Urteil des LAG Hamm vom 16.03.2006
LArbG Hamm: stellenbeschreibung, handbuch, pneumonie, daten, arbeitsgericht, erfüllung, versorgung, anteil, zulage, ernährung
Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 1558/05
Datum:
16.03.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 1558/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 10 (4) Ca 7344/04
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 390/06 Urteil aufgehoben 28.03.2007
Schlagworte:
Geriatriezulage für Pflegehilfskräfte in Altenheimen der Arbeiterwohlfahrt
Normen:
Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c zu Teil II Abschnitt B, AW-KrT
zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale BMT-AW II für
Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt
Leitsätze:
1. Ein Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage gem.
Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c zu Teil II Abschnitt B, AW-KrT
zum Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale BMT-AW II für
Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt besteht nur dann, wenn Tätigkeiten
der Grund- und Behandlungspflege arbeitszeitlich überwiegen. Werden
der Pflegekraft nur Tätigkeiten der Grundpflege übertragen, sind die
Voraussetzungen der Geriatriezulage nicht gegeben.
2. Pflegehilfskräfte in Seniorenzentren der Arbeiterwohlfahrt dürfen seit
Implementierung des Qualitätsmanagementhandbuchs "Stationäre
Altenpflege" im Jahre 2001 nur noch Tätigkeiten der Grundpflege und
nicht mehr der Behandlungspflege ausüben. Sie haben seitdem
grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf Zahlung der Geriatriezulage.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Dortmund vom 20.05.2005 - 10 (4) Ca 7344/04 - abgeändert und die
Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Streitwert beträgt 1.505,52 EUR.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Zahlung einer sogenannten Geriatriezulage.
2
Die Klägerin ist seit 1973 als Krankenpflegehelferin im Seniorenzentrum H1xxx des
Beklagten beschäftigt, der zahlreiche Altenheime unterhält. Der schriftliche
Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.01./01.02.1986 enthält unter anderem folgende
Bestimmungen:
3
"§ 2
4
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen und Vorschriften des
Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der A1xxxxxxxxxxxxxxx mit
den dazu ergangenen und noch ergehenden Zusatzbestimmungen
Anwendung.
5
§ 8
6
Die A1xxxxxxxxxxxxxxx behält sich vor, den Arbeitnehmer mit anderen
zumutbaren, im Rahmen der Vergütungsgruppe liegenden Arbeiten zu
beschäftigen. Das Recht der A1xxxxxxxxxxxxxxx, dem Arbeitnehmer eine
andere Tätigkeit zu übertragen, wird auch durch eine lange währende
Verwendung auf dem selben Arbeitsplatz nicht beschränkt.
7
Die A1xxxxxxxxxxxxxxx ist ferner berechtigt, den Arbeitnehmer an einen
anderen zumutbaren Tätigkeitsort zu versetzen. Dies gilt insbesondere für
Krankheits- und Urlaubsvertretungen."
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 221 f. d.A. Bezug
genommen.
9
Einschlägig für das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist Teil II der Vergütungsordnung für
Angestellte im Pflegedienst (AW-KrT Abschnitt B). Die Klägerin erhält danach
Vergütung entsprechend Vergütungsgruppe AW-KrT IV. Bis Oktober 2000
einschließlich erhielt sie darüber hinaus eine sogenannte Geriatriezulage in Höhe von
81,81 DM brutto, entsprechend 41,82 EUR. Ab November 2000 stellte der Beklagte die
Zahlung der Geriatriezulage ein. Anfang des Jahres 2001 forderte die Klägerin den
Beklagten vergeblich auf, die Geriatriezulage weiterhin zu zahlen.
10
Am 22.05.2001 unterzeichnete die Klägerin eine Stellenbeschreibung für Pflegehelfer/-
in. Wegen der Einzelheiten dieser Stellenbeschreibung wird auf Bl. 77 ff. d.A.
verwiesen.
11
Mit vorliegender Klage, die am 24.12.2004 beim Arbeitsgericht Dortmund einging,
verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage weiter. Zur
Begründung hat sie vorgetragen, ausweislich der Entscheidungen des
Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2003 (10 AZR 128/03 und 10 AZR 127/03) hätten
Pflegepersonen, die in der Grund- und Behandlungspflege tätig seien und diese
Tätigkeit zeitlich überwiegend bei Kranken in geriatrischen Abteilungen ausübten,
Anspruch auf eine Geriatriezulage entsprechend der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1
12
Buchst. c zu Teil II Abschnitt B AW-KrT. Diese Voraussetzungen erfülle sie. Sie, die
Klägerin, sei überwiegend in der Grundpflege tätig. Darüber hinaus übe sie aber auch
zu einem nicht unerheblichen Teil Behandlungspflege aus. Sie sei während des
gesamten streitbefangenen Zeitraums und auch weiterhin im Wohnbereich I in H1xxx
eingesetzt worden, der zur Zeit 31 Plätze umfasse, die alle belegt seien. Zwei Bewohner
hätten Pflegestufe 3, 16 Bewohner Pflegestufe 2, 8 Bewohner Pflegestufe 1 und
lediglich 5 Bewohner keine Pflegestufe. Der überwiegende Teil der Bewohner leide
unter Demenz und/oder Inkontinenz. Daneben hätten nahezu alle Bewohner weitere
Krankheiten gehabt, so z.B. Herzinsuffizienz, Diabetis mellitus, Zustand nach
Krebserkrankungen, Tromboseneigung, Dekubitus, Coxarthrose, Gastritis, Frakturen,
Parkinson, Osteoporose, Hypertonie, Niereninsuffizienz sowie benignem
Prostataadenom. Sie, die Klägerin, habe ihre Pflegetätigkeit damit zeitlich überwiegend
an Kranken im Sinne der oben genannten Protokollerklärung erbracht.
Sie, die Klägerin, habe auch Behandlungspflege im Sinne der Protokollnotiz ausgeübt
und übe sie weiter aus. Behandlungspflege sei nicht nur die Umlagerung von Patienten
bei bereits bestehendem Dekubitus, sondern auch zur Verhinderung von Dekubitus. In
der Vergangenheit als auch aktuell sei die Mehrheit der Bewohner bettlägerig. Die
Dekubitus-Prophylaxe mit den damit in Zusammenhang stehenden
Lagerungstätigkeiten gehörten zu den häufigsten von ihr zu erbringenden
Behandlungspflegetätigkeiten. Gleiches gelte für die von ihr regelmäßig bei mehreren
Bewohnern durchgeführte Intertrigo-Prophylaxe. Auch die Pneumonie- und
Tromboseprohylaxe führe sie durch. Des weiteren habe es zu allen genannten
Zeiträumen im Wohnbereich 1 Bewohner mit unausgeglichenem Flüssigkeitshaushalt
gegeben. Bei diesen Bewohnern habe sie während ihres Dienstes Flüssigkeitszufuhr
und Ausscheidung zu überwachen und auf einem Bilanzierungsblatt zu dokumentieren.
Auch die Verabreichung von Sondennahrung gehöre zur Behandlungspflege. In den
genannten Zeiträumen und auch aktuell seien jeweils 3 – 4 Bewohner mit Sondenkost
zu ernähren gewesen. Auch die Dauerkatheterpflege sowie die Pulskontrolle und
Blutdruckkontrolle seien Maßnahmen der Behandlungspflege. Während der Zeiträume,
für die sie, die Klägerin, Zahlung der Geriatriezulage beanspruche, sowie aktuell nutzten
jeweils mehrere Bewohner einen Dauerkatheter. Sie, die Klägerin, habe speziell die
äußere Katheterpflege vorgenommen. Ferner sei sie in der Vergangenheit und auch
jetzt in der Inkontinenzversorgung tätig.
13
Laut Stellenbeschreibung gehöre auch die Kooperation mit den Ärzten zu ihren
Aufgaben. Die Begleitung der Hausärzte sei als Behandlungspflege anzusehen.
Schließlich habe es in den streitbefangenen Zeiträumen Bewohner, in der Regel
demente Personen, gegeben, die zu ihrer eigenen Sicherheit hätten fixiert werden
müssen, und zwar jeweils auf richterlichen Beschluss und auf ärztliche Befürwortung
hin. Die Fixierungsmaßnahmen seien von ihr, der Klägerin, durchgeführt worden. Auch
aktuell seien Fixierungsmaßnahmen durchzuführen.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie eine monatliche
Geriatriezulage in Höhe von 41,82 EUR brutto zu zahlen;
16
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.007,37 EUR brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2005 zu
zahlen.
17
Der Beklagte hat beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Er hat vorgetragen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage.
Denn sie erfülle die tariflichen Voraussetzungen hierfür nicht. Er, der Beklagte, sei
verpflichtet, in seinen Einrichtungen entsprechend der gemäß § 80 SGB XI getroffenen
Vereinbarungen vom 21.10.1996 über gemeinsame Grundsätze und Maßstäbe zur
Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von
Qualitätsprüfungen in vollstationären Pflegeeinrichtungen vorzugehen. In dieser
Vereinbarung heiße es unter Ziffer 3.3: Hilfskräfte und angelernte Kräfte werden nur
unter der fachlichen Anleitung einer Fachkraft tätig. In Erfüllung der Verpflichtung aus §
80 SGB XI habe er, der Beklagte, das Qualitätsmanagement-Handbuch "Stationäre
Altenpflege" erstellt. Dieses Handbuch verweise in Ziffer III.3.1.7 auf den Ordner
"Pflege- und Betreuungsstandards". In diesem Ordner sei unter Ziffer 4 geregelt, dass
medizinische Behandlungspflege ausschließlich durch eine Pflegefachkraft ausgeführt
werde. Seit Implementierung des Qualitätsmanagement-Handbuchs im Jahre 2001
dürfe die Klägerin keine Behandlungspflege mehr ausüben und habe dies auch nicht
mehr getan. In der von der Klägerin unterzeichneten Stellenbeschreibung vom
01.03./22.05.2001 heiße es ausdrücklich, dass sie Behandlungspflege nicht ausüben
dürfe. Hierauf habe er, der Beklagte, in einem Rundschreiben vom 26.01.2005 (Bl. 75 f.
d.A.) nochmals ausdrücklich hingewiesen.
20
Er, der Beklagte, bestreite ausdrücklich, dass die Klägerin in dem Zeitraum, für den sie
Geriatriezulage geltend mache, Behandlungspflege ausgeübt habe. Sie sei nicht im
Rahmen der von ihr im einzelnen genannten Tätigkeiten, soweit diese der
medizinischen Behandlungspflege zuzuordnen seien, eingesetzt worden. Umlagerung
zur Erleichterung und Vorbeugung sei Grundpflege und nicht Behandlungspflege.
Soweit Umlagerung medizinisch angeordnet worden sei, werde diese verantwortlich
von den Pflegefachkräften ausgeführt. Es werde bestritten, dass die Klägerin insoweit
tätig sei. Das Verabreichen von Sondennahrung gehöre zur Grundpflege ebenso wie
die Vitalzeichenkontrolle und das Schreiben von Flüssigkeitsbilanzen und
Trinkprotokollen. Auch Maßnahmen zur Aktivierung, d.h. Mobilisierung, seien Teil der
Grundpflege.
21
Falls die Klägerin den Nachweis führen könne, dass sie im streitigen Zeitraum
gleichwohl Behandlungspflege ausgeübt habe, so sei dies entgegen der
Arbeitsanweisung gemäß Qualitätsmanagement-Handbuch erfolgt. Bestritten werde,
dass Einrichtungsleitung und/oder andere Vorgesetzte der Klägerin
Arbeitsanweisungen erteilt hätten, die vom Inhalt des Qualitätsmanagement-Handbuchs
abwichen.
22
Durch Urteil vom 20.05.2005 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Beklagte
verpflichtet ist, an die Klägerin eine monatliche Geriatriezulage in Höhe von 41,82 EUR
brutto zu zahlen. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, an die
Klägerin für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2004 die Geriatriezulage in Höhe
von insgesamt 2.007,36 EUR brutto nachzuzahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf
Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen, das
dem Beklagten am 11.07.2005 zugestellt wurde. Hiergegen richtet sich die Berufung
des Beklagten, die am 05.08.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und – nach
23
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.10.2005 – am 12.10.2005
begründet worden ist.
Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf
Zahlung der sogenannten Geriatriezulage. Er, der Beklagte, habe stets betont, dass
Altenpflegehelfer/innen nur Grundpflege ausüben dürfen und dies tatsächlich auch nur
tun, während examinierte Altenpfleger/innen bzw. Pflegefachkräfte Grund- und
Behandlungspflege ausübten. Die Klägerin werde im Bereich der Behandlungspflege
nicht eingesetzt und dürfe dies auch nicht. Pflegefachkräfte seien dagegen im Bereich
der Grund- und Behandlungspflege eingesetzt und erfüllten deshalb die
Voraussetzungen des Anspruchs auf die Geriatriezulage. Wenn er, der Beklagte, sich im
August 2004 entschieden habe, bei den Pflegefachkräften nicht in jedem Einzelfall zu
prüfen, ob tatsächlich alle Voraussetzungen der genannten Protokollerklärung erfüllt
seien, so verstoße er damit nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Er gehe
davon aus, dass fast alle Pflegefachkräfte im Streitfall beweisen könnten, dass sie
sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung einer Geriatriezulage erfüllten.
Wenn er bei dieser Sachlage von Einzelfallprüfungen bei Pflegefachkräften absehe, so
sei er nicht verpflichtet, Altenpflegehelfern die Geriatriezulage ebenfalls zu zahlen.
24
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei es nicht unerheblich, ob die Klägerin
selbst nur Grundpflege oder nur Behandlungspflege oder beides ausübe. Die
Auslegung der Protokollerklärung ergebe vielmehr, dass Grund- und
Behandlungspflege ausgeübt werden müsse, um die Zulage beanspruchen zu können.
25
Entgegen der Darstellung der Klägerin übe sie keine Behandlungspflege aus. Zur
Behandlungspflege gehörten Maßnahmen, die Bestandteil der ärztlichen
Heilbehandlung und in diese eingebunden seien, also vom behandelnden Arzt
verordnet worden seien. Behandlungspflege sei also entgegen der Ansicht des
Arbeitsgerichts gleichzusetzen mit medizinischer Behandlungspflege. Die sogenannte
Dekubitus-Prophylaxe gehöre hierzu nicht. Die Lagerungstätigkeit bei Bewohnern, die
entweder bettlägerig seien oder zur Vermeidung des Dekubitus nach einem bestimmten
Lagerungsplan regelmäßig gelagert werden müssten, sei typische Grundpflege. Hierfür
seien besondere Fachkenntnisse bzw. eine Ausbildung nicht erforderlich. Letztlich sei
jede Art von Prophylaxe Grundpflege. Dies gelte auch für die Vitalzeichenkontrolle.
Gleiches gelte für die sogenannte Intertrigo-Prophylaxe, die Pneumonie-Prophylaxe und
die Trombose-Prophylaxe. Bei dem sogenannten Kontinenztraining handele es sich
schlicht darum, den Bewohner anzuhalten, selbst zur Toilette zu gehen. Soweit die
"Begleitung von Hausärzten" in Frage stehe, komme es immer wieder vor, dass Ärzte im
Seniorenzentrum erschienen, um einen bestimmten Bewohner aufzusuchen. Wenn der
Arzt nicht genau wisse, wo der Bewohner sich aufhalte, werde er natürlich auch von
Pflegehelfern zum Patienten begleitet. Dies habe mit Behandlungspflege nichts zu tun.
Wenn nach der Untersuchung durch den Arzt die weitere Behandlung im
Seniorenzentrum abgestimmt werden müsse, so geschehe dies zwischen Arzt und
Seniorenzentrum nur über eine examinierte Fachkraft. Altenpflegehelfer- und auch die
Klägerin – seien in der Vergangenheit und auch jetzt insoweit nicht eingesetzt worden.
Auch die Mithilfe bei Fixierungsmaßnahmen sei keine Behandlungspflege.
26
Der Beklagte beantragt,
27
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.05.2005 abzuändern und die
Klage abzuweisen.
28
Die Klägerin beantragt,
29
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, sie erfülle nach wie vor mit ihrer
Tätigkeit die Tatbestandsmerkmale der genannten Protokollnotiz und habe deshalb
Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage. Dem arbeitsgerichtlichen Urteil sei darin zu
folgen, dass die Protokollerklärung nicht zwingend die Leistung von
Behandlungspflegetätigkeiten verlange. Unabhängig davon sei sie, die Klägerin, aber
im streitbefangenen Zeitraum und auch aktuell im Bereich der Behandlungspflege tätig.
So führe sie die Dekubitus-Prophylaxe, die Lagerung von Dekubitus-Patienten, die
Intertrigo-Prophylaxe, die Pneumonie-Prophylaxe, die Trombose-Prophylaxe, die
Verabreichung von Sondennahrung, die Vitalzeichenkontrolle, die Dauerkatheterpflege
sowie die Inkontinenzversorgung durch. Diese Prophylaxen seien in aller Regel nicht
ärztlich angeordnet. Gleiches gelte für die von ihr durchgeführte Dauerkatheterpflege.
Dennoch seien diese Tätigkeiten der Behandlungspflege zuzurechnen.
31
Sie, die Klägerin, habe Dekubitus-Patienten während ihres Dienstes jeweils zwei- bzw.
dreimal, jedenfalls an den von ihr in der Berufungsbegründung vom 24.11.2005
genannten Tagen (Bl. 230 ff. d.A.), gelagert. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen,
habe sie bis zum Ende des Jahres 2004 bei den Bewohnern, die mit einer
Ernährungssonde ernährt worden seien, die Sondennahrung angehängt. Dies sei
jedenfalls an den in der Berufungsbegründung vom 24.11.2005 genannten Tagen (Bl.
232 ff.) durchgeführt worden.
32
Im Übrigen habe sich der Pflegehelfer S5xxxxx am 11.07.2005 geweigert, eine
Dekubituspatientin ohne Anwesenheit einer Pflegefachkraft zu lagern. Er sei deswegen
durch die Betriebsleitung Frau S3xxxxxx ermahnt und angewiesen worden, diese
Patientin zu lagern, da alle Pflegekräfte diese Patientin zu lagern hätten, unabhängig
davon, ob sie Fachkräfte oder Hilfskräfte seien. Die Anweisung, dass auch
Pflegehilfskräfte Dekubituspatienten zu lagern hätten, habe Frau S3xxxxxx kurze Zeit
später gegenüber den Mitarbeiterinnen B4xxxxx-H2xx und E1xxxx in einer
Dienstbesprechung wiederholt.
33
Entgegen der Darstellung des Beklagten seien sämtliche der von ihr zu betreuenden
Bewohnerinnen und Bewohner im Wohnbereich I krank im Sinne der Rechtsprechung.
Danach sei sie zeitlich ausschließlich bei Kranken in der Pflege tätig. Diese
Pflegetätigkeit übe sie auch in einer geriatrischen Abteilung bzw. Station im Sinne der
Protokollnotiz aus.
34
Im übrigen verletze der Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er bestreite,
dass sie ihre Pflegetätigkeit überwiegend bei Kranken in geriatrischen Abteilungen oder
Stationen ausübe. Der Beklagte habe sich entschieden, bei examinierten Pflegekräften
die Geriatriezulage weiterzuzahlen, ohne zu überprüfen, ob diese tatsächlich
überwiegend Grund- und Behandlungspflege bei kranken Heimbewohnern ausführten.
35
Dem gegenüber hat der Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 28.12.2005
vorgetragen, die Klägerin werde zwar zur Dekubitus-Prophylaxe, zur Intertrigo-
Prophylaxe, zur Pneumonie-Prophylaxe, zur Trombose-Prophylaxe, zur
Dauerkatheterpflege und zur Inkontinenzversorgung eingesetzt. Diese Tätigkeiten seien
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aber eindeutig der Grundpflege zuzuordnen. Für die medizinisch verordnete
Verabreichung von Sondennahrung und die medizinisch verordnete
Vitalzeichenkontrolle werde die Klägerin nicht eingesetzt. Bestritten werde, dass die von
der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung erwähnten Personen im streitigen Zeitraum
an Dekubitus erkrankt gewesen seien und dass die Klägerin im Rahmen einer
entsprechenden Dekubitusbehandlung eingesetzt worden sei. Vielmehr habe die
Klägerin bei den Bewohnern lediglich Dekubitus-Prophylaxe durchgeführt. Bestritten
werde auch, dass der Altenpflegerhelfer C3xxxxxxx S5xxxxx am 11.07.2005
aufgefordert worden sei, eine Dekubituspatientin zu behandeln bzw. zu lagern. Der
Pflegehelfer S5xxxxx sei am 11.07.2005 nicht im Dienst gewesen. Bestritten werde
weiter, dass die Zeugin S3xxxxxx Altenpflegehelfer bei der Dekubitusbehandlung
eingesetzt habe bzw. einsetze. In diesem Bereich müsse differenziert werden. Wenn
trotz Dekubitus-Prophylaxe ein Dekubitus auftrete, so werde diese Erkrankung
ausschließlich von Ärzten und Pflegefachkräften versorgt. Pflegehelfer dürften insoweit
nicht eingesetzt werden und würden auch nicht eingesetzt. Dies gelte auch für die
Klägerin. Unabhängig davon müsse aber darauf geachtet werden, dass auch bei
Dekubituspatienten es nicht zu weiteren Dekubiti komme. Deshalb müssten solche
Bewohner im Rahmen der Dekubitusprophylaxe nach Lagerungsplan weiter gelagert
werden. Dies sei als Grundpflege anzusehen.
Die Verabreichung von Sondennahrung im Rahmen künstlicher Ernährung sei allein
Sache der Pflegefachkräfte. Soweit die Klägerin behaupte, Frau I2xx S6x. in den Jahren
2001 bis 2004 an den angegebenen Daten Sondennahrung verabreicht zu haben, sei
der Vortrag der Klägerin falsch. Festgestellt worden sei nur, dass laut
Behandlungsunterlagen am 02.09., 04.09. und 05.09.2004 die Klägerin an der
Verabreichung der Sondennahrung beteiligt gewesen sei, wobei nicht mehr habe
geklärt werden können, warum die Klägerin anstelle der zuständigen Fachkraft die
Eintragung vorgenommen habe. Jedenfalls gehöre das Verabreichen von Sondenkost
zur Aufgabe der Pflegefachkräfte und dürfe nicht von Altenpflegehelfern erledigt werden.
Im Zusammenhang mit der Bewohnerin Mxxxx W. sei festgestellt worden, dass die
Klägerin am 02.11.2003 bei der Verabreichung von Sondenkost beteiligt gewesen sei.
Die übrigen von der Klägerin genannten Daten seien unzutreffend. Die im
Zusammenhang mit Herrn S4xxxxxxx S. genannten Daten könnten ebenfalls nicht
bestätigt werden. Laut Dokumentation seien nur die Daten 24.09., 07.11., 14.11. und
15.11.2003 zutreffend. Insgesamt sei die Klägerin abweichend von der
Arbeitsanweisung nur in einigen wenigen Ausnahmefällen bei der Verabreichung von
Sondennahrung mit tätig gewesen. Wenn ein Arbeitnehmer abweichend von der
Arbeitsanweisung Aufgaben erledige, die ihm nicht zugewiesen seien, so könne er
daraus Ansprüche nicht ableiten. Darüber hinaus sei der Umfang der Tätigkeit im
Verhältnis zur Gesamttätigkeit so unbedeutend, dass hieraus ein Anspruch auf Zahlung
der Geriatriezulage nicht abgeleitet werden könne.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
38
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39
I.
40
Die Berufung des Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden.
41
II.
42
Die Berufung hat auch der Sache nach Erfolg. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch
auf Zahlung der Geriatriezulage.
43
1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Beklagte nicht verpflichtet, an die
Klägerin für die Zeit von Januar 2001 bis Dezember 2004 die streitige Geriatriezulage in
einer Gesamthöhe von 2.007,36 EUR brutto zu zahlen. Dieser Anspruch ergibt sich
nicht aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 14.01.1986/01.02.1986 i.V.m. der
Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c zu Teil II Abschnitt B, KrT. Denn die Klägerin
hat in diesem Zeitraum nicht "zeitlich überwiegend Grund- und Behandlungspflege" im
Sinne dieser Protokollerklärung ausgeübt.
44
a) Der Beklagte hat dargelegt, dass er in Erfüllung der Verpflichtungen aus § 80 SGB XI
das Qualitätsmanagement-Handbuch "Stationäre Altenpflege" erstellt und im
Kalenderjahr 2001 in allen seinen Seniorenzentren, also auch im Seniorenzentrum
H1xxx, in dem die Klägerin eingesetzt ist, implementiert hat. Nach dem nicht bestrittenen
Sachvortrag des Beklagten ist das Qualitätsmanagement-Handbuch in jedem
Seniorenzentrum den dort Beschäftigten in hausinternen Schulungen im einzelnen
erläutert worden. Aus den Regelungen des Qualitätsmanagement-Handbuchs ergibt
sich eindeutig, dass medizinische Behandlungspflege ausschließlich durch eine
Pflegefachkraft ausgeführt werden darf. Danach darf die Klägerin als
Krankenpflegehelferin gemäß § 80 SGB XI in Verbindung mit dem genannten
Qualitätsmanagement-Handbuch in den Einrichtungen des Beklagten diesen Teil der
Pflegeleistungen nicht erbringen. Die Umsetzung dieser Arbeitsanweisung hat der
Beklagte nach seinem insoweit nicht bestrittenen Vorbringen durch den sogenannten
Einsatzplan sichergestellt. Letztlich spiegelt sich die Umsetzung des
Qualitätsmanagement-Konzepts auch in der an die Klägerin gerichteten
Stellenbeschreibung vom 01.03.2001/22.05.2001 wieder. Unter Ziffer 7 heißt es dort
ausdrücklich, dass bei den Aufgaben der Klägerin als Pflegehelferin die ärztlich
angeordnete medizinische Behandlungspflege ausdrücklich ausgenommen ist. Mit
Implementierung des Qualitätsmanagement-Handbuchs "Stationäre Altenpflege" im
Kalenderjahr 2001 hat der Beklagte damit angeordnet, dass Pflegehelfer/innen nur noch
in der Grundpflege und nicht mehr in der Behandlungspflege eingesetzt werden dürfen.
45
Der Beklagte war auch befugt, der Klägerin nur noch Tätigkeiten im Bereich der
Grundpflege zuzuweisen. In § 8 des schriftlichen Arbeitsvertrages hat der Beklagte sich
ausdrücklich vorbehalten, die Klägerin mit anderen zumutbaren, im Rahmen der
Vergütungsgruppe liegenden Arbeiten zu beschäftigen. Es heißt dort weiter, dass das
Recht der A1xxxxxxxxxxxxxxx, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zu übertragen,
auch durch eine lange währende Verwendung auf demselben Arbeitsplatz nicht
beschränkt wird. Durch die mit Implementierung des Qualitätsmanagement-Handbuchs
"Stationäre Altenpflege" im Jahre 2001 erfolgte Weisung an die Klägerin als
Pflegehelferin, nur noch Tätigkeiten der Grundpflege auszuüben, hat der Beklagte
berechtigterweise von seinen Befugnissen nach § 8 des genannten Arbeitsvertrages
Gebrauch gemacht. Die Zuweisung von Tätigkeiten der Grundpflege lässt die
Vergütungsgruppe, in der die Klägerin sich befindet, unberührt. Die Beschäftigung mit
Tätigkeiten der Grundpflege, die zweifellos zumutbar ist, erfolgt damit im Rahmen ihrer
Vergütungsgruppe.
46
b) Hat der Beklagte die Klägerin entsprechend den Vorgaben des
Qualitätsmanagement-Handbuchs "Stationäre Altenpflege" seit dem Kalenderjahr 2001
nur noch in der Grundpflege eingesetzt, so kann die Klägerin die
Anspruchsvoraussetzungen der streitigen Zulage nicht erfüllen.
47
aa) Die Protokollerklärung setzt unter anderem voraus, dass die Pflegekraft "zeitlich
über-wiegend Grund- und Behandlungspflege" ausübt. Unter Grundpflege ist die
Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse der zu pflegenden Personen im Hinblick auf
Nahrungsaufnahme und Hygiene zu verstehen. Dementsprechend haben die
Spitzenverbände der Pflegekassen klargestellt, dass von den Leistungen der
Pflegeversicherung nur diejenigen der Grundpflege erfasst werden, die Verrichtungen
im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen
Versorgung umfassen. Behandlungspflege ist die darüber hinausgehende Versorgung
nach medizinischen Bedürfnissen, also zur Besserung oder Linderung von Krankheiten
(vgl. BAG; Urteile vom 19.11.2003 – 10 AZR 127 und 128/03 -; 04.06.2003 – 10 AZR
579/02 -, jeweils m.w.N.). Ausweislich dieser Entscheidungen ist zwar nicht erforderlich,
dass die Behandlungspflege arbeitszeitlich insgesamt oder auch nur im Verhältnis zur
Grundpflege überwiegt. Vielmehr ist nur erforderlich, dass Grund- und
Behandlungspflege zusammen genommen arbeitszeitlich überwiegen. Ein bestimmter
Anteil der jeweiligen Pflegeart innerhalb dieses Blocks der überwiegend erbrachten
Tätigkeit ist tariflich nicht vorgegeben.
48
Wenn das Bundesarbeitsgericht allerdings ausführt, es seien Einzelfälle denkbar, in
denen der Anteil der Behandlungspflege an der Gesamttätigkeit nur wenige Minuten
betrage und deshalb als unerheblich angesehen werden könnte, so folgt hieraus
unzweifelhaft, dass in der arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit jedenfalls Grund- und
Behandlungspflege anfallen müssen, wobei der Anteil der Behandlungspflege nicht
unerheblich sein darf. Die Voraussetzungen der genannten Protokollerklärung sind
zweifellos dann nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer überhaupt keine
Behandlungspflege ausübt. Die Tarifvorschrift setzt vielmehr voraus, dass der
Arbeitnehmer sowohl Grund- als auch Behandlungspflege ausübt. Dies ergibt sich
bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Protokollerklärung. Danach wird die zeitlich
überwiegende Ausübung von Grund-
und
Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage nach dem Willen der Tarifvertragsparteien
auch dann bestehen sollte, falls ausschließlich Tätigkeiten in der Grundpflege ausgeübt
werden, so hätte die Tarifvorschrift lediglich verlangen müssen, dass die Pflegekraft
überwiegend Grund- oder Behandlungspflege ausübt. Ein dahingehender Wille der
Tarifvertragsparteien hat in der genannten Tarifvorschrift nicht einmal im Ansatz seinen
Niederschlag gefunden.
49
bb) Hat der Beklagte danach in Umsetzung des im Kalenderjahr 2001 implementierten
Qualitätsmanagement-Handbuchs "Stationäre Altenpflege" die bei ihm tätigen
Pflegehilfskräfte in der Folgezeit berechtigterweise nur noch in der Grundpflege
eingesetzt, so ist die Voraussetzung, dass Grund- und Behandlungspflege zusammen
genommen arbeitszeitlich überwiegen müssen, im Falle der Klägerin nicht gegeben.
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(1) Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei im streitbefangenen Zeitraum mit
Tätigkeiten der Dekubitus-, Intertrigo-, Pneumonie- und Trombose-Prophylaxe befasst
worden und werde dies auch heute noch, so können hiermit die Voraussetzungen der
genannten Protokollerklärung nicht erfüllt werden. Tätigkeiten der Prophylaxe dienen
nicht der Besserung und Linderung von Krankheiten und sind deshalb nicht als
51
Behandlungspflege zu werten (vgl. BAG, Urteil vom 04.06.2003 – 10 AZR 579/02 -;
Urteil vom 19.11.2003 – 10 AZR 127/03 – jeweils m.w.N.). Sie bezwecken vielmehr die
Verhinderung von Krankheiten und sind damit der Grundpflege zuzuordnen.
(2) Der Sachvortrag der Klägerin, sie habe auch Tätigkeiten der Dekubitusbehandlung
aus-geführt, kann einen Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage im streitbefangenen
Zeitraum nicht begründen. Nach Darlegung des Beklagten gehören diese Tätigkeiten
nicht zu den Aufgaben der Klägerin. Durch Implementierung des Qualitätsmanagement-
Handbuchs im Jahre 2001 in Verbindung mit den oben genannten weiteren
Maßnahmen hat der Beklagte allen Beschäftigten in seinen Seniorenzentren und damit
auch der Klägerin gegenüber un-missverständlich klargestellt, dass Pflegehilfskräfte nur
in der Grundpflege eingesetzt werden und keine Behandlungspflege ausüben dürfen.
Dem entspricht auch die Stellenbeschreibung für Pflegehelfer/innen, die die Klägerin
am 22.05.2001 unterzeichnet hat. Sollte die Klägerin im Widerspruch hierzu und ohne
Wissen und Wollen ihrer Vorgesetzten im streitigen Zeitraum dennoch Tätigkeiten der
Behandlungspflege ausgeübt haben, so kann dieses weisungswidrige Verhalten einen
Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage nicht begründen. Wann und durch welche
Personen, deren Handeln der Beklagte sich gegebenenfalls zurechnen lassen müsste,
ihr eine hiervon abweichende Weisung dahingehend erteilt worden sein soll,
Tätigkeiten der Behandlungspflege ohne Hinzuziehung einer Pflegefachkraft
auszuführen, hat die Klägerin weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt.
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Der Vortrag der Klägerin, der Pflegehelfer S5xxxxx sei durch die Zeugin S3xxxxxx
angewiesen worden, eine Dekubituspatientin zu lagern, ist unerheblich. Diese vom
Beklagten bestrittene Weisung bezieht sich nicht auf die im Wohnbereich I tätige
Klägerin, sondern auf den im Wohnbereich VI tätigen Pflegehelfer S5xxxxx. Sollten der
Klägerin Tätigkeiten der
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Behandlungspflege ohne Hinzuziehung einer Pflegefachkraft angetragen werden, so
darf und muss sie sich weigern, dieser Weisung Folge zu leisten. Angesichts der
Vorgaben im Qualitätsmanagement-Handbuch "Stationäre Altenpflege" in Verbindung
mit der Stellenbeschreibung der Klägerin ist sie gehalten, bei Tätigkeiten, die der
Behandlungspflege zuzuordnen sind, eine Pflegefachkraft hinzuzuziehen. Warum sie
dies in den von ihr geschilderten Fällen der Behandlung von Dekubituspatienten nicht
getan hat, hat die Klägerin nicht dargelegt.
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(3) Auch die von der Klägerin im Bereich der Dauerkatheterpflege ausgeführten
Tätigkeiten können einen Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage nicht begründen.
Die Klägerin hat nicht näher dargelegt, welche konkreten Tätigkeiten sie insoweit
ausgeübt hat, sondern nur vorgetragen, sie habe "speziell die äußere Katheterpflege"
vorgenommen. Mangels näherer Darlegung der in diesem Bereich im einzelnen
angefallenen Arbeiten ist die erkennende Kammer davon ausgegangen, dass es sich
hierbei um die Reinigung der äußeren Kathetergeräte gehandelt hat.
Reinigungstätigkeiten können nicht der medizinischen Behandlungspflege zugeordnet
werden. Im übrigen ist nicht ersichtlich, wann, bei welchen Personen und in welchem
Umfang die Klägerin derartige Tätigkeiten ausgeführt hat.
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(4) Auch die von der Klägerin gegebenenfalls im Bereich der Inkontinenzversorgung
ausgeführten Tätigkeiten können nicht der Behandlungspflege zugeordnet werden.
Nach Darlegung der Beklagten handelt es sich hierbei um das Anhalten der Bewohner
zum Toilettengang. Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche weitergehenden konkreten
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Tätigkeiten sie wann und bei welchen Personen ausgeübt haben will. Das Anhalten der
Bewohner,
regelmäßig die Toilette aufzusuchen, ist der Grundpflege zuzuordnen.
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(5) Soweit es um die Kooperation mit den Hausärzten der einzelnen Bewohner des
Altenzentrums des Beklagten geht, hat die Klägerin nicht dargelegt, welche konkreten
Tätigkeiten sie in diesem Zusammenhang wann und im Hinblick auf welche Bewohner
ausgeführt haben will. Nach dem Sachvortrag des Beklagten handelt es sich hierbei
allenfalls um die Begleitung des Arztes zum Patienten, wenn der Arzt nicht weiß, wo der
Bewohner sich aufhält. Die weitere Abstimmung der Behandlung erfolgt demgegenüber
nur über eine examinierte Fachkraft. Das Begleiten der Ärzte zwecks Auffinden der
Bewohner kann nicht als Behandlungspflege gewertet werden.
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(6) Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei auch mit Tätigkeiten bei der Versorgung
von Bewohnern mit Sondennahrung eingesetzt worden, hat der Beklagte dargelegt,
dass dies nicht zu den Aufgaben der Klägerin gehört habe und gehöre. Sollte die
Klägerin tatsächlich Tätigkeiten in diesem Bereich ausgeführt haben, die der
Behandlungspflege zuzuordnen sein sollten, kann hierdurch dennoch nicht ein
Anspruch auf Zahlung der Geriatriezulage begründet werden. Die Klägerin hat nicht
dargelegt, wann und durch welche Personen ihr Weisungen dahingehend erteilt worden
sind, diese Tätigkeiten auch ohne Hinzuziehung einer Pflegefachkraft auszuführen. Die
erkennende Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
Ausführungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten im Bereich der Dekubitusbehandlung.
Unerheblich ist, dass die Verabreichung von Sondernahrung nach dem Sachvortrag der
Klägerin im nachgereichten Schriftsatz vom 23.01.2006 in den Grundpflegenachweisen
abgezeichnet wird. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass diese Aufgabe den
Hilfskräften zugewiesen ist. Unstreitig nehmen Pflegefachkräfte neben der
Behandlungspflege auch Aufgaben der Grundpflege wahr.
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(7) Der Sachvortrag der Klägerin über die von ihr ausgeführten Tätigkeiten im Bereich
der Vitalzeichenkontrolle und der Fixierung von Bewohnern ist unsubstantiiert. Er lässt
nicht erkennen, wann, bei welcher Person und aufgrund welcher Anweisung seitens des
Beklagten Tätigkeiten in diesem Bereich angefallen sind, die der Behandlungspflege
zuzuordnen sind. Die allgemeinen Hinweise der Klägerin auf Art und Umfang der in
ihrer Abteilung anfallenden Pflegetätigkeiten sind in dieser Form einer Beweisaufnahme
nicht zugänglich.
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c) Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Geriatriezulage ergibt sich auch nicht in
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Auch wenn der Beklagte sich
entschieden hat, bei examinierten Pflegekräften ohne Einzelfallprüfung die
Geriatriezulage zu zahlen, ist hierin eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zu sehen. Unstreitig werden die Pflegefachkräfte
in den Seniorenzentren des Beklagten aufgrund der Dienstpläne und Einsatzpläne
sowohl im Rahmen der Grundpflege als auch im Rahmen der Behandlungspflege
eingesetzt. Im Unterschied hierzu hat der Beklagte durch Implementierung des
Qualitätsmanagement-Handbuchs "Stationäre Altenpflege" in Verbindung mit den oben
genannten weiteren Maßnahmen entschieden, dass Pflegehilfskräfte nur im Rahmen
der Grundpflege eingesetzt werden. Wenn der Beklagte den bei ihm beschäftigten
Pflegefachkräften die Geriatriezulage zahlt, ohne den Einzelnachweis zu verlangen,
dass Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend ausgeübt wird, so werden
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dadurch nicht gleiche Sachverhalte ungleich behandelt. Da die Klägerin als
Pflegehilfskraft nur im Bereich der Grundpflege eingesetzt werden darf, befindet sie sich
im Verhältnis zu den Pflegefachkräften, die im Bereich der Grund- und
Behandlungspflege eingesetzt werden dürfen und tatsächlich eingesetzt werden, nicht
in einer vergleichbaren Lage.
2. Die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine
monatliche Geriatriezulage in Höhe von 41,82 EUR brutto zu zahlen, ist zulässig aber
unbegründet. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Beklagte in Erfüllung
seiner Verpflichtungen aus § 80 SGB XI im Jahre 2001 das von ihm erstellte
Qualitätsmanagement-Handbuch "Stationäre Altenpflege" in allen Seniorenzentren,
also auch im Seniorenzentrum H1xxx, in dem die Klägerin beschäftigt ist, implementiert
hat. Er hat damit klargestellt, dass die Klägerin in Zukunft nur noch Tätigkeiten der
Grundpflege ausüben darf und zu Tätigkeiten der Behandlungspflege nicht mehr befugt
ist. Wie weiter ausgeführt wurde, war der Beklagte hierzu angesichts der Regelungen in
§ 8 des Arbeitsvertrages der Parteien arbeitsrechtlich befugt. Hat der Beklagte der
Klägerin nur noch Tätigkeiten der Grundpflege zugewiesen und die Ausübung der
medizinischen Behandlungspflege durch die Klägerin ausdrücklich ausgenommen, wie
dies in der Stellenbeschreibung vom 01.03.2001/22.05.2001 in Ziffer 7 geschehen ist,
so kann sie mit dieser ihr vom Beklagten übertragenen Tätigkeit die Voraussetzungen
der genannten Tarifvorschrift mangels Wahrnehmung von Behandlungspflege nicht
erfüllen. Dass der Beklagte ihr abweichend hiervon Tätigkeiten der Behandlungspflege
übertragen hat, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Insbesondere ist
nicht ersichtlich, dass Vorgesetzte der Klägerin, deren Handeln der Beklagte sich
gegebenenfalls zurechnen lassen müsste, ihr im Widerspruch zu den Anweisungen des
Beklagten aufgetragen haben, Tätigkeiten der Behandlungspflege ohne Hinzuziehung
einer Pflegefachkraft auszuführen. Führt die Klägerin entgegen der ausdrücklichen
Weisung des Beklagten und im Widerspruch zu den Regelungen in ihrer
Stellenbeschreibung eigenmächtig Behandlungspflege ohne Hinzuziehung einer
Pflegefachkraft aus, so wird hierdurch eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der
Geriatriezulage nicht begründet. Die Kammer verweist zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen unter II.1.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
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Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.
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Dr. Wendling
Lusmöller
Roßhoff
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WR./Go.
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