Urteil des LAG Hamm vom 23.07.2004
LArbG Hamm (tätigkeit, aufgaben, abteilung, eisen, bag, vermessung, zpo, arbeitsgericht, mitarbeiter, leitung)
Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Sa 279/04
Datum:
23.07.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 279/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herford, 4 (2) Ca 1398/03
Schlagworte:
Eingruppierung in der metallverarbeitenden Industrie NRWAbgrenzung
Angestellter/Arbeiter
Normen:
§ 256 ZPO§ 133 Abs. 2 SGB VI§ 1 TVG Tarifverträge:
MetallindustrieLohn-/Gehaltsrahmenabkommen der Eisen-, Metall-,
Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford
vom 05.12.2003 - 4 (2) Ca 1398/03 - wird auf Kosten der Klägerin zu-
rückgewiesen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um eine höhere tarifliche Eingruppierung und Bezahlung.
2
Die am 01.02.11xx geborene Klägerin absolvierte in der ehemaligen DDR eine Lehre
als Zerspanungsfacharbeiterin bei einem V4x. In der Zeit von 1971 bis 1986 war sie in
ihrem gelernten Beruf als Zerspanerin tätig.
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Seit dem 06.01.1992 ist sie bei der Beklagten, einem Betrieb der Metallindustrie mit
zuletzt ca. 60 Mitarbeitern, als gewerbliche Mitarbeiterin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis
der Parteien finden die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und
Zentralheizungsindustrie NRW Anwendung. Gemäß Schreiben der Beklagten vom
15.04.1992 (Bl. 19 d.A.) war die Klägerin, die im Bereich der Qualitätssicherung
eingesetzt war, in die Lohngruppe 7 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen
Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-
Westfalen - LTV - eingestuft.
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Aufgrund einer Übernahme zusätzlicher Aufgaben wurde die Klägerin ab April 1998 in
die Lohngruppe 8 LTV eingruppiert. Sie erhielt danach zuzüglich einer Zulage in Höhe
von 16 % für die Zeit von Januar 2003 bis einschließlich Mai 2003 eine
Gesamtvergütung in Höhe von monatlich 2.194,52 EUR, ab Juni 2003 in Höhe von
monatlich 2.251,57 EUR.
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In der Abteilung Qualitätssicherung war die Klägerin zunächst einem Leiter der
Abteilung unterstellt, der in der Gehaltsgruppe T 5 des Gehaltsrahmenabkommens in
der Eisen-, Me-tall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens - GRA -
eingestuft war. Nach dem Ausscheiden dieses Leiters der Abteilung Qualitätssicherung
mit Wirkung zum
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30.04.2002 übernahm die Leitungsfunktion dieser Abteilung der Prokurist der Beklagten,
Herr L2xxxxxxxxx, der auch vor der Einstellung des Leiters der Qualitätssicherung für
diesen Bereich verantwortlich war.
7
Eine weitere Änderung der Leitung des Qualitätswesens erfolgte zu Beginn des Jahres
2003, als aufgrund eines Kooperationsvertrages der Beklagten mit dem benachbarten
Unternehmen, der Firma E5xxxxx GmbH & Co. KG, die Leitung des Qualitätswesens der
Beklagten dem Leiter des Qualitätswesens der Firma E5xxxxx GmbH & Co. KG
übertragen wurde. Er ist fachlich im Rahmen der Aufgabenerfüllung des
Qualitätswesens der Vorgesetzte und der Ansprechpartner der Klägerin.
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Mit der am 06.08.2003 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage machte die Klägerin ihre
Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 GRA ab 01.01.2003 sowie die Zahlung eines
entsprechenden Differenzbetrages zwischen der Vergütung nach dieser Gehaltsgruppe
und dem zuletzt gezahlten Entgelt für die Monate Januar bis einschließlich August 2003
geltend.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie müsse in die Gehaltsgruppe T 5 GRA
eingruppiert werden. Die Voraussetzungen dieser Vergütungsgruppe lägen vor, weil sie
schwierige Aufgaben nach allgemeinen Richtlinien selbständig bearbeite. Sie verfüge
auch über umfangreiche Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie Übersicht über die
Zusammenhänge in ihrem Bereich.
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In diesem Zusammenhang hat die Klägerin behauptet, sie sei für das gesamte
Qualitätswesen bei der Beklagten zuständig. Die von ihr ausgeführten Arbeiten seien
zuvor von dem Qualitätsleiter, Herrn W3xxx, ausgeführt worden. Sämtliche Tätigkeiten
führe sie eigenständig und in Eigenverantwortung durch.
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In jedem Falle, so hat die Klägerin gemeint, erfülle sie die Richtbeispiele Nr. 164 und Nr.
184 der Gehaltsgruppe T 5 GRA. Dies begründe nach § 2 GRA automatisch einen
Anspruch auf Eingruppierung in diese Gehaltsgruppe.
12
Die Klägerin hat behauptet, sie übe im Einzelnen folgende Tätigkeiten aus:
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Sie sei zuständig für Neubauten von Werkzeugen, bereite Zeichnungsunterlagen vor,
erstelle die Erstmusterprüfberichte, beurteile Neuteile und vermesse komplett nach
Zeich-nungsunterlagen. Sie sei zuständig für Änderungen und Korrekturen und beurteile
die ge-änderten Teile und erstelle die sogenannten Erstmusterprüfberichte. Darüber
hinaus leite sie Korrekturmaßnahmen bei defekten Werkzeugen ein, beurteile die
Korrekturen und gebe entsprechend die Fertigung frei. Sie erstelle Prüfpläne, bearbeite
Reklamationen und sei zuständig für die Steuerung. Sie überprüfe vorhandene
Lagerbestände und hole bei feh-lenden Teilen Sonderfreigaben beim Kunden ein. Sie
entscheide über die Weiterverarbeitung der Teile und dokumentiere Reklamationen.
Darüber hinaus sei sie zuständig für die Fertigungsfreigabe und Fertigungskontrollen in
Form von Stichproben. Weiterhin obliege ihr die Durchführung von Spannungsrisstesten
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sowie die Durchführung von Zugversuchen, die Überwachung sämtlicher Prüfmittel und
entsprechende Freigabe sowie die Durchführung der Maßprüfung bei Serienteilen und
entsprechende Dokumentationen.
Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem
01.01.2003 in die Gehaltsgruppe T 5 des Gehaltsrahmenabkommens für
Angestellte in der Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom
01.07.1975 einzugruppieren,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.568,04 EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle weder nach der konkreten Tätigkeit
noch nach ihren Fähigkeiten die Merkmale für eine Eingruppierung in die
Gehaltsgruppe T 5 GRA. Sie sei zu Recht in die Lohngruppe 8 LTV eingruppiert
worden. Eine neuere Überprüfung habe sogar ergeben, dass nicht einmal die
Voraussetzungen der Lohngruppe 8, sondern allein die Voraussetzungen der
Lohngruppe 7 LRA vorlägen. Hierzu bezieht sich die Beklagte auf einen Analysebogen
"Beschreibung und Bewertung von Arbeitsaufgaben" vom 03.12.2003 (Bl. 26 f.d.A.).
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Bei ihrer Einstellung in den Betrieb der Beklagten sei die Klägerin zutreffend in die
Lohn-gruppe 7 als Facharbeiterin im Bereich der Qualitätssicherung eingruppiert
worden. An der Wertigkeit ihrer Tätigkeit, an ihrer Verantwortung und an dem
tatsächlichen Arbeitsinhalt habe sich nichts geändert. Insbesondere habe die
Entlassung des Leiters der Qualitätssi-cherung, Herrn W3xxx, zum 30.04.2002 für die
Klägerin nicht zur Folge gehabt, dass sie
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nunmehr die Leitungsfunktion bzw. Führung und Bearbeitung der Abteilung
Qualitätswesen eigenverantwortlich übernommen habe. Hieran habe sich auch bei der
Übertragung der Leitung des Qualitätswesens auf den Prokuristen L2xxxxxxxxx bzw. auf
den Mitarbeiter der Firma E5xxxxx GmbH & Co. KG nach Abschluss des
Kooperationsvertrages nichts geändert. Die Klägerin verrichte nach wie vor ihre
Tätigkeit in der Abteilung Qualitätswesen in untergeordneter Position.
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Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle auch keines der
Richtbeispiele der Gehaltsgruppe T 5 GRA. Insbesondere lägen die Voraussetzungen
der Nr. 164 und 184 nicht vor.
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Durch Urteil vom 05.12.2003 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Eingruppierung in die
Gehaltsgruppe T 5 GRA. Nach dem Vorbringen der Klägerin könne nicht angenommen
werden, dass die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Gehaltsgruppe T 5 GRA
vorlägen. Dies ergebe sich weder aus der Darstellung der Einzeltätigkeiten durch die
Klägerin noch könne aus ihrem Vorbringen entnommen werden, dass sie die
Richtbeispiele Nr. 164 oder 184 der Gehaltsgruppe T 5 GRA erfülle. Auch habe die
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Klägerin zum Umfang etwaiger höherwertiger Tätigkeiten nichts vorgetragen.
Gegen das der Klägerin am 16.01.2004 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klägerin am 13.02.2004 Berufung zum
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.05.2004 mit dem am 15.04.2004 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Klägerin nach wie vor
der Auffassung, sie sei in die Gehaltsgruppe T 5 GRA einzugruppieren.
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Im Einzelnen verrichte sie folgende Tätigkeiten:
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Bei der Erstellung eines neuen Werkszeugs, auch bei Änderungen, Korrekturen und
Materialwechsel, werde das von diesem Werkzeug erstellte Kunststoffteil komplett nach
Artikelzeichnung vermessen. Hierzu archiviere die Klägerin Zeichnungen über die zu
fertigenden Kunststoffteile in einer Mappe. Hierzu verwende die Klägerin folgende
Messmittel: Messschieber, Tiefenmaß, Mikrometer, Messuhr, Endmaße, 2D-Projektor,
3D-Koordinatenmessgerät.
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Messschieber, Tiefenmaß, Endmaße und Mikrometer seien nur bei symmetrisch
geformten Werkstücken einsetzbar und bedingten in ihrer Handhabung
Fingerspitzengefühl, Augenmaß und umfängliche praktische Erfahrung.
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Kunststoffspritzgussteile seien konstruktions- bzw. fertigungsbedingt überwiegend in
ihrer Form ungleichmäßig und asymmetrisch, so dass zu deren Vermessung mit
einfachen Messmitteln kaum eindeutige Mess- bzw. Anlagefläche vorhanden seien.
Allein hieraus ergebe sich schon die Kompliziertheit der Vermessung von gespritzten
Kunststoffteilen, die durch die Konsistenz des Verarbeitungsmaterials zusätzlich
erschwert würde und eine erhöhte Fingerfertigkeit bzw. besonderes
Einfühlungsvermögen erforderten, um keine unkorrekten Messergebnisse zu erzielen.
Die Vermessung mit Messuhren zur Feststellung von genauen Höhen- bzw.
Tiefenmaßen bzw. Rundlauf erfordere viel Fingerspitzengefühl, da sie nur bei exakt
kalibriertem Werkzeug möglich ist. Viele Kunststoffteile seien zudem erst nach
detaillierter Trennung und Verankerung in einer speziell für das entsprechende Teil
erstellten Halterung mit diversen Messmitteln messbar. Die Vermessung am Projektor,
einem 2-Koordinatenlichtbildwerfer erfordere ein hohes Augenmaß, Fingerfertigkeit und
technisches Verständnis für die Handhabung der Apparatur und für die Ausrichtung des
zu vermessenden Werkstückes. Die Handhabung bei der Werkstückvermessung mit
einem 3D-Koordinatenmessgerät setze umfangreiches technisches Fachwissen zur
Bedienung der Maschinenhardware und der 3D-Koordinatenmesstechnik voraus.
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Mit diesen Tätigkeiten sei die Klägerin insgesamt zu 70 % ihrer Arbeitszeit befasst.
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Darüber hinaus archiviere die Klägerin Zeichnungen über die zu fertigenden
Kunststoffteile in einer Mappe. Die von Kunden geschickten Zeichnungen, die zunächst
in die Konstruktion gingen und dort als Kopien verteilt würden, würden in der Abteilung
Qualitätssicherung von ihr archiviert. Bei Änderung eines Teiles werde auch die
Zeichnung ausgetauscht. Diese Tätigkeit der Klägerin nehme eine Stunde pro Woche in
Anspruch.
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Ferner verrichte die Klägerin den Spannungsrisstest und den Zug- und Fertigkeitstest.
Hiermit sei sie ebenfalls eine Stunde pro Woche befasst.
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Die Klägerin vertritt ferner die Auffassung, dass ihre Tätigkeit zumindest in die
Tarifgruppe T 4 einzugruppieren sei. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit verfüge sie,
die Klägerin, über gründliche Fachkenntnisse und Berufskönnen. Im Übrigen treffe auf
die Tätigkeit der Klägerin die Richtbeispiele Nr. 157, 147, 159, 149 und 156 zu. Sie, die
Klägerin, verrichte, wie sie behauptet, die in diesen Richtbeispielen genannten
Tätigkeiten. Sie sei deshalb
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mindestens in die Endstufe der Gehaltsgruppe T 4 GRA einzugruppieren. Zumindest sei
sie in das zweite Beschäftigungsjahr dieser Gehaltsgruppe einzugruppieren.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Herford vom 05.12.2003 - 4 (2)
Ca 1398/03 -
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 01.01.2003 in
die Gehaltsgruppe T 5, hilfsweise in die Gehaltsgruppe T 4 Endstufe, äußerst
hilfsweise in die Gehaltsgruppe T 4 zweites Beschäftigungsjahr des
Gehaltsrahmenabkommens für Angestellte in der Metallindustrie in Nordrhein-
Westfalen in der Fassung vom 01.07.1975 einzugruppieren,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.568,04 EUR brutto, hilfsweise
3.883,37 EUR brutto, äußerst hilfsweise 1.234,66 EUR brutto nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist unter Hinweis auf die
Tätigkeitsbeschreibung vom 03.12.2003 (Bl. 26 f.d.A.) nach wie vor der Auffassung,
dass die Klägerin nicht die Tätigkeiten einer technischen Angestellten, sondern einer
Facharbeiterin ausübe. Sämtliche von ihr geschilderten Tätigkeiten seien
Facharbeitertätigkeiten. Die von der Klägerin geschilderten Tätigkeiten rechtfertigten
allenfalls eine Eingruppierung in die Lohngruppe 8 LRA.
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Weder könne die Klägerin in die Gehaltsgruppe T 5 GRA noch in die Gehaltsgruppe T 4
GRA eingruppiert werden. Insbesondere erfülle die Klägerin auch keines der den
Richtbeispielen zur Gehaltsgruppe T 4 GRA aufgeführten Tätigkeitsmerkmale.
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Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze
ergänzend Bezug genommen.
44
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
45
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
46
I
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Die Klage ist zulässig.
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Dem Feststellungsantrag der Klägerin mangelt es nicht an dem erforderlichen
Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Die Klägerin hat eine allgemein übliche
Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben. Für solche Klagen besteht auch außerhalb
des öffentlichen Dienstes das nach § 256 ZPO erforderliche besondere
Feststellungsinteresse (BAG, Urteil vom 20.04.1988 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr.
93; BAG, Urteil vom 21.07.1993 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 10; BAG, Urteil
vom 26.05.1993 - AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 2; BAG, Urteil vom 17.08.1994 - AP
TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 49 m.w.N.).
49
II
50
Die Klage ist insgesamt unbegründet.
51
Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 des
Gehaltsrahmenabkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie
Nordrhein-Westfalen vom 19.02.1995 - GRA - zu. Noch hat sie einen Anspruch auf
Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 4 GRA. Die Voraussetzungen der
Gehaltsgruppe T 5 bzw. T 4 GRA liegen nicht vor.
52
Dementsprechend war auch der entsprechende Zahlungsantrag der Klägerin als
unbegründet abzuweisen.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 GRA.
54
a) Nach § 2 Nr. 1 GRA werden die "Angestellten" entsprechend ihrer Tätigkeit in die
einzelnen Gehaltsgruppen eingestuft. Für die Einstufung des Angestellten ist allein die
von ihm ausgeübte Tätigkeit und nicht die Berufsbezeichnung maßgebend.
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Bereits nach dem persönlichen Geltungsbereich des Gehaltsrahmenabkommens, § 1
Nr. 3 GRA, gelten die Bestimmungen des Gehaltsrahmenabkommens "für die
Angestellten".
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Demgegenüber gelten die Bestimmungen des Lohnrahmenabkommens nach § 1 Nr. 3
LRA "für alle Lohnempfänger einschließlich der Nicht-Metallarbeiter".
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b) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wird nicht vom Geltungsbereich des § 1 Nr. 3 GRA
erfasst. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nämlich schon nicht, dass sie
technische Angestellte im Sinne des § 1 Nr. 3 GRA ist.
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Die Frage, ob ein Mitarbeiter, der den Vergütungstarifverträgen der metallverarbeitenden
Industrie NRW unterliegt, Arbeiter oder Angestellter ist, richtet sich nach den
allgemeinen Regeln und nicht nach der konkreten Erfüllung der einzelnen
Eingruppierungsmerkmale des Gehaltsrahmenabkommens bzw. des
Lohnrahmenabkommens. Dabei kann auch bei der Eingruppierung im Bereich der
metallverarbeitenden Industrie zur Abgrenzung der Angestellten- und
Arbeitereigenschaft auf das Sozialversicherungsrecht abgestellt werden. Zunächst ist zu
prüfen, ob der Beschäftigte zu einer der in § 133 Abs. 2 SGB VI genannten Gruppen
gehört. Ist dies nicht der Fall, so ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob die
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Tätigkeit im sogenannten Berufsgruppenkatalog aufgeführt ist. Auf der dritten Stufe ist zu
prüfen, ob die Beschäftigung derjenigen einer Berufsgruppe entspricht, deren
Angehörige nach der Verkehrsanschauung allgemein als Angestellte betrachtet werden.
Schließlich hängt in der vierten Prüfungsstufe die Frage, ob ein Arbeitnehmer Arbeiter
oder Angestellter ist, davon ab, ob die Beschäftigung vorwiegend geistig oder körperlich
geprägt ist (BAG, Urteil vom 21.08.2003 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr.
185 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 127).
Nach diesen Grundsätzen gehört die Klägerin nicht zur Berufsgruppe der Angestellten
im Sinne des § 1 Nr. 3 GRA.
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Die Klägerin ist nicht technische Angestellte im Sinne des § 133 Abs. 2 SGB VI.
Hierunter fallen aufgrund der Formulierung des Gesetzes nur Angestellte in gehobener
bzw. höherer Stellung, wie z.B. Ingenieure. Die Klägerin verfügt nicht über eine
Ingenieurausbildung.
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Auch im Berufsgruppenkatalog des Reichsarbeitsministers findet sich die von der
Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht.
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Demgegenüber ergibt die allgemeine Verkehrsanschauung und die allgemeine
Auffassung der beteiligten Berufskreise, dass Mitarbeiter mit Tätigkeiten, wie die
Klägerin sie ausübt, als Facharbeitertätigkeiten anzusehen sind. Nach dem von der
Klägerin in der Berufungsinstanz geschilderten Tätigkeitsbereich übt die Klägerin
überwiegend Tätigkeiten aus, die allgemein gehobenen Facharbeitertätigkeiten
zugeordnet werden. Aus dem Vorbringen der Klägerin geht nicht hervor, dass sie
überwiegend geistige Tätigkeit leistet.
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c) Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass sie die
Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 erfüllt.
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In die Gehaltsgruppe T 5 GRA sind eingruppiert Angestellte, die schwierige Aufgaben
nach allgemeinen Richtlinien selbständig bearbeiten, wozu umfangreiche
Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie Übersicht über die Zusammenhänge in diesem
Bereich erforderlich sind.
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Die der Gehaltsgruppe T 5 GRA beigefügten "Beispiele für typische Tätigkeiten" gelten
nach § 2 Abs. 2 GRA als Richtbeispiele; sie begründen nur in Verbindung mit den
Gruppenmerkmalen einen Anspruch auf entsprechende Einstufung. Maßgebend für die
Eingruppierung sind die Gruppenmerkmale.
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Die Klägerin, unterstellt sie wäre Angestellte im Sinne der Bestimmungen des
Gehaltsrah-menabkommens, erfüllt nicht die Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe T 5
GRA.
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Die von der Klägerin mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 15.04.2004
geschilder-ten Tätigkeiten, mit denen sie nach ihrem Vorbringen zu 70 % ihrer
Arbeitszeit befasst ist, erfüllen weder die Anforderungen der Gruppenmerkmale der
Gehaltsgruppe T 5 GRA, noch sind diese Tätigkeiten der Richtbeispiele Nr. 164 oder
184. Dies hat bereits das Arbeitsge-richt zutreffend in dem angefochtenen Urteil
festgestellt. Für die Absolvierung der von der Klägerin im Berufungsrechtszug
geschilderten Tätigkeiten bedarf es, wie die Beklagte zu Recht ausführt, allein einer
68
Ausbildung eines Facharbeiters. Die Vermessung eines von einem Werkzeug erstellten
Kunststoffteils erfüllt nach bestandener Abschlussprüfung eines Facharbeiters allenfalls
die Eingruppierungsmerkmale nach der Lohngruppe 7 LRA. Der Klägerin obliegt es
auch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht, Maschinenteile, Werkzeuge oder
Vorrichtungen schwieriger Art zu konstruieren und/oder zu berechnen (Nr. 164); sie
bearbeitet auch nicht Reklamationen, sie führt nicht die dafür erforderlichen
Untersuchun-gen durch und erstellt auch keine Untersuchungsberichte im Sinne des
Richtbeispieles Nr. 184. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil
zutreffend ausgeführt. Darauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen werden. Worin die selbständige Bearbeitung besonders schwieriger
Aufgaben liegen soll, die über die Bear-beitung von Aufgaben nach der Gehaltsgruppe
T 4 GRA hinausgeht, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
2. Entgegen ihrer Rechtsauffassung kann die Klägerin auch nicht in die
Vergütungsgruppe T 4 GRA eingruppiert werden.
69
Abgesehen davon, dass sich - wie bereits ausgeführt - aus dem Vorbringen der Klägerin
nicht ergibt, dass sie technische Angestellte im Sinne der Bestimmungen des
Gehaltsrahmenabkommens ist, erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen der
Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe T4 GRA.
70
In die Gehaltsgruppe T 4 GRA sind eingruppiert Angestellte, welche umgrenzte
Aufgaben nach Anweisungen erledigen, wozu gründliche Fachkenntnisse und
Berufskönnen erforderlich sind.
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Die Klägerin verrichtet weder die in den Richtbeispielen zur Gehaltsgruppe T 4 GRA
aufgeführten Tätigkeiten, noch kann aus ihrem Vorbringen entnommen werden, dass sie
die Gruppenmerkmale der Gehaltsgruppe T 4 GRA erfüllt.
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Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt nicht das Richtbeispiel Nr. 157 zur Gehaltsgruppe T 4
GRA. Hiernach ist das Ausführen von Untersuchungen analytischer, synthetischer oder
messender Art bei komplizierter Handhabung der Apparatur erforderlich. Nach dem
eigenen Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung ist die Klägerin
überwiegend mit der Kontrolle der durch die Werkzeuge der Beklagten gefertigten
Kunststoffteile auf Maßhaltigkeit und Einhaltung der Kundentoleranzen befasst. Hierzu
bedient sie sich mehrerer Messmittel. Dabei handelt es sich aber, wie die Beklagte
zutreffend vorträgt, um die Kontrolle ganz normal gefertigter Teile auf Maßhaltigkeit
entsprechend der Kundenvorgaben unter Einsatz von Messmitteln, die den Kenntnis-
und Erfahrungsstand eines normalen, unter Umständen auch gehobenen Facharbeiters
entspricht. Es handelt sich gerade nicht um Aufgaben eines technischen Angestellten
nach dem Gehaltsrahmenabkommen.
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Auch die Voraussetzungen des Richtbeispiels Nr. 147 "Verwalten einer kleinen
vielseitigen Zeichnungsregistratur" liegen nicht vor. Die Klägerin legt lediglich
Zeichnungen, die von Kunden an die Beklagte geschickt werden, ab oder tauscht
Zeichnungen bei Änderungen bei Kunststoffteilen aus. Zu Recht verweist die Beklagte
darauf, dass hiermit allenfalls ein Ablegen von Zeichnungen nach einfachen
Sachgebieten (Richtbeispiel Nr. 120 der Ge-haltsgruppe T 2 GRA) erfüllt ist. Im Übrigen
macht diese Tätigkeit nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht mehr als 50 %
ihrer Gesamttätigkeit aus.
74
Auch die Voraussetzungen des Richtbeispiels Nr. 159 zur Gehaltsgruppe T 4 GRA sind
nicht gegeben. Die Klägerin fertigt keine Prüfberichte an und analysiert sie auch nicht.
Nach ihrem eigenen Vorbringen dokumentiert die Klägerin ihre Messergebnisse, die
festgestellten Werte werden ohne weiteren jeglichen Kundenkontakt an den Kunden
zurückgeschickt, der sich dann entscheidet, ob die festgestellten Toleranzen, wenn
welche vorhanden sind, sich noch innerhalb der Vorgaben des Kunden bewegen oder
ob Änderungen in der Konstruktion erforderlich sind. Mit der Tätigkeit der Klägerin ist ein
Analysieren von Prüfberichten nicht verbunden.
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Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt auch nicht die Tätigkeiten des Richtbeispiels Nr. 149.
Die Klägerin stellt keinen Bedarf von Teilen und Werkstoffmengen für die Fertigung fest.
Mit der Fertigung als solches hat sie nach ihrem eigenen Vorbringen nichts zu tun, sie
trifft auch keinerlei Entscheidungen über den Fertigungsprozess, sondern überprüft
einzig und allein im Rahmen des Kundenauftrages, ob das gefertigte Produkt den
Kundenvorgaben entspricht. Änderungen von Fertigungsmengen oder sonstige
Entscheidungen des Betriebsablaufs trifft nicht sie, sondern nach ihrem eigenen
Vorbringen der Kunde.
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Schließlich erfüllt die Klägerin auch nicht die Tätigkeitsmerkmale des Richtbeispiels Nr.
156. Die Klägerin führt keine betriebsüblichen Sonderuntersuchungen durch. Das
Durchführen eines Spannungsrisstests oder des Zugfertigungstests stellt keine
Sonderuntersuchung im Sinne des Richtbeispiels Nr. 156 dar, sondern ist eine ganz
normale Überprüfung im Rahmen einer Kundenvorgabe. Im Übrigen fällt diese Aufgabe
nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin maximal eine Stunde pro Woche an.
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Aus alledem ergibt sich, dass die tatsächlich von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit
weder in einzelnen Aspekten noch in ihrer Gesamtheit den Tätigkeitsmerkmalen der
Gehaltsgruppe T 4 GRA entspricht.
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III
79
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten
des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
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Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert, § 25 GKG.
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Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2
ArbGG keine Veranlassung.
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Schierbaum
Prof. Dr. Remmel
Teichmann
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/N
85