Urteil des LAG Hamm vom 18.03.2004

LArbG Hamm (kommission, mitarbeiter, treu und glauben, ekd, vergütung, bag, anlage, arbeitnehmer, evangelische kirche, sitzung)

Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 368/03
Datum:
18.03.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 368/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 3 Ca 4208/01
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 431/04 Revision zurückgewiesen
12.10.2005
Leitsätze:
Die Einführung der Berufsgruppeneinteilungen für Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ohne abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten
Ausbildungsberuf durch die Arbeitsrecht-liche Kommission des
Diakonischen Werkes der EKD ist nicht offenbar unbillig i. S. d. § 319
BGB. Hierdurch sollte der Dienstgeberseite der Anreiz genommen
werden, solche Hilfsfunk-tionen fremd zu vergeben. Dieser Zweck gibt
einen sachlichen Grund für die Schlechterstellung der betroffenen
Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern ab und vermag
eine eventuelle größere nachteilige Betroffenheit von Frauen objektiv zu
rechtfertigen.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld
vom 04.12.2002 - 3 Ca 4208/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die für die Klägerin maßgebliche Vergütungsordnung.
2
Der beklagte Verein, der ca. 6.000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine Einrichtung der
Diakonie. Er betreibt 72 Krankenhäuser, Altersheime und andere Sozialeinrichtungen
mit einem Gesamtjahresumsatz von 2 Millionen EURO. Aufgrund seiner Mitgliedschaft
im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von W2xxxxxxx unterliegt er dessen
Satzung. Dort ist in § 4 Abs. 1 Nr. 7 a bestimmt, dass das nach den
Arbeitsrechtsregelungen der Evangelischen Kirche von W2xxxxxxx oder des
Diakonischen Werks der EKD gestaltete Arbeitsrecht anzuwenden ist. Der Beklagte
wendet die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW) an.
Entsprechend der Verpflichtung der Satzung in § 4 Abs. 2 Nr. 7 b hat sich der Beklagte
einer kirchlichen Zusatzversorgungskasse angeschlossen, bei der die Klägerin
zusatzversichert ist.
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Die am 21.01.14xx geborene, verheiratete und einer Person zum Unterhalt verpflichtete
Klägerin ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.06.1988 bei
dem beklagten Verein in dessen Einrichtung J2xxxxxx-Krankenhaus seit dem
01.06.1988 als Küchenhilfe beschäftigt. § 2 ihres Arbeitsvertrages lautet:
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"Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR-DW) des
Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerke – Evangelische Kirche
in D6xxxxxxxxx in der jeweils gültigen Fassung. Sie sind im Auszug als Anlage
beigefügt. Künftige Änderungen der Richtlinien gelten vom Tag des
Inkrafttretens an auch für diesen Dienstvertrag."
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Die Klägerin war bis zum 31.08.1998 aufgrund ihrer Tätigkeit in der
Berufsgruppeneinteilung H, dort in der Vergütungsgruppe H 2 a, eingruppiert. Die
Berufsgruppeneinteilung H, die in der Anlage 1 c zu den AVR-DW geregelt ist, betrifft
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in arbeiterrentenversicherungspflichtiger Tätigkeit. Es
handelt sich um eine im Rahmen des
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sogenannten Dritten Weges beschlossene Kirchliche Arbeitsrechtsregelung. Zuständig
hierfür ist die Gemeinsame Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werks der
EKD (AK-DW-EKD). Deren Aufgabenstellung und Verfahrensweise war zum Zeitpunkt
der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Beschlüsse in der "Ordnung für die
Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werkes der EKD vom 16.10.1996 in
der Fassung vom 17.06.1997" geregelt. Ihr gehörten nach § 3 Abs. 1 je 10 Vertreter und
Vertreterinnen der Mitarbeiter im Kirchlichen Dienst sowie der Dienstgeberseite an.
Nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung wurden die Dienstnehmervertreter von
den Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen benannt. Ab dem 01.01.1998
wurden sie durch Vereinigungen, in denen mindestens 500 Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen im Diakonischen Dienst zusammengeschlossen sind, entsandt. Zu
diesen Vereinigungen gehört die damalige Gewerkschaft ÖTV, die jedoch in den
Arbeitsrechtlichen Kommissionen im Kirchlichen Bereich nicht mitarbeitet, da der
Gewerkschaftstag im Jahre 1988 beschlossen hatte, sich hieran nicht zu beteiligen. Zu
den über den Verband Kirchlicher Mitarbeiter – VKM – im Jahre 1998 in die AK-DW-
EKD entsandten Mitarbeiter-Vertretern gehörte der Personalleiter einer Klinik und der
Geschäftsführer dieses Verbandes. Nach § 7 Abs. 1 der Ordnung sind die Mitglieder der
Arbeitsrechtlichen Kommission unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
7
In ihrer Sitzung am 08./09.07.1998 beschloss die AK-DW-EKD unter TOP 2 –
Berufsgruppeneinteilung W – und TOP 3 – Altersteilzeit – die Anlage 18 AVR -
Beschäftigungssicherungsordnung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Wirtschaftsbereiche Diakonischer Einrichtungen sowie eine Altersteilzeitordnung. Nach
der Beschäftigungssicherungsordnung wurden Eingruppierungsvorschriften der
Berufsgruppeneinteilung H gestrichen und eine neue an der gewerblichen Wirtschaft
orientierte Vergütungsstruktur geschaffen. Diese neue Berufsgruppeneinteilung W
(Anlage 1 d AVR-DW) galt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne abgeschlossene
Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Sie lautet wie folgt:
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"... BERUFSGRUPPENEINTEILUNG W
9
W 1
10
1. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten (z.B. Putzen,
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Waschen, Nähen, Bügeln), für die eine kurze Einweisung nötig ist
(Anmerkung 1).
W 2
12
2. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie zu 1. nach vierjähriger Bewährung
(Anmerkung 1).
13
W 3
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3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende
Einarbeitung nötig ist (Anmerkung 1,2).
15
W 4
16
4. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie zu 3. nach vierjähriger Bewährung
(Anmerkung 1,2). ..."
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§ 2 Überleitungsregelung der Beschäftigungssicherungsordnung sieht vor, dass bislang
in der Berufsgruppeneinteilung H eingruppierte Mitarbeiterinnen zum 01.09.1998 in die
Berufsgruppeneinteilung W eingruppiert werden. Diejenigen, die am 31.08.1998 in
einem Dienstverhältnis standen, das am 01.09.1998 zu demselben Dienstgeber
fortbestand und die nunmehr in der Berufsgruppeneinteilung W 1 bis W 4 eingruppiert
sind, sollten des weiteren eine persönliche Zulage in Höhe der Differenz zu der
Vergütung ihrer bisherigen Vergütungsgruppe erhalten. Die persönliche Zulage sollte
durch allgemeine Vergütungserhöhungen und Höhergruppierungen aufgezehrt werden,
bis zum 31.12.2003 sollten allgemeine Vergütungserhöhungen jedoch nur zur Hälfte auf
die persönliche Zulage angerechnet werden. Außerdem ist in § 4 bestimmt, dass im Fall
eines Betriebsübergangs der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine
Abfindung in Höhe von 2 % der Jahresvergütung, die ihnen am 31.08.1998 zugestanden
hat, gezahlt wird. Zu den weiteren Einzelheiten der Beschlüsse, die durch
Rundschreiben vom 28.07.1998 veröffentlicht wurden, wird auf die Anlage 4 zur
Berufungserwiderung verwiesen.
18
Laut Anwesenheitsliste der Sitzung der AK-DW-EKD am 08./09.07.1998 nahm Herr
H3xxxx W1xxxx an dieser Sitzung teil. Dieser hatte zuvor mitgeteilt, dass er aus der
Arbeitsrechtlichen Kommission ausscheiden werde. In einem Schreiben des
Diakonischen Werks der EKD vom 02.03.1999 findet sich insoweit das Datum des
15.06.1998 sowie die Mitteilung, dass für das ausgeschiedene Mitglied Herr P3xxx
R2xx berufen worden sei. Einer Fax-Mitteilung der Vereinigung Kirchlicher Mitarbeiter,
die den Aufdruck 15.07.1998 aufweist (Anlage 3 zur Berufungserwiderung) ist
demgegenüber zu entnehmen, dass Herr W1xxxx nach der Juli-Sitzung 1998 aus der
Arbeitsrechtlichen Kommission ausscheidet und Herr P3xxx R2xx berufen wird.
19
Die Klägerin ist seit dem 01.09.1998 in Vergütungsgruppe W 4 eingruppiert. Ihr wurde
eine persönliche Zulage in Höhe von 489,40 DM gezahlt.
20
Mit Schreiben vom 04.08.1999 sowie vom 05.04.2001 hat sich die Klägerin gegen die
Einführung der W-Gruppen ausgesprochen und die Verminderung im Gehalt
zurückgewiesen. Die Beklagte hat auf die Durchführung eines in den AVR-DW
vorgesehenen Schlichtungsverfahrens verzichtet. Mit ihrer am 21.12.2001 beim
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Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der
Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01.01.1999 auf der Basis der vor dem 01.09.1998
geltenden Tabelle zur Vergütungsgruppe H 2 a einschließlich bisher erfolgter und
künftiger Tarifsteigerungen der Berufsgruppeneinteilung H zu vergüten, hilfsweise,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie ab 01.01.1999 aus der
Vergütungsgruppe VII zu vergüten und weiter hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte
verpflichtet ist, sie ab 01.01.1999 aus der Vergütungsgruppe H 3 zu vergüten.
Durch Urteil vom 04.12.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Regelung der Anlage 18 AVR sei wirksam. Die
Absenkung der Vergütung sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Gesetzesrecht sei nicht
verletzt, da der gesetzliche Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht umgangen sei.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
liege nicht vor, auch eine unmittelbare oder mittelbare Frauendiskriminierung sei nicht
zu erkennen. Insoweit sei der Vortrag der Klägerin zu unsubstanziiert. Es sei schon
zweifelhaft, ob durch die Herausnahme der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
aus der Berufsgruppeneinteilung H Frauen im besonderen Maße betroffen seien. Denn
die in der Hauswirtschaft tätigen Arbeitnehmer seien bereits durch die
Vergütungsgruppe H aus der allgemeinen
22
Vergütungsordnung der AVR-DW herausgenommen worden. Von dieser
Vergütungsgruppenordnung dürften überwiegend weibliche Arbeitnehmerinnen erfasst
worden sein. Bei den in anderen Berufsgruppeneinteilungen mit "einfachen Tätigkeiten"
beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handele es sich nicht um "vergleichbare
Arbeitnehmerinnen". Im Übrigen seien beim beklagten Verein überwiegend Frauen
beschäftigt, dies insbesondere auch in den Bereichen, die die Klägerin als vergleichbar
ansehe. Vor diesem Hintergrund vermöge es nicht zu überzeugen, wenn die Klägerin
eine mittelbare Frauendiskriminierung annehme. Die Entscheidung der AK-DW-EKD sei
auch nicht offenbar unbillig. Zwar sei ihr keine rechtlich durchsetzbare
Arbeitsplatzgarantie als äquivalent für die Vergütungsabsenkung eingeräumt worden.
Jedoch sei ihre bisherige Vergütung, die beträchtlich über der üblichen Vergütung in der
privaten Wirtschaft liege, bis zum 31.12.2003 geschützt worden, was einen
23
"groben Verstoß" gegen Treu und Glauben ausschließe. Dies gelte auch im Hinblick auf
weitere Bedenken, die gegen die Vorgehensweise der Arbeitsrechtlichen Kommission
vor-gebracht werden könnten. Deren Beschluss stelle jedenfalls keine offenbar unbillige
Beteiligung dar. Mit Erfolg könne die Klägerin die Einführung der W-
Vergütungsgruppenordnung lediglich dann angreifen, wenn ihr der Vortrag gelänge,
dass es sich bei der
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Arbeitsrechtlichen Kommission nicht um eine unabhängige, paritätisch besetzte
Kommission handele, sodass sich der Beschluss der Kommission nicht an § 317 i.V.m.
§ 319 BGB messen lassen müsste.
25
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen
Sach- und Streitstandes Bezug genommen worden ist und das der Klägerin am
26.02.2003 zugestellt worden ist, hat diese am 11.03.2003 Berufung eingelegt. Nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2003 ist am 30.06.2003 in
dem Verfahren der Klägerin – 16 Sa 368/03 – sowie in den weiteren Verfahren C2xxx ./.
Ev. J1xxxxxxxxxx e.V. – 16 Sa 534/03 – und C1xxx ./. Ev. J1xxxxxxxxxx e.V. – 16 Sa
535/03 – ein einheitliches Telefax eingegangen, mit dem die Berufung begründet
26
worden ist.
Die Klägerin behauptet, die Arbeitsrechtliche Kommission sei in der Sitzung, in der die
Neuregelung beschlossen worden sei, nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Nur in
diesem Fall könne sie als Dritter im Sinne des § 317 BGB anzusehen sein. Herr
W1xxxx, von dem sie erfahren haben, dass er von seinem Amt zurückgetreten sei, habe
sich in einem mit ihm geführten Telefonat nicht mehr hundertprozentig daran erinnern
könne, ob er bei dem Beschluss beteiligt gewesen sei oder nicht, jedoch zu verstehen
gegeben, dass er davon ausgehe, dass er an der maßgeblichen Sitzung beteiligt
gewesen sei. An der Unabhängigkeit der Kommission seien Zweifel anzumelden. So
könne die Dienstgeber-Seite auf die Zusammensetzung der Mitarbeiter-Seite Einfluss
nehmen, wie dies mit der Neufassung der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission
vom 07.06.2001, als durch Beschluss der Dia-konischen Konferenz die Amtszeit der
amtierenden Arbeitsrechtlichen Kommission verkürzt und daraufhin eine neue
Kommission nach wiederum geänderten Grundsätzen gewählt worden sei, geschehen
sei. Außerdem könne die Tatsache nicht vernachlässigt werden, dass ein Personalleiter
einer Klinik auf Mitarbeiter-Seite Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission gewesen
sei. Die Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission hätten nach der vor 2001
geltenden Ordnung auch keinen Kündigungsschutz besessen. Die Regelung sei des
weiteren unbillig. Der mit ihr verfolgte Zweck, Auslagerungen und Fremdvergaben von
Wirtschaftsbereichen Diakonischer Einrichtungen zu vermeiden und Arbeitsplätze
innerhalb der Diakonie zu erhalten, seien nicht zu erreichen bzw. nicht erreicht worden.
Es sei
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nicht erkennbar, dass innerhalb der Wirtschaftsbereiche nur die Aufgaben ausgelagert
worden seien, die von Ungelernten versehen würden, während ausnahmslos
Tätigkeiten der Beschäftigten mit entsprechender Ausbildung im Bereich der
Diakonischen Einrichtung verblieben wäre. Unbillig sei es auch, dass ausschließlich
Arbeiterinnen betroffen seien. Zwar beträfen Ausgliederungen im hier interessierenden
sozialen Bereich relativ häufig die Wirtschaftsdienste, es könne aber unterstellt werden,
dass Ausgründungen geschlossener Abteilungen bzw. Dienststellenteile den Normalfall
darstellten. Praktisch kämen Ausgründungen quer durch Abteilungen nach Unterteilung
von Ungelernten und Arbeiter bzw. Arbeiterinnen mit Ausbildung tatsächlich nicht vor.
Die Neuregelung sei im Übrigen mittelbar diskriminierend, da von ihr Frauen in
erheblich größerem Umfang betroffen würden. Bei den im Text der beschlossenen
Neuregelung erwähnten Beispielen für einfache Tätigkeiten handele es sich um solche,
die ausschließlich geschlechtsrollenspezifisch Frauen zuzuordnen seien. Im Übrigen
hätte die Mitarbeitervertretung bei den Umgruppierungen beteiligt werden müssen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.12.2002 – 3 Ca 4208/01 – 3 Ca
4288/01 und 3 Ca 4298/01 – abzuändern und
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1. festzustellen, dass der beklagte Verein verpflichtet ist, die Klägerin ab dem
01.01.1999 auf der Basis der vor dem 01.09.1998 geltenden Tabelle zur
Vergütungsgruppe H 2a einschließlich bisher erfolgter und künftiger
Tarifsteigerungen der Berufsgruppeneinteilung H zu vergüten;
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2. hilfsweise, festzustellen, dass der beklagte Verein verpflichtet ist, die Klägerin
ab 01.01.1999 aus Vergütungsgruppe VII zu vergüten und
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3. hilfsweise, festzustellen, dass der beklagte Verein verpflichtet ist, die Klägerin
ab 01.01.1999 aus Vergütungsgruppe H 3 zu vergüten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
35
Er hält die Regelung der Anlage 18 AVR-DW-EKD für rechtswirksam zustande
gekommen. Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 15.11.2001 – 6 AZR
88/01 – sei davon auszugehen, dass die Umstellung auf das "Verbandsprinzip" im
Jahre 1997 an der paritätischen Besetzung der Kommission nichts geändert habe. Die
Unabhängigkeit ihrer Mitglieder sei gewährleistet. Auch inhaltlich sei die Absenkung der
Vergütung nicht zu beanstanden. Mit der neuen Vergütungsstruktur habe dem
Outsourcing in diesem Bereich entgegengewirkt und Arbeitsplätze innerhalb der
Diakonie erhalten werden sollen. Die Abkopplung der Beschäftigten in der
Berufsgruppe W von der allgemeinen Vergütungsentwicklung sei nicht von vornherein
ungeeignet, Dienstgeber von Auslagerungen abzuhalten. Durch die Einsparung selbst
würde ein Anreiz hierzu genommen oder zumindest verringert. Die Tätigkeit der
ungelernten Hilfskräfte sei im besonderen Maße gefährdet, an branchenfremde
Unternehmen vergeben zu werden. Ein Verstoß gegen § 42 c MVG.EKD wegen
unterbliebener Beteiligung der Mitarbeitervertretung läge nicht vor, da durch die
Arbeitsrechtsregelung selbst die Zuordnung der in den bisherigen Vergütungsgruppen
eingruppierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die neuen Vergütungsgruppen
vorgenommen worden sei. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil,
insbesondere auch im Hinblick auf dessen Ausführungen zur fehlenden
Frauendiskriminierung.
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Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen
ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
39
I
40
Die Klägerin hat ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt.
41
Die Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG ist eingehalten. Dies steht hinsichtlich der Einlegung
der Berufung außer Zweifel, gilt im vorliegenden Fall jedoch auch für die
Berufungsbegründungsfrist. Innerhalb der bis zum 30.06.2003 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist ist durch Telefax eine Berufungsbegründung eingegangen,
die neben den Verfahren 16 Sa 534/03 und 16 Sa 535/03 unter der Ziffer 1 das
vorliegende Verfahren ausweist. Das Gericht hat entsprechend der von den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegebenen Reihenfolge dieses Telefax dem
vorliegenden Verfahren zugeordnet. Jedenfalls im Hinblick auf dieses Verfahrens liegt
damit eine rechtzeitige Berufungsbegründung vor.
42
II
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Die Feststellungsklage ist mit dem Hauptantrag zulässig.
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Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des
öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts keinen prozessrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BAG vom
06.08.1997 – 4 AZR 195/96 – NZA 1998, 263 ff. m.w.N.).
45
III
46
Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet.
47
Die Klägerin kann jedoch nicht verlangen, auch nach dem 01.09.1998 weiterhin nach
der Vergütungsgruppe H 2 a AVR-DVO-EKD vergütet zu werden. Aufgrund der
Arbeitsrechtsregelungen vom 08./09.07.1998 ist sie vielmehr ab dem 01.09.1998 nach
der Berufsgruppeneinteilung W zu vergüten, weil diese Vergütungsänderung
rechtswirksam ist.
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1) Der Rechtswirksamkeit der Vergütungsänderung steht nicht entgegen, dass die
Umgruppierung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung vorgenommen worden ist.
Nach § 42 c MVG EKD steht der Mitarbeitervertretung zwar ein eingeschränktes
Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen einschließlich der Festlegung der
Fallgruppe, des Wechsels der Fallgruppe und der Umgruppierung zu. Jedoch erwächst
der Klägerin aus der eventuellen Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts kein
individual-rechtlicher Anspruch.
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Für die Rechtsfolgen unterbliebener Mitbestimmung ist nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zwischen der kollektiv-rechtlichen Seite und den Rechtsfolgen im
Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu differenzieren. Es ist zu
fragen, ob aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten sich ein individual-rechtlicher
Anspruch
50
ergeben kann. Ein solcher ist für das hier in Frage stehende Mitbestimmungsrecht
jedoch zu verneinen, da es keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt dafür gibt, wie sich
aus der Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts ein vertraglicher Erfüllungsanspruch
eines Arbeitnehmers ergeben soll. Demnach ist die Verletzung des
Mitbestimmungsrechts für den Vergütungsanspruch unerheblich. Bei
Eingruppierungsentscheidungen des Arbeitgebers ergibt sich dies schon daraus, dass
dem betrieblichen Vertretungsorgan lediglich ein Mitbeurteilungsrecht zusteht. Ein nach
den vertraglichen Bestimmungen nicht gegebener Vergütungsanspruch kann deshalb
nicht durch eine etwaige Verletzung des Mitbestimmungsrechts begründet werden (vgl.
BAG vom 06.08.1997, aaO., m.w.N.). Damit kommt es für die vorliegende Fallgestaltung
nicht darauf an, ob durch die Übertragungsvorschrift des § 2 der Anlage 18 AVR-DW-
EKD bereits eine Umgruppierung vorgenommen worden ist und deshalb kein Raum
mehr für das Mitbeurteilungsrecht der Mitarbeitervertretung bliebe.
51
2) Durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages hat sich die Klägerin dem
Bestimmungsrecht der Arbeitsrechtlichen Kommission über den jeweiligen Inhalt der
AVR des Diakonischen Werks unterworfen. Nach dieser arbeitsvertraglichen Klausel
gelten die AVR-DW in der jeweils gültigen Fassung, damit auch künftige Änderungen,
wie arbeitsvertraglich auch ausdrücklich bestimmt ist. Damit ist eine vom Normgeber der
Arbeitsrechtsregelung nach Maßgabe des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes
52
beschlossene Regelung in Bezug genommen (vgl. BAG vom 19.02.2003 – 4 AZR 11/02
– NZA 2004, 54). Mit der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages haben die
Parteien erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche Arbeitsrechtsregelungen
der Arbeitsrechtlichen Kommission für ihr Arbeitsverhältnis maßgebend sein sollen und
hierbei stets die aktuelle Fassung anzuwenden sei. Für eine im Anschluss an eine
solche Vereinbarung etwa getroffene Regelung der Vergütung nach einer bestimmten
Vergütungsgruppe ist ohne anderweitige Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die
Parteien nur zum Ausdruck bringen wollten, welche Vergütungsgruppe derzeit
zutreffend ist (vgl. BAG vom 06.08.1997, aaO.).
3) Die Änderung der Vergütungsgruppenregelung durch die Arbeitsrechtliche
Kommission ist wirksam.
53
a) Sie wurde nämlich durch das zuständige Organ getroffen, dessen Entscheidung sich
die Klägerin durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages unterworfen hatte. Es ist
Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission, die kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung
geltenden Arbeitsrechtsregelungen zu beschließen. Die ARK-RWL ist imVerhältnis zu
den Parteien nicht Vertreterin des Dienstgebers, sondern Dritter im Sinne des § 317
Abs. 1 BGB,
54
weil sie eine paritätisch zusammengesetzte von den Vertragsparteien unabhängige
Kommission ist (BAG vom 15.11.2001 – 6 AZR 88/01 – ZTR 2002, 537; vom 17.04.1996
– 10 AZR 558/95 – NZA 1997, 55).
55
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Sitzung am 08./09. Juli 1998 war die AK-
DW-EKD auch ordnungsgemäß besetzt. Die Klägerin hat dies zwar im Hinblick auf den
Vertreter der Mitarbeiterseite W1xxxx in Frage gestellt, hieran aber nicht mehr in
substantziierter Weise festgehalten, nachdem der Beklagte eine Kopie des
Sitzungsprotokolls mit Anwesenheitsliste und Schriftverkehr zu seinem Rücktritt
vorgelegt hatte.
56
Die Änderung der Vergütung ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Bei dieser Prüfung ist §
319 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwenden, weil die Parteien das Leistungsbestimmungsrecht
eines Dritten vereinbart haben. Offenbar unbillig ist die Leistungsbestimmung eines
Dritten erst dann, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich
dies bei unbefangener Prüfung sofort aufdrängt (BAG vom 17.04.1996, aaO.).
57
aa) Für den – gegenüber sonstigen arbeitsvertraglichen Einheitsregeln
zurückgenommenen – Überprüfungsmaßstab des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB für
Arbeitsverträge, deren Inhalt durch die im sogenannten Dritten Weg zustande
gekommenen Arbeitsrechtsregelungen bestimmt wird, ist die paritätische
Zusammensetzung und Unabhängigkeit der Arbeitsrechtlichen Kommission von
ausschlaggebender Bedeutung. Damit können die Interessen der Arbeitnehmerseite bei
der Regelung der Arbeitsbedingungen zur Geltung gebracht werden, sodass gegenüber
vom Arbeitgeber einseitig bestimmte Arbeitsvertragsbedingungen eine erhöhte
materielle Richtigkeitsgewähr besteht (vgl. hierzu Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4.
Aufl., § 15).
58
Die Ak-DW-EKD ist ein paritätisch besetztes Gremium. Ihr gehören zehn Vertreter der
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sowie zehn Vertreter der Dienstgeberseite an. Die
damit formal bestehende Parität beider Seiten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass
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ihr bei der Beschlussfassung über die Einführung der Berufsgruppeneinteilung W ein
Personalleiter angehörte. Dieser mag zwar aufgrund seiner beruflichen Position
erhöhtes Verständnis für die Belange des kirchlichen Arbeitgebers aufbringen, zugleich
ist er jedoch selbst Arbeitnehmer und als solcher von den Beschlüssen der
Arbeitsrechtlichen Kommission persönlich betroffen. Dies steht der Annahme entgegen,
als Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission werde er sich in einer Weise mit den
Interessen der Dienstgeberseite identifizieren, dass eine Störung der Parität
anzunehmen sei. Die Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission mit einem
Personalleiter mag zwar durch das sogenannte Verbandsprinzip, wonach die Vertreter
der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst durch Vereinigungen entsandt werden, denen
mindestens 500 Mitarbeiter angehören, begünstigt worden sein, da zwar der Verband
kirchlicher Mitarbeiter Vertreter in die Arbeitsrechtliche Kommission entsandt hat, nicht
aber die Gewerkschaft ÖTV und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft. Der VKM
repräsentiert eher Mitarbeiter in gehobenen Positionen. Die mangelnde Repräsentanz
aller Beschäftigtengruppen im kirchlichen Dienst hat demgegenüber seinen Grund
darin, dass die Gewerkschaft ÖTV im Jahre 1988 beschlossen hatte, sich nicht an den
Arbeitsrechtlichen Kommissionen im kirchlichen und diakonischen Bereich zu
beteiligen. Anhaltspunkte dafür, dass dies bei der Einführung des Verbandsprinzips
eine Rolle gespielt hätte, liegen nicht vor. Auch wenn die Möglichkeit besteht, durch
eine Bestimmung der Vertreter der
Arbeitnehmerseite über die Mitarbeitervertretungen zu einer angemesseneren
Repräsentation der verschiedenen Beschäftigtengruppen zu gelangen, so hat das
bestehende Verfahren keine Störung der Parität zur Folge. Eine andere Frage ist, ob die
unausgeglichene Besetzung der AK-DW-EKD im Einzelfall den Inhalt einer
Arbeitsrechtsregelung so beeinflussen kann, dass diese offenbar unbillig im Sinne des §
319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist.
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Auch wenn die Mitglieder der AK-DW-EKD zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keinen
besonderen Kündigungsschutz genossen, so steht dies der Annahme ihrer
Unabhängigkeit nicht entgegen. Sie kann im Hinblick darauf, dass ihnen in § 7 Abs. 1
der Ordnung AK-DW-EKD diese gewährleistet ist und sei an Weisungen nicht
gebunden sind, im Ergebnis bejaht werden (so BAG vom 15.11.2001 – 6 AZR 88/01 –
ZTR 2002, 537), wenn auch Zweifel hieran durch die Einräumung eines
Kündigungsschutzes auszuräumen wären, wie dies später geschehen ist.
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bb) Die offenbare Unbilligkeit der Vergütungsregelung für die von der
Berufsgruppeneinteilung erfassten Arbeitnehmer ergibt sich nicht aus der Streichung
des Altersstufenaufstiegs. Die Mitarbeiter erhielten zunächst aufgrund der getroffenen
Übergangsregelung ihr bisheriges Gehalt weiter, die Ausgleichszulage wurde erst
später um jeweils 1/2 einer etwaigen Gehaltserhöhung verringert. Da die betroffenen
Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütungserhöhung haben, wirkt die
Vergütungsänderung nicht in unzulässiger Weise zurück. Da zudem im Arbeitsvertrag
die Geltung der Arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung
vereinbart worden ist, war das Vertrauen darauf, dass weitere Gehaltssteigerungen
durch Altersstufenaufstieg eintreten, nicht begründet.
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Die Interessen der Klägerin sind – anders als im Bereich des BAT-KF – nicht dadurch
gewahrt worden, dass für ihre Berufsgruppe betriebsbedingte Kündigungen zumindest
befristet ausgeschlossen worden sind. Dennoch erscheint die getroffene Regelung nicht
unbillig. Für den Fall, dass es trotz des mit der Arbeitsrechtsregelung verfolgten Zwecks
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zu einer Auslagerung in Form eines Betriebsteilübergangs käme, erhielte die Klägerin
eine Abfindung, die sie ohne die Regelung im Zweifel nicht beanspruchen könnte, wenn
auch nur in Höhe von 2 % einer Jahresvergütung. Von größerer Bedeutung ist jedoch,
dass durch die Neuregelung der Anreiz genommen werden soll, die unternehmerische
Entscheidung zu treffen, Aufträge fremd zu vergeben und sodann wirksame
betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, sodass die Klägerin ihren Arbeitsplatz
verlieren könnte. Die Ausgleichszulage wird bei Vergütungserhöhungen jedenfalls für 5
Jahre jeweils nur zu 1/2 aufgezehrt. Zudem ist von erheblichem Gewicht, dass die
Klägerin bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Betriebsteilübergang die
Zusatzversorgung verlöre.
cc) Der Beschluss über die Einführung der Berufsgruppeneinteilung W ist zwar
zusammen m it der Einführung einer Altersteilzeitordnung gefasst worden, in der eine
Aufstockung auf 83 % vorgesehen wurde. Dem vom Beklagten vorgelegten Protokoll der
Sitzung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass insoweit eine Koppelung zu Lasten der
Berufsgruppe der Klägerin vorgenommen worden wäre, wovon die in der AK-DW-EKD
überrepräsentierten gehobenen Berufsgruppen profitiert hätten. Die in der
Vorbemerkung zur Anlage 18 AVR-DW-EKD zum Ausdruck gebrachte Sorge um den
Erhalt der Arbeitsplätze in der Berufsgruppe der Klägerin ist vielmehr nachvollziehbar.
64
dd) Von offenbarer Unbilligkeit der Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission
kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil diese zunächst nur die
Vergütungsgruppen des Niedriglohnbereichs geändert hat, obwohl andere
Beschäftigungsgruppen, wie von Klägerseite vorgetragen wird, auch vom Outsourcing
bedroht sind. Die arbeitsrechtliche Kommission war nicht gehalten, unter diesen
Gesichtspunkt von einer Veränderung der Niedriglohngruppen abzusehen. Die
Hilfsfunktionen sind im besonderen Maße und mit besonderer Aktualität dem Risiko der
Auslagerung und der Fremdvergabe ausgesetzt, eine Umsetzung von
Auslagerungsplänen ist in der Regel ohne besondere Schwierigkeiten möglich, was für
andere Bereiche nicht ohne weiteres gilt. Eine Arbeitsrechtsregelung, durch die den
Dienstgebern der Anreiz genommen werden soll, solche Hilfesfunktionen fremd zu
vergeben, ist nicht offenbar unbillig.
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b) Die mögliche Vermeidung der Fremdvergabe schließt nicht nur eine offensichtliche
Unbilligkeit der getroffenen Regelung im Sinne des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB aus,
sondern vermag darüber hinaus einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung
abzugeben.
66
Die Klägerin wird zwar durch die Umgruppierung in die Berufsgruppeneinteilung W zum
einen gegenüber Arbeitnehmern in ähnlichen Hilfsfunktionen, die jedoch in anderen
Arbeitsbereichen tätig sind, zum anderen gegenüber Arbeitnehmern in höheren
Vergütungsgruppen, die auch von Ausgliederungen betroffen sein können, schlechter
behandelt. In beiden Fällen ist dies jedoch durch den mit der Schaffung der
Vergütungsgruppen verfolgten Zweck gerechtfertigt. Bei Vorliegen eines sachlichen
Grundes ist eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern auch im Entgeltbereich zulässig
(ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG vom 11.12.2003 – 6 AZR 64/03 – AuR 2004,
196 LS ).
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aa) Gegenüber anderen Arbeitnehmern in Hilfsfunktionen ist die Differenzierung
gerechtfertigt, weil gerade nicht erkennbar ist, dass die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer in
gleicher Weise von Ausgliederung und Fremdvergabe bedroht ist. Soweit solche
68
Tätigkeiten, z. B. im Pflegebereich ausgeübt werden, sind sie in der Regel in
Arbeitsabläufe integriert, die eine isolierte Ausgliederung oder Fremdvergabe nicht
zulassen. Anders ist es jedoch für die von der Änderung der Vergütungsgruppen
erfassten Hilfstätigkeiten: Die dort genannten Arbeiten – Putzen, Waschen, Nähen,
Bügeln – können ohne weiteres fremd vergeben werden und sind es in vielen
vergleichbaren Einrichtungen bereits. Dabei werden keineswegs nur organisatorisch
abgrenzbare Einheiten ausgegliedert, sondern auch einzelne Tätigkeiten, wie z.B. doe
in Frage stehenden Küchenhilfsarbeiten, fremd vergeben, während höherwertige
Aufgaben, z.B. die eines Kochs, weiterhin von eigenem Personal verrichtet werden. Der
getroffenen Maßnahme kann die Eignung, Fremdvergaben und Ausgliederungen zu
vermeiden, deshalb nicht abgesprochen werden. Bei Schonung der bereits
beschäftigten Arbeitsnehmer durch die Ausgleichszulage ermöglicht die Schaffung einer
eigenen Berufsgruppeneinteilung es, neu eintretenden Arbeitnehmern eine geringere
Vergütung zu zahlen und damit einem Kostenwettbewerb mit gewerblichen Anbietern
Stand zu halten.
bb) Soweit vom Outsourcing potentiell weitere Bereiche kirchlicher Einrichtungen, z.B.
Diagnostik in Krankenhäusern, Fahrdienste und anderes betroffen sein könnten (vgl.
Appel, Mittelbare Diskriminierung durch Lohngruppenbildung in
Kirchenarbeitsrechtlichen Entgeltsystemen, S. 53) steht dies der vorgenommenen
Differenzierung nicht entgegen. Damit ist nicht gesagt, dass sich für diese Bereiche die
Frage der Fremdvergabe mit gleicher Dringlichkeit stellt wie für die angesprochenen
Hilfstätigkeiten. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass es für solche
Beschäftigtengruppen zur Abwehr von Fremdvergaben ebenfalls zu Sonderregelungen
kommt. Ein Sonderopfer der mit Hilfstätigkeiten betrauten Mitarbeiter zugunsten anderer
Beschäftigtengruppen ist bei diesen Gegebenheiten nicht erkennbar.
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cc) Aus den dargestellten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB vor.
§ 612 Abs. 3 BGB begründet für eine Arbeitnehmerin, die wegen ihres Geschlechts eine
geringere Vergütung erhält, Anspruch auf eine höhere Vergütung. Art. 141 EGV und die
Lohngleichheitsrichtlinie 75/117 EWG sowie Art. 3 Abs. 3 GG gewährleisten die
Lohngleichheit. Sie stehen allen Vorschriften, Regelungen und Maßnahmen entgegen,
die eine im Ergebnis unterschiedlich hohe Vergütung von männlichen und weiblichen
Arbeitnehmern bewirken, sofern sich die unterschiedliche Behandlung nicht mit objektiv
gerechtfertigen Faktoren erklären lässt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts zu tun haben. Liegt eine solche Diskriminierung vor, so hat der
Angehörige des unzulässig benachteiligten Geschlechts Anspruch auf die ihm
vorenthaltene Leistung (vgl. beispielsweise BAG vom 20.08.2002 – 9 AZR 700/00 –
NZA 2003, 510).
70
Im Streitfall dürften von der Maßnahme selbst – Zuordnung der Arbeitnehmer in den in
Frage stehenden Berufsgruppen in einen neu geschaffene Berufsgruppeneinteilung –
zwar wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen sein. Schon die aufgeführten
Beispielsfälle – Putzen, Waschen, Nähen, Bügeln – weisen auf Tätigkeiten hin, die eher
von Frauen als von Männern ausgeführt werden. Jedoch ist die mögliche größere
Betroffenheit von Frauen durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer
Diskriminierung zu tun haben.
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Eine mögliche diskriminierende Wirkung beurteilt sich nach dem Zweck, den der
Arbeitgeber mit seiner Leistung verfolgt (vgl. BAG vom 20.08.2002, aaO, und die
dortigen Nachweise, im Übrigen auch Wissmann, Festschrift für Wlotzke, 807, 808). Mit
72
der Sonderregelung für die Vergütung von Angehörigen der betroffenen Berufsgruppen
soll deren Schutz vor den negativen Auswirkungen einer Ausgliederung oder
Fremdvergabe der von ihnen ausgeübten Tätigkeiten bewirkt werden. Wenn Frauen von
den damit einhergehenden Nachteilen stärker betroffen sind als Männer so kommen sie
jedoch zugleich auch verstärkt in den Genuss des mit der Regelung verfolgten
Schutzes.
IV
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Soweit in der Rechtsprechung abweichend von den angewandten Grundsätzen für die
Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien die für Tarifverträge
heranzuziehenden Maßstäbe angewendet werden (vgl. BAG vom 06.11.1996 – 5 AZR
334/95 – NZA 1997, 778), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die bei Tarifverträgen
anzuwendenden Grundsätze der Inhaltskontrolle sind auf die Überprüfung, ob ein
Verfassungsverstoß vorliegt, sie gegen höherrangiges Recht oder die guten Sitten
verstoßen, beschränkt. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass dieser weite
Prüfungsrahmen nicht überschritten worden ist.
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V
75
Aus den vorstehenden Gründen sind auch die Hilfsanträge der Klägerin in der Sache
unbegründet.
76
VI
77
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
78
Das Gericht hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
79
Hackmann
Brüninghaus
Konkel Bg.
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