Urteil des LAG Hamm vom 08.10.2007
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Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Ta 509/07
Datum:
08.10.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 Ta 509/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 4 Ca 1464/07
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Unvollständigkeit des Antrags bei Einreichung einer
vom Antragsteller nicht unterzeichneten Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse, Hinweispflicht des Gerichtes,
Nachholung der fehlenden Unterzeichnung nach Beendigung der
Instanz bzw. des Rechtsstreits
Normen:
§§ 114 ff., 117 Abs. 2, 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
Leitsätze:
Wird von dem Antragsteller vor Verfahrensbeendigung bzw. Instanzende
eine nicht von ihm unterzeichnete Erklärung über seine persönlichen
und wirtschaftliche Verhältnisse im Rahmen der Antragstellung
eingereicht, so ist das Arbeitsgericht nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
verpflichtet, den Antragsteller auf die fehlende Unterzeichnung
hinzuweisen und ihm eine Frist zur Behebung des Fehlers zu setzen.
Versäumt das Gericht diesen Hinweis, so darf dem Antragsteller kein
Nachteil entstehen. In einem solchen Fall kann die fehlende
Unterzeichnung der Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse auch nach Abschluss des Verfahrens bzw.
Instanzende noch nachgeholt werden.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der PKH-
Ablehnungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.08.2007 - 4
Ca 1464/07 - aufgehoben.
Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt
mit Wirkung vom 19.06.2007. Zur Wahrnehmung der Rechte wird ihm
Rechtsanwalt A1 beigeordnet.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass
der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu
leisten braucht.
Gründe
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I. Der Kläger hat am 19.06.2007 bei dem Arbeitsgericht Bochum die Bestandsklage 4
Ca 1464/07 erhoben und gleichzeitig beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Dem Antrag war beigefügt eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse des Klägers ohne Datum und Unterschrift. Als weitere Anlage wurde
eingereicht der Änderungsbescheid der ARGE B2 vom 31.05.2007 über die Bewilligung
von Leistungen zur Sicherung des Unterhalts. Der Antrag wurde dem Vorsitzenden nach
Überprüfung durch den Rechtspfleger am 27.06.2007 vorgelegt.
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In der mündlichen Verhandlung am 04.07.2007 überreichte der Prozessbevollmächtigte
des Klägers den Schriftsatz vom 04.07.2007. Der Rechtsstreit endete durch
gerichtlichen Vergleich vom 04.07.2007.
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Mit Schreiben vom 11.07.2007 teilte das Arbeitsgericht dem Prozessbevollmächtigten
des Klägers Folgendes mit:
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Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
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wie bereits am Rande des Gütetermins mitgeteilt, liegt eine vom Kläger
unterschriebene Formularerklärung zum Prozesskostenhilfeantrag nicht vor. Ein
wirksamer Antrag wurde somit während des gesamten Verfahrens nicht gestellt.
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Es wird angeregt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzunehmen.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers überreichte daraufhin am 12.07.2007 eine
neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers
vom 06.07.2007 unter Beifügung des Bescheides der ARGE B2 vom 22.06.2007.
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Durch Beschluss vom 01.08.2007 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag
des Klägers zurückgewiesen mit der Begründung, bei Beendigung des Hauptverfahrens
habe eine unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht vorgelegen.
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Gegen diesen ihm am 02.08.2007 zu Händen seines Prozessbevollmächtigten
zugestellten Beschluss hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am
07.08.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
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Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 07.08.2007 der sofortigen Beschwerde
nicht abgeholfen.
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II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 ArbGG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige
sofortige Beschwerde ist begründet.
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1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das PKH-
Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt.
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2. Der Antrag muss vollständig sein. Vollständig ist die PKH-Antragstellung, wenn sie §
117 Abs. 2 ZPO entspricht, mit anderen Worten, es muss die Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck abgegeben
und es müssen alle "entsprechenden Belege" eingereicht sein. Das Arbeitsgericht kann
selbst "Erhebungen anstellen" und ist deshalb auch verpflichtet, von sich aus auf die
Nachreichung fehlender Belege hinzuwirken. Das in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
vorgeschriebene Verfahren betrifft nach dem Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich die
Glaubhaftmachung von Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des
Antragstellers und regelt die verfahrensrechtliche Sanktion für den Fall, dass der
Antragsteller Fragen des Arbeitsgerichts innerhalb der gesetzten Frist nicht oder
ungenügend beantwortet. Eine Ablehnung der Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs. 2
Satz 4 ZPO wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers bei der Ermittlung der
Bewilligungsvoraussetzungen setzt daher eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht
voraus (LAG Düsseldorf vom 22.06.1989 – 14 Ta 210/89 – LAGE § 118 ZPO Nr. 6 =
JurBüro 1989, 1443, LAG Hamm vom 30.03.2001 – 4 Ta 617/00 – AE 2001, 141 =
RenoR 2001, 270; LAG Hamm vom 27.04.2005 - 18 Ta 219/05 -). Hat der Antragsteller
innerhalb der von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder
ungenügend beantwortet, so hat das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
insoweit abzulehnen.
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3. Das PKH-Gesuch muss vollständig begründet und belegt vor Instanzbeendigung
bzw. Verfahrensbeendigung eingereicht sein, denn sonst bietet die Rechtsverfolgung
bzw. Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg mehr (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom
03.12.2003 – 2 AZB 19/03 – MDR 2004, 415 m.w.N.). Nach Verfahrensabschluss ist
eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe in der Regel nicht mehr möglich.
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4. Nach diesen Grundsätzen kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der
Beendigung des Hauptverfahrens ein unvollständiger Antrag vorlag, weil die Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom Kläger nicht
unterschrieben war (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10.07.1985 – IV b ZB 47/85 – NJW
1986, 62; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 117 Rz. 16 m.w.N.; anderer Auffassung
Baumbach u.a., ZPO, 65. Aufl., § 117 Rz. 31; LAG Hamm, Beschluss vom 08.11.2001 –
4 Ta 708/01 – LAGReport 2002, 89, 90). Das Arbeitsgericht hätte über den Antrag noch
vor Beendigung des Hauptverfahrens entscheiden können. Wie sich aus den Akten
ergibt, ist schon bei der Überprüfung der Antragsunterlagen durch das Arbeitsgericht
festgestellt worden, dass die Unterschrift fehlt. Das Arbeitsgericht war nach § 118 Abs. 2
Satz 4 ZPO verpflichtet, den Kläger auf die fehlende Unterzeichnung hinzuweisen und
ihm eine Frist zu setzen zur Behebung des Fehlers. Wegen dieses Versäumnisses des
Arbeitsgerichts darf dem Kläger kein Nachteil entstehen. Deshalb konnte die fehlende
Unterzeichnung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
des Klägers auch nach Abschluss des Hauptverfahrens noch nachgeholt werden.
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5. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe nach §§ 114 f ZPO liegen vor. Die Wahrnehmung der Rechte bietet
hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.
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Der Kläger hat kein Einkommen in einer nach § 115 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit der
Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO verpflichtenden Höhe.
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Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat
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der Kläger kein Vermögen, welches nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzen ist.
III. Nach alledem hat das Rechtsmittel Erfolg.
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