Urteil des LAG Hamm vom 20.09.2006

LArbG Hamm: niederlassung, betriebsrat, arbeitsgericht, mitbestimmungsrecht, unverzüglich, unterlassen, eingliederung, unterrichtung, beschwerdekammer, abrede

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Ta 294/06
Datum:
20.09.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 Ta 294/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 3 BV 49/00
Schlagworte:
Zwangsvollstreckung im Beschlussverfahren Ordnungsgeld bei Verstoß
gegen eine Unterlassungsverpflichtung genügende Bestimmtheit des
Unterlassungstitels
Normen:
§§ 793, 567, 572, 890 ZPO§§ 87 Abs. 2, 85 Abs. 1, 78 ArbGG§§ 99, 100
BetrVG
Rechtskraft:
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.04.2006 - 3 BV 49/00 - aufgehoben.
Der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Ordnungsgeldes vom
15.12.2006 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
1
I.
2
Im Ausgangsverfahren hat der Gläubiger, der in der Niederlassung D1xxxxxx der
Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat, die Schuldnerin, die Arbeitgeberin auf Unterlassung
der Vornahme von Einstellungen ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des
Betriebsrats in Anspruch genommen. Die Arbeitgeberin, ein Sicherheitsunternehmen im
Sinne des § 34 a GewO, betreibt in D1xxxxxx sowie in M1xxxxx jeweils eine
Niederlassung. In der Niederlassung in D1xxxxxx sind ca. 240 Arbeitnehmer
beschäftigt. Zu den Hauptaufgaben der Arbeitgeberin gehören u.a. die Durchführung
von Sicherungsaufgaben in offenen oder geschlossenen Objekten, Revierwachdienste
sowie Empfangsdienste.
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Durch Beschluss vom 13.07.2000 hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin aufgegeben,
es zu unterlassen, in ihrer D2xxxxxxxx Niederlassung Einstellungen vorzunehmen,
ohne zuvor das Mitbestimmungsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt zu haben.
Gleichzeitig wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin ein
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Ordnungsgeld in Höhe von 4.000,00 DM angedroht.
Der der Arbeitgeberin am 18.08.2000 zugestellte Beschluss vom 13.07.2000 ist
rechtskräftig.
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Eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 13.07.2000
wurde dem Betriebsrat am 06.02.2001 zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten
erteilt (Bl. 60 d.A.).
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Mit Schreiben vom 27.10.2005, beim Betriebsrat eingegangen am 28.10.2005,
beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats "für eine (vorläufige)
personelle Veränderung gemäß §§ 99, 100 und 102 BetrVG" (Bl. 56 d.A.). In dem
vorgesehenen Formular sind die §§ 99 und 102 BetrVG handschriftlich durchgestrichen.
Die (vorläufige) personelle Veränderung betraf die Einstellung des Mitarbeiters J2.
M2xxxxxx zum 28.10.2005. Als vorgesehener Arbeitsplatz war in dem Formular eine
Tätigkeit "Separat/W4xxxx & T2xxxxx" vorgesehen. Auf den weiteren Inhalt des
Antragsformulars (Bl. 56 d.A.) wird Bezug genommen.
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Noch am 27.10.2005 schloss die Niederlassung D1xxxxxx der Arbeitgeberin mit dem
Mitarbeiter M2xxxxxx einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 91 ff.d.A.) ab, wonach der
Mitarbeiter M2xxxxxx ab 28.10.2005 befristet bis zum 27.07.2006 als Sicherungskraft
eingestellt wurde.
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Der Mitarbeiter M2xxxxxx nahm am 28.10.2005 seine Tätigkeit auf und wurde am 28.10.
und 29.10.2005 in dem Objekt W4xxxx & T2xxxxx, in das zuvor ein Einbruch erfolgt war,
eingesetzt.
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Am 31.10.2005 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass dem Einstellungsantrag
keine Zustimmung erteilt werde; es seien keine zwingenden Gründe dargelegt, die eine
vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG rechtfertigten (Bl. 55, 56 d.A.).
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Der mit der Niederlassung D1xxxxxx abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 27.10.2005
wurde daraufhin mit dem Mitarbeiter M2xxxxxx aufgehoben. Ein
Zustimmungsersetzungsverfahren leitete die Arbeitgeberin in der Folgezeit nicht ein.
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Am 31.10.2005 schlossen die Niederlassung M1xxxxx der Arbeitgeberin und der
Mitarbeiter M2xxxxxx daraufhin einen im Wesentlichen gleichlautenden Arbeitsvertrag,
wonach der Mitarbeiter für die Zeit ab 31.10.2005 befristet bis zum 30.07.2006 als
Sicherungskraft in der Niederlassung M1xxxxx der Arbeitgeberin eingestellt wurde (Bl.
69 ff.d.A.). Der Mitarbeiter M2xxxxxx wurde daraufhin weiter im Separatwachdienst in
dem Objekt W4xxxx & T2xxxxx eingesetzt (Bl. 99 f.d.A.).
12
Mit dem am 16.12.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag machte der
Betriebsrat daraufhin wegen Verstoßes gegen den Beschluss vom 13.07.2000 die
Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 2.045,17 € geltend.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe durch den
Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Mitarbeiter M2xxxxxx vom 27.10.2005 und den
Einsatz des Mitarbeiters ab 28.10.2005 gegen den Beschluss vom 13.07.2000
verstoßen. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx
liege nicht vor. Gleichwohl sei der Mitarbeiter bereits ab 28.10.2005 in dem Objekt
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W4xxxx & T2xxxxx durchgehend eingesetzt worden. Dieses Objekt werde
ausschließlich durch die D2xxxxxxxx Niederlassung betreut. Dies ergebe sich bereits
aus dem Einsatzplan des Mitarbeiters für Oktober und November 2005 (Bl. 99, 100 d.A.).
Dass der Arbeitsvertrag ab 31.10.2005 formal mit der Niederlassung M1xxxxx
abgeschlossen sei, sei unbedeutend.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen den
Unterlassungsbeschluss vom 13.07.2000 liege nicht vor. Zwar sei beabsichtigt
gewesen, den Mitarbeiter M2xxxxxx in der D2xxxxxxxx Niederlassung einzustellen. Da
der Betriebsrat aber bereits am 28.10.2005 signalisiert habe, dass keine Zustimmung
erteilt werde, sei der Arbeitsvertrag nicht zustande gekommen. Der Mitarbeiter sei
daraufhin am 31.10.2005 in der Niederlassung M1xxxxx eingestellt worden.
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Durch Beschluss vom 12.04.2006 hat das Arbeitsgericht wegen Verstoßes gegen den
Beschluss vom 13.07.2000 gegen die Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von
2.045,17 € festgesetzt. Auf die Begründung des Beschlusses vom 12.04.2006 wird
Bezug genommen.
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Gegen den der Arbeitgeberin am 20.04.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die
vorliegende, beim Landesarbeitsgericht am 03.05.2006 eingegangene sofortige
Beschwerde der Arbeitgeberin.
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Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, ein Verstoß gegen die Beteiligungsrechte des
D2xxxxxxxx Betriebsrats liege nicht vor. Allein der Abschluss eines Arbeitsvertrages
stelle keinen Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats dar. Das Verfahren
auf vorläufige Beschäftigung des Mitarbeiters M2xxxxxx habe die Arbeitgeberin durch
ihre D2xxxxxxxx Niederlassung eingehalten. Mit Schreiben vom 27.10.2005 sei das
Verfahren nach § 100 BetrVG beim Betriebsrat eingeleitet worden. Ein dringendes
Erfordernis für die vorläufige Maßnahme habe vorgelegen. Die Niederlassung D1xxxxxx
sei danach berechtigt gewesen, den Mitarbeiter M2xxxxxx vorläufig zu beschäftigen.
Nach der Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat sei die Niederlassung
D1xxxxxx nicht verpflichtet gewesen, ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim
Arbeitsgericht einzuleiten. Vielmehr habe es der Arbeitgeberin freigestanden, auf eine
Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters M2xxxxxx in der Niederlassung D1xxxxxx zu
verzichten und die vorläufige Maßnahme nicht mehr aufrechtzuerhalten.
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Durch die Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx in der Niederlassung M1xxxxx ab
31.10.2005 sei gegen Mitbestimmungsrechte nicht verstoßen worden. Unstreitig
existiere in der Niederlassung M1xxxxx kein Betriebsrat. Der Mitarbeiter M2xxxxxx sei
ab 31.10.2005 auch nicht in die Niederlassung D1xxxxxx eingegliedert gewesen. Da die
Niederlassung in D1xxxxxx nicht genügend eigene Kapazitäten für die Abwicklung des
Auftrages der Firma W4xxxx & T2xxxxx vorgehalten habe, habe sie einen Teil des
Auftrages an die Niederlassung M1xxxxx abgegeben. Zwischen den Niederlassungen,
die eigenverantwortlich wirtschafteten, würden solche Aufträge durch Rechnungslegung
abgewickelt. Eine Eingliederung des Mitarbeiters M2xxxxxx in die Niederlassung
D1xxxxxx sei nicht erfolgt. Herr M2xxxxxx habe auch nicht auf einem Arbeitsplatz der
D2xxxxxxxx Beschäftigten gearbeitet.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.04.2006 - 3 BV 49/00 -
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aufzuheben und den Antrag auf Erlass eines Ordnungsgeldes zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt sinngemäß,
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die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die Arbeitgeberin habe das Zustimmungsverfahren beim
Betriebsrat bereits nicht ordnungsgemäß eingeleitet. Der Betriebsrat sei insbesondere
nicht über die sachliche Dringlichkeit der Einstellungsmaßnahme unterrichtet worden.
Mit keinem Wort sei gegenüber dem Betriebsrat dargelegt worden, inwieweit die
beabsichtigte Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen sei.
Im Übrigen habe der Betriebsrat nicht sicher sein können, welche Art von
Zustimmungsantrag an ihn herangetragen worden sei, er habe nicht erkennen können,
dass die Arbeitgeberin allein die Durchführung einer vorläufigen personellen
Maßnahme geplant habe. Bereits insoweit sei durch die unstreitige Beschäftigung des
Mitarbeiters M2xxxxxx ab 28.10.2005 gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
verstoßen worden.
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Gegen das Mitbestimmungsrecht sei auch dadurch verstoßen worden, dass der
Mitarbeiter M2xxxxxx ab dem 01.11.2005 weiter in dem Objekt W4xxxx & T2xxxxx im
Separatwachdienst eingesetzt worden sei. Dieses Objekt werde ausschließlich von
Arbeitnehmern der Niederlassung D1xxxxxx betreut. Der Einsatz des Mitarbeiters
M2xxxxxx ab November 2005 sei auch nicht von M1xxxxx aus geplant worden.
Tatsächlich sei Herr M2xxxxxx den Weisungen der Einsatzleitung der Niederlassung
D1xxxxxx unterworfen gewesen. Dies ergebe sich auch aus dem Einsatzplan für den
Monat November 2005.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug
genommen.
26
II.
27
Die nach den §§ 87 Abs. 2, 85 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 793, 567 Abs. 1 ZPO an sich
statthafte, von der Arbeitgeberin nach § 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 569 Abs. 1 und 2,
571 Abs. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige
sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
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Von einer Vorlage zur Prüfung einer Abhilfeentscheidung durch das Arbeitsgericht nach
§ 572 Abs. 1 ZPO hat die Beschwerdekammer abgesehen, nachdem die Arbeitgeberin
die Beschwerde direkt beim Beschwerdegericht eingelegt hat (OLG Frankfurt,
Beschluss vom 24.05.2002 - MDR 2002, 1391; OLG Stuttgart, Beschluss vom
27.08.2002 - MDR 2003, 110; LAG Hamm, Beschluss vom 16.09.2004 - 10 TaBV 65/04
-; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572 Rz. 4). Die ordnungsgemäße Durchführung des
Abhilfeverfahrens ist keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren.
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Die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin ist in der Sache begründet. Dem Antrag des
Betriebsrats auf Erlass eines Ordnungsgeldes konnte nicht stattgegeben werden, §§ 85
Abs. 1 ArbGG, 890 Abs. 1 ZPO.
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Nach § 890 ZPO i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann gegen einen Schuldner ein
Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn dieser der Verpflichtung zuwider handelt, eine
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näher bezeichnete Handlung zu unterlassen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1. Die Beschwerdekammer hat schon Zweifel, ob die allgemeinen
Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses
vorgelegen haben.
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Zwar hat der Betriebsrat einen rechtskräftigen Titel, den Beschluss des Arbeitsgerichts
Dortmund vom 13.07.2000 - 3 BV 49/00 -, in der Hand.
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Dem Betriebsrat ist auch eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom
13.07.2000 erteilt worden. Ob der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.07.2000 jedoch
hinreichend bestimmt ist, unterliegt jedoch schon erheblichen Bedenken.
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Ein auf Unterlassung gerichteter Antrag des Betriebsrats muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO so genau bestimmt sein, dass der Arbeitgeber der Entscheidung unschwer
entnehmen kann, welches Verhalten ihm aufgegeben worden ist. Die Geltendmachung
eines Unterlassungsantrags im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren erfordert einen
Antrag, der auf einzelne, tatbestandlich umschriebene, konkrete Handlungen als
Verfahrensgegenstand bezogen ist.
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Für den Fall der Unterlassung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung des
Betriebsrates bedarf es der genauen Bezeichnung derjenigen betrieblichen
Fallgestaltungen, für die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Anspruch
genommen wird (BAG, Beschluss vom 08.11.1983 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit
Nr. 11; BAG, Beschluss vom 18.04.1985 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 5; BAG, Beschluss
vom 17.03.1987 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 7; BAG, Beschluss vom 13.03.2001 - AP
BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 34). Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet
werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den
Beteiligten entschieden werden kann. Das gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen
die Unterlassung von Handlungen verlangt wird.
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Soweit dem Antrag des Betriebsrates im Ausgangsverfahren durch Beschluss vom
13.07.2000 stattgegeben worden ist, könnte es sich bereits um einen unzulässigen
Globalantrag handeln. Der Antrag erscheint nicht geeignet, eine Klärung der zwischen
den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheit über die Beteiligung des
Betriebsrates bei Einstellungen von Mitarbeitern im Betrieb der Arbeitgeberin
herbeizuführen. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.07.2000 wiederholt im
Ergebnis lediglich den Gesetzestext des § 99 Abs. 1 BetrVG. Ein Antrag, der lediglich
den Gesetzeswortlaut wiederholt, ist aber bereits dann unzulässig, wenn zwischen den
Beteiligten der Inhalt der Norm streitig ist (BAG, Beschluss vom 17.03.1987 - AP BetrVG
1972 § 23 Nr. 7; BAG, Beschluss vom 11.11.1997 - AP BDGS § 36 Nr. 1). Die
Arbeitgeberin hat bereits im Ausgangsverfahren die Verpflichtung, bei der Durchführung
von personellen Einzelmaßnahmen das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG zu
beachten, nicht in Abrede gestellt. In welchen konkreten Einzelfällen je nach den
Umständen der konkreten Fallgestaltung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
nicht beachtet worden ist, geht weder aus dem seinerzeit gestellten Antrag des
Betriebsrates noch aus dem Unterlassungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom
13.07.2000 hervor.
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2. Der Antrag des Betriebsrates auf Erlass eines Ordnungsgeldes ist in jedem Fall
unbegründet, weil ein schuldhafter Verstoß der Arbeitgeberin gegen die
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Unterlassungsverpflichtung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.07.2000
nicht festgestellt werden kann.
Nach dem Beschluss vom 13.07.2000 hat die Arbeitgeberin es zu unterlassen, in ihrer
D2xxxxxxxx Niederlassung Einstellungen vorzunehmen, ohne zuvor das
Mitbestimmungsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt zu haben.
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a) Eine Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx in die Niederlassung D1xxxxxx ohne
Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens ist jedoch nicht vorgenommen worden.
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Zwar hat die Niederlassung D1xxxxxx der Arbeitgeberin mit dem Mitarbeiter M2xxxxxx
bereits am 27.10.2005 einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der Mitarbeiter
M2xxxxxx ist auch ab 28.10.2005 in dem Objekt W4xxxx & T2xxxxx im
Separatwachdienst eingesetzt worden. Hierin lag jedoch noch keine Einstellung im
Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG. Eine Einstellung liegt nur dann vor, wenn eine Person in
den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den schon beschäftigten
Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit
zu verwirklichen (BAG, Beschluss vom 12.11.2002 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung
Nr. 43; BAG, Beschluss vom 25.01.2005 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 114;
Fitting/Engels/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 99 Rz. 33 f. m.w.N.).
41
Der bloße Abschluss des Arbeitsvertrages durch die Niederlassung D1xxxxxx mit dem
Arbeitnehmer M2xxxxxx am 27.10.2005 stellt danach ebenso wenig wie der - vorläufige
- Einsatz des Mitarbeiters in dem Objekt W4xxxx & T2xxxxx ab 28.10.2005 eine
Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG sowie im Sinne des arbeitsgerichtlichen
Beschlusses vom 13.07.2000 dar. Der Mitarbeiter M2xxxxxx ist ab dem 28.10.2005
lediglich vorläufig als Sicherungskraft eingesetzt worden. Die endgültige Einstellung
des Mitarbeiters sollte erst erfolgen, nachdem eine Zustimmung des Betriebsrates zu
dieser Maßnahme vorlag. Dies ergibt sich aus dem Antrag der Arbeitgeberin vom an
den Betriebsrat vom 27.10.2005. Danach ist nämlich beim Betriebsrat lediglich ein
"Antrag für eine (vorläufige) personelle Veränderung gemäß § 100 BetrVG" gestellt
worden. Ein Einstellungsantrag an den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG lag - noch -
nicht vor.
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b) Auch mit dem - vorläufigen - Abschluss des Arbeitsvertrages und der - vorläufigen -
Durchführung der Einstellungsmaßnahme hat die Arbeitgeberin nicht gegen den
Unterlassungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 13.07.2000 verstoßen. Tituliert ist dort
lediglich die mitbestimmungswidrig durchgeführte Vornahme von Einstellungen, nicht
eine etwaige Durchführung vorläufiger personeller Maßnahmen ohne Einhaltung der
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin das
Mitbestimmungsverfahren bei der vorläufigen Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx
nach § 100 BetrVG zunächst eingehalten, indem sie den Antrag nach § 100 BetrVG am
27.10.2005 beim Betriebsrat gestellt hat.
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Das Recht des Arbeitgebers, eine Einstellung oder Versetzung vorläufig durchzuführen,
besteht nämlich unabhängig davon, ob der Betriebsrat sich geäußert oder seine
Zustimmung bereits verweigert hat. Die Durchführung einer vorläufigen Maßnahme
nach § 100 BetrVG ist bereits zulässig, bevor der Betriebsrat sich geäußert hat. § 100
BetrVG ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen die Unterrichtung des Betriebsrats
nach § 99 BetrVG noch aussteht. Der Fall, dass eine Äußerung des Betriebsrates noch
nicht vorliegt, ist auch gegeben, wenn der Betriebsrat noch nicht einmal von der
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Personalmaßnahme unterrichtet wurde, also ein Eilfall besteht (BAG, Beschluss vom
07.11.1977 - AP BetrVG 1972 § 100 Nr. 1; Fitting, a.a.O., § 100 Rz. 8; Richardi/Thüsing,
BetrVG, 10. Aufl., § 100 Rz. 4 ff., 13; Kraft/Raab, GK-BetrVG, 8. Aufl., § 100 Rz. 17, 23 f.
m.w.N.). Hiernach war die Arbeitgeberin berechtigt, die beabsichtigte Maßnahme als
vorläufige Maßnahme durchzuführen, obgleich das Zustimmungsverfahren nach § 99
BetrVG beim Betriebsrat noch nicht eingeleitet worden war. Ihre Pflicht, den Betriebsrat
von der vorläufigen Durchführung der Maßnahme rechtzeitig zu unterrichten, ist die
Arbeitgeberin nachgekommen. Die Unterrichtung des Betriebsrats hat nämlich in
derartigen Fällen, entweder vor oder unverzüglich nach Durchführung der personellen
Maßnahme zu erfolgen. Dieser Verpflichtung hat die Arbeitgeberin mit dem am
27.10.2005 gestellten Antrag beim Betriebsrat genügt. Darüber hinaus hat sie die
vorläufige Maßnahme unverzüglich aufgehoben, nachdem der Betriebsrat eine
Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung nicht erteilt hatte. Unstreitig ist zwischen
den Beteiligten, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem Mitarbeiter M2xxxxxx und der
Niederlassung D1xxxxxx bereits am 31.10.2005 aufgehoben worden ist, nachdem an
diesem Tag der Arbeitgeberin mitgeteilt worden war, dass der Betriebsrat seine
Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx nicht erteilen würde.
Der Betriebsrat kann auch nicht darauf verweisen, dass der Antrag der Arbeitgeberin
vom 27.10.2005 keine ausreichende Begründung für die Durchführung der vorläufigen
Maßnahme enthält. Eine Begründung für diese Eilmaßnahme hat die Arbeitgeberin
vielmehr erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens abgegeben. Zwar hat der Arbeitgeber
nach § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen
personellen Maßnahme zu unterrichten. Zu Gunsten des Betriebsrates kann auch
unterstellt werden, dass die Arbeitgeberin dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist.
Dennoch rechtfertigt ein derartiger Verstoß nicht den Erlass des beantragten
Ordnungsgeldes. Insoweit fehlt es nämlich an einem ausreichend bestimmten,
rechtkräftigen Titel. Im Unterlassungsbeschluss vom 13.07.2000 ist lediglich die
Vornahme von "Einstellungen" ohne vorherige Durchführung des
Mitbestimmungsverfahrens tituliert.
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c) Schließlich kann auch nicht die Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx in der
Niederlassung M1xxxxx ab 31.10.2005 zum Erlass eines Ordnungsgeldes führen. Auch
insoweit fehlt es an einem rechtskräftigen Titel. Tituliert ist lediglich die
mitbestimmungswidrige Vornahme von Einstellungen in der "D2xxxxxxxx
Niederlassung".
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Eine Einstellung des Mitarbeiters M2xxxxxx in die D2xxxxxxxx Niederlassung liegt ab
31.10.2005 nicht mehr vor. Die Fremdvergabe eines Auftrages, insbesondere bei einem
Bewachungsauftrag, stellt mangels Eingliederung keine Einstellung von Mitarbeitern der
Fremdfirma dar (BAG, Beschluss vom 05.05.1992 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 97; BAG,
Beschluss vom 18.10.1994 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 5; Fitting, a.a.O., § 99
Rz. 59 m.w.N.). Nach Übernahme des Bewachungsauftrags durch die Niederlassung
Münster kann von einer Eingliederung des Mitarbeiters M2xxxxxx in die Niederlassung
D1xxxxxx keine Rede mehr sein.
47
III.
48
Für eine Kostenentscheidung ist im vorliegenden Verfahren kein Raum. Auch das
Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 85 Abs. 1 ArbGG zählt zu den
Beschlussverfahren des § 2 a Abs. 1 ArbGG, für die nach § 2 Abs. 2 GKG keine Kosten
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erhoben werden (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 26.06.2003 - 16 Ta 114/03 -;
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 85 Rz. 25; Vossen, GK-
ArbGG, § 85 Rz. 30 m.w.N.).
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 83 Abs. 5, 78 Satz 2, 72 Abs. 2
Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bestand keine Veranlassung.
50
Rechtsmittelbelehrung:
51
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
52
Schierbaum /N.
53