Urteil des LAG Hamm vom 30.11.2000

LArbG Hamm: firma, arbeitsamt, verdienstausfall, entlassung, geschäftsleitung, kausalität, beweislast, gespräch, befragung, anschluss

Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 878/00
Datum:
30.11.2000
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Sa 878/00
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 2 Ca 4832/99
Schlagworte:
Schadensersatz / Verdienstausfall / Anschwärzung / Kausalität
Normen:
BGB § 824
Leitsätze:
Haftung des Arbeitnehmers gegenüber entlassenem Kollegen für
wirtschaftliche Folgen des Arbeitsplatzverlustes bei unberechtigter
,,Anschwärzung''.
1. Bezichtigt die Vorarbeiterin die ihr unterstellten Reinigungskraft zu
Unrecht gegenüber dem Arbeitgeber einer abfälligen Äußerung über
den Betrieb („Sklaventreiber“) mit der Fol-ge, dass das Arbeitsverhältnis
der Reinigungskraft vor Ablauf der Wartezeit des KSchG be-endet wird,
so haftet die Vorarbeiterin der entlassenen Arbeitnehmerin gem. § 824
BGB für den erlittenen Verdienstausfall.
2. Als Anspruchstellerin hat die entlassene Arbeitnehmerin zwar zu
beweisen, dass sie die abfällige Äußerung nicht getan hat. Zum
substantiierten Bestreiten dieser negativen Tatsa-che hat die
Gegenseite jedoch die genauen Umstände der angeblichen Äußerung
zu schil-dern. Wechselhafter und in Teilen wahrheitswidriger Vortrag
kann dazu führen, dass der Klagevortrag als nicht wirksam bestritten und
damit als zugestanden gilt (§ 138 III ZPO).
3. Der Nachweis, dass es auch ohne die Falschbezichtigung zur
Beendigung des Arbeits-verhältnisses wegen Schlechtleistung
gekommen wäre, ist vom Anspruchsgegner zu führen
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Ar-beitsgerichts
Dortmund vom 22.02.2000 - 2 Ca 4832/99 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.334,81 DM netto zu zahlen
nebst 4 % Zinsen seit 27.10.1998.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle
weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr wegen der von der Firma D........
Dienstleistungen GmbH & Co. KG am 27.04.1998 ausgesprochenen
Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch entstehen werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: 1.834,81 DM
T a t b e s t a n d :
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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, welche als Reinigungskraft bei der Firma "D........
Dienstleistungen" beschäftigt war, von der Beklagten als der für sie zuständig
gewesenen Vorarbeiterin den Ersatz erlittenen Verdienstausfallschadens, nachdem sie
– die Klägerin – von der Firma D........ entlassen worden ist. Hierzu behauptet die
Klägerin, ihre Entlassung beruhe auf unrichtigen Angaben der Beklagten gegenüber der
Geschäftsleitung. Insbesondere treffe es nicht zu, dass sie – die Klägerin – gegenüber
der Beklagten die Firma D........ als "Sklaventreiberin" bezeichnet habe.
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Die Klägerin war in der Zeit vom 03.02.1998 bis zum 12.05.1998 bei der Firma D........
Dienstleistungen GmbH & Co. KG in D......... als Reinigungskraft beschäftigt. Das
Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung
vom 27.04.1998 ohne Angaben von Gründen. Auf Nachfrage des Arbeitsamtes teilte die
Firma D........ diesem mit, dass die Klägerin "nachweislich ihrer Arbeitskollegen"
gegenüber Mitarbeitern der Fa. E.... D......... - einer Kundin der Fa. D........ - Beschwerde
über die
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Arbeitsbedingungen geführt und hierbei ihren Arbeitgeber u.a. als Sklaventreiber
beschimpft habe; dieses Verhalten habe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses
geführt. Nachdem das Arbeitsamt gegenüber der Klägerin daraufhin eine Sperrzeit
verhängte, wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.1998 an die
Firma D........ , widersprach der von dort aus abgegebenen Darstellung und forderte unter
Hinweis auf die Sittenwidrigkeit der Kündigung die Zahlung entgangenen
Arbeitsverdienstes. Mit Schreiben vom 25.08.1998 teilte die Firma D........ sodann dem
Arbeitsamt mit, dass sich bei erneuter Befragung der Vorarbeiterin herausgestellt habe,
dass sich die Klägerin nicht in der bisher dargestellten Form bei den Kunden beschwert
habe; dies führte zur Aufhebung der verhängten Sperrzeit. Nachdem die Klägerin ab
dem 15.07.1998 eine neue Beschäftigung gefunden hat, macht sie mit der vorliegenden
Klage gegenüber der Beklagten als ihrer vormaligen Vorarbeiterin den verbleibenden
Verdienstausfall für die Zeit vom 13.05. bis 14.07.1998 geltend, welchen sie – unter
Berücksichtigung bezogener Leistungen des Arbeitsamtes - auf 1.346,29 DM beziffert.
Weiter macht sie im Wege der Feststellungsklage mögliche weitere
Schadensersatzansprüche, insbesondere wegen Einbußen in der Rentenversicherung
geltend.
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Die Klägerin ist der Auffassung, für den entstandenen Verdienstausfall sei die Beklagte
schadensersatzpflichtig, da sie – die Beklagte – eine frei erfundene Behauptung über
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angebliche Äußerungen der Klägerin an den Arbeitgeber weitergeleitet und so die
Entlassung der Klägerin bewirkt habe. Für den entstandenen Vermögensschaden
müsse die Beklagte damit gemäß § 823 Abs. 1 BGB – Recht am Arbeitsplatz -, § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, § 826 BGB einstehen. Demgegenüber hat die
Beklagte eingewandt, sie habe die in der Klageschrift aufgeführten Behauptungen nicht
getätigt. Im Übrigen habe die Firma D........ die Kündigung auch nicht auf einen
entsprechenden Vorwurf gestützt, so dass es an der Kausalität fehle. Schließlich habe
die Klägerin es versäumt, gegen die angeblich sittenwidrige Kündigung vorzugehen.
Durch Urteil vom 22.02.2000 (Bl. 43 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren
erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die
Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die
Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass die zugrunde liegenden schädigenden
Äußerungen von der Beklagten stammten. Insbesondere sei nicht erkennbar, wem
gegenüber und wann genau die Beklagte wo welche konkreten Äußerungen im
Einzelnen getätigt habe. Auch aus den Schreiben der Firma D........ an das Arbeitsamt
vom 22.07. und 25.08.1998 lasse sich irgendein konkreter Bezug zur Person der
Beklagten nicht erkennen.
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Gegen das ihr am 19.04.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.05. eingelegte und
am 19.06.2000 begründete Berufung der Klägerin.
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Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens tritt die Klägerin dem Standpunkt
des Arbeitsgerichts entgegen, für eine Veranlassung der Kündigung durch ein Verhalten
der Beklagten fehle jeder Anhaltspunkt. Im Schreiben vom 25.08.1998 habe die Firma
D..-...... dem Arbeitsamt mitgeteilt, eine "erneute Befragung der Vorarbeiterin" habe
stattgefunden, was zur Rücknahme der erhobenen Vorwürfe führe. Als zuständige
Vorarbeiterin komme allein die Beklagte in Betracht; wenn von einer "erneuten"
Befragung die Rede sei, müsse davon ausgegangen werden, dass auch die
vorangehenden Informationen von der Beklagten stammten. Im Übrigen habe die
Beklagte vorprozessual mit Schreiben vom 16.10.1998 (Bl. 79 d.A.) selbst mitgeteilt,
dass sich die Klägerin ihr gegenüber über die geringe Entlohnung beschwert und
hierbei den Ausdruck "Sklaventreiberei" verwendet habe, wofür Zeugen zur Verfügung
stünden. Unter diesen Umständen handele es sich beim Klagevortrag nicht um eine
"Behauptung ins Blaue hinein" und bei dem entsprechenden Beweisantritt nicht um
einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.
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Soweit die Beklagte bestreite, die angebliche Äußerung der Klägerin an die
Geschäftsleitung weitergegeben zu haben, sei dies von vornherein unglaubwürdig. Als
Vorarbeiterin sei die Beklagte nämlich ohne weiteres zur Meldung derartiger Vorgänge
verpflichtet.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.02.2000 – 2 Ca 4832/99 –
wird abgeändert.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.334,81 DM netto nebst 4 %
Zinsen seit dem 27.10.1998 zu zahlen.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle
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weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr wegen der von der Firma E....
Dienstleistungen GmbH & Co. KG am 27.04.1998 ausgesprochenen
Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch entstehen werden.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung des
erstinstanzlichen Vortrages als zutreffend und trägt vor:
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Sowohl gegenüber verschiedenen Mitarbeitern als auch gegenüber der Beklagten
selbst habe die Klägerin die Firma D........ als Sklaventreiber bezeichnet. So sei es
einmal zu einem Konflikt zwischen den Parteien gekommen, als sich die Klägerin mit
einer Arbeitskollegin - unstreitig handelt es sich insoweit um die von der Klägerin als
Zeugin benannte Frau N......... – während der Arbeitszeit länger unterhalten habe. In
ihrer Eigenschaft als Vorarbeiterin habe die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen,
dass dies nicht zulässig sei. Hieraufhin habe die Klägerin die Beklagte beschimpft und
sich darüber beschwert, dass die Entlohnung so niedrig sei und für das Gehalt viel zu
viel gearbeitet werden müsse.
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Diese Äußerung habe die Beklagte jedoch nicht an die Vorgesetzten weiter geleitet.
Schon aus diesem Grunde könne die ausgesprochene Kündigung nicht auf einem
Verhalten der Beklagten beruhen. In Wahrheit sei die Klägerin entlassen worden, weil
sie häufig zu spät gekommen sei, während der Arbeitszeit häufig Unterhaltungen geführt
und keine gute Arbeit geleistet habe, weshalb auch die Auftraggeberin des
Reinigungsauftrages, die Firma E.... , mit der Arbeit der Klägerin nicht zufrieden
gewesen sei.
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Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, die
Beklagte habe gegenüber der Objektleitung – Frau H........... – erklärt, die Klägerin habe
die Firma D........ als "Sklaventreiber" bezeichnet, durch uneidliche Vernehmung der
Zeugin H........... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsnieder- schrift vom 30.11.2000 (Bl. 148 ff. d.A.) Bezug genommen. Im
Anschluss an die Beweisaufnahme hat die Beklagte erklärt, die betreffende Äußerung
der Klägerin sei nicht in Anwesenheit der Zeugin N......... , sondern in einem "Vier-
Augen-Gespräch" erfolgt.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der arbeitsgerichtlichen
Entscheidung und antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
21
I.
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Die Beklagte hat der Klägerin den erlittenen Verdienstausfall, welche sich als Differenz
zwischen entgangenem Nettoverdienst und erhaltenem Arbeitslosengeld für die Zeit
vom 13.05. bis 14.07.1998 errechnet, zu ersetzen.
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1. Rechtsgrundlage für diesen Schadensersatzanspruch ist die Vorschrift des § 824
Abs. 1 BGB. Danach hat Schadensersatz zu leisten, wer der Wahrheit zuwider eine
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Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu
gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen.
2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts
fest, dass die Beklagte gegenüber der Objektleiterin H........... erklärt hat, die Klägerin
habe die Arbeitgeberin (D........ ) als "Sklaventreiber" bezeichnet. Damit ist die
Darstellung der Beklagten widerlegt, die Klägerin habe zwar eine entsprechende
Äußerung getan, sie – die Beklagte – habe jedoch davon abgesehen, dies der
Geschäftsleitung weiter zu melden. Insbesondere da die Beklagte sich ihrerseits für die
Richtigkeit ihrer Sachdarstellung auf die Zeugin H........... berufen hat, sieht die Kammer
keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin H........... zu zweifeln.
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Da die Zeugin H........... als Objektleiterin für den Empfang derartiger Mitteilungen und
deren Weiterleitung an die Geschäftsleitung zuständig war, handelt es sich auch nicht
um ein internes Kollegengespräch, vielmehr liegt in der Mitteilung an die Vorgesetzte
Frau H........... eine Verbreitung im Sinne des § 824 Abs. 1 BGB.
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3. Die Mitteilung der Beklagten an Frau H........... , die Klägerin habe die Firma D........ als
Sklavenbetreiber bezeichnet, erfolgte auch "der Wahrheit zuwider".
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a) Hierfür ist zunächst ohne Belang, dass die Beklagte – wie sich aus der Aussage der
Zeugin H........... ergibt – nicht die Behauptung aufgestellt hat, die Klägerin habe die
betreffende Äußerung g e g e n ü b e r d e r K u n d s c h a f t gemacht. Insoweit handelte
es sich offenbar um ein Missverständnis, welches erst nach Ausspruch der Kündigung
aufgeklärt wurde. Auf die Bedeutung dieses Missverständnisses ist bei der
nachfolgenden rechtlichen Prüfung des Tatbestandmerkmals der Kausalität noch
gesondert einzugehen. Für das Tatbestandsmerkmal der Wahrheitswidrigkeit ist
hingegen allein von Belang, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten die Firma D........
als Sklaventreiber bezeichnet hatte, also diejenige Äußerung getan hat, welche die
Beklagte alsdann der Zeugin H........... mitgeteilt hat.
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b) Wie sich aus der Vorschrift des § 824 Abs. 1 BGB ergibt, gehört die "Unwahrheit" der
verbreiteten Tatsache zu den anspruchbegründenden Merkmalen, so dass die
Beweislast für die Unwahrheit bei der Klägerin liegt (vgl. Palandt/Thomas § 824 BGB
Rz. 12). Eine entsprechende Beweisführung erübrigt sich indessen, wenn der Verletzer
eine nähere Substantiierung verweigert, obwohl sie ihm ohne weiteres möglich sein
müsste (BGH NJW 1974, 1710).
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Der von der Klägerin zu beweisende Hergang, sie – die Klägerin – habe die angebliche
Äußerung nicht getätigt, stellt nämlich eine sog. negative Tatsache dar. Für die
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergibt sich hieraus eine gesteigerte
Bestreitenslast des Prozessgegners. Dem entsprechend hat die Klägerin nicht für jeden
denkmöglichen Anlass zu beweisen, dass sie niemals eine entsprechende Äußerung
gemacht hat. Vielmehr ist es zunächst Sache des Anspruchsgegners, konkret diejenige
Gelegenheit anzugeben, bei welcher die angebliche Äußerung gefallen sein soll. Die
Beweislast des Anspruchstellers beschränkt sich sodann auf die Widerlegung des
entsprechenden Sachvortrages. Andernfalls würde vom Anspruchsteller Unmögliches
verlangt. Dem gegenüber ist der Beklagten, die eine entsprechende Äußerung an die
Geschäftsleitung weitergegeben hat, ohne weiteres zumutbar, konkrete Angaben dazu
zu machen, wann und bei welcher Gelegenheit die Klägerin die beanstandete
Äußerung gemacht haben soll.
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Vorliegend hat die Beklagte widersprüchliche Angaben zu der Frage gemacht, bei
welcher Gelegenheit die Klägerin von einer "Sklaventreiberei" gesprochen haben soll.
Dies führt im Ergebnis dazu, dass ein beachtlicher Prozessvortrag der Beklagten in
dieser Frage nicht vorliegt, vielmehr der Vortrag der Klägerin als zugestanden gilt (§ 138
III ZPO).
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(1) Vorprozessual hatte die Beklagte – wie aus dem Anwaltsschreiben vom 16.10.1998
ersichtlich – vorgetragen, die Klägerin habe den Ausdruck "Sklaventreiberei" verwendet,
als sie von der Beklagten zur sorgfältigen Arbeit angehalten worden sei. Diese
Darstellung hat sie dahingehend ergänzt, die Klägerin habe sich mit Frau Neuss (richtig
Frau N......... ) während der Arbeitszeit über längere Zeit unterhalten, was von ihr – der
Beklagten – moniert worden sei. Der schriftsätzliche Vortrag der Berufungserwiderung
vom 20.07.2000 greift zwar die angebliche Äußerung der Klägerin ("Sklaventreiber")
nicht erneut auf, jedoch ergibt sich jedenfalls aus dem Zusammenhang unzweifelhaft,
dass die geschilderte Auseinandersetzung denjenigen Vorfall wiedergibt, um welchen
es im vorliegenden Rechtsstreit geht. Auch wenn die Beklagte – jedoch ohne nähere
Substantiierung – ausführt, die Klägerin habe eine entsprechende Äußerung zusätzlich
auch gegenüber anderen Mitarbeitern getätigt, ist nach dem vorgetragenen
Zusammenhang die Unterhaltung zwischen der Klägerin und Frau N......... derjenige
konkrete Anlass, bei welchem die Klägerin unmittelbar gegenüber der Beklagten von
einer "Sklaventreiberei" gesprochen haben soll.
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(2) Mit dieser konkreten Sachdarstellung steht es in unverkennbarem Widerspruch,
wenn die Beklagte im Termin vom 30.11.2000 – im Anschluss ihr nachteilige Aussage
der Zeugin H........... – ihren Vortrag neu gefasst und die Behauptung aufgestellt hat, die
Klägerin habe den Begriff "Sklaventreiberei" in einem Vier-Augen-Gespräch verwendet.
Ersichtlich will die Beklagte damit einer Vernehmung der Zeugin N......... ausweichen,
die gleichzeitig mit der Klägerin entlassen wurde. Ein derartiger wechselhafter Vortrag
ist jedoch weder mit der prozessualen Wahrheitspflicht vereinbar, noch kann in einem
solchen wechselnden Vorbringen ein substantiiertes Bestreiten des gegnerischen
Tatsachenvortrages gesehen werden (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).
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(3) Für die Vernehmung der Zeugin N......... , welche ohnehin nicht an dem (nicht näher
substantiierten) Vier-Augen-Gespräch teilgenommen hat, ist unter diesen Umständen
kein Raum. Im Übrigen hat die Beklagte zu den Modalitäten des angeblichen Vier-
Augen-Gesprächs keine näheren Angaben gemacht, so dass schon aus diesem Grunde
eine Beweiserhebung ausscheidet. Der in das Wissen der Zeugin S....... gestellte
weitere Vorgang ist gänzlich unsubstantiiert und einer Beweisaufnahme nicht
zugänglich. Schließlich liegt schon in der Wechselhaftigkeit des Beklagtenvortrages ein
Indiz für die Richtigkeit des Klägervorbringens. Auch die Tatsache, dass die Beklagte
wahrheitswidrig geleugnet hat, die angebliche Äußerung der Klägerin an die
Geschäftsleitung weiter gemeldet zu haben, stellt ein Indiz für die Richtigkeit der von der
Klägerin gegebenen Sachdarstellung dar.
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d) Zusammenfassend muss danach mit Rücksicht auf das unsubstantiierte Bestreiten
der Beklagten und die dargestellten Indiztatsachen davon ausgegangen werden, dass
die Klägerin die angebliche Äußerung von einer "Sklaventreiberei" nicht getätigt hat.
Damit steht fest, dass die Äußerung der Beklagten gegenüber der Zeugin H........... "der
Wahrheit zuwider" erfolgt ist.
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4. Für ihr Verhalten kann sich die Beklagte nicht auf Rechtfertigungs- oder
Entschuldigungsgründe stützen. Ob berechtigte Beanstandungen hinsichtlich der
Arbeitsleistung der Klägerin im Übrigen vorlagen, ist hierfür ohne Belang.
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5. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die unrichtige Darstellung der Beklagten
für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächlich.
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a) Die Beklagte hat zwar behauptet, dass die Klägerin ohnehin – allein wegen ihrer
schlechten Arbeitsleistung – entlassen worden wäre; dies wird indessen durch den
Schriftverkehr zwischen der Firma D........ und dem Arbeitsamt widerlegt. Auslöser für
den Kündigungsentschluss war vielmehr der Bericht der Beklagten an die Objektleiterin
H........... , in welchem die Beklagte die Klägerin bezichtigt hatte, den Arbeitgeber einen
"Sklaventreiber" zu nennen.
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Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Schreiben der Firma D........ an das Arbeitsamt
vom 22.07.1998. Für den Entschluss, das Arbeitsverhältnis zu beenden, hat danach die
Bezeichnung des Arbeitgebers als "Sklaventreiber" jedenfalls beigetragen. Auch wenn
– wie sich aus dem genannten Schreiben ergibt – bei der Firma D........ zunächst der
Eindruck entstanden war, die Äußerung der Klägerin sei auch gegenüber Mitarbeitern
des Kunden E.... erfolgt (was nicht der Mitteilung der Beklagten an die Objektleiterin
H........... entspricht), wird hierdurch die Kausalität zwischen der unwahren Äußerung der
Beklagten und der Entlassung der Klägerin nicht in Frage gestellt. Wäre für die
Entlassung der Klägerin ausschließlich der Gesichtspunkt von Bedeutung, dass die
fragliche Äußerung gegenüber Mitarbeitern der E.... erfolgte, so wäre hätte nach
Aufdeckung des Irrtums der Frau H........... eine Rücknahme der Kündigung bzw. die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nahegelegen. Wenn die Fa. D........ gleichwohl an
der Kündigung festhielt, so spricht dies deutlich dafür, dass auch schon eine
entsprechende Äußerung innerhalb der Firma als grobe Störung der
Vertrauensbeziehung angesehen wurde, welche Anlass bot, das Arbeitsverhältnis noch
während der Probezeit zu beenden. Für die Bedeutsamkeit der Beschimpfung als
"Sklaventreiber" – gleich ob gegenüber Kunden oder innerhalb des Betriebes – und
damit für die Mitverursachung des Kündigungsentschlusses der Fa. D........ spricht auch
schon die Tatsache, dass im Schreiben der Firma D........ vom 22.07.1998 an das
Arbeitsamt die herabwürdigende Bezeichnung als "Sklaventreiber" in einem eigenen
Absatz erwähnt, also hervorgeschoben wird; dass die Äußerung gegenüber Kunden
gefallen sei, macht also nicht den Schwerpunkt der Kündigungsbegründung aus.
Danach hat die betreffende Äußerung – neben der irrigen Annahme einer
"Kundenbeschwerde" und neben den von der Zeugin H........... wiedergegebenen
Beanstandungen hinsichtlich der Arbeitsleistung – jedenfalls die Entlassung der
Klägerin m i t v e r u r s a c h t . Eine solche Mitverursachung ist grundsätzlich für die
Verpflichtung zum Schadensersatz ausreichend (Palandt/Heinrichs, Vorbem. zu § 249
BGB Rz. 66 m.w.N.).
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b) Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten, die Klägerin sei ohnehin entlassen worden,
weil die Auftraggeberin E.... mit der Arbeit der Klägerin unzufrieden gewesen sei,
vollkommen unsubstantiiert ist und durch den unwidersprochenen Vortrag der Klägerin
im Schriftsatz vom 14.08.2000 widerlegt wird, nach welchem der Personalchef der Firma
E.... ausdrücklich bestätigt habe, dass keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der
Klägerin vorlägen. Berücksichtigt man weiter, dass wegen der angeblichen
Schlechtleistungen zu keinem Zeitpunkt eine Abmahnung gegenüber der Klägerin
erfolgt ist, so steht die Kausalität der unwahren Äußerung der Beklagten über die
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Person der Klägerin für die Kammer außer Zweifel. Die Beweislast dafür, dass es auch
ohne die unwahre Bezichtigung zur Entlassung der Klägerin gekommen wäre, trifft die
Beklagte, die sich auf einen hypothetischen Kausalverlauf beruft (Münch-
Komm/Grunsky, 3. Aufl., Vor § 249 BGB Rz. 91 m.w.N.).
6. Infolge der Entlassung hat die Klägerin den geltend gemachten Verdienstausfall
erlitten. Erstinstanzlich hat die Beklagte zwar bestritten, dass die Klägerin arbeitslos
gewesen sei; das Gegenteil ergibt sich jedoch aus dem Bewilligungsbescheid des
Arbeitsamtes. Dass die Klägerin zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen habe, hat die
Beklagte nicht behauptet.
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Gegen die Berechnung der erlittenen Verdiensteinbuße bestehen keine Bedenken.
Insoweit hat die Beklagte auch keine Einwände erhoben.
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7. Schließlich entfällt der verfolgte Schadensersatzanspruch auch nicht deswegen, weil
die Klägerin es unterlassen hat, sich gegen die Kündigung der Firma D........ zur Wehr zu
setzen. Weder stand der Klägerin Kündigungsschutz nach dem
Kündigungsschutzgesetz zur Seite, noch konnte die ausgesprochene Kündigung der
Firma D........ als sittenwidrig angesehen werden. Aufgrund der Angaben der Beklagten
und der – teilweise irrtumsbehafteten – Angaben der Frau H........... konnte die
Geschäftsführung der Firma D........ durchaus zu Recht zu dem Entschluss gelangen,
das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden. Ob der Klägerin, nachdem die Firma
D........ den zugrundeliegenden Irrtum aufgeklärt hatte, mit Erfolgsaussicht einen
Wiedereinstellungsantrag hätte verfolgen können, erscheint schon deshalb zweifelhaft,
weil ein allgemeiner Wiedereinstellungsanspruch als Reflex des
Kündigungsschutzgesetzes nur im Geltungsbereich des KSchG in Betracht kommt. Für
den Verdienstausfall der Klägerin in der Zeit vom 13.05. bis 14.07.1998 ist diese Frage
jedoch ohnehin ohne Belang.
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8. Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges in gesetzlicher
Höhe zu, nachdem sie die Beklagte mit Schreiben vom 05.10.1998 unter Fristsetzung
bis zum 26.10.1998 gemahnt hat.
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II.
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Aus den vorstehenden Gründen ist auch der verfolgte Feststellungsantrag der Klägerin
hinsichtlich künftiger weiterer Schäden begründet. Infolge der vorübergehenden
Arbeitslosigkeit der Klägerin sind entsprechende Renteneinbußen der Klägerin möglich,
deren Höhe noch nicht absehbar sind. Dies rechtfertigt die ausgesprochene
Feststellung der Schadensersatzpflicht.
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III.
47
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.
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IV.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht
vor.
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Dr. Dudenbostel
Kempermann
Brüssow
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