Urteil des LAG Hamm vom 13.04.2005

LArbG Hamm: zulage, vergütung, verfügung, vertretung, arbeitsgericht, ermessensprüfung, zugang, billigkeit, feststellungsklage, kausalzusammenhang

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 2406/04
13.04.2005
Landesarbeitsgericht Hamm
18. Kammer
Urteil
18 Sa 2406/04
Arbeitsgericht Dortmund, 6 Ca 4086/00
Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit, Grundsätze für die
Ermessensprüfung, Freihaltung einer Beamtenstelle,
Zuordnungsentscheidung des Dienststellenleiters
§§ 22, 23, 24 BAT, § 315 BGB
Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen
Auf die Berufung des beklagten L2xxxx wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.01.2001 - 6 Ca 4086/00 - unter
Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Das beklagte L1xx ist verpflichtet, an die Klägerin ab 23.07.2000 eine
Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/5 und dem
beklagten L1xx zu 4/5 auferlegt bis auf die Kosten der Klagerücknahme
vom 12.09.2001, die die Klägerin allein zu tragen hat.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.
Die am 22.05.1944 geborene Klägerin, die eine Berufsausbildung als
Einzelhandelskauffrau abgeschlossen hat, steht seit dem 01.10.1971 auf der Grundlage
des Arbeitsvertrages vom 01.10.1971 als Verwaltungsangestellte im Versorgungsamt
D3xxxxxx in den Diensten des beklagten L2xxxx. Sie ist eingruppiert in die
Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a BAT. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft
beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Zunächst wurde die Klägerin im Schreibdienst eingesetzt. In der Zeit von Oktober 1992 bis
Oktober 1994 nahm die Klägerin mit Erfolg an einer Fortbildungsmaßnahme teil, die
inhaltlich abgestellt war auf den künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes.
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In der Zeit vom 05.01.1995 bis 22.07.1997 erfolgte die Einarbeitung unter Aufsicht und
Anleitung in die Aufgaben einer Rentenbearbeiterin. Nach Abschluss der Neuorganisation
des Versorgungsamts D3xxxxxx ab Oktober 1995 wurde die Klägerin in der Abteilung 3
(Schwerbehindertenrecht), Gruppe 6 eingesetzt.
Unter dem 18.07.1997 beantragte die Leiterin des Versorgungsamts D3xxxxxx die
Zustimmung des örtlichen Personalrats zu der beabsichtigten vorübergehenden
Übertragung der höherwertigen Tätigkeit einer Schwerbehindertensachbearbeiterin des
mittleren Dienstes auf die Klägerin, und zwar für die Dauer der Ausbildung der
Regierungsassistentenanwärte-rin W3xxxxxxxxx.
Durch Bescheid vom 23.07.1997 teilte das Versorgungsamt der Klägerin Folgendes mit:
Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gem. § 24 Abs. 1 BAT
Sehr geehrte Frau K1xxx,
hiermit übertrage ich Ihnen mit sofortiger Wirkung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen
Widerrufs die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c – Fallgruppe 1 a – des Teils I der
Anlage 1 a zum BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren
Dienstes in der Abteilung 3 – Schwerbehindertenrecht – vorübergehend gem. § 24 Abs. 1
BAT bis zur endgültigen Besetzung des Sachbearbeiterdienstpostens, längstens jedoch
bis zum 31.03.1998.
Ihre Aufgaben ersehen Sie aus dem beigefügten Geschäftsverteilungsplan. Mit der
Übertragung der Aufgaben ist, soweit nichts anderes vermerkt ist, das Zeichnungsrecht
verbunden.
Über die Gewährung einer persönlichen Zulage gem. § 24 Abs. 1 BAT erhalten Sie zu
gegebener Zeit weitere Nachricht.
In der Folgezeit wurde die Übertragung durch die Verfügungen vom 19.03.1998 (Bl. 7 d.A.)
bis zum 31.08.1998, vom 21.08.1998 (Bl. 8 d.A.) bis zum 31.12.1998 und vom 09.12.1998
(Bl. 9.d.A.) bis zum 30.06.1999 verlängert.
Nach der Behauptung des beklagten L2xxxx erfolgten die Übertragungen der
höherwertigen Tätigkeiten zur Freihaltung einer Beamtenplanstelle für die
Regierungsassistentenanwärterin F1xxxxxx.
Mit Verfügung vom 30.06.1999 teilte das beklagte L1xx der Klägerin Folgendes mit:
Vertretungsweise Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit gem. § 24 Abs. 2
BAT
Sehr geehrte Frau K1xxx,
hiermit übertrage ich Ihnen weiterhin – längstens jedoch bis zum 30.09.1999 – unter
dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs vertretungsweise gem. § 24 Abs. 2 BAT die
höherwertigen Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 -
Schwerbehindertenrecht -.
Ihre Aufgaben ersehen Sie aus dem Ihnen ausgehändigten Geschäftsverteilungsplan.
Mit der Übertragung der Aufgaben ist, soweit nichts Abweichendes vermerkt ist, das
Zeichnungsrecht verbunden.
Bei der Höhe der Zulage nach Verg,-Gr. V c, Fallgruppe 1 a BAT, die Ihnen bereits
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gewährt wird, tritt keine Änderung für die Dauer der Vertretung ein.
Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Zulage jederzeit widerrufen
werden kann und ein Anspruch durch die Gewährung der Zulage auf eine spätere feste
Eingruppierung nicht besteht.
Nach dem Vortrag des beklagten L2xxxx erfolgte die Übertragung der höherwertigen
Tätigkeit zur Vertretung des Regierungshauptsekretärs H1xxxxx.
Durch Verfügung vom 30.09.1999 (Bl. 11 d.A.) wurde dieser Einsatz verlängert bis zum
31.12.1999.
Am 22.12.1999 erhielt die Klägerin folgende Verfügung:
Vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gem. § 24 Abs. 2 BAT
Sehr geehrte Frau K1xxx,
hiermit übertrage ich Ihnen ab 01.01.2000 für die Dauer des Erziehungsurlaubs der
Angestellten B1xxx – längstens jedoch bis zum 07.06.2002 - unter dem Vorbehalt des
jederzeitigen Widerrufs (z.B. für den Fall der Streichung oder anderweitigen Besetzung der
dem Amt D3xxxxxx zugestandenen Dienstposten im mittleren Dienst) vorübergehend gem.
§ 24 Abs. 2 BAT die höherwertigen Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren
Dienstes in der Abteilung 3 - Schwerbehindertenrecht -.
Ihre Aufgaben ersehen Sie aus dem Ihnen ausgehändigten Geschäftsverteilungsplan.
Mit der Übertragung der Aufgaben ist, soweit nichts Abweichendes vermerkt ist, das
Zeichnungsrecht verbunden.
Bei der Höhe der Zulage nach Verg.-Gr. V c, Fallgruppe 1 a BAT, die Ihnen bereits
gewährt wird, tritt keine Änderung für die Dauer der Vertretung ein.
Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Zulage jederzeit widerrufen
werden kann und ein Anspruch durch die Gewährung der Zulage auf eine spätere feste
Eingruppierung nicht besteht.
Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 17.08.2000 anhängig gemacht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte L1xx sei verpflichtet, sie über den
07.06.2002 als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes zu beschäftigen und entsprechend
zu vergüten. Die vorübergehende Übertragung der Aufgaben eines Sachbearbeiters des
mittleren Dienstes sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen und deshalb
rechtsmissbräuchlich. Beim Versorgungsamt D3xxxxxx habe ständiger Vertretungsbedarf
bestanden. Daraus folge die Rechtsmissbräuchlichkeit der vorübergehenden Übertragung
der höherwertigen Tätigkeit. Da sie mittlerweile die dreijährige Bewährungszeit
zurückgelegt habe, komme nur eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b BAT in
Betracht.
Die Klägerin hat beantragt,
1. das beklagte L1xx zu verurteilen, sie über den 08.06.2002 weiterhin als
Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes einzusetzen und zu beschäftigen,
2. festzustellen, dass das beklagte L1xx verpflichtet ist, sie ab dem 01.01.2000
nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu vergüten.
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Das beklagte L1xx hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte L1xx hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf
Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT und entsprechende
Beschäftigung. Den vorübergehenden Übertragungen habe jeweils ein sachlicher Grund
für den vorübergehenden Einsatz zugrunde gelegen. Der sachliche Grund für den Einsatz
der Klägerin ab 23.07.1997 sei die Ausbildung der Regierungsassistentenanwärterin
F1xxxxxx gewesen. Dieser sachliche Grund sei mit Bestehen der Laufbahnprüfung am
01.08.1999 weggefallen. Dies sei für das beklagte L1xx bereits im Juni 1999 erkennbar
gewesen, da mit einem Bestehen der Prüfung der Regierungsassistentenanwärterin
F1xxxxxx habe gerechnet werden können. Sachlicher Grund für die Verlängerung der
Übertragung mit Schreiben vom 30.06.1999 sei die vertretungsweise Übertragung
höherwertiger Tätigkeiten in dem Einsatz des Regierungshauptsekretärs H1xxxxx als
Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen
Unterhangs im gehobenen Dienst. Ab dem 01.01.2000 bis zum 07.06.2002 habe sich ein
weiterer sachlicher Grund aufgrund des Erziehungsurlaubs der Angestellten B1xxx
ergeben.
Durch Urteil vom 18.01.2001 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten
des Rechtsstreits dem beklagten L1xx auferlegt. Den Streitwert hat es auf 16.720,-- DM
festgesetzt.
In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Klägerin seit
dem 23.07.1997 Tätigkeiten übertragen worden seien, die den Tätigkeitsmerkmalen der
Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL entsprächen. Die Berufung des beklagten
L2xxxx auf § 24 Abs. 2 BAT sei rechtsmissbräuchlich.
Gegen dieses dem beklagten L1xx am 14.03.2001 zugestellte und wegen der sonstigen
Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat das beklagte L1xx am 11.04.2001
Berufung eingelegt und diese am 08.05.2001 begründet.
Das beklagte L1xx greift die arbeitsgerichtliche Entscheidung insgesamt an unter
Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Vortrags.
Die Klägerin hat am 12.09.2001 mit Einverständnis des beklagten L2xxxx die
Leistungsklage zurückgenommen.
Das beklagte L1xx beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.01.2001 – 6 Ca 4086/00 –
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des beklagten L2xxxx gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund
vom 18.01.2001 – 6 Ca 4086/00 – zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der
Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des beklagten L2xxxx ist teilweise begründet.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig.
Es handelt sich um eine sogenannte Eingruppierungsfeststellungsklage. Gegen die
Zulässigkeit der Eingruppierungsfeststellungsklage bestehen keine prozessualen
Bedenken (vgl. grundlegend z.B. BAG, Urteil vom 02.12.1981 – 4 AZR 301/79 – AP Nr. 52
zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 09.08.2000 – 4 AZR 439/99 – AP Nr. 281 zu §§
22, 23 BAT 1975).
B. Die Klage ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b
BAT nicht ab dem 01.01.2000, sondern erst ab dem 23.07.2000 gemäß § 611 Abs. 1 BGB
in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.
I. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit
gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend die Vorschriften des Bundes-
Angestelltentarifvertrags (BAT/BL).
II. Danach setzt die von der Klägerin erstrebte Eingruppierung voraus, dass bei ihr zeitlich
mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich genommen die
Anforderungen zumindest eines Tätigkeitsmerkmals der von ihr für sich in Anspruch
genommene Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT/BL erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs.
2 Satz 1 BAT). In die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT/BL sind einzugruppieren
Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren
Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert,
nach dreijähriger Bewährung in der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL.
1. Die der Klägerin übertragene Sachbearbeitertätigkeit entspricht den Anforderungen der
Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL, soweit das beklagte L1xx ihr höherwertige
Tätigkeiten übertragen hat unter Zahlung der persönlichen Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT.
Diese Bewertung ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Sie war entsprechend den
Grundsätzen zur Überprüfung einer Eingruppierung bei korrigierender Rückgruppierung
(vgl. z. B. BAG, Urteil vom 16.02.2000 – 4 AZR 62/99 – ZTR 2001, 222.; BAG, Urteil vom
20.06.2001 – 4 AZR 288/00 – ZTR 2002, 178) zugrunde zu legen.
2. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT ist weiterhin erforderlich, dass die höherwertige Tätigkeit
dem Angestellten nicht nur vorübergehend übertragen worden ist.
a) Beide Parteien gehen davon aus, dass der Klägerin die Tätigkeiten einer
Sachbearbeiterin in der Abteilung Schwerbehindertenrecht ausdrücklich nicht auf Dauer,
sondern jeweils nur vorübergehend übertragen worden sind, so auch in der Zeit vom
23.07.1997 bis zum 30.06.1999 durch die Verfügungen vom 23.07.1997, 19.03.1998,
21.08.1998 und 09.12.1998.
b) Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten in der Zeit vom 23.07.1997 bis zum
30.06.1999 entsprach aber nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, so dass die
Übertragung nach den Grundsätzen für die Ermessensprüfung bei der vorübergehenden
Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nach § 24 BAT (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom
17.04.2002 – 4 AZR 174/01 – ZTR 2003, 76) als auf Dauer erfolgt anzusehen ist (§ 315
Abs. 3 Satz 2 BGB).
aa) Hiernach setzt § 24 BAT für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen
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Tätigkeit die Möglichkeit einer solchen Maßnahme in Ausübung des Direktionsrechts
voraus und gestaltet diese Maßnahme. Deshalb muss die vorübergehende Übertragung
einer höherwertigen Tätigkeit in entsprechender Anwendung nach § 315 BGB nach
billigem Ermessen erfolgen. Das billige Ermessen der Ausübung des Direktionsrechts
muss sich auf die Tätigkeitsübertragung "an sich" und auf die "Nicht-Dauerhaftigkeit" der
Übertragung beziehen ("doppelte Billigkeit"). Die Grundsätze der Billigkeit sind gewahrt,
wenn alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles abgewogen und die beiderseitigen
Interessen angemessen berücksichtigt sind.
Nach § 24 BAT ist bei der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit zu
unterscheiden zwischen einer Übertragung nach § 24 Abs. 1 BAT und der
vertretungsweisen Übertragung der Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT. Letztere bildet ein
speziell geregelten Sonderfall der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen
Tätigkeit. Ist die Stelle, auf die der Angestellte vorübergehend beschäftigt wird, noch nicht
besetzt, weil sie, wie im vorliegenden Fall von dem beklagten L1xx behauptet, für einen
Beamten freigehalten wird, liegt kein Vertretungsfall vor, sondern eine vorübergehend
auszuübende Tätigkeit (vgl. z.B.
BAG, Urteil vom 25.10.1967 – 4 ARZ 12/67 – AP Nr. 1 zu § 24 BAT). Daher ist vom
Arbeitgeber kein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Angestellten, der
vorübergehend eingesetzt ist, und der nach dem Zugang vom Beamtenanwärter zu
erbringenden Tätigkeit darzulegen. Zu prüfen ist die Zuordnung des vorübergehenden
Einsatzes des Angestellten zu der freizuhaltenden Stelle im Zeitpunkt der Übertragung.
Hierzu hat der Arbeitgeber vorzutragen. Die pauschale Behauptung der Freihaltung der
Stelle für einen bestimmten Regierungsassistentenanwärter reicht nicht. Erforderlich ist die
konkrete Darlegung der Zuordnungsentscheidung. Eine Zuordnung des vorübergehenden
Einsatzes des Angestellten zu der freizuhaltenden Stelle zum Zeitpunkt der
Übertragungsverfügung ist z.B. dann nicht schlüssig dargelegt, wenn der Arbeitgeber die
vorübergehenden Übertragungen auf mehrere vollbeschäftigte Angestellte für die selbe
Zeit mit dem Freihalten der Stelle für den selben zugehenden Beamtenanwärter begründet
(vgl. z.B. BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 430/01 -; BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4
AZR 461/01 -).
Die generelle Entscheidung, bestimmte Stellen nur mit Beamten zu besetzen und sie daher
bis zum Zugang von Beamtenanwärtern freizuhalten, ist grundsätzlich hinzunehmen. Es ist
jedoch nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall die Organisation zur Entscheidung
rechtsmissbräuchlich ist. Dafür muss der Angestellte Gründe vortragen. Wird der
vorübergehende Einsatz des Angestellten auf einer für einen zugehenden
Beamtenanwärter freizuhaltende Stelle nicht mit einer generellen
Organisationsentscheidung begründet, ist zu prüfen, ob die einzelne Entscheidung die
Stelle nur mit einem Beamten dauerhaft zu besetzen, billigem Ermessen im Sinne des §
315 BGB entspricht. Der Arbeitgeber muss also seine Interessen offen legen, die Stelle für
einen Beamten freihalten zu wollen. Diese sind gegenüber dem Interesse des Angestellten,
die ihm nur vorübergehend übertragene Tätigkeit dauerhaft auszuüben, abzuwägen (vgl.
z.B. BAG, Urteil vom 15.05.2002 – 4 AZR 433/01 – ZTR 2003, 80).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes der
Klägerin ab 23.07.1997 zu der für die Regierungsassistentenanwärterin F1xxxxxx
freizuhaltenden Stelle nicht schlüssig dargelegt.
Der Vortrag des beklagten L2xxxx ist widersprüchlich und damit unschlüssig.
Aus den vier Übertragungsverfügungen ergibt sich keine Zuordnung des vorübergehenden
höherwertigen Einsatzes zu einer bestimmten Stelle. Der Grund der höherwertigen Übertra-
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gung, die Freihaltung einer Beamtenplanstelle für die zugehende Regierungsassisten-
tenanwärterin F1xxxxxx, wird in den Verfügungen nicht angeführt.
Die Verfügungen sind auf § 24 Abs. 1 BAT gestützt.
Die Verfügung vom 23.07.1997 gibt als Zeitpunkt der Übertragung "bis zur endgültigen
Besetzung des Sachbearbeiterdienstpostens" an. Nach den Verfügungen vom 19.03.1998,
21.08.1998 und 09.12.1998 erfolgte die Übertragung "vertretungsweise".
Nach dem bestrittenen Vortrag des beklagten L2xxxx erfolgte die Übertragung
höherwertiger Tätigkeiten an die Klägerin ab 23.07.1997 zur Freihaltung der
Beamtenplanstelle für die Regierungsassistentenanwärterin F1xxxxxx. Wann konkret diese
Zuordnungsentscheidung getroffen worden ist, wird nicht vorgetragen. Aus dem Antrag des
beklagten L2xxxx an den Personalrat vom 18.07.1997 ergibt sich, dass das L1xx
beabsichtigte, der Klägerin höherwertige Tätigkeit zu übertragen im Rahmen der
Freihaltung einer Stelle für die Regierungsanssistentenanwärterin W3xxxxxxxxx. Aus dem
Schreiben des Versorgungsamts an den Personalrat vom 18.07.1997 ergibt sich, dass die
Dienststellenleiterin des Versorgungsamts D3xxxxxx die Entscheidung getroffen hatte, den
vorübergehenden höherwertigen Einsatz der Klägerin der für die
Regierungsassistentenanwärterin W3xxxxxxxxx freizuhaltenden Stelle zuzuordnen. Aus
dem Rechtsstreit B2xxxxxxxxx ./. L1xx N2x (LAG Hamm 18 Sa 479/00/BAG 4 AZR 461/01)
ergibt sich, dass nach der Behauptung des beklagten L2xxxx die für die
Regierungsassistentenanwärterin W3xxxxxxxxx freizuhaltende Stelle ab 01.08.1997 der
Angestellten B2xxxxxxxxx zugeordnet worden war, während im Falle der Angestellten
B2xxxxxxxxx die Übertragung begründet worden ist mit der Freihaltung der Stelle für die
Regierungsassistentenanwärterin P1xxxxxx.
Das beklagte L1xx hat die Widersprüche nicht ausräumen können. Damit liegt eine
schlüssige Darstellung der Stellenzuordnung der Klägerin für die Zeit vom 23.07.1997 bis
30.06.1999 nicht vor. Da eine solche Entscheidung nicht vorlag, entsprach die
Übertragungsverfügung vom 23.07.1997 nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB.
Die bertragung war entsprechend gemäß § 315 Abs. 2 Satz 2 BGB als auf Dauer erfolgt
anzusehen. Ob die anschließenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeit billigem
Ermessen entsprachen, kann so dahingestellt bleiben.
3. Damit stand der Klägerin ab 23.07.1997 gemäß § 22 Abs. 1 und Abs. 2 BAT ein
vertraglichen Anspruch gegen das beklagte L1xx auf Vergütung und Beschäftigung nach
der Vergütungsgruppe V c BAT/BL zu, da sie zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen
der Fallgruppe 1 a dieser Vergütungsgruppe erfüllte.
4. Dagegen kann die Klägerin eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT/BL
nicht ab 01.01.2000, sondern erst nach Ablauf der Bewährungsfrist ab 23.07.2000
verlangen.
Die dreijährige Bewährungszeit der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT/BL begann
am 23.07.1997 zu laufen und endete am 22.07.2000. Das beklagte L1xx hat nicht
vorgetragen, dass die Klägerin während der Bewährungszeit sich den Anforderungen der
ihr übertragenen Tätigkeit nicht gewachsen gezeigt hat.
C. Nach alledem hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Knipp zugleich für den ausgeschiedenen ehrenamtlichen Richter Dröge
Teichmann