Urteil des LAG Hamm vom 07.10.2005

LArbG Hamm: arglistige täuschung, treu und glauben, ordentliche kündigung, arbeitsgericht, gerichtlicher vergleich, wichtiger grund, anfechtung, verfügung, dienstfahrzeug, beendigung

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Sa 747/05
Datum:
07.10.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 747/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Paderborn, 3 Ca 57/04
Schlagworte:
Anfechtung eines arbeitsgerichtlichen Vergleichsarglistige
Täuschungunterlassene Aufklärung
Normen:
§ 779 BGB § 123 BGB
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
- Berichtigt durch Beschluss vom 15.12.2005 -
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Paderborn vom 14.07.2004 - 3 Ca 57/04 - wird auf Kosten des Beklagten
zu-rückgewiesen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines zur Beilegung eines
Kündigungsschutzprozesses geschlossenen Prozessvergleichs.
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Die am 01.02.13xx geborene, ledige Klägerin war seit dem 02.09.1999 bei dem
Beklagten, der eine Sozialstation mit mehr als fünf Arbeitnehmern betreibt, als
Krankenpflegehelferin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.200,00 € tätig. Mit
Schreiben vom 30.12.2003 (Bl. 5 ff.d.A.) kündigte der Beklagte das mit der Klägerin
bestehende Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß zum 31.01.2004. Zur
Begründung ist im Kündigungsschreiben ausgeführt, die Klägerin habe am 17. und
18.12.2003 keine Dienstübergabe durchgeführt. Ferner habe sie den Auftrag vom
26.11.2003, das ihr zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug zur Inspektion in die
Werkstatt zu bringen, trotz mehrfacher Nachfrage nicht durchgeführt.
3
Gegen die Kündigung vom 30.12.2003 erhob die Klägerin am 09.01.2004
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für die außerordentliche
Kündigung liege nicht vor, auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung
sei sozial ungerechtfertigt. Insbesondere könne die Beklagte sich nicht darauf berufen,
dass sie, die Klägerin, gegen ausdrückliche Anweisungen rechtswidrig verstoßen habe.
Darüber hinaus habe der Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten.
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Der Beklagte hat die Kündigung vom 30.12.2003 darauf gestützt, dass die Klägerin
seine Anweisungen nicht befolgt habe. So habe sie die Anweisung vom 26.11.2003,
den Dienst-Pkw zur Inspektion zu bringen, mehrfach nicht befolgt, obgleich sie nach
dem Arbeitsver- trag dazu verpflichtet gewesen sei. Auch habe die Klägerin am 17. und
18.12.2003 keine Dienstübergabe durchgeführt.
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Im Kammertermin vom 14.07.2004 schlossen die Parteien nach ausführlicher Erörterung
der Sach- und Rechtslage folgenden
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"Vergleich:
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1. _Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende
Arbeitsverhältnis durch fristgemäße, arbeitgeberseitige Kündigung vom 30.
Dezember 2003 mit Ablauf des 31. Januar 2004 sein Ende gefunden hat.
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2. Der Beklagte zahlt an die Klägerin als Ausgleich für den Verlust des
Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den §§ 9 und 10 KSchG in Höhe von
4.000,00 €.
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3. Der Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Januar 2004
ordnungsgemäß abzurechnen und die sich daraus ergebenden Nettobeträge an
die Klägerin auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte wie die
Bundesanstalt für Arbeit übergegangen sind.
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4. Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes
Zeugnis nach Maßgabe eines von der Klägerin zu überreichenden Entwurfs zu
erteilen.
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5. Die Parteien erklären sich weiterhin bereit, das Problem der betrieblichen
Altersversorgung noch zu regeln.
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6. Damit ist der Rechtsstreit 3 Ca 57/04 erledigt."
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Mit Schriftsatz vom 27.08.2004, beim Arbeitsgericht eingegangen am 30.08.2004, hat
der Beklagte den Vergleich vom 14.07.2004 wegen arglistiger Täuschung angefochten
und um Fortsetzung des Verfahrens gebeten.
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Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe ihn bei Abschluss des
Vergleichs vom 14.07.2004 arglistig getäuscht. Erst nach Abschluss des Vergleichs sei
er auf Unregelmäßigkeiten der Klägerin bei der Führung des Fahrtenbuchs hinsichtlich
des ihr zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs gestoßen. Nachdem er mit Schriftsatz
vom
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22.07.2004 (Bl. 112 ff.d.A.) die Klägerin um Erläuterung der Unregelmäßigkeiten
gebeten habe, habe diese ihm mit dem am 11.08.2004 (Bl. 115 ff.d.A.) übermittelten
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Schreiben u.a. erklärt, sie habe das Fahrtenbuch ca. drei Monate nachgeschrieben und
Privatfahrten durchgeführt. Die Eintragungen in das Fahrtenbuch müssten jedoch
unmittelbar nach Beendigung der Fahrt erfolgen. Privatfahrten seien der Klägerin im
Übrigen nicht gestattet. Auch dabei habe die Klägerin unzutreffende Angaben gemacht.
Vor diesem Hintergrund müsse der Beklagte damit rechnen, dass das Fahrtenbuch vom
Finanzamt nicht anerkannt werde, so dass er, der Beklagte, mit erheblichen
Nachzahlungen rechnen müsse. Wären dem Beklagten diese Tatsachen bei Abschluss
des Vergleichs bekannt gewesen, hätte er dem Vergleich nicht zugestimmt und
insbesondere sich auch nicht zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet.
Der Beklagte hat beantragt,
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das Verfahren fortzusetzen
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und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom
14.07.2004 beendet worden ist,
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2. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch
die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom
30.12.2003 beendet wurde,
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3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag, wird der Beklagte verurteilt, die
Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu
unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Krankenpflegehelferin
weiterzubeschäftigen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe den Beklagten bei Abschluss des Vergleichs
nicht arglistig getäuscht. Die Tatsache, dass sie das Fahrtenbuch unregelmäßig geführt
habe, sei dem Beklagten seit Mitte 2003 bekannt gewesen und nie von ihm beanstandet
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worden. Bei den aufgetretenen Kilometerdifferenzen handele es sich offenbar um einen
Zahlendreher.
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Unzutreffend sei auch, dass der Klägerin Privatfahrten mit dem ihr überlassenen Dienst-
Pkw nicht gestattet gewesen seien. Das Dienstfahrzeug habe sie häufig nach
Beendigung des Dienstes mit nach Hause genommen. Insoweit sei ihr Gehalt wegen
der ihr eingeräumten privaten Nutzung des Dienstfahrzeugs sogar - wie zwischen den
Parteien unstreitig ist - um 51,00 € monatlich gekürzt worden. Insoweit sei nicht
nachvollziehbar, welche
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Nachzahlungen nunmehr auf den Beklagten zukämen. Wie der Beklagte dies mit dem
Finanzamt abwickele, sei seine Sache.
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Schließlich sei die Klägerin zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses immerhin schon
mehr als sechs Monate nicht mehr für den Beklagten tätig gewesen. Der Beklagte habe
mehr als genug Zeit gehabt, um sich bereits im Vorfeld das von der Klägerin geführte
Fahrtenbuch anzusehen.
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Durch Urteil vom 16.02.2005 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Verfahren
durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.07.2004 beendet worden ist. Zur Begründung
hat es ausgeführt, dass eine Anfechtung des Vergleichs nach § 123 Abs. 1 BGB nicht in
Betracht komme. Insbesondere habe die Klägerin den Beklagten nicht durch arglistige
Täuschung zum Abschluss des Vergleichs bestimmt. Eine Aufklärungspflicht der
Klägerin anlässlich des Abschlusses des Vergleichs dahin, den Umstand der
unregelmäßigen Führung des Fahrtenbuches vor Vergleichsabschluss ungefragt zu
offenbaren, habe nicht bestanden. Die Führung der Fahrtenbücher seien in keiner
Weise Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses zwischen den Parteien und auch
nicht Gegenstand der Erörterungen im Kammertermin vom 14.07.2004 gewesen. Nach
Treu und Glauben habe die Klägerin auch nicht davon ausgehen müssen, dass die
zeitnahe Führung des Fahrtenbuchs für den Beklagten bei Vergleichsabschluss von
entscheidender Bedeutung gewesen sei.
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Gegen das dem Beklagten am 15.03.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat der Beklagte am 15.04.2005 Berufung zum
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.06.2005 mit dem am 17.06.2005 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags ist der Beklagte
nach wie vor der Auffassung, den Vergleich vom 14.07.2004 wirksam wegen arglistiger
Täuschung durch die Klägerin angefochten zu haben. Die Klägerin sei sich sehr wohl
über die
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Bedeutung des Fahrtenbuches und der von ihr unterlassenen regelmäßigen
Eintragungen bewusst gewesen. Schließlich habe sie die Herausgabe des
Fahrtenbuches bis nach dem Prozess verzögert. Privatfahrten seien der Klägerin strikt
untersagt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus der Dienstanweisung vom 24.02.1997
(Bl. 163 f.d.A.). Auch auf einer Dienstbesprechung vom 11.03.2003, an der die Klägerin
ausweislich der Unterschrift unter das Protokoll (Bl. 165 d.A.) teilgenommen habe,
ergebe sich, dass Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen strikt verboten seien. Dass die
Eintragungen in das Fahrtenbuch unverzüglich erfolgen müssten, sei der Klägerin
ebenfalls bekannt gewesen. Entsprechende Hinweise fänden sich auch in dem
Fahrtenbuch des der Klägerin zur Verfügung gestellten
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Dienstfahrzeugs (Bl. 167 d.A.). Demgegenüber habe die Klägerin aber selbst
zugegeben, Eintragungen für mehrere Wochen vorgenommen zu haben. Insoweit habe
sie keine korrekten Kilometerangaben mehr machen können. Offenbar hätten die von ihr
durchgeführten Privatfahrten verschleiert werden sollen. Die Vorgehensweise der
Klägerin bei der Führung des Fahrtenbuchs sei als eine vorsätzlich begangene
Urkundenfälschung zu bewerten. Insoweit habe der Beklagten bei Abschluss des
Vergleichs eine Aufklärung durch die Klägerin erwarten können. Dass der Beklagte
nicht bereit gewesen wäre, der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis
auszustellen und darüber hinaus noch eine Abfindung zu zahlen, wenn sie die Praxis
der Führung der Fahrtenbücher vor dem Abschluss des Vergleichs offenbart hätte, sei
offenkundig.
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Darüber hinaus ist der Beklagte weiter der Auffassung, dass die außerordentliche
Kündigung vom 30.12.2003 wirksam gewesen sei. Die Kündigungsschutzklage der
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Klägerin hätte als unbegründet abgewiesen werden müssen.
Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn vom 16.02.2005 - 3
Ca 57/04 - die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass ihr eine arglistige Täuschung des Beklagten
bei Abschluss des Vergleichs vom 14.07.2004 nicht vorgeworfen werden könne. Bei
Vergleichsabschluss sei sie zur weiteren Aufklärung hinsichtlich der Führung des
Fahrtenbuches nicht verpflichtet gewesen. Insbesondere bestünde keine Verpflichtung,
vor Abschluss des Vergleichs den Beklagten auf mögliche weitere verhaltensbedingte
Kündigungsgründe hinzuweisen. Der Beklagte habe bis zum 14.07.2004 ausreichend
Zeit gehabt, die ausgesprochene Kündigung auch auf weitere verhaltensbedingte
Gründe zu stützen. Der Beklagte habe auch nicht vorgetragen, warum er die Unterlagen
der Klägerin nicht bereits vor dem 14.07.2004 überprüft habe. Darüber hinaus habe er
gewusst, dass das Fahrtenbuch nach-getragen worden sei und dass die Klägerin mit
dem ihr überlassenen Dienstfahrzeug auch Privatfahrten durchgeführt habe. All dies sei
nicht beanstandet worden.
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Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
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Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffender
Begründung dargestellt.
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I.
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Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Streit darüber, ob der am
14.07.2004 abgeschlossene Prozessvergleich wegen arglistiger Täuschung durch die
Klägerin nichtig ist, grundsätzlich in Fortführung des Ursprungsverfahrens ausgetragen
werden muss. Macht eine Partei geltend, ein von ihr abgeschlossener Prozessvergleich
habe den Rechtsstreit nicht erledigt, so muss sie dies grundsätzlich durch Fortsetzung
des ihrer Auffassung nach nicht erledigten Rechtsstreits tun. Dies gilt auch dann, wenn
es um die Frage geht, ob die von einer Vergleichspartei erklärte Anfechtung rückwirkend
nach § 142 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit des Vergleichs geführt hat (BAG, Urteil vom
05.08.1982 - AP ZPO § 794 Nr. 31; BAG, Urteil vom 15.05.1997 - AP BGB § 123 Nr. 45;
BAG, Urteil vom 16.01.2003 - AP ArbGG 1979 § 57 Nr. 2; BGH, Urteil vom 29.07.1999 -
BGHZ 142, 253 = NJW 1999, 2903; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl.,
Anh. § 307 Rz. 37; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 794 Rz. 36 m.w.N.).
46
II.
47
Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass das Verfahren durch den
gerichtlichen Vergleich vom 14.07.2004 beendet worden ist. Der am 14.07.2004
abgeschlossene Vergleich ist rechtswirksam. Der Vergleich ist insbesondere nicht
wegen der vom Beklagten form- und fristgerecht erklärten Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung nach den §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nichtig. Der Vergleich vom
14.07.2004 hat den Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 30.12.2003
vielmehr beendet.
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1. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann auch ein gerichtlicher Vergleich angefochten werden,
wenn eine Partei vom Prozessgegner oder einem Dritten, dessen Verhalten sich der
Prozessgegner zurechnen lassen muss, durch arglistige Täuschung zum Abschluss des
Vergleichs bestimmt worden ist. Das folgt aus der Doppelnatur des Prozessvergleichs
(BGH, Urteil vom 24.10.1984 - NJW 1985, 1962; BAG, Urteil vom 15.05.1997 - AP BGB
§ 123 Nr. 45 m.w.N.). Dabei bildet einen Anfechtungsgrund jede arglistige Täuschung,
die den Getäuschten zum Abschluss eines Vergleichs bestimmt hat, den er mit diesem
Inhalt ohne die Täuschung nicht abgeschlossen haben würde. Dabei kann eine
arglistige Täuschung durch positives Tun oder auch durch Unterlassen begangen
werden. Die Täuschung muss wider-rechtlich sein und erfordert in subjektiver Hinsicht
Arglist. Im Verschweigen von Tatsachen bzw. im Unterlassen einer Aufklärung kann
allerdings eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung nur dann liegen, wenn eine
Offenbarungspflicht besteht, etwa weil das
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Verschweigen gegen Treu und Glauben verstößt und der Vertragspartner unter den
gegebenen Umständen die Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen hätte erwarten
dürfen (BAG, Urteil vom 15.05.1997 - AP BGB § 123 Nr. 45 m.w.N.). Grundsätzlich ist es
nämlich Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht
daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung
des anderen Teils von Bedeutung sein könnten (BGH, Urteil vom 28.04.1971 - NJW
1971, 1795, 1799;
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Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 123 Rz. 5 f. m.w.N.).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zu Recht einen
Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB im Sinne einer arglistigen
Täuschung durch die Klägerin verneint.
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Eine Täuschung der Klägerin durch positives Handeln scheidet bereits deshalb aus,
weil die ordnungsgemäße Führung der Fahrtenbücher nicht Gegenstand oder
Grundlage des am 14.07.2004 abgeschlossenen Vergleichs gewesen ist. Die
ordnungsgemäße Führung der Fahrtenbücher war weder Gegenstand des
Kündigungsschutzprozesses noch wurde dieser Aspekt im Kammertermin vom
14.07.2004 angesprochen oder erörtert.
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Die Klägerin war bei den Vergleichsverhandlungen am 14.07.2004 auch nicht ungefragt
zur Offenbarung hinsichtlich der Führung des Fahrtenbuches verpflichtet. Auch dies hat
das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Wie bereits ausgeführt, war die Führung des
Fahrtenbuches durch die Klägerin nicht Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses.
Vom Beklag- ten ist die ordnungsgemäße Führung des Fahrtenbuches durch die
Klägerin ebenso wenig wie die Privatnutzung des der Klägerin zur Verfügung gestellten
Dienstfahrzeugs als Kündigungsgrund herangezogen worden. Aus diesem Grunde
musste die Klägerin auch nicht nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die
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Frage der zeitnahen Führung der Fahrtenbücher für den Vergleichsabschluss über die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten von entscheidender Bedeutung
gewesen ist. Immerhin wusste der Beklagte, dass die Klägerin im Zusammenhang mit
der Führung des Dienstfahrzeugs das Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen hatte.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm beim Abschluss des
Vergleichs nicht bekannt gewesen ist, dass die Führung des Fahrtenbuchs durch die
Klägerin nicht ordnungsgemäß gewesen ist, weil die Klägerin das Fahrtenbuch bis zum
Abschluss des Vergleichs vom 14.07.2004 nicht herausgegeben hatte. Unter den
gegebenen Umständen hätte der Beklagte den Abschluss des Vergleichs von der
ordnungsgemäßen Führung des Fahrtenbuches durch die Klägerin abhängig machen
können; dies hat er gerade nicht getan. Die Führung des Fahrtenbuches ist zu keinem
Zeitpunkt Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses gewesen.
Ebenso wenig kann sich der Beklagte darauf berufen, dass die Klägerin mit dem
Dienstfahrzeug unerlaubte Privatfahrten durchgeführt habe. Abgesehen davon, dass es
der Klägerin unstreitig gestattet war, mit dem Dienstwagen auch den täglichen Weg von
der Arbeitsstelle und zur Arbeitsstelle zurückzulegen, wofür der Beklagte das
Monatsgehalt der Klägerin um 51,00 € gekürzt hat, hätte der Beklagte auch insoweit den
Abschluss des Vergleichs von der vorherigen Herausgabe des Fahrtenbuches
abhängig machen können.
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Jedenfalls war die Klägerin ungefragt nicht verpflichtet, auf etwaige angebliche
Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Führung des Fahrtenbuches vor
Abschluss des Vergleichs vom 14.07.2004 von sich aus hinzuweisen. Ebenso wenig
bestand eine Offenbarungspflicht seitens der Klägerin des Inhalts, dass sie -
möglicherweise - in Einzelfällen un-erlaubte Privatfahrten durchgeführt hatte.
56
III.
57
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten
des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
58
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 63 GKG.
59
Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2
ArbGG keine Veranlassung.
60
Schierbaum
Sprenger
Böttger
61
/N.
62
10 Sa 747/05
63
Landesarbeitsgericht Hamm
64
Beschluss
65
In Sachen
66
Jxxxx Mxxxx, Axx G1xxxxxxxx 12, 31xxx H1xxxx,
67
- Beklagter und Berufungskläger -
68
Prozessbevollmächtigte:
69
Rechtsanwalt W1xxxxxxxxxx, P1xxxxx K1xx 11, 32xxx B3x D1xxxxx,
70
gegen
71
C1xxxx F1xxxxx, B1xxxxxxx S1x. 41, 33xxx B2xxxx,
72
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
73
Prozessbevollmächtigte:
74
Rechtssekretäre Dr. M1xxxx und Dr. V1xxxxx, D3x R1xxxxxxxxxx G2xx, N1xxxxxxxx 52,
51xxx H2xx,
75
wird der Tenor des am 07.10.2005 verkündeten Urteils gem. § 319 ZPO wegen eines
offenbaren Schreibfehlers wie folgt berichtigt:
76
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom
16.02.2005 - 3 Ca 57/04 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
77
Die Revision wird nicht zugelassen.
78
Hamm, den 15.12.2005
79
Das Landesarbeitsgericht
80
Der Vorsitzende der 10. Kammer
81
Schierbaum
82
Vorsitzender Richter
83
am Landesarbeitsgericht
84