Urteil des LAG Hamm vom 20.10.2008
LArbG Hamm: fristlose kündigung, ordentliche kündigung, widerklage, dringender tatverdacht, kaufmännischer angestellter, arbeitsgericht, eigenbedarf, unterschlagung, beendigung, auskunftserteilung
Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 139/08
Datum:
20.10.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Sa 139/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hamm, 4 Ca 2276/07
Schlagworte:
Kündigung / Unterschlagung / Wettbewerb / Verdacht /
Rechenschaftspflicht bei erlaubter Warenentnahme im Einzelhandel
Normen:
BGB § 626; USchG § 1
Leitsätze:
1. Überlässt der Arbeitgeber als Inhaber eines Sportartikelgeschäfts
seinem Angestellten zum Ausgleich von Provisionsansprüchen
regelmäßig Waren aus seinem Sortiment in einem Umfang, der den
Eigenbedarf erkennbar übersteigt, und ist dem Angestellten darüber
hinaus ein Eigenbezug weiterer Artikel ohne Beschränkung erlaubt, so
kann der Weiterverkauf der Sportartikel durch den Angestellten durch
ebay-Versteigerung nicht als verbotene Konkurrenztätigkeit angesehen
werden.
2. Ist der Angestellte aufgrund seiner herausgehobenen
Vertrauensposition berechtigt, eigenständig Waren aus dem Betrieb
gegen Lieferschein mitzunehmen oder zum Eigenbedarf zu bestellen, so
umfasst die hiermit verbundene Nebenpflicht zur Rechenschaft ohne
weiteres auch die Aufgabe, den Arbeitgeber ungefragt auf die
offensichtliche Unvollständigkeit der zur Abrechnung bestimmten
Eigenbezugsliste hinzuweisen, auch wenn die Unvollständigkeit auf der
mangelhaften Buchführung des Arbeitgebers beruht.
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts vom 19.06.2008 wird
aufgehoben.
I. Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen, soweit es die
Verurteilung zur Zahlung des Betrages von 2.423,11 € nebst Zinsen
betrifft.
II. Auf die beiderseitigen Berufungen wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Hamm vom 06.12.2007 - 4 Ca 2276/07 - unter Zurückweisung der
Berufungen im Übrigen teilweise abgeändert und zum Zwecke der
Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.11.2006 nicht vor Ablauf des
31.01.2007 beendet worden ist.
2. Auf den Hilfsantrag des Klägers wird die Beklagte verurteilt, dem
Kläger Auskunft zu erteilen über die von ihm im Jahre 2006 verdienten
Provisionen unter Angabe von Umsatz des Unternehmens, Bonquote,
Beurteilung der Arbeitsleistung und Inventurdifferenz für den
vorstehenden Zeitraum.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Widerklage wird, soweit nicht die Berufung des Klägers als
unzulässig verworfen worden ist, abgewiesen.
III. Die Kosten der in beiden Rechtszügen ergangenen
Versäumnisurteile trägt der Kläger allein. Von den weiteren Kosten des
Rechtsstreits trägt der Kläger 53%, die Beklagte 47%.
IV. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 14.211,-- €
festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Wege von Klage und Widerklage um den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses, Erteilung eines Zwischenzeugnisses, Provisionsansprüche,
Rückzahlung von Fortbildungskosten, Bezahlung von Warenlieferungen für Eigenbedarf
sowie Auskunft wegen unzulässiger Wettbewerbstätigkeit.
2
Der Kläger war seit Mai 2001 als Angestellter bei der Beklagten, welche ein
Sportgeschäft mit Filialen in S1, B2 S3 und G2 mit etwa 30 Mitarbeitern führt, gegen ein
monatliches Bruttoentgelt von 2.250,-- € zuzüglich Provision beschäftigt. Die
Arbeitsbedingungen ergeben sich im Einzelnen aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag
vom 28.02.2004 (Bl. 105 ff. d.A.) sowie der Provisionsvereinbarung vom 31.12.2003 (Bl.
284 d.A.).
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Mit Schreiben vom 22.11.2006 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine fristlose
und hilfsweise fristgerechte Kündigung aus. Sie wirft dem Kläger Unterschlagung von
Sportartikeln sowie unerlaubte Konkurrenztätigkeit durch ebay-Versteigerungen vor;
zumindest bestehe ein dringender, nicht auszuräumender Unterschlagungsverdacht.
Demgegenüber macht der Kläger geltend, die von ihm teils versteigerten, teils bei einer
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Hausdurchsuchung vorgefundenen Sportartikel habe er rechtmäßig erworben. Zum
einen habe er unstreitig zum Ausgleich seiner Provisionsansprüche u.a. Sportartikel als
Naturalvergütung erhalten, zum anderen habe er Sportartikel auch im Wege des
erlaubten Eigenbezuges vergünstigt gegen Lieferschein bezogen. Soweit die Beklagte
vortrage, es fehlten entsprechende Lieferscheine, sei dies keineswegs dem Kläger
anzulasten, vielmehr habe die Beklagte die Lieferscheine offenbar vernichtet, um
gegenüber dem Kläger einen Kündigungsvorwurf zu konstruieren.
Durch Urteil vom 06.12.2007 (Bl. 306 ff d.A.), berichtigt durch Beschluss vom 30.01.2008
(Bl. 315a f d.A.), hat das Arbeitsgericht den gegen die fristlose Kündigung vom
22.11.2006 gerichteten Kündigungsfeststellungsantrag mit der Begründung
abgewiesen, der Kläger habe – unabhängig vom erhobenen Unterschlagungsvorwurf –
durch die von ihm getätigten ebay-Verkäufe eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit
entfaltet. Soweit sich der Kläger auf eine entsprechende Genehmigung der Beklagten
berufe, habe der Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht geführt. Wegen Beendigung
des Arbeitsverhältnisses stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Erteilung eines
Zwischenzeugnisses zu. Die bislang erteilte Provisionsabrechnung der Beklagten
entspreche allerdings nicht den vertraglichen Anforderungen, weshalb die Beklagte
entsprechende Auskunft über die vom Kläger verdienten Rohertragsprämien seit dem
01.04.2001 zu leisten habe. Zugleich sei der Kläger – der Widerklage entsprechend –
verpflichtet, die aus der Eigenbedarfsaufstellung ersichtlichen Beträge als Kaufpreis zu
zahlen. Mit Rücksicht auf den festgestellten Wettbewerbsverstoß sei der Kläger des
Weiteren unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zur Erteilung einer Auskunft
über die von ihm getätigten ebay-Verkäufe verpflichtet. Schließlich sei der Kläger auch –
entsprechend der getroffenen Rückzahlungsvereinbarung – wegen der vorzeitigen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung der aufgewandten
Fortbildungskosten verpflichtet.
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Gegen das arbeitsgerichtliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Im
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 19.06.2008 ist
für den Kläger niemand erschienen, weswegen ein Versäumnisurteil gegen den Kläger
mit folgendem Tenor ergangen ist:
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1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 06.12.2007 - 4
Ca 2276/06 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das vorstehende Urteil teilweiseabgeändert:
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Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger Auskunft und Abrechnung der
"Rohertragsprämie" verlangt.
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3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Gegen das ihm am 11.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger unter demselben Tage
Einspruch eingelegt. Er verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vorbringens seine zum Teil neu gefassten Anträge weiter und
beantragt zuletzt,
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unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom
19.06.2008, zugestellt am 11.07.2008, wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm
vom 06.12.2007, 4 Ca 2276/06, wie folgt abgeändert:
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1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 06.09.2007, 4 Ca 2276/06,
wird aufgehoben
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a. Die Widerklage wird abgewiesen
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b. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis
weder durch die fristlose Kündigung vom 22.11.2006 noch durch die hilfsweise
ausgesprochene fristgerechte Kündigung vom 22.11.2006 beendet worden ist.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu
erteilen.
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3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von
ihm während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, beginnend mit
dem 01.04.2001 bis 31.12.2003, erzielte Rohertragsprämie zu erteilen sowie
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die von ihm während
der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum vom
01.01.2004 bis 22.11.2006 verdienten Provisionen zu erteilen durch
Mitteilung insbesondere des Umsatzes des Unternehmens in der Zeit vom
01.01.2004 bis 22.11.2006 nach der Bon-Quote für vorstehenden Zeitraum,
nach der Beurteilung der Arbeitsleistung für vorstehenden Zeitraum und nach
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Inventurdifferenz für vorstehenden Zeitraum.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
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ferner
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamm vom 06.12.2007 mit
dem Aktenzeichen 4 Ca 2276/06 die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Klägervertreter beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG
abgesehen.
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Entscheidungsgründe
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Durch den rechtzeitigen Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des
Landesarbeitsgerichts vom 19.06.2008 ist der Rechtsstreit in diejenige Lage
zurückversetzt worden, in welcher er sich vor Säumnis des Klägers befand (§ 342 ZPO).
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In der Sache führen die beiderseitigen Berufungen zur teilweisen Abänderung des
arbeitsgerichtlichen Urteils. Dementsprechend war das Versäumnisurteil gemäß § 343
ZPO aufzuheben und über die beiderseitigen Berufungen wie aus dem Urteilstenor
ersichtlich zu entscheiden.
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A
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Die Berufung des Klägers ist überwiegend zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
34
I
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Soweit die Berufung des Klägers die Verurteilung zur Zahlung des Betrages von
2.423,22 € nebst Zinsen – entsprechend der von der Beklagten erteilten
"Eigenbedarfsrechnung" – betrifft, ist die Berufung unzulässig. Insoweit fehlt es nämlich
an der erforderlichen Berufungsbegründung. Die ausgeurteilte Zahlungsverpflichtung
des Klägers ist auch nicht vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig, so dass
etwa mit der Berufungsbegründung, soweit sie den Kündigungsfeststellungsantrag
betrifft, zugleich auch der hier maßgeblichen Zahlungsverpflichtung die Grundlage
entzogen werden soll. Vielmehr bedurfte es eines eigenständigen Angriffs auf die
Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils mit der Angabe, aus welchem Grunde die vom
Arbeitsgericht angenommene Zahlungsverpflichtung nicht bestehe.
36
II
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Im Übrigen erweist sich die Berufung des Klägers in der Sache teils als begründet, teils
als unbegründet.
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1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die angegriffene
Kündigung vom 22.11.2006 nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst mit Ablauf der
ordentlichen Kündigungsfrist (31.01.2007) beendet worden.
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a) Das Arbeitsgericht hat sein klageabweisendes Urteil auf den Gesichtspunkt eines
Wettbewerbsverstoßes gestützt und – unabhängig vom erhobenen
Unterschlagungsvorwurf – eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darin
gesehen, dass der Kläger durch die ebay-Versteigerungen eine unerlaubte
Konkurrenztätigkeit ausgeübt habe.
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Diesem Standpunkt vermag sich die Kammer unter den vorliegenden Umständen nicht
anzuschließen.
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(1) Wenn – wie unstreitig ist – die Beklagte dem Kläger zum Ausgleich von
Provisionsansprüchen u.a. Sportartikel in erheblichem Umfang als Naturalvergütung
zukommen ließ und der Kläger darüber hinaus weitere Sportartikel als Eigenbedarf
bezog, musste ihr ohne Weiteres klar sein, dass der Kläger die Waren nicht allein zur
Deckung des Eigenbedarfs verwendete. Vielmehr lässt schon die Aufstellung über die
Warenmitnahme des Klägers für das Jahr 2006 (Anlage B 13 zum Beklagtenschriftsatz
vom 25.09.2007, Bl. 254 d.A.) erkennen, dass der Kläger in deutlich größerem Umfang
Sportartikel bezogen hat, als dies einem üblichen Eigenverbrauch entsprach. Trotz des
erheblichen Umfangs des der Beklagten bekannten Warenbezuges hat die Beklagte
dem Kläger auch nicht etwa zur Auflage gemacht, die bezogenen Sportartikel
ausschließlich zum Eigenbedarf zu verwenden, vielmehr wurde der Warenbezug – wie
die Zeugin L1 im Strafverfahren ausgesagt hat – "großzügig gehandhabt". Auch wenn
der Kläger – wie er im Strafverfahren erklärt hat – die Beklagte nicht ausdrücklich über
den ebay-Verkauf unterrichtet hat und der Inhaber der Beklagten und seine Ehefrau
ihrerseits von den ebay-Verkäufen des Klägers keine Kenntnis hatten, kann unter
diesen Umständen nicht die Überzeugung gewonnen werden, der Kläger habe, ohne
eine Billigung der Beklagten annehmen zu dürfen, Handel mit den ihn überlassenen
oder von ihm bezogenen Sportartikeln betrieben. Auch wenn sich das angenommene
Einverständnis der Beklagten selbstredend nur auf rechtmäßig bezogene, nicht
hingegen auf etwa unterschlagene Ware bezogen, ändert dies nichts daran, dass allein
die Verkaufsaktivitäten des Klägers als solche keinen unerlaubten Wettbewerb
darstellen.
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(2) Soweit das Arbeitsgericht seinen gegenteiligen Standpunkt mit der gesetzlichen
Beweislastverteilung begründet, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beweislast des
Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess umfasst, wie auch die Beklagte zuletzt nicht
in Abrede gestellt hat, auch das Fehlen von Rechtfertigungs- und
Entschuldigungsgründen (BAG, 06.08.1987, 2 AZR 226/87, AP BGB § 626 Nr. 97 =
NJW 1988,438). Dementsprechend muss nicht der Kläger eine Genehmigung der
Konkurrenztätigkeit, sondern die Beklagte deren Fehlen beweisen, wobei allerdings in
der Regel nicht selten die Lebenserfahrung den Vortrag des Arbeitgebers als zutreffend
indiziert. In Anbetracht der hier vorliegenden Umstände erscheint aber ein
stillschweigendes Einverständnis der Beklagten mit der Konkurrenztätigkeit des Klägers
keineswegs als ausgeschlossen. Gegebenenfalls wäre es Sache der Beklagten
gewesen, sich selbst die Entscheidung vorzubehalten, in welchem Umfang der Kläger
Sportartikel zum Ausgleich seiner Provisionsansprüche o.ä. erhielt bzw. darüber hinaus
auch aus eigener Initiative Waren über die Beklagte beziehen durfte. Eine ausdrückliche
Beschränkung des erlaubten Warenbezuges für den Eigenbedarf trägt die Beklagte
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selbst nicht vor.
(3) Ebenso wenig greift der Einwand der Beklagten durch, der Beklagten seien allein die
in der Eigenbedarfsliste erfassten Sportartikel, nicht hingegen die – nach ihrer
Darstellung sämtlich unterschlagenen – bei ebay versteigerten oder bei der
Hausdurchsuchung vorgefundenen Artikel bekannt gewesen, so dass es jedenfalls in
Bezug hierauf an der erforderlichen Genehmigung der Wettbewerbstätigkeit fehle.
Entweder hat der Kläger die genannten Gegenstände im Rahmen des erlaubten, aus
ungeklärten Gründen nicht in die Eigenbedarfsliste aufgenommenen, Warenbezuges
erhalten – dann konnte der Kläger mangels ausdrücklicher Beschränkungen von einer
Genehmigung der Beklagten ausgehen. Oder die Gegen-stände waren – wie die
Beklagte in erster Linie behauptet – ohnehin dem Kläger nicht überlassen, sondern
unterschlagen worden. Dann tritt aber der Gedanke des Wettbewerbsverstoßes ohnehin
zurück, maßgeblich ist dann vielmehr der Vorwurf der Unterschlagung selbst.
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b) Soweit die Beklagte dem Kläger eine Unterschlagung der bei ebay versteigerten und
bei der Hausdurchsuchung vorgefundenen Gegenstände zur Last legt, ist die Kammer
von der Berechtigung dieses Vorwurfs nicht überzeugt.
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In Anbetracht der früheren vertrauensvollen Zusammenarbeit der Parteien und der
Berechtigung des Klägers, gegen abgezeichneten Lieferschein Waren aus dem
Bestand der Beklagten mitzunehmen bzw. für sich zu bestellen, könnte eine
Abgrenzung zwischen rechtmäßig bezogenen und unterschlagenen Gegenständen mit
der erforderlichen Sicherheit nur erfolgen, wenn feststünde, dass die fraglichen Waren
vom Kläger ohne Lieferschein oder entsprechende Dokumentation mitgenommen
worden sind. Nach dem Vortrag der Beklagten fehlen zwar für die entsprechenden
Waren die dazugehörenden Lieferscheine. Ob diese – so der Kläger – ursprünglich
vorhanden waren und von der Beklagten beseitigt worden sind oder aber – wie die
Beklagte behauptet – das Fehlen von Unterlagen dem Kläger anzulasten ist, kann mit
der erforderlichen Sicherheit nicht festgestellt werden. Sowohl die Beklagte als auch der
Kläger hatten – auch noch zeitlich nach der Hausdurchsuchung beim Kläger –
theoretisch Zeit und Gelegenheit zu entsprechenden Manipulationen. Weder beim
Kläger noch bei der Beklagten kann indessen eine derartige Manipulation ohne
weiteres unterstellt werden. Dann verbleiben aber letztlich Zweifel im Hinblick auf den
erhobenen Unterschlagungsvorwurf. Diese gehen im Kündigungsschutzprozess zu
Lasten der Beklagten.
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c) Unter Berücksichtigung der dargestellten Gesichtspunkte lassen sich auch nicht die
Voraussetzungen einer Verdachtskündigung feststellen.
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Ohne Zweifel liegt zwar ein gewichtiger Anhaltspunkt für den Unterschlagungsvorwurf in
der Tatsache, dass der Kläger Ware bei ebay zu einem deutlich geringeren Preis
versteigert hat, als es der Bezugsmöglichkeit über die Beklagte entsprach. Abgesehen
davon, dass bei Durchführung einer Versteigerung Gewinnchancen und Verlustrisiken
gleichermaßen zum Geschäftsmodell gehören, käme dem "Verkauf unter Wert" die
angenommene indizielle Bedeutung nur zur, wenn feststünde, dass der Kläger die
versteigerten Waren zuvor aus eigener Initiative – speziell zum Zwecke des
Weiterverkaufs – bezogen hätte. Soweit die Beklagte dem Kläger demgegenüber Waren
aus ihrem Bestand als Naturalvergütung zum Ausgleich von Provisionsansprüchen,
(angeblichen) Ansprüchen auf Überstundenvergütung oder gar – wie der Kläger
ausführt – zur Anerkennung besonderen Einsatzes überlassen hat, greifen die
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Überlegungen zur wirtschaftlichen Sinnlosigkeit der ebay-Versteigerungen nicht durch.
Dass der Kläger bei den Versteigerungen wiederholt keinen angemessenen
Verkaufspreis erzielt hat, stützt unter diesen Umständen nicht die Annahme der
Beklagten, es müsse sich bei den versteigerten Sportartikeln zwangsläufig um
unterschlagene Waren handeln. Dementsprechend geht auch der Hinweis der
Beklagten auf die Entscheidung des LAG Köln vom 16.01.2007 - 9 Sa 1033/06 - NZA-
RR 2007, 355 ff. fehl. Nach dem Sachverhalt dieser Entscheidung hatte der entlassene
Arbeitnehmer technische Artikel bei ebay deutlich unter Wert veräußert, welche er
angeblich zuvor günstig auf Flohmärkten o.ä. erworben hatte. Da er als Servicemonteur
eben auf entsprechende Artikel des Arbeitgebers Zugriff hatte, ein rechtmäßiger
Warenbezug über den Arbeitgeber hingegen ausschied, lag in der Tat eine
ausreichende Grundlage für einen dringenden Unterschlagungsverdacht vor.
Demgegenüber fehlt es vorliegend am Merkmal der Dringlichkeit des Verdachts, da ein
rechtmäßiger Warenbezug aus den dargestellten Gründen hier nicht auszuschließen ist.
Auch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Übergabe der
Eigenbedarfsliste im Oktober 2006, auf welches nachfolgend noch eigenständig
einzugehen ist, rechtfertigt nicht die Annahme eines dringenden
Unterschlagungsverdachts. Auch wenn man dem Vortrag der Beklagten folgt, dass dem
Kläger sofort die Unvollständigkeit der Eigenbedarfsliste auffallen musste und der
Kläger Anlass gehabt hätte, hierauf unaufgefordert hinzuweisen, lässt sich hieraus ein
Indiz für eine vorangehende Unterschlagung nicht herleiten. Vielmehr konnte die
Unvollständigkeit der Liste ohne weiteres auch auf einer unvollständigen Auswertung
der Geschäftsunterlagen beruhen. Im Ergebnis kann damit ein "dringender" Tatverdacht
im Sinne der Rechtsprechung zur Verdachtskündigung nicht angenommen werden.
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d) Soweit dem Kläger – wie nachfolgend auszuführen ist – ein Verstoß gegen
vertragliche Nebenpflichten im Zusammenhang mit den Regeln des Eigenbezugs von
Waren vorzuwerfen ist, genügt dies jedenfalls nicht zur Annahme eines "wichtigen
Grundes" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
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2. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist jedoch durch die
vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.01.2007 beendet
worden.
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Die Kammer sieht eine erhebliche Arbeitsvertragsverletzung des Klägers in der
Tatsache, dass dieser bei Vorlage der Eigenbedarfsliste nicht von sich aus deren
offensichtliche Unvollständigkeit zur Sprache gebracht und die Beklagte
dementsprechend im Glauben belassen hat, die Eigenbedarfsliste gebe im
Wesentlichen die zur Verrechnung oder Bezahlung anstehenden Warenbezüge des
Klägers wieder. In Anbetracht der herausgehobenen Vertrauensposition des Klägers
war diese Pflichtverletzung von solchem Gewicht, dass auch ohne vorangehende
Abmahnung eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausscheiden muss.
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a) Richtig ist zwar, dass es vorrangig Sache der Beklagten selbst war, aus ihren
Unterlagen die gegenüber dem Kläger bestehenden Forderungen zu ermitteln, welche
alsdann mit den Provisionsansprüchen des Klägers zu verrechnen waren. Andererseits
ergab sich jedoch für den Kläger aus der Tatsache, dass er im Betrieb der Beklagten
eine herausgehobene Vertrauensposition – so bei der Berechtigung zur
Warenbestellung – bekleidete und Waren ohne förmliche Absprache allein gegen
Abzeichnung eines Lieferscheins mitnehmen konnte, zugleich eine gesteigerte
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Rechenschaftspflicht. Von einem Arbeitnehmer in entsprechender Vertrauensposition
muss aber, wenn sich ihm die Unvollständigkeit der ihm vorgelegten Warenbezugsliste
aufdrängen muss, erwartet werden, dass er unaufgefordert den entsprechenden Irrtum
aufklärt. Unterlässt er dies, so liegt hierin ein erheblicher Verstoß gegen die
arbeitsvertraglichen Pflichten, deren Inhalt durch die zugewiesene betriebliche
Vertrauensstellung und die privilegierten Regeln des Warenbezuges bestimmt sind.
Insoweit gilt nichts anderes als für den Kassenführer, der bei einem innerbetrieblichen
Kassiervorgang die ihm erkennbare irrtümliche Überzahlung unbeanstandet lässt und
so Zweifel an seiner Redlichkeit begründet.
b) Vergleicht man die von der Ehefrau des Inhabers der Beklagten dem Kläger
vorgehaltene Eigenbedarfsliste aus Oktober 2006 mit dem Umfang der Waren, die der
Kläger bei ebay versteigert hat, so drängt sich schon auf den ersten Blick die Einsicht
auf, dass in der Eigenbedarfsliste wesentliche Positionen fehlen. Soweit der Kläger
hierzu einwendet, nach den eigenen Angaben der Ehefrau des Beklagten sei die
vorgelegte Eigenbedarfsliste noch nicht vollständig gewesen, bezog sich dies im
Zweifel allein auf Vorgänge in jüngerer Zeit, welche möglicherweise noch nicht erfasst
waren. Aus welchem Grunde ansonsten weitere Eigenbedarfskäufe in der Liste fehlen
sollten, ist demgegenüber nicht zu erkennen. Den Umständen nach bestand auch keine
Grundlage für die Annahme, es handele sich bei der vorgelegten Aufstellung nur um
einen bloßen Auszug aus einer Gesamtabrechnung oder um einen Beispielskatalog.
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c) Von sich aus hat der Kläger unstreitig auf das Fehlen wesentlicher Positionen in der
Liste nicht hingewiesen. Allein der Umstand, dass der Kläger möglicherweise davon
ausging, der ihm zustehende Provisionsanspruch sei deutlich höher, als von der
Beklagten angenommen, und werde letztlich nicht allein den in der Liste aufgeführten
Betrag von 2.423, -- €, sondern auch die weiteren Warenbezüge abdecken, lässt den
dargestellten Pflichtenverstoß nicht entfallen. Dem Kläger ist nicht vorzuwerfen, dass er
mehr an Waren nach den Regeln des verbilligten Eigenbezuges für sich bestellt oder
aus dem Bestand der Beklagten mitgenommen hat, als mit dem zu erwartenden
Provisionsanspruch zu verrechnen war. Maßgeblich ist vielmehr der Verstoß gegen die
in Bezug auf die Eigenbedarfskäufe begründete Rechenschaftspflicht. Auch wenn diese
Rechenschaftspflicht in erster Linie durch korrekte Dokumentation (Erstellung und
Abzeichnen von Lieferscheinen) zu erfüllen war und zugunsten des Klägers unterstellt
wird, dass er diese Verpflichtung korrekt erfüllt hat, war damit die Rechenschaftspflicht
nicht erschöpft. Anders als bei einem Kunden im Einzelhandelsgeschäft, der an der
Kasse irrtümlich ein zuviel an Wechselgeld empfängt und sich allein nach
Anstandsregeln zu einem korrigierenden Hinweis an den Kassierer veranlasst sieht,
geht es hier beim Eigenbezug von Waren durch den Kläger um eine intensivierte
Sonderrechtsbeziehung, welche – deutlich gesteigert gegenüber üblichen
Arbeitnehmerpflichten – mangels förmlicher Kontrollmechanismen entscheidend durch
den Gesichtspunkt wechselseitigen Vertrauens geprägt ist. Dementsprechend geht es
hier nicht um die Erfüllung von Anstandsregeln, sondern um einen Verstoß gegen
vertragliche Nebenpflichten. Wenn die Buchführung der Beklagten – wie der Kläger zur
Erklärung der Unvollständigkeit der Eigenbedarfsliste ausgeführt hat – sich in völlig
ungeordnetem Zustand befand, so bestand erst recht Anlass für den Kläger, auf die
unschwer erkennbare Unvollständigkeit der vorgelegten Aufstellung hinzuweisen. Wenn
der Kläger demgegenüber untätig blieb, musste sich auch ihm die Erkenntnis
aufdrängen, dass ein wesentlicher Teil seines Eigenbezuges unverrechnet oder
unbezahlt blieb. Dann muss aber das Verhalten des Klägers als schwerer
Vertrauensbruch und erhebliche Verletzung vertraglicher Nebenpflichten angesehen
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werden.
d) Als milderes Mittel zur ausgesprochenen Kündigung kam unter den vorliegenden
Umständen nicht etwa die bloße Änderung der Regeln des Warenbezuges in Betracht.
Zwar hätte die Beklagte auf diese Weise der Praxis Einhalt gebieten können, dass der
Kläger praktisch ungehinderten Zugriff auf den Warenbestand hatte. Die
Vertrauensposition des Klägers im Betrieb war indessen nicht allein durch die
dargestellte Form des Warenbezuges gekennzeichnet, vielmehr erforderte auch die
Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben als kaufmännischer Angestellter mit
Einkaufsbefugnis ein uneingeschränktes Vertrauen. Mit der Zerstörung des Vertrauens
war damit die Grundlage für die weitere dauerhafte Zusammenarbeit im
Arbeitsverhältnis beseitigt. Auch durch Ausspruch einer Abmahnung und einer
entsprechenden Zusicherung des Klägers zur Verhaltensänderung konnte das zerstörte
Vertrauensverhältnis nicht wiederhergestellt werden. Dementsprechend kann die
vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht als sozialwidrig im Sinne des
§ 1 Abs. 2 KSchG angesehen werden.
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3. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses scheidet wegen
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, weswegen die Berufung des Klägers
insoweit erfolglos bleibt.
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4. Soweit es den von der Beklagten widerklagend geltend gemachten Anspruch auf
Rückzahlung von Fortbildungskosten betrifft, erweist sich die Berufung des Klägers als
begründet und die Widerklage als unbegründet.
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Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung sieht einen
Rückforderungsanspruch allein für die Fälle der Eigenkündigung, des grundlosen
Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme sowie die der berechtigten Arbeitgeberkündigung
aus wichtigem Grund vor. Der vorliegende Fall der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung löst danach den
geltend gemachten Rückzahlungsanspruch nicht aus.
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5. Ebenfalls begründet ist die Berufung des Klägers, soweit das Arbeitsgericht der
Beklagten einen Auskunftsanspruch wegen der ebay-Verkäufe des Klägers
zugesprochen hat. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch knüpft ausweislich der
Klagebegründung an den behaupteten Wettbewerbsverstoß des Klägers an. Aus den
dargestellten Gründen kann ein Wettbewerbsverstoß des Klägers nicht festgestellt
werden.
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B
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
62
I
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Zwar hat das Arbeitsgericht den Streitwert
wegen der ausgeurteilten Verpflichtung zur Abrechnung der Rohertragsprämien allein
mit einem Betrag von 500,-- € bewertet. Auf dieser Grundlage wäre die erforderliche
Berufungssumme nicht erreicht. Die Kammer sieht sich an diese Streitwertbemessung
indessen nicht gebunden, da sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des Falles
als offensichtlich unzutreffend erweist. Zum einen bezieht sich die vom Kläger begehrte
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Provisionsabrechnung auf lange zurückliegende Zeiträume, zum anderen führt die von
den Parteien praktizierte Verrechnung von Warenbezügen mit Ansprüchen des Klägers
auf Provision und (angeblicher) Überstundenvergütung zu einem deutlich gesteigerten
Abrechnungsaufwand, welcher mit einer üblichen Abrechnung noch offener
Provisionsansprüche nicht vergleichbar ist. Geht man dementsprechend von einem
Gegenstandswert von 200,-- € je Abrechnungsjahr aus, ist die erforderliche Beschwer
der Beklagten in jedem Fall erreicht.
II
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Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet.
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Auf der Grundlage der Provisionsvereinbarung vom 31.12.2003 (Bl. 284 d.A.) steht dem
Kläger ein Anspruch auf Auskunft über die für die Provisionsberechnung maßgeblichen
Faktoren zu. Dieser beschränkt sich allerdings aus den nachstehenden Gründen auf
das Jahr der Vertragsbeendigung.
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1. Nachdem die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die Grundlagen der
Provisionsabrechnung im Laufe des Arbeitsverhältnisses geändert worden sind und
seither eine "Rohertragsprämie" nicht mehr zu zahlen ist, hat der Kläger einen
entsprechenden Hilfsantrag formuliert, welcher diesen Bedenken Rechnung trägt.
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2. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte dem Kläger für das Jahr 2006 entsprechende
Auskunft zu erteilen. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede betrifft nicht
die Ansprüche für das Jahr 2006. Auch ein tariflicher Verfall scheidet aus. Zwar sah der
früher allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel aus dem Jahre
1996 eine entsprechende Ausschlussfrist vor. Nach Außerkrafttreten des
Manteltarifvertrages mit dem 31.03.2003 entfiel auch dessen Allgemeinverbindlichkeit.
Die tarifliche Nachwirkung entfiel mit Abschluss des neuen Arbeitsvertrages vom
28.02.2004, in welchem die Parteien ausdrücklich die Geltung tariflicher Bestimmungen
ausgeschlossen haben.
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3. Soweit der Kläger Auskunftserteilung wegen seiner Ansprüche auf Rohertragsprämie
und Provision für weiter zurückliegende Jahre begehrt, steht dem Kläger aus den
nachfolgenden Gründen kein Anspruch zu, weswegen sich die Berufung der Beklagten
insoweit als begründet und die Klage als unbegründet erweist.
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(1) Geht man davon aus, dass der Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung jeweils
zu Beginn des Folgejahres fällig geworden ist, greift die erhobene Verjährungseinrede
jedenfalls in Bezug auf die Jahre 2001 und 2002 durch.
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(2) Aber auch soweit es den weiteren Zeitraum bis einschließlich 2005 betrifft, scheiden
Ansprüche des Klägers auf Auskunftserteilung aus.
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Unstreitig hat der Kläger zum Ausgleich seiner Prämien- bzw. Provisionsansprüche in
den vergangenen Jahren jeweils Sportartikel – und in einem Falle auch Küchenmöbel –
als Naturalvergütung erhalten, ohne dass er in der Folgezeit mit weiteren
(Rest)Ansprüchen hervorgetreten ist. Gleich ob die bezogene Naturalvergütung
ausdrücklich zur Abgeltung von Überstunden, Prämien oder Provisionen geleistet wurde
oder im Einzelfall auch als freiwillige Zuwendung zu verstehen war, muss davon
ausgegangen werden, dass auf diese Weise – der Fälligkeitsregelung der
73
Provisionsvereinbarung entsprechend – zeitnah zum Abschluss des Vorjahres eine
abschließende Klärung und ein Ausgleich der Ansprüche erreicht war. Der Kläger trägt
auch selbst nicht vor, die wechselseitigen Forderungen seien nach Art eines
Kontokorrents in eine laufend aktualisierte, über die Jahre fortgeführte
Gegenüberstellung aufgenommen worden, erst zu einem späteren Zeitpunkt – etwa bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses – habe die abschließende Saldenfeststellung
erfolgen sollen. Sind aber die jährlich errechneten oder sonst wie ermittelten
wechselseitigen Ansprüche jeweils ausgeglichen worden, kann der Kläger nicht nach
Jahr und Tag noch eine entsprechende Aufgliederung und Auskunftserteilung
verlangen. Auch nach der Lebenserfahrung hätte der Kläger sicherlich zeitnah auf einer
Ausgleichszahlung oder der Gewährung weiterer Naturalvergütung bestanden, wenn
aus seiner Sicht die im Laufe des Jahres empfangenen Leistungen seine Ansprüche
nicht abgedeckt hätten. Dann ist aber im Zweifel von einer vollständigen Erfüllung der
Zahlungsansprüche für die abgeschlossenen Geschäftsjahre auszugehen. Wenn die
Parteien seinerzeit – auch aus steuerlichen Gründen – den Weg einer "formlosen"
Verrechnung gewählt haben, kann nicht der Kläger nachträglich noch die Erteilung von
Auskünften zur Vorbereitung einer Abrechnungs- und Zahlungsklage fordern.
C
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO.
75
D
76
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 14.211,-- € und errechnet sich wie
folgt:
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1. Kündigung (3-Monatsverdienste) 6.750,00 €
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2. Zwischenzeugnis ohne Inhaltsstreit 1.000,00 €
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3. Auskunftsanspruch wegen Provision 1.200,00 €
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4. Widerklage wg. Eigenbedarfsrechnung 2.423,00 €
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5. Widerklage wg. Fortbildungskosten 2.338,00 €
82
6. Widerklage wg. Auskunft 500,00 €
83
Insgesamt 14.211,00 €
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85
E
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht
vor.
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