Urteil des LAG Hamm vom 14.03.2005

LArbG Hamm: einstweilige verfügung, betriebsrat, rotes kreuz, arbeitsgericht, unverzüglich, rechtskraft, beschwerdekammer, erstellung, vertretung, gefahr

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 31/05
14.03.2005
Landesarbeitsgericht Hamm
10. Kammer
Beschluss
10 TaBV 31/05
Arbeitsgericht Hagen, 4 BVGa 2/05
Einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren Herausgabe einer
Mitarbeiterliste an den Wahlvorstand durch den Arbeitgeber Einwand der
fehlenden Betriebsratsfähigkeit Interessenabwägung
§§ 935, 940 ZPO, § 85 Abs. 2 ArbGG§ 2 Abs. 1 und 2 Wahlordnung zum
BetrVG
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt
Auf die Beschwerde des Wahlvorstandes wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Hagen vom 11.02.2005 - 4 BVGa 2/05 - abgeändert.
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, dem Wahlvorstand eine Liste
(Aufstel-lung) aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/- innen zur
Verfü-gung zu stellen, aus der jeweils Vorname und Nachname der
Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/- innen zu
entnehmen ist, fer-ner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie
Eintrittsdatum in den Be-trieb.
G r ü n d e
A
Der antragstellende Wahlvorstand begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vom Ar-
beitgeber, ihm für die Erstellung der Wählerliste und die Durchführung einer
Betriebsratswahl eine vollständige Aufstellung aller in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer/-
innen zur Verfü-gung zu stellen.
Der Arbeitgeber, ein Verein mit Sitz in I1xxxxxx, betreibt mehrere Einrichtungen zur Betreu-
ung insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Außer dem Kinder- und J2xxxxxxxx
S4xx-xxxxx in I1xxxxxx, einer Außenwohngruppe in W3xxxxx, dem Förderungs- und
Ausbildungs-zentrum M3xxxx (F2x) betreibt der Arbeitgeber das Kinder- und
Jugendwohnheim H1xxx, in dem im Jahre 2002 ca. 46 Mitarbeiter beschäftigt waren.
Im Jahre 2002 wählten die Mitarbeiter der Einrichtung in I1xxxxxx einen aus drei
Mitgliedern bestehenden Betriebsrat. Am 28.03.2002 wählten auch die im Kinder- und
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Jugendwohnheim in H1xxx beschäftigten Mitarbeiter einen dreiköpfigen Betriebsrat. Diese
Betriebsratswahl wurde vom Arbeitgeber beim Arbeitsgericht Hagen - 5 BV 13/02 -
angefochten mit der Be-gründung, dass es sich bei der Einrichtung in H1xxx nicht um einen
betriebsratsfähigen Be-triebsteil handele, alle Einrichtungen des Arbeitgebers bildeten
einen einheitlichen Betrieb. Auch die Betriebsratswahl in I1xxxxxx wurde vor dem
Arbeitsgericht Iserlohn angefochten. Das Anfechtungsverfahren 5 BV 13/02 Arbeitsgericht
Hagen wurde noch vor dem Anhörungstermin am 06.08.2002 wegen außergerichtlicher
Vergleichsverhandlungen zum Ruhen gebracht.
In seiner Sitzung vom 27.02.2004 beschloss der Vorstand des Arbeitgebers, die
Einrichtung in H1xxx zum Jahresende zu schließen, die Immobilie zu veräußern und die
bislang dort ansässigen Wohngruppen zukünftig in angemieteten Objekten unterzubringen.
In diesen Wohngruppen sind derzeit noch 23 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei es sich um
diplomierte Sozialarbeiter, Pädagoginnen und Erzieherinnen sowie Reinigungs- und
Hauswirtschafts-kräfte in den einzelnen Objekten handelt. Die nach der Schließung der
Einrichtung verbleibenden Verwaltungsaufgaben sollten zentral vom Hauptsitz in I1xxxxxx
geregelt werden.
Mit Wirkung zum 01.10.2004 schied das nachgerückte Ersatzmitglied W5xx aus dem
Betriebsrat in H1xxx aus, so dass zu diesem Zeitpunkt nur noch die Betriebsratsvorsitzende
K2xxxx und das weitere Betriebsratsmitglied E3xxxxxxxxx verblieben. Weitere
Ersatzmitglieder waren nicht vorhanden.
Mit Schreiben vom 24.01.2005 (Bl. 18 d.A.) teilte der Betriebsrat dem Geschäftsführer des
Arbeitgebers mit, dass eine Neuwahl des Betriebsrates in H1xxx wegen des Absinkens der
Zahl der Betriebsratsmitglieder auf zwei beabsichtigt sei. Der vom Betriebsrat eingesetzte
Wahlvorstand, bestehend aus den Mitarbeiterinnen W4xxx-L2xxxx, K2xxxx und S1xxxx-
xxxxxx, bat den Arbeitgeber mit Schreiben vom 25.01.2005 (Bl. 4 f.d.A.), ihm eine für die
Erstellung der Wählerliste nötige Aufstellung aller in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer/-
innen bis spätestens 31.01.2005 zur Verfügung zu stellen. Dieser Bitte kam der Arbeitgeber
nicht nach. Der Wahlvorstand leitete daraufhin am 04.02.2005 das vorliegende
Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein, mit dem er im Wege der einstweiligen
Verfügung seine Forderung auf Mitteilung der erforderlichen Arbeitnehmerdaten weiter
geltend machte.
Am 09.02.2005 legte auch das Betriebsratsmitglied E3xxxxxxxxx sein Amt nieder.
Der Wahlvorstand hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei zur Vorlage einer Mitar-
beiterliste nach § 2 Abs. 2 der Wahlordnung verpflichtet. Die vom Arbeitgeber erbetene Auf-
stellung benötige der Betriebsrat zur Erstellung einer Wählerliste.
Der Wahlvorstand hat beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Liste (Aufstellung) aller im Betrieb H1xxx
beschäftigten Mitarbeiter/-innen zur Verfügung zu stellen, aus der jeweils Vorname und
Nachname der Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/-innen zu
entnehmen ist, ferner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie Eintrittdatum in den
Betrieb.
Der Arbeitgeber hat beantragt,,
den Antrag zurückzuweisen.
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Der Arbeitgeber ist der Auffassung, er sei zur Herausgabe einer Mitarbeiterliste nicht
verpflichtet, da es sich bei den in H1xxx verbliebenen Wohngruppen nicht um einen
betriebsratsfähigen Betriebsteil handele. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass
es dort jedenfalls mittlerweile an einem eigenständigen Leitungsapparat fehle, der die
beteiligungspflichtigen Entscheidungen im personellen und sozialen Bereich treffen könne.
Sämtliche Verwaltungsaufgaben würden nunmehr in I1xxxxxx wahrgenommen. In H1xxx
existierten lediglich einzelne Wohngruppen. Der wirksamen Interessenvertretung der
Belegschaft sei es dienlicher, wenn ein einheitlicher Betriebsrat an alle Einrichtungen des
Arbeitgebers gewählt würde.
Durch Beschluss vom 11.02.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Wahlvorstandes
zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es bestehe schon kein Verfügungsgrund
weil der Betriebsrat offenbar erst Ende Januar 2005 seiner Verpflichtung zur Bestellung
eines Wahlvorstandes nachgekommen sei, obwohl die Voraussetzungen für eine Neuwahl
bereits seit Oktober 2004 vorgelegen hätten. Im Übrigen sei nicht erkennbar, weshalb der
Wahlvorstand die beanspruchte Unterstützung des Arbeitgebers bei der Aufstellung der
Wählerliste nicht in einem normalen Beschlussverfahren verfolge; die Gefahr eines
betriebsratslosen Zustandes in H1xxx bestehe derzeit nicht, die Betriebsratsvorsitzende
K2xxxx könne die Geschäfte des Betriebsrats fortführen.
Gegen den dem Wahlvorstand am 15.02.2005 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat der Wahlvorstand am 23.02.2005 Beschwerde beim
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese sogleich begründet.
Der Wahlvorstand ist der Auffassung, dass der Antrag nicht mit der fehlenden
Eilbedürftigkeit abgewiesen werden könne. Im Hinblick darauf, dass der Wahlvorstand
unverzüglich tätig werden müsse, könne ihm nicht zugemutet werden, seine Ansprüche in
einem ordentlichen Beschlussverfahren durchzusetzen. Der Wahlvorstand habe alles zu
unternehmen, um die Wahl so zügig wie möglich durchzuführen. Hieran hindere ihn der
Arbeitgeber. Der Wahlvorstand habe auch nicht die erforderlichen Kenntnisse, um eine
Wählerliste vollständig aufzustellen. Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts, es sei derzeit
noch ein Betriebsrat vorhanden, liege neben der Sache. Im Übrigen sei es nicht dem
Wahlvorstand anzulasten, dass der Betriebsrat nicht bereits im Oktober 2004 tätig
geworden sei und einen Wahlvorstand eingesetzt habe.
Unzutreffend sei es auch, dass eine Neuwahl des Betriebsrates vor Rechtskraft einer
Entscheidung über den Anfechtungsantrag des Arbeitgebers vom 12.04.2002 nicht erfolgen
könne. Der Arbeitgeber hätte es in der Hand gehabt, das Anfechtungsverfahren längst bis
zum rechtskräftigen Abschluss zu betreiben.
Auch der Einwand des Arbeitgebers, der Betrieb in H1xxx sei nicht betriebsfähig, sei
unerheblich, weil die Betriebsratsstrukturen durch die letzten Betriebsratswahlen
vorgegeben seien. Dieser Einwand sei allenfalls in einem späteren Anfechtungsverfahren
zu prüfen, der Arbeitgeber könne nicht mit seiner Untätigkeit erreichen, dass eine
Betriebsratswahl überhaupt nicht durchgeführt würde.
Im Übrigen stehe derzeit noch nicht einmal fest, zu welchem Ergebnis die Überprüfung
durch den Wahlvorstand im Hinblick auf die Betriebsratsfähigkeit der Einrichtungen in
H1xxx komme. Solange der Arbeitgeber dem Wahlvorstand nicht die erforderlichen
Unterlagen zur Verfügung stelle, könne dieser sich überhaupt kein eigenes Bild darüber
machen, ob und in welcher Weise die Betriebsratswahl überhaupt zu organisieren sei. Erst
wenn dem Wahlvorstand die angeforderten Unterlagen vorlägen, könne er
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eigenverantwortlich entscheiden, wie weiter zu verfahren sei.
Der Wahlvorstand beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.02.2005 - 4 BVGa 2/05 -
abzuändern und dem Arbeitgeber aufzugeben, dem Wahlvorstand eine Liste (Aufstellung)
aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen zur Verfügung zu stellen, aus der
jeweils Vorname und Nachname
der Mitarbeiter/-innen sowie das Geschlecht der Mitarbeiter/-innen zu entnehmen ist,
ferner deren Geburtsdaten und Nationalität sowie Eintrittsdatum in den Betrieb.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, die Durchführung einer
Neuwahl des Betriebsrates sei bereits deshalb unzulässig, weil diese Neuwahl vor
Rechtskraft des Anfechtungsverfahrens gegen die Betriebsratswahl vom 28.03.2002
stattfinden solle. Andernfalls würde die unzutreffende Ausgangslage perpetuiert. In H1xxx
sei nämlich nach wie vor kein betriebsratsfähiger Betriebsteil vorhanden. Insbesondere
fehle es mindestens inzwischen an einem einheitlichen Leitungsapparat in H1xxx.
Der Hinweis des Wahlvorstandes auf eine etwaige drohende Betriebsratslosigkeit gehe
fehl, auch bei einer wirksamen Anfechtung bestünde in H1xxx kein Betriebsrat.
Schließlich könne der Arbeitgeber auch im einstweiligen Verfügungsverfahren die
Verkennung des Betriebsbegriffes einwenden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn bei einer
Weiterführung der Betriebsratswahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Wahlanfechtung
vorgenommen werden könnte.
Die Beschwerdekammer hat die Akten des Beschlussverfahrens 5 BV 13/02 Arbeitsgericht
Hagen beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den
weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.
B
Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist begründet.
Der Wahlvorstand hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vorlage einer
Aufstellung der Mitarbeiter/-innen der Einrichtungen des Arbeitgebers in H1xxx mit dem
sich aus dem Tenor ergebenden weiteren Inhalten. Diesen Anspruch kann der
Wahlvorstand auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen.
I
Der Antrag des Wahlvorstandes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG die richtige
Verfahrensart. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem
Betriebsverfassungsgesetz, die zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Beteiligten streiten
nämlich um die Vorlage einer Mitarbeiteraufstellung, die der Wahlvorstand zur Aufstellung
einer Wählerliste für eine Betriebsratswahl benötigt. Hierbei handelt es sich um eine
Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz.
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Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich
zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
2. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis folgt aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
Neben dem antragstellenden Wahlvorstand und dem Arbeitgeber als Antragsgegner hat
die Beschwerdekammer trotz der Einwände des Arbeitgebers auch den in H1xxx
gewählten Betriebsrat am vorliegenden Verfahren beteiligt. Zwar hat das
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden, dass der amtierende Betriebsrat
nicht Beteiligter eines Beschlussverfahrens sein könne, in dem der Arbeitgeber versuche,
die angesetzte Betriebsratswahl zu verhindern, auszusetzen oder zu korrigieren (LAG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.04.1994 - DB 1994, 1091). Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren, wer von der zu erwartenden Entscheidung in seinem
betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen oder
berührt wird (BAG, Beschluss vom 27.05.1982 - AP ArbGG 1979 § 80 Nr. 3; BAG,
Beschluss vom 19.09.1985 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 12; BAG, Beschluss vom
30.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 6). In diesem Sinne ist nach Auffassung der
Beschwerdekammer der amtierende Betriebsrat H1xxx am vorliegenden
Beschlussverfahren zu beteiligen. Immerhin geht es um die Durchführung der
Betriebsratswahl, die der Betriebsrat H1xxx eingeleitet hat. Darüber hinaus ist der
Betriebsrat vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens mindestens insoweit betroffen, als
die Betriebsratsfähigkeit des Betriebes H1xxx bestritten worden ist.
II
Der Antrag des Wahlvorstandes ist auch begründet.
1. Der Wahlvorstand hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vorlage einer
Liste aller im Betrieb H1xxx beschäftigten Mitarbeiter/-innen nach näherer Maßgabe des
Be-schlusstenors.
a) Dieser Anspruch folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungs-
gesetz - WO.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand für jede Betriebsratswahl eine Liste der
Wahlberechtigten (Wählerliste) getrennt nach den Geschlechtern, aufzustellen. Hierzu hat
der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 WO dem Wahlvorstand alle für die Anfertigung
der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur
Verfü-gung zu stellen. Dass § 2 Abs. 2 Satz 1 WO dem Arbeitgeber eine
Unterstützungspflicht bei der Aufstellung der Wählerliste auferlegt und dem Wahlvorstand
ein entsprechender An-spruch zusteht, stellt auch der Arbeitgeber des vorliegenden
Verfahrens nicht grundsätzlich in Abrede.
b) Dieser Anspruch nach § 2 Abs. 2 Satz 1 WO ist auch nicht dadurch ausgeschlossen,
dass der Arbeitgeber der Auffassung ist, dass die Einrichtungen des Arbeitgebers in H1xxx
keinen betriebsratsfähigen Betrieb darstellen. Die Unterstützungspflicht des Arbeitgebers
ist schon von Gesetzes wegen nicht davon abhängig gemacht worden, dass überhaupt ein
betriebs-ratsfähiger Betrieb vorliegt. Nach dem Vorbringen der Beteiligten muss die
Beschwerde-kammer davon ausgehen, dass der Wahlvorstand, der Anspruchsteller des
vorliegenden Verfahrens, vorliegend jedenfalls ordnungsgemäß vom amtierenden
Betriebsrat eingesetzt worden ist. Gegen die Einsetzung des Wahlvorstandes hat der
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Arbeitgeber, soweit ersicht-lich, keinen Einspruch o.ä. eingelegt, obgleich die Wahl des
Wahlvorstandes nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte selbständig anfechtbar ist
(BAG, Beschluss vom 03.06.1975 - AP BetrVG 1972 § 5 Rotes Kreuz Nr. 1; Fitting/Engels/
Schmidt/Trebin-ger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 18 Rz. 33; Kreutz, GK-BetrVG, 7. Aufl.,
§ 18 Rz. 64 m.w.N.). Dass die Bestellung des Wahlvorstandes nichtig wäre, ist nicht
ersichtlich. Darüber hinaus hätte die Verkennung des Betriebsbegriffs durch den
Wahlvorstand, wenn dieser bereits eine Entscheidung darüber getroffen hätte,
möglicherweise eine Anfechtbarkeit der eingeleiteten Betriebsratswahlen, jedoch keine
Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist
allgemein anerkannt, dass die Verkennung des Be-triebsbegriffs lediglich zur
Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit von Be-triebsratswahlen führt (BAG, Beschluss
vom 24.01.1964 - AP BetrVG § 3 Nr. 6; BAG, Be-schluss vom 27.10.1969 - AP BetrVG
1972 § 3 Nr. 10; BAG, Beschluss vom 17.01.1978 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 1; BAG,
Beschluss vom 11.04.1978 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8; BAG, Beschluss vom 13.09.1984
- AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 3; BAG, Beschluss vom 27.06.1995 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 7;
BAG, Urteil vom 13.11.1996 - AP MantelG DDR § 30 Nr. 4; BAG, Urteil vom 19.11.2003 -
AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 19; Fitting, a.a.O., § 19 Rz. 22;
DKK/Schneider, BetrVG, 9. Aufl., § 19 Rz. 9 m.w.N.).
Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts und des Arbeitgebers darauf, dass die Durchführung
der Neuwahl bereits deshalb unzulässig sei, weil diese Neuwahl vor Rechtskraft einer
Entscheidung über den Anfechtungsantrag des Arbeitgebers vom 12.04.2002, gerichtet
gegen die Betriebsratswahl vom 28.03.2002, stattfinden solle, schließt den Anspruch des
Wahlvorstandes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 WO auf Vorlage einer Mitarbeiteraufstellung
zwecks Aufstellung einer Wählerliste nicht aus. Zwar wird unter Hinweis auf eine
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (DB 1978, 1452) in der Literatur vertreten,
dass eine außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraumes durchgeführte Betriebsratswahl
nicht zulässig sei, wenn vor Rechtskraft der Entscheidung über die Wahlanfechtung eines
Betriebsrates ein neuer Betriebsrat gewählt wird (Fitting, a.a.O., § 13 Rz. 20). Abgesehen
davon, dass das Zitat in der genannten Kommentierung offenbar unzutreffend ist (dort findet
sich keine Entscheidung des LAG Hamm, die sich mit einer Betriebsratswahl und ihren
Folgen befasst, sondern eine Entscheidung des BAG, nämlich Beschluss vom 11.04.1978 -
6 ABR 22/77 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8 = DB 1978, 1452), ist der vorliegende Fall mit der
Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.1978 zugrunde
lag, nicht vergleichbar. Das Bundesarbeitsgericht hat in der genannten Entscheidung
ausgeführt, dass es unzulässig sei, wenn durch eine nicht angefochtene Betriebsratswahl
ein einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebsteile gebildet worden ist und während der
Amtszeit dieses Betriebsrates ein eigener Betriebsrat für einen Betriebsteil mit der
Begründung gewählt werden soll, dieser Betriebsteil sei selbständig im Sinne des § 4
BetrVG. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil gerade kein
einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebsteile gewählt worden ist. Im Übrigen hätte es
im vorliegenden Fall der Arbeitgeber, der die Betriebsratswahl 2002 in H1xxx angefochten
hatte, in der Hand gehabt, eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit der
Betriebsratswahl 2002 in H1xxx herbeizuführen. Dies hat er jedoch unterlassen, indem auf
seinen Antrag hin das Beschlussverfahren 5 BV 13/02 Arbeitsgericht Hagen bereits im
Jahre 2002 zum Ruhen gebracht worden ist.
2. Entgegen der vom Arbeitgeber vertretenen Auffassung kann auch der für den Erlass
einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht verneint werden.
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines
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Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Zur
Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein. Angesichts
der Tatsache, dass im vorliegenden Fall die einstweilige Verfügung Erfüllungswirkung hat,
ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Es kommt insoweit darauf an, ob die
glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur
Ab-wendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige
Regelung zu treffen (LAG Hamm, Urteil vom 19.04.1984 - LAGE GG Art. 9 Nr. 14 = NZA
1994, 130; LAG Hamm, Urteil vom 17.03.1987 - LAGE GG Art. 9 Nr. 31 = DB 1987, 846;
LAG Hamm, Be-schluss vom 06.02.2001 - AiB 2001, 488; Korinth, Einstweiliger
Rechtsschutz im Arbeitsge-richtsverfahren, 2000, Anh. zu § 935, 940 ZPO, Rz. 361 m.w.N.).
Dabei ist das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen
Maßnahme einerseits für den Arbeitgeber und andererseits für die Belegschaft
angemessen zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP BetrVG 1972 § 23
Nr. 23 - unter B. III. 3. der Gründe).
a) Die Eilbedürftigkeit kann nicht deshalb verneint werden, weil der Betriebsrat offenbar erst
Ende Januar 2005 seiner Verpflichtung nach § 16 BetrVG zur Bestellung eines
Wahlvorstan-es nachgekommen ist, obwohl die Voraussetzungen für eine Neuwahl nach §
13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bereits seit Oktober 2004 vorgelegen haben. Dieses zögerliche
Verhalten des Be-triebsrates kann - selbst wenn dafür seitens des Betriebsrats keine
Gründe geltend gemacht werden könnten - nicht dem Wahlvorstand angelastet werden,
auch wenn zum Teil Perso-nenidentität besteht. Bei dem Betriebsrat einerseits und dem
Wahlvorstand andererseits handelt es sich um zwei unterschiedliche Gremien. Vor seiner
Bestellung zum Wahlvorstand konnte dieser nicht tätig werden.
b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Wahlvorstand auch nicht auf die
Durchführung eines normalen Beschlussverfahrens verwiesen werden. Bereits aus § 18
Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt sich, dass der Wahlvorstand nach seiner Bestellung die Wahl
unver-züglich einzuleiten hat. Dazu hat er unverzüglich die Wählerliste aufzustellen (Fitting,
a.a.O., § 2 WO Rz. 1; DKK/Schneider, a.a.O., § 2 WO Rz. 1; Kreutz/Oetker, GK-BetrVG,
a.a.O., § 2 WO Rz. 2). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz
1 BGB. Die Durchführung eines ordentlichen Beschlussverfahrens würde jedoch bis hin zur
rechtskräfti-gen Entscheidung mindestens mehrere Monate andauern. Die Einleitung eines
ordentlichen Beschlussverfahrens zur Vorlage einer Mitarbeiterliste zwecks Aufstellung der
Wählerliste wäre damit mit der Verpflichtung des Wahlvorstandes, unverzüglich tätig zu
werden, nicht mehr vereinbar. Aus diesem Grunde ist es auch allgemein anerkannt, dass
die Vorlage einer Mitarbeiterliste zwecks Aufstellung der Wählerliste durch einstweilige
Verfügung erzwingbar ist (LAG Hamm, Beschluss vom 27.05.1977 - DB 1977, 1269, 1271;
Fitting, a.a.O., § 2 WO Rz. 6; DKK/Schneider, § 2 WO Rz. 15; Kreutz/Oetker, a.a.O., § 2 WO
Rz. 10; Richardi/Thüsing, BetrVG, 9. Aufl., § 2 WO Rz. 11).
Bei Abwägung der Interessen des Arbeitgebers, eine Betriebsratswahl in der seiner
Auffassung nach nicht betriebsratsfähigen Einrichtung in H1xxx zu verhindern, mit der
Interessenlage der in der Einrichtung in H1xxx beschäftigten Arbeitnehmer an einer
wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat ist nach Auffassung der Beschwerdekammer
dem Interesse der Belegschaft der Vorzug zu geben. Mit der Herausgabe einer
Mitarbeiterliste an den Wahlvorstand zwecks Erstellung einer Wählerliste ist nämlich noch
keine endgültige Entscheidung darüber getroffen worden, ob in den in H1xxx
verbleibenden Wohngruppen ein betriebsratsfähiger Betrieb zu sehen ist. Der
Wahlvorstand hat im Beschwerdeverfahren ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass er
noch keine Entscheidung darüber getroffen habe, ob die Einrichtungen in H1xxx einen
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betriebsratsfähigen Betrieb darstellen oder nicht. Erst wenn dem Wahlvorstand die
angeforderten Unterlagen vorliegen, wird er eigenverantwortlich darüber entscheiden
müssen, ob die Einrichtungen in H1xxx einen betriebsratsfähigen Betrieb darstellen und
das Wahlverfahren fortgesetzt wird. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die vom
Wahlvorstand verlangte Mitarbeiterliste für den Arbeitgeber unschwer und ohne große
Kosten zu erstellen ist. Die Weigerung des Arbeitgebers, eine derartige Liste zu erstellen,
stellt sich gegenüber den Interessen der in H1xxx beschäftigten Mitarbeiter an einer
wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat als ein schwerwiegenderer Eingriff dar, als
wenn Monate lang mit der weiteren Durchführung der unverzüglich durchzuführenden
Betriebsratswahl zugewartet werden müsste. Insoweit überwiegt das Interesse der in H1xxx
beschäftigten Arbeitnehmer an einer wirksamen Vertretung durch den Betriebsrat
gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung einer Wahlanfechtung.
Dies gilt umso mehr, als offenbar eine Entscheidung des Wahlvorstandes über die
Betriebsratsfähigkeit der in H1xxx verbliebenen Einrichtung noch nicht getroffen worden ist.
III
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3
ArbGG.
Schierbaum Dr. Knuth Tillmann
/N.