Urteil des LAG Hamm vom 21.01.2002
LArbG Hamm: berechnung der steuer, einkünfte, auszahlung, kirchensteuer, feststellungsklage, arbeitsgericht, beendigung, fürsorgepflicht, vergleich, fälligkeit
Landesarbeitsgericht Hamm, 19 Sa 1596/01
Datum:
21.01.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 Sa 1596/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 10 Ca 2997/01
Leitsätze:
Abfindungen gem. §§ 9, 10 KSchG sind außergewöhnliche Einkünfte im
Sinne von §§ 34 Nr. 1 i. V. mit 34 Abs. 2 Ziffer 2 EStG.
Ihre Versteuerung erfolgt gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Trotz der teilweise
verwandten Bezeich-nung der Neuregelung von § 34 Abs. 1 EStG als
"rechnerische Verteilung auf fünf Jahre" (sog. 1/5 Regelung) werden
außerordentliche Einkünfte im Jahr des Zuflusses versteuert. Die
Verteilung auf fünf Jahre erfolgt lediglich rechnerisch zum Zwecke der
Progressionsab-schwächung.
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Dortmund vom 06.09.2001 - 10 Ca 2997/01 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten.
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Der Kläger war langjährig bei der Beklagten an deren Firmensitz in N2xxxx beschäftigt.
Im Rahmen einer Betriebsverlegung wurde dem Kläger am 21.01.2000 zum 31.12.2000
gekündigt. Er wurde nach Ausspruch der Kündigung unter Fortzahlung seiner
Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
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Gegen diese Kündigung wehrte sich der Kläger in einem Kündigungsschutzverfahren
vor dem Arbeitsgericht Arnsberg (- 1 Ca 152/00 -). In außergerichtlicher Verhandlungen
schlossen die Parteien am 08.05.2000 einen den Rechtsstreit beendenden Vergleich,
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der in der Sitzung des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 10.05.2000 protokolliert wurde und
folgenden Wortlaut hat (Bl. 24 d. A.):
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende
Arbeitsverhältnis durch fristgerechte, arbeitgeberseitige, betriebsbedingte
Kündigung vom 21.01.2000 mit dem 31.12.2000 enden wird.
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2. Der Kläger bleibt bis dahin unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche
unwiderruflich freigestellt. Anderweitiger Verdienst wird nicht angerechnet.
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3. Die Beklagte verpflichtet sich, bis zum Ausscheiden ordnungsgemäß inklusive
des Weihnachts- und Urlaubsgeldes das vertraglich vereinbarte Gehalt
abzurechnen und das sich ergebende Nettogehalt an den Kläger auszuzahlen.
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4. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes
eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 232.500,00 DM (i. W.
zweihundertzweiunddreißigtausendfünfhundert Deutsche Mark) zu zahlen. Die
Abfindung ist fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die
Abfindungszahlung wird gesichert durch Schuldbeitritt der Konzernmutter. Sie ist
vererblich.
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5. Durch 14-tägige Ankündigung gegenüber der Beklagten kann der Kläger
vorzeitig ausscheiden. Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des
vorzeitigen Ausscheidens um ein Monatsgehalt. Bei Ausscheiden im laufenden
Monat erhöht sich die Abfindung anteilig, wobei das Bruttomonatsgehalt durch 30
Kalendertage zu teilen ist.
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6. Der Kläger erhält ein Abschlusszeugnis auf der Basis des Zwischenzeugnisses.
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden Abschlusszeugnis und
Arbeitspapiere übergeben.
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7. Damit ist der Rechtsstreit 1 Ca 152/00 erledigt.
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In Ansehung der hohen Abfindung war der Kläger darum bemüht, die von ihm zu
zahlende Steuer zu reduzieren. Ob bereits in den Verhandlungen, die zum Abschluss
des Vergleiches führten, vom Kläger erklärt wurde, dass die Auszahlung der Abfindung
erst im Jahre 2001 erfolgte, ist streitig. Jedenfalls erinnerten seine
Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 12.07.2000 an die Beklagte daran, dass
der Kläger und auch andere von den Rechtssekretären des DGB in Parallelverfahren
vertretene Arbeitnehmer ihre Abfindungen erst im Jahre 2001 erhalten sollten, sofern sie
nicht vor dem 31.12.2000 ausschieden (Bl. 35 d. A.).
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Der Kläger trat mit Wirkung vom 14.12.2000 aus der römisch-katholischen Kirche aus
(Bl. 95 d. A.). Die Beklagte zahlte die Abfindung an den Kläger im Dezember 2000 aus.
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Der Kläger hat vorgetragen, die Auszahlung der Abfindung bereits im Dezember sei
trotz der Vorschrift des § 271 BGB unzulässig. Die Parteien hätten vereinbart, dass die
Auszahlung erst im Januar 2001 habe erfolgen sollen.
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Durch die vorzeitige Auszahlung sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden, der sich
daraus ergebe, dass er auf die Abfindung 6.324,30 DM Kirchensteuer zu zahlen habe.
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Außerdem sei der Steuersatz im Jahre 2000 höher gewesen als der des Jahres 2001,
so dass er 6.076,80 DM mehr Lohnsteuer habe zahlen müssen. Insgesamt belaufe sich
sein Schaden auf 12.401,10 DM.
Der Kläger hatte die Klage vor dem Arbeitsgericht Arnsberg erhoben, das sich mit
Beschluss vom 19.04.2000 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das
Arbeitsgericht Dortmund verwiesen hat.
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Im Kammertermin vom 06.09.2001 hat der Kläger statt der ursprünglich angekündigten
Anträge auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer korrigierten
Steuerbescheinung, hilfsweise zur Zahlung von 12.401,10 DM Schadensersatz, die
Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten durch die vorfällige Zahlung
begehrt.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu
ersetzen, der dadurch entsteht, dass die Abfindung aus dem Vergleich vom 10.
Mai 2000 im Jahre 2000 und nicht im Jahre 2001 an den Kläger gezahlt wurde.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der von ihm geltend
gemachte Anspruch nicht zu. In Ziffer 4 des am 10.05.2001 geschlossenen Vergleichs
heiße es, die Abfindung sei mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Dies
bedeute, die Abfindung gehöre zum Einkommen des Jahres 2000. Sie sei als
Arbeitgeberin dafür verantwortlich, dass die Steuer an das Finanzamt in diesem Jahr
gezahlt werde.
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Auch sei die Darstellung des Klägers hinsichtlich der Vereinbarung als solcher
unzutreffend. Dass am 08.05.2000 vereinbart worden sei, die Zahlung solle erst im
Jahre 2001 erfolgen, müsse sie mit Nichtwissen bestreiten, da bei ihr niemand mehr
beschäftigt sei, der an diesem Gespräch teilgenommen habe. Im Übrigen sei nicht
nachzuvollziehen, wieso im Falle einer derartigen Vereinbarung in dem Vergleich, der
zwei Tage später protokolliert worden sei, diese Regelung nicht aufgenommen worden
sei.
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Der Anspruch sei nicht fällig, da gemäß § 34 EStG n. F. der zu versteuernde Teil der
Abfindung auf fünf Jahre verteilt werde und sich in den Folgejahren steuermindernd
auswirken könne. Es stehe daher erst in fünf Jahren fest, ob überhaupt ein
Steuerschaden entstanden sei.
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Mit seinem am 06.09.2001 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht dem
Feststellungsantrag stattgegeben. Die Beklagte habe gegen ihre arbeitgeberseitige
Fürsorgepflicht verstoßen, in dem sie die Zahlung bereits im Dezember 2000
vorgenommen habe. § 271 Abs. 2 BGB sei insoweit nicht anwendbar. Sie sei daher
schadensersatzpflichtig. Für das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO
genüge die Möglichkeit künftiger Verwirklichung einer Schadensersatzpflicht. Zudem sei
eine Feststellungsklage zulässig, wenn nur eine teilweise Bezifferung des Schadens
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möglich sei.
Gegen das ihr am 05.10.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 31.10.2001
beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit
dem am 28.11.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
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Die Beklagte hält die Feststellungsklage für unzulässig, da der Eintritt eines Schadens
nicht feststehe.
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Im Übrigen habe es keine Vereinbarung des Inhalts gegeben, den Abfindungsbetrag
erst im Jahre 2001 zu zahlen. Der Kläger habe selbst nicht behauptet, dass eine
entsprechende Vereinbarung in dem Gespräch vom 08.05.2000 getroffen worden sei,
sondern lediglich vorgetragen, die Auszahlung habe erst im Jahre 2000 erfolgen sollen,
weil er davon Steuervorteile erwarte. Erst im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten
vom 12.07.2000 werde von einer Vereinbarung gesprochen.
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Die Anforderungen an die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht würden vom Arbeitsgericht
überspannt. Von ihr könne nicht erwartet werden, sich in die steuerlichen
Gegebenheiten des Klägers einzuarbeiten und den für ihn günstigsten Zeitpunkt des
Zuflusses der Abfindung auszuwählen. Angesichts dessen, dass es keine
Vorfälligkeitsvereinbarung zwischen den Parteien gegeben habe, sei es ihr gemäß §
271 Abs. 2 BGB unbenommen gewesen, die Abfindung vorzeitig auszuzahlen.
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Darüber hinaus bestreite sie die Angaben des Klägers hinsichtlich eines
möglicherweise eintretenden Schadens der Höhe nach.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 06.09.2001 - 10 Ca 2997/01 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger hält die Feststellungsklage für zulässig. Voraussetzung der Klage auf
Feststellung einer Schadensersatzpflicht sei, dass der Schaden mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit infolge einer Rechtsverletzung eintrete. Dass eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dafür spreche, die vorzeitige Zahlung der Abfindung führe zu einem
Vermögensschaden aus steuerlichen Gründen, ergebe sich aus der Bestätigung seines
Steuerberaters vom 06.03.2001. Danach habe die Auszahlung im Dezember 2000 zu
Abzügen in Höhe von 80.459,15 DM geführt, während bei einer Auszahlung im Januar
20001 lediglich 68.058,05 DM hätten abgeführt werden müssen. Es lasse sich aber
nicht ausschließen, dass den Nachteilen, die durch die vorfällige Auszahlung der
Abfindung im Jahr 2000 entstanden seien, steuerliche Vorteile in den Folgejahren
gegenüber stünden. Die Beklagte habe selbst darauf hingewiesen, dass nach der
jetzigen Fassung des § 34 EStG sich der zu versteuernde Teil der Abfindung auf 5
Jahre verteile und sich dadurch steuermindernd auswirken könne. Dementsprechend
könne die Höhe des Steuerschadens noch nicht ermittelt werden.
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Zu Recht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte durch die Auszahlung
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der Abfindung im Jahre 2000 ihre Fürsorgepflicht verletzt habe. Durch die vorzeitige
Auszahlung seien seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt worden. In den
Gesprächen vom 28.03. und 08.05.2000 sei seinerseits klar zum Ausdruck gebracht
worden sei, dass eine Auszahlung der Abfindung erst im Jahre 2001 habe erfolgen
sollen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den in
mündlicher Verhandlung vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG), sowie form- und fristgerecht
eingelegt worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. mit §§ 518, 519 ZPO a.F., § 26
Abs. 5 EGZPO).
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II.
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Die Berufung ist auch in der Sache begründet.
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Die Klage ist unzulässig.
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Es fehlt ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 ZPO an der alsbaldigen
Feststellung eines Rechtsverhältnisses, hier an der Schadensersatzpflicht der
Beklagten.
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Die Feststellungsklage dient den Zwecken der Rechtssicherheit und der
Prozesswirtschaftlichkeit (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann,
Kommentar zur ZPO, 60. Auflage § 256 Rn. 77; BAG, Urteil in vom 24.03.1993 - 4 AZR
282/92 -in NZA 94, 35). Ziel die Feststellung eines Anspruchs durch ein Urteil. Aus
prozessökonomischer Sicht ergibt sich die Zulässigkeit des Feststellungsantrag, wenn
zu erwarten ist, dass durch das Feststellungsurteil der Streit der Parteien beigelegt
werden kann (BAG, Urteil vom 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - in NJW 97, 2257).
Allerdings ist die Feststellungsklage grundsätzlich subsidiär im Verhältnis zur
Leistungsklage. Voraussetzung zur Zulässigkeit der Feststellungsklage ist deshalb,
dass der Kläger keine Leistungsklage erheben kann (Zöller-Greger, Kommentar zur
ZPO, 22. Auflage, § 256 Rn. 8; Baumbach, a.a.O., § 256 Rn. 77). Dies gilt jedenfalls
dann uneingeschränkt, wenn die Höhe des Anspruchs bereits zu Prozessbeginn
bezifferbar ist. Anders ist lediglich der Fall zu beurteilen, dass zulässigerweise eine
Feststellungsklage erhoben worden ist und die Bezifferung erst im Laufe des Verfahrens
möglich wird. Dadurch wird die Zulässigkeit nicht beseitigt (Zöller, a.a.O., § 256 Rn. 7 c).
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Der Kläger konnte seit Beginn des Rechtsstreits einen bezifferten Antrag stellen. Der
von ihm befürchtete Schaden war im bekannt oder hätte im bekannt sein können. Sein
Feststellungsantrag ist daher gemäß § 256 ZPO unzulässig.
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Die Zahlung der Abfindung erfolgte vor Fälligkeit. Nach Ziffer 4 des
Aufhebungsvertrages war die Abfindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
fällig. Dies war der 31.12.2000, ein Sonntag. Gemäß § 193 BGB tritt an seine Stelle der
nächste Werktag, also der 02.01.2001. An diesem Tag war die Zahlung fällig. Die Frage
der Fälligkeit hat nichts mit dem Grund der Zahlung zu tun, wie die Beklagte meint. Für
die Versteuerung ist gemäß § 11 EStG ausschließlich das Datum des Zuflusses
maßgeblich.
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Der vom Kläger angenommene Schaden teilt sich in zwei Positionen: Durch die
Zahlung bereits im Jahre 2000, ist eine höhere Einkommensteuer zu zahlen als bei
einer Zahlung im Jahre 2001, weil der Spitzensteuersatz, dem der Kläger durch die
Abfindungszahlung unterfiel, im Jahre 2001 um 2 Prozentpunkte gesenkt worden ist.
Des Weiteren war der Kläger im Jahre 2000 noch kirchensteuerpflichtig, während eine
Kirchensteuerpflicht im Jahre 2001 nicht vorgelegen hat, weil der Kläger am 13.12.2000
aus der Kirche ausgetreten ist.
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Die sich daraus ergebenen Beträge hatte der Steuerberater des Klägers bereits mit
Schreiben vom 06.03.2001 mitgeteilt (Bl. 92 d. A.). Die Gründe, die der Kläger für die
Stellung seines Feststellungsantrages angibt, treffen nicht zu.
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Hinsichtlich der Kirchensteuer geht der Klägers selbst davon aus, dass der durch die
vorfällige Zahlung entstandene Schaden beziffert werden kann. Bezüglich der
Lohnsteuer hält er dies - wie auch die Beklagte - im Hinblick auf die Neuregelung des §
34 EStG nicht für möglich. Diese Ansicht ist irrig.
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Da der Kläger durch die Abfindungszahlung unabhängig von seinen sonstigen
Einkommen in die höchste Steuerklasse kam, ließ sich bereits bei Beginn des Jahres
2001 feststellen, wie viel Lohn/Einkommensteuer und wie viel Kirchensteuer in diesem
Jahr anfallen werden. Etwas anderes würde man nur annehmen können, wenn der
Kläger sich im Jahr 2001 an Projekten hätte beteiligen wollen, aus denen er
Verlustzuweisungen erhalten hätte, um sein zu versteuerndes Einkommen zu mindern;
der Kläger hat derartiges aber nicht vorgetragen.
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Nach § 34 Abs. 1 EStG sind in dem Fall, dass in dem zu versteuernden Einkommen
außerordentliche Einkünfte enthalten sind, diese auf Antrag auf alle im
Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende
Einkommen- steuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. Die für die
außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache
des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte
verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen)
und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich
eines Fünftels dieser Einkünfte (sog. 1/5-Regelung, vgl. Einkommensteuer-Richtlinien R
197-200/H 197-200 ).
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Nach § 34 Abs. 2 Ziffer 2 EStG gelten auch Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1
EStG als außerordentliche Einkünfte. Darunter fallen auch arbeitsrechtliche
Abfindungen (Schmidt-Seeger, Kom. z. EStG, 20. Aufl., § 34 Rn. 40).
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Der Irrtum des Klägers beruht darauf, dass er annimmt, die 1/5-Regelung bedeute, die
ihm zu zahlende Abfindung werde mit jeweils 1/5 auf das Jahr des Zuflusses und die
nächsten 4 Jahre verteilt, mit der Folge, dass erst nach Ablauf von 5 Jahren festgestellt
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werden kann, wie viel Steuern auf die Abfindung zu zahlen ist. Tatsächlich wird die
Steuer jedoch bereits in dem Jahr fällig, in dem die Abfindung zufließt. Sie wird lediglich
zum Zweck der Progressionsabschwächung rechnerisch auf 5 Jahre verteilt.
Die Berechnung der Steuer nach der 1/5 Regelung erfolgt in 3 Schritten: Die
Einkommensteuer für das Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte wird nach
dem Einkommensteuer-Grund- oder Splittingtarif ermittelt. Sodann wird die
Einkommensteuer ohne die außerordentlichen Einkünfte zuzüglich eines Fünftels der
außerordentlichen Einkünfte ermittelt. Schließlich werden beide
Einkommensteuerbeträge einander gegenübergestellt und die Differenz mit dem Faktor
5 multipliziert. Der so ermittelte Betrag wird der Einkommensteuer für das verbleibende
zu versteuernde Einkommen hinzugerechnet (Sydow, Neue Wirtschaftsbriefe Nr. 15
vom 12.04.1999, Außergewöhnliche Einkünfte - § 34 EstG - Fach 3, Seite 10761).
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Es kann davon ausgegangen - das Gericht hat dies nicht nachgerechnet - , dass der
Steuerberater des Klägers dies in seiner Mitteilung vom 06.03.2001 zutreffend
berücksichtigt hat, denn unter der Überschrift "Abfindung" ist zunächst der steuerfreie
Betrag von 24.000,00 DM in Abzug gebracht worden, vor dem restlichen
Abfindungsbetrag steht dann "1/5 Regelung", also der Fachbegriff für diese Art der
Berechnung der Steuer.
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Es ist daher festzustellen, dass der Kläger während des gesamten Verfahrens einen
bezifferten Antrag hätte stellen können. Daran scheitert sein Feststellungsbegehren,
denn die von ihm gewählte Verfahrensweise führt zum Gegenteil dessen, was für die
Zulässigkeit der Feststellungsklage angeführt wird, nämlich Rechtssicherheit und
Prozessökonomie (s.o.). Statt einer sofortigen Entscheidung in der Sache käme es zu
einer Wartezeit von 5 Jahren, bevor sich die Parteien dann - mutmaßlich - über die Höhe
des Schadens streiten.
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Mit den Parteien ist die Frage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags erörtert worden.
Das Gericht hat erwogen, im Rahmen von § 139 ZPO auf eine Umstellung des Antrages
hinzuwirken. Es hat davon Abstand genommen, weil die Klage nur dann
entscheidungsreif gewesen wäre, wollte man davon ausgehen, dass dem Kläger im
Hinblick auf § 271 Abs. 2 BGB kein Schadensersatz zusteht. Im anderen Fall wäre der
Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif.
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Abgesehen von der Problematik, dass das Gericht die Berechnung des Steuerberaters
hätte überprüfen müssen, ist davon auszugehen, dass die Kirchensteuerschuld nicht
zutreffend ermittelt worden ist. Jedenfalls im Rahmen einer Schadensersatzforderung
trifft den Kläger eine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB (Palandt-Heinrichs,
Kom. zum BGB, 61. Auflage, § 254 Rn. 32). Nach dem Zahlenwerk in der Mitteilung des
Steuerberaters ist davon auszugehen, dass die Kirchensteuer in der gesetzlichen Höhe
errechnet worden ist. Bei der Kirchensteuer, die von den K3xxxxx erhoben und von den
Finanzämtern nur im Wege der Auftragsverwaltung eingezogen werden, besteht bei
außerordentliche Einkünften ähnlich der einkommensteuerlichen Regelung nach § 34
Abs. 1 EstG die Möglichkeit der Reduzierung. Auf Antrag ermäßigen die
Kirchensteuerämter die auf außergewöhnliche Einkünfte entfallene Kirchensteuer. Es
gibt die Regelung von Kappungsgrenzen. Danach wird maximal 4 % des zu
versteuernden Einkommens als Kirchensteuer erhoben. Sowohl die evangelischen als
auch die katholischen Kirchensteuerämter gewähren bei Abfindungen, wie der
vorliegenden, auf Antrag zudem Erstattungen bis zu 50 % der Steuerschuld (für den
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Bereich der Erzdiözese P2xxxxxxx festgelegt in der "Regelung über die Gewährung
eines Teilerlasses bei Vorliegen außerordentlicher Einkünfte" vom 01.10.1993 - in allen
anderen Bistümern gibt es entsprechende Regelungen). Es wäre im Rahmen eines
Schadensersatzanspruches zunächst Sache des Klägers, das ihm zur Senkung der
Kirchensteuer mögliche zu tun. Dazu bedarf es eines Antrages und der Entscheidung
des zuständigen Kirchensteueramt. Erst danach könnte der Kläger seinen
Schadensersatzanspruch beziffern. Dies hat nichts mit der Frage der Zulässigkeit des
Feststellungsanspruches zu tun. Es handelt sich um ein Unterlassen einer
schadensmindernden Maßnahme, die der Kläger vor Klageerhebung hätte durchführen
können.
Die Klage war daher unabhängig von die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, gemäß
§ 271 Abs. 2 BGB die Zahlung der Abfindung vor Fälligkeit zu erbringen, abzuweisen.
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III.
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Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger als unterlegene Partei zu tragen, § 91 ZPO.
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Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
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gez. Heege
Brüninghaus
Hölker
65
Wb.
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