der
Nachwirkung ergebe sich auch nicht aus der neuen Gesamtbetriebsvereinbarung.
31
Der Betriebsrat hat beantragt,
32
festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die in § 8 der
Betriebsvereinbarung zur Fortführung eines Vollkontibetriebs vom 22.02.1996
vereinbarte Zulage von 5,11 €/Stunde für jede geleistete Sonn- und
Feiertagsstunde an Arbeitsplätzen nach § 3 dieser Betriebsvereinbarung bis zum
30.11.2004 zu zahlen.
33
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
34
den Antrag zurückzuweisen.
35
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 keine
Nachwirkung entfalte. Das in § 8 dieser Betriebsvereinbarung geregelte Antrittsgeld sei
eine freiwillige übertarifliche Leistung, die nach Ablauf der Kündigungsfrist keine
rechtliche Wirkung, insbesondere keine Nachwirkung entfalten würde. Sie habe die
Kündigung dieser Betriebsvereinbarung nicht ausgesprochen, um den
Verteilungsmaßstab oder das zur Verteilung anstehende finanzielle Volumen zu ändern,
sondern um die fragliche Zulage endgültig entfallen zu lassen. Diese Zulage werde
auch nicht in anderer Weise wieder aufleben, auch nicht in einem neuen
Rahmenvergütungssystem über eine variable Entlohnung. Auch die
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01./28.10.2004 sehe ein Antrittsgeld für Sonn- und
Feiertagsarbeit gerade nicht vor.
36
Durch Beschluss vom 09.12.2004 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats
statt-gegeben und zur Begründung ausgeführt, die Betriebsvereinbarung vom
22.02.1996 wirke nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach, weil die Arbeitgeberin mit der
Kündigung dieser Betriebsvereinbarung lediglich beabsichtigt habe, die
Vergütungssystematik in den einzelnen Betrieben zu vereinheitlichen. Zu keinem
37
Zeitpunkt sei erklärt worden, dass das Antrittsgeld zukünftig nicht mehr gezahlt werde.
Derartiges sei auch nicht durch § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung aus Oktober 2004
ausgeschlossen.
Gegen den der Arbeitgeberin am 17.01.2005 zugestellten Beschluss des
Arbeitsgerichts, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die
Arbeitgeberin am 31.01.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und
diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 28.04.2005 mit dem
am 27.04.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
38
Die Arbeitgeberin ist nach wie vor der Auffassung, die Betriebsvereinbarung vom
22.02.1996 wirke aufgrund der Kündigung vom 20.06.2003 nicht nach. Zu keinem
Zeitpunkt sei es um eine Neuverteilung des Antrittsgeldes oder um eine Änderung des
Leistungsplanes gegangen. Die in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996
geregelte Zulage habe endgültig entfallen sollen. Die Arbeitgeberin habe die Kündigung
ausgesprochen, nicht um den Verteilungsmaßstab oder das zur Verteilung anstehende
finanzielle Volumen zu ändern, sondern um diese fragliche Zulage endgültig entfallen
zu lassen. Dies sei spätestens prozessual im Laufe des vorliegenden Verfahrens
ausdrücklich erklärt worden.
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Die Arbeitgeberin behauptet, bereits im Frühjahr 2003 habe man mit der Gewerkschaft
aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des P1xxxxxxxx K4xxxxxx Verhandlungen
aufgenommen, um zu einem Ergänzungstarifvertrag zu kommen. Im Verlaufe dieser
Verhandlungen habe die IG Metall darauf hingewiesen, dass man zu einem
Ergänzungstarifvertrag, der Elemente eines Sanierungstarifvertrages enthalten solle,
erst dann kommen könne, wenn der Arbeitgeber die übertariflichen Zulagen beseitigt
habe; erst dann könne man darüber verhandeln, in das Vergütungsgefüge des
Flächentarifes einzugreifen. Im Laufe der Verhandlungen sei dieser Hinweis zu einer
Bedingung für den Abschluss eines Ergänzungstarifvertrages geworden. Gerade im
Hinblick auf diese Vorgabe habe man sich entschlossen, konzernweit sämtliche
Betriebsvereinbarungen in allen Werken zu kündigen, die freiwillige übertarifliche
Leistungen zum Inhalt gehabt hätten. Hiervon sei auch die Betriebsvereinbarung vom
22.02.1996 im Werk R1xxx-W2xxxxxxxxx betroffen gewesen.
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Die Arbeitgeberin habe im Zusammenhang mit der Kündigungserklärung und in den
Folgegesprächen mit den Betriebsräten die Gründe für die ausgesprochenen
Kündigungen dargelegt und klargestellt, dass es ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der
Kündigung für die Zukunft kein Antrittsgeld mehr geben werde. Die Fortführung dieser
Zulage sei zu keinem Zeitpunkt im Gespräch gewesen. Aus dem Aushang vom
12.11.2003 ergebe sich nichts anderes. Auch in § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung
vom 01./28.10.2004 sei das Antrittsgeld nicht erwähnt, weil es künftig nicht mehr Teil der
Vergütung habe sein sollen.
41
Die Arbeitgeberin beantragt,
42
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.12.2004 - 1 BV 21/04 -
abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
43
Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass
die gekündigte Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 Nachwirkung entfalte. Das
Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass der zugrundeliegende Sachverhalt nicht
belege, dass die Arbeitgeberin durch die Kündigung der Betriebsvereinbarung die
freiwillige Zulage, das Antrittsgeld, habe gänzlich entfallen lassen wollen. Es habe
lediglich festgestellt werden können, dass die Arbeitgeberin beabsichtigt habe, das
Zulagensystem für alle Betriebe in D3xxxxxxxxx zu vereinheitlichen, das Antrittsgeld in
Gänze in Fortfall kommen zu lassen, sei auch gegenüber den Betriebsräten und der
Belegschaft zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gekommen. Sowohl aus dem Aushang
vom 12.11.2003 wie auch aus der im Oktober 2004 abgeschlossenen
Gesamtbetriebsvereinbarung ergebe sich nichts anderes. Spätere Erklärungen der
Arbeitgeberin, wie sie sie nunmehr im Laufe des Verfahrens nachzuschieben versuche,
änderten hieran nichts. Auch in den Gesprächen mit den einzelnen Betriebsräten sei zu
keinem Zeitpunkt klargestellt worden, dass es ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der
Kündigung für die Zukunft kein Antrittsgeld mehr geben werde. Es sei immer nur die
Rede davon gewesen, dass eine Harmonisierung für die deutschen Standorte erfolgen
müsse und das die bisher als Antrittsgeld gezahlte Summe in einem neuen
Prämiensystem aufzugehen habe.
46
Im Übrigen hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten anderer Werke ergeben,
dass beispielsweise für den Standort Neumarkt wiederum eine feste Zulage für
Sonntagsarbeit in Höhe von 35,00 € pro Schicht vereinbart worden sei. Auch für das
Werk G2xxxxxx habe die Arbeitgeberin ein ähnliches Angebot unterbreitet.
47
Der Beschwerdekammer lagen auch die Akten des Beschwerdeverfahrens 10 TaBV
12/05 vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den
weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.
48
B
49
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.
50
Das Arbeitsgericht hat dem zulässigen Feststellungsantrag des Betriebsrats zu Recht
statt-gegeben.
51
I.
52
Der vom Betriebsrat gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.
53
1. Der Betriebsrat hat sein Begehren zutreffend im arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG geltend gemacht. Zwischen den
Beteiligten ist nämlich eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig,
nämlich die Frage, ob die gekündigte Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996
Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG entfaltet.
54
2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der betroffenen
Arbeitgeberin ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
55
Dem Betriebsrat fehlt nicht die erforderliche Antragsbefugnis. Zwar kann der Betriebsrat
im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich nicht die Feststellung
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individueller Rechte der Arbeitnehmer verlangen; derartige Rechte sind von den
betriebszugehörigen Arbeitnehmern im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 ArbGG selbst
geltend zu machen. Ein Anspruch auf Anwendung oder Durchführung einer
Betriebsvereinbarung kann sich aber als eigener Anspruch des Betriebsrats aus § 77
Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder aus der betreffenden Betriebsvereinbarung selbst ergeben
(zuletzt: BAG, Beschluss vom 18.09.2002 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung
Nr. 7).
3. Dem geltend gemachten Feststellungsantrag des Betriebsrats fehlt es auch nicht an
dem erforderlichen Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Das Begehren des
Betriebsrats im vorliegenden Beschlussverfahren ist dahin zu verstehen, dass er nicht
das Recht betroffener Mitarbeiter auf Zahlung eines Antrittsgeldes nach § 8 der
Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 verlangt. Er macht vielmehr ein eigenes Recht
betriebsverfassungsrechtlicher Art geltend, nämlich die von ihm mit der Arbeitgeberin
abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996, insbesondere auch § 8, weiter
ab 01.01.2004 anzuwenden und durchzuführen. Dem Betriebsrat geht es im
vorliegenden Beschlussverfahren, wie er im Anhörungstermin vor der
Beschwerdekammer vom 09.09.2005 ausdrücklich klargestellt hat, um die Nachwirkung
der gekündigten Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 nach § 77 Abs. 6 BetrVG.
Insoweit nimmt der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
für sich in Anspruch. Dieses Recht kann der Betriebsrat auch im Wege eines
Feststellungsantrags verfolgen. Die Frage, ob die Betriebsvereinbarung überhaupt
nachwirkt und wie die Nachwirkung zwischen den Betriebspartnern zu beenden ist,
berührt das aktuelle betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den
Beteiligten (vgl. BAG, Beschluss vom 21.08.1990 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung
Nr. 5; BAG, Beschluss vom 28. 04.1998 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 11 -
unter B. I. 3. der Gründe).
57
II.
58
Der Antrag des Betriebsrates ist auch begründet.
59
Der Betriebsrat hat gegenüber der Arbeitgeberin einen Anspruch darauf, dass diese die
in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 vereinbarte Zulage für jede geleistete
Sonn- und Feiertagsstunde an Arbeitsplätzen nach § 3 dieser Betriebsvereinbarung
auch über den 31.12.2003 hinaus bis zum 30.11.2004 zahlt. Dies hat das Arbeitsgericht
zutreffend erkannt.
60
1. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass dem Betriebsrat ein
eigener Anspruch auf Durchführung von abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen
zusteht. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen
zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durch. Diese Vorschrift verpflichtet den
Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt
entsprechend im Betrieb anzuwenden. Ob sich dieser Durchführungsanspruch des
Betriebsrats unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in
der Betriebsvereinbarung selbst hat, kann dabei offen bleiben. § 77 Abs. 1 Satz 1
BetrVG erstreckt die Durchführungspflicht des Arbeitgebers selbst auf Sprüche der
Einigungsstelle. Der Betriebsrat kann insoweit auch die Durchführung eines Teiles der
Vereinbarung verlangen (BAG, Beschluss vom 24.02.1987 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr.
21; BAG, Beschluss vom 28.09.1988 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 29; BAG,
Beschluss vom 23.06.1992 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 20; BAG, Beschluss vom
61
21.08.2002 - AP BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 8; BAG, Beschluss vom
29.04.2004 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3; Fitting/Engels/
Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 77 Rz. 227 m.j.w.N.).
2. Die in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 enthaltene Regelung über das
Antrittsgeld als zusätzliche Zulage für Sonn- und Feiertagsarbeit ist nicht unwirksam. § 8
der Betriebsvereinbarung verstößt insbesondere nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein, soweit es um
Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung
des Betriebsrats unterliegen (BAG, Beschluss vom 03.12.1991 - AP BetrVG 1972 § 87
Lohngestaltung Nr. 51; BAG, Urteil vom 29.10.2002 - AP BetrVG 1972 § 77
Tarifvorbehalt Nr. 18; BAG, Beschluss vom 26.04.2005 - NZA 2005, 884; Fitting, a.a.O.,
§ 77 Rz. 109, 112 m.w.N.). Bei der Regelung des Antrittsgeldes nach § 8 der
Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 stand dem Betriebsrat ein erzwingbares
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zur Seite.
62
3. Die Anwendung und Durchführung des § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996
über den 31.12.2003 hinaus bis zum 30.11.2004 ist nicht durch die Kündigung der
Betriebsvereinbarung vom 26.06.2003 durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen. Die
Regelung in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 wirkt nämlich nach § 77 Abs.
6 BetrVG nach. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
63
a) Zwar ist die Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 von der Arbeitgeberin mit
Schreiben vom 26.06.2003 zum 31.12.2003 gekündigt worden. Mit der Kündigung ist die
in § 14 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 vereinbarte Kündigungsfrist von
sechs Monaten zum Quartalsende eingehalten worden. Die Ausübung des
Kündigungsrechts bedarf grundsätzlich keiner Rechtfertigung und unterliegt keiner
inhaltlichen Kontrolle. Insbesondere bedarf die Kündigung keines sachlichen Grundes
(BAG, Urteil vom 26.10.1993 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 6; BAG,
Beschluss vom 17.08.1999 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 79; BAG, Urteil vom 18.11.2003 -
AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15 m.w.N.). An der Wirksamkeit der Kündigung
der Betriebsvereinbarung vom 26.06.2003 durch die Arbeitgeberin können danach
Zweifel nicht erhoben werden.
64
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin hat die gekündigte
Betriebsvereinbarung aber Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG.
65
aa) Nachwirkung ist in § 77 Abs. 6 BetrVG nur für Betriebsvereinbarungen über
Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG angeordnet.
Insbesondere bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen sieht das Gesetz keine
Nachwirkung vor. Als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kommen in Ansehung
des Gegenstandes der gekündigten Betriebsvereinbarungen allein Fragen der
betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht. Das
Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift betrifft insbesondere die Aufstellung von
(neuen) Entlohnungsgrundsätzen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sind die
Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Die konkrete
Höhe des Arbeitsentgelts ist dagegen nicht mitbestimmungspflichtig. Ebenso wenig
kann der Betriebsrat über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Gewährung bestimmter
Entgeltleistungen an die Mitarbeiter verlangen, zu denen der Arbeitgeber gesetzlich
oder tarifvertraglich nicht verpflichtet ist. Der Arbeitgeber ist vielmehr frei in seiner
Entscheidung darüber, ob er solche freiwilligen Leistungen erbringt. Er kann ferner
66
mitbestimmungsfrei entscheiden, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen
Zweck er mit ihnen verfolgt und wie der begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt
werden soll. Im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt erst die Aufstellung eines
sogenannten Leistungsplanes, also die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien
die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander
bestimmt werden sollen, der Mitbestimmung.
So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er freiwillige Leistungen
überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei über ihre vollständige Einstellung
befinden. Der Umstand, dass der Betriebsrat über die Erstellung eines Leistungsplanes
mitzubestimmen hat, ändert hieran nichts. Der Arbeitgeber kann mit den Mitteln des
Betriebsverfassungsrechts nicht gezwungen werden, eine freiwillige Leistung länger zu
erbringen, als er aufgrund der in der Betriebsvereinbarung selbst eingegangenen
Bindung verpflichtet ist. Fällt die Leistungsverpflichtung des Arbeitsgebers infolge der
Kündigung einer Betriebsvereinbarung weg, ist für einen mitbestimmten Verteilungsplan
kein Raum mehr. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung scheidet dann aus (BAG,
Urteil vom 26.10.1993 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 6; BAG, Beschluss vom
21.08.1990 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 5; BAG, Urteil vom 14.08.2001 - AP
BetrVG 1972 § 77 Nr. 85; BAG, Urteil vom 18.09.2001 - BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 34;
BAG, Urteil vom 18.11.2003 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15, Fitting, a.a.O.,
§ 77 Rz. 186, 189 ff. m.w.N.).
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Etwas anderes gilt dann, wenn der Arbeitgeber die freiwillige Leistung nicht völlig zum
Erlöschen bringen will, sondern die Kündigung der Betriebsvereinbarung nur zu einer
Verringerung des Volumens der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel und zugleich
einer Veränderung des Verteilungsplans führen soll. In diesen Fällen wirkte die
Betriebsvereinbarung nach. Soll mit der Kündigung die Verringerung des Volumens für
die freiwillige Leistung aus der Betriebsvereinbarung und die Änderung des
Verteilungsplans erreicht werden, ist der mitbestimmungspflichtige Teil der
Betriebsvereinbarung betroffen. Sinn der Nachwirkung des § 77 Abs. 6 BetrVG
wiederum ist, aus der Mitbestimmungspflichtigkeit einer Regelung die Konsequenz zu
ziehen, dass trotz Kündigung der betreffenden Betriebsvereinbarung die mitbestimmte
Regelung weiter gilt (BAG, Beschluss vom 21.08.1990 - AP BetrVG 1972 § 77
Nachwirkung Nr. 5). Weil nur die gesamte Betriebsvereinbarung nachwirken kann, führt
die Anwendung von § 77 Abs. 6 BetrVG bei teilmitbestimmten einheitlichen
Betriebsvereinbarungen zur Nachwirkung auch des mitbestimmungsfreien Teils (BAG,
Urteil vom 26.10.1993 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 6 - unter II. b) der
Gründe; BAG, Urteil vom 18.11.2003 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15 - unter
I. 3. c) cc) der Gründe; Fit-ting, a.a.O., § 77 Rz. 189 f., 191 m.w.N.).
68
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zu Recht eine
Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG
angenommen.
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Im Zusammenhang mit der am 26.06.2003 ausgesprochenen Kündigung der
Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 ist von der Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt
nach außen hin verlautbart worden, dass sie das bisherige Antrittsgeld als freiwillige
Zulage nicht mehr, auch nicht eingeschränkt, weiter zahlen werde. Die Arbeitgeberin
wollte das Antrittsgeld nach § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 nicht
gänzlich in Fortfall kommen lassen. Ihr ging es vielmehr darum, dass Vergütungssystem
in ihren verschiedenen Betrieben zu vereinheitlichen und die übertariflichen Zulagen
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einheitlich für alle Betriebe in Deutschland zu regeln bzw. neu zu ordnen. Dass das
Antrittsgeld bei Sonn- und Feiertagsarbeit in vollem Umfange gestrichen werden sollte,
ist zu keinem Zeitpunkt deutlich zum Ausdruck gekommen. Derartiges ergibt sich weder
aus dem Kündigungsschreiben vom 26.06.2003 noch aus den weiteren in der Folgezeit
ergangenen Verlautbarungen der Arbeitgeberin. Das Kündigungsschreiben vom
26.06.2003 enthält selbst keine Gründe für die ausgesprochene Kündigung. Aus ihm
kann nicht entnommen werden, dass das in § 8 der Betriebsvereinbarung vom
22.02.1996 geregelte Antrittsgeld ab 01.01.2004 in vollem Umfang in Fortfall kommen
sollte. Das Gegenteil ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeitgeberin die Regelungen
über die vollkontinuierliche Arbeitsweise, den Fünfschichtbetrieb, über den 01.01.2004
hinaus trotz der ausgesprochenen Kündigung aufrechterhalten bleiben sollten. Hiermit
war aber die Regelung über die Zahlung eines Antrittsgeldes nach § 8 der
Betriebsvereinbarung untrennbar verbunden. Diese Regelung stellt lediglich einen
Annex zu der in der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 enthaltenen
Arbeitszeitregelung dar, die unstreitig in vollem Umfang der Mitbestimmung des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt. Wie sich aus dem Schreiben der
Arbeitgeberin an den Betriebsratsvorsitzenden vom 19.09.2003 ergibt, sollten im
Anschluss an die ausgesprochenen Kündigungen hinsichtlich der Antrittsgelder und der
Prämienlohnregelung neue Konzepte erarbeitet werden, sofern diese
standortübergreifend angewendet werden konnten.
Auch in der für alle Arbeitnehmer der Arbeitgeberin bestimmten Bekanntmachung vom
12.11.2003 ist unter Bezugnahme auf die Kündigung der Betriebsvereinbarung darauf
hingewiesen worden, dass die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat Verhandlungen
aufnehmen wollte, um ein Rahmenvergütungssystem der variablen Entlohnung für
gewerbliche Mitarbeiter zu schaffen, wovon u.a. auch Arbeitsplatzzulagen und andere
Zulagen betroffen seien. Hieraus kann lediglich geschlossen werden, dass die
Kündigung dem Zweck gedient hatte, das Zulagensystem für alle Betriebe zu
vereinheitlichen, indem mit dem Gesamtbetriebsrat ein Rahmenvergütungssystem
abgeschlossen werden sollte. Dieser Zweck der Kündigungen hat auch in der Präambel
der am 01./28.10.2004 abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung seinen Ausdruck
gefunden. Ziel der Neuregelung war es nämlich, "die Vielzahl der Lohnarten zu
reduzieren und die unterschiedlichen Zulagen in Form einer Prämienentlohnung und
einer Leistungszulage zusammenzufassen". Die Vergütungsregelungen sollten durch
die Gesamtbetriebsvereinbarung insgesamt "nicht verschlechtert werden, ebenso wenig
die darin geregelten Entgeltbestandteile (Tarifgehälter, Tariflöhne, Zulagenregelungen
für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit, Samstags-, Sonn- und Feiertagszulage u.ä)".
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Auch nach § 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung war es Ziel, "alle bisher bestehenden
darüber hinausgehenden Vergütungsbestandteile - gleich ob gekündigt oder
ungekündigt - in die Vergütungssystematik nach § 2 zu bringen".
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In § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung sind hingegen ausdrücklich "zeitabhängige,
variable Entgeltbestandteile" geregelt worden, die nach den jeweils geltenden
tariflichen Bestimmungen und gemäß geltender betrieblicher Regelungen ermittelt und
entlohnt werden sollten.
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Von einer vollständigen Streichung des in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996
geregelten Antrittsgeldes ist zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen. Derartige Zulagen
sollten vielmehr als zeitabhängige, variable Entgeltbestandteile einheitlich in allen
Betrieben der Arbeitgeberin geregelt werden.
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Soweit die Arbeitgeberin im vorliegenden Beschlussverfahren und auch im
Parallelverfahren 10 TaBV 12/05 u.a. schriftsätzlich ausgeführt hat, die freiwillige Zulage
habe endgültig entfallen sollen, sie werde auch künftig nicht durch eine andere Zulage
dieser Art ersetzt werden, ergibt sich allein durch die Regelung in § 2 der
Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01./28.10.2004 über die zeitabhängigen, variablen
Entgeltbestandteile etwas anderes. In anderen Betrieben der Arbeitgeberin ist
schließlich auch für Arbeit an Sonn- und Feiertagen eine feste Leistungsprämie in Höhe
von 35,00 € pro Tag vereinbart worden. Die Hinweise der Arbeitgeberin auf das
vollständige Entfallen des Antrittsgeldes im vorliegenden Be-schlussverfahren sind
unerheblich, weil andere vorangegangene Verlautbarungen der Arbeitgeberin vorliegen,
die zu den schriftsätzlichen Äußerungen der Arbeitgeberin in Widerspruch stehen.
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Auch aus den Verhandlungen seitens der Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft IG Metall
ergibt sich nichts anderes. Soweit die IG Metall von der Arbeitgeberin vor Aufnahme von
Verhandlungen über einen Ergänzungstarifvertrag gefordert haben sollte, es müssten
zunächst die übertariflichen Zulagen beseitigt werden, kann angesichts der
geschilderten Verlautbarungen der Arbeitgeberin allein aus der Kündigung der
Betriebsvereinbarung vom 22.02.1996 nicht geschossen werden, dass in § 8 der
Betriebsvereinbarung geregelte Antrittsgeld als übertarifliche Zulage für Sonn- und
Feiertagsarbeit in vollem Umfang in Fortfall kommen sollte und § 8 der
Betriebsvereinbarung demzufolge keine Nachwirkung entfalten würde.
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III.
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Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine
Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.
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Schierbaum Struwe Konermann
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