Urteil des LAG Hamm vom 14.12.2006

LArbG Hamm: geldwerte leistung, einstweilige verfügung, arbeitsgericht, betriebsrat, vermögenswert, abschlag, mitbestimmungsrecht, unterlassen, rechtskraft, datum

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Ta 724/06
Datum:
14.12.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 Ta 724/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Detmold, 3 (1) BVGa 3/06
Schlagworte:
Gegenstandswert im Beschlussverfahren, Unterlassungsanspruch des
Betriebsrats, einstweilige Verfügung
Normen:
§§ 23 Abs. 3, 33 Abs. 3 RVG§ 87 Abs. 1 BetrVG§ 85 Abs. 2 ArbGG
Rechtskraft:
Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt
Tenor:
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats
wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 13.10.2006 - 3 (1)
BVGa 3/06 - abgeändert.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 4.000,00
€ festgesetzt.
G r ü n d e:
1
I.
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Im vorliegenden Beschlussverfahren hat der Betriebsrat im Wege der einstweiligen
Verfügung von der Arbeitgeberin verlangt, den Einsatz einer
Kameraüberwachungsanlage zu unterlassen. Das gleiche Begehren verfolgte der
Betriebsrat im Hauptverfahren 3 BV 39/06 Arbeitsgericht Detmold.
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Durch Beschluss vom 27.07.2006 - 3 (1) BVGa 3/06 - wurde der Antrag des Betriebsrats
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Beschwerde des
Betriebsrats zum Landesarbeitsgericht Hamm - 13 TaBV 76/06 - war erfolglos. Sie
wurde durch den am 22.09.2006 verkündeten Beschluss zurückgewiesen.
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Durch Beschluss vom 06.09.2006 hatte das Landesarbeitsgericht - 13 TaBV 76/06 - auf
Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats nach Anhörung der Beteiligten
den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren im Allgemeinen auf 4.000,00 €
festgesetzt.
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Mit Schriftsatz vom 08.09.2006 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten des
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Betriebsrats unter Vorlage des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 06.09.2006,
den Gegen- standswert für das Verfahren im Allgemeinen ebenfalls auf 4.000,00 €
festzusetzen. Das Arbeitsgericht setzte daraufhin durch Beschluss vom 13.10.2006 den
Streitwert für das Verfahren auf 2.000,00 € fest mit der Begründung, dass einstweilige
Verfügungsverfahren habe gegenüber dem Hauptverfahren nur vorläufigen Charakter.
Hiergegen richtet sich die am 19.10.2006 beim Arbeitsgericht eingegangene
Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, der das Arbeitsgericht
nicht abgeholfen hat.
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Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind der Auffassung, dass sich der
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht vom Streitgegenstand der ersten
Instanz unterschieden habe. Eine Herabsetzung des Gegenstandswertes komme
deshalb nicht in Betracht, weil auch im einstweiligen Verfügungsverfahren das Ziel
verfolgt worden sei, die Kameraüberwachung vollständig zu stoppen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug
genommen.
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II.
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Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des
Betriebsrats ist begründet.
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Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war auf 4.000,00 €
festzusetzen.
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Die Wertfestsetzung für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs.
3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach
billigem Ermessen zu bestimmen ist. Danach ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 €, je
nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 € anzunehmen,
sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das
Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte
gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung
gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis bestehen, dem ein
Vermögenswert zukommt (BAG, Beschluss vom 09.11.2004 - NZA 2005, 70; LAG
Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472;
Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441).
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Bei der vom Betriebsrat begehrten Unterlassung handelt es sich um eine
nichtvermögens-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise
nichtvermögensrechtlicher Natur. Dies gilt auch und gerade dann, wenn vom
Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird und der Betriebsrat
- wie vorliegend - sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Beteiligten wie das Arbeitsgericht
bei der Bemessung des Gegenstandswertes zu Recht vom Ausgangswert des § 23 Abs.
3 Satz 2 RVG in Höhe von 4.000,00 € ausgegangen.
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Eine Ermäßigung des Gegenstandswertes von 4.000,00 € um 50 % kam aber nicht
allein deshalb in Betracht, weil es sich bei dem vorliegenden Ausgangsverfahren um ein
Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung gehandelt hat.
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Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem
Hauptsacheverfahren vorgenommen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 15.04.1993 -
LAGE BRAGO § 8 Nr. 22; LAG Hamm, Beschluss vom 27.10.2006 - 10 Ta 675/06 -;
Bertelsmann, Gegenstandswert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, S. 30
m.w.N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einstweiligen
Verfügungsverfahren auch der Sache nach lediglich um eine vorläufige Regelung
handelt.
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Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den
geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw.
Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug gegenüber dem Wert des
Hauptsacheverfahrens nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht nur
eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr regelmäßig mit Erlass
der einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen, Beschluss vom 15.02.1990 - LAGE
BRAGO § 8 Nr. 14; LAG Köln, Beschluss vom 09.06.1999 - NZA-RR 1999, 608; LAG
Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz.
148).
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So liegt der vorliegende Fall. Zwar ist in der vorliegenden streitigen Angelegenheit auch
ein Hauptsacheverfahren vom Betriebsrat beim Arbeitsgericht Detmold - 3 BV 39/06 -
eingeleitet worden. Der im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren gestellte
Antrag des Betriebsrats ist aber gleichlautend mit dem Antrag des Betriebsrats im
Hauptsacheverfahren 3 BV 39/06. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung ist auch keine vorläufige oder einstweilige Regelung für einen bestimmten
Zeitraum begehrt worden. Wäre dem Antrag des Betriebsrats in vollem Umfange
stattgegeben worden, hätte sich das Hauptverfahren erledigt. Entgegen der Annahme
des Arbeitsgerichts hatte das vorliegende Verfahren gerade keinen vorläufigen
Charakter. Die Kameraüberwachung sollte nach den vom Betriebsrat sowohl
erstinstanzlich wie zweitinstanzlich gestellten Anträgen vollständig gestoppt werden.
Insoweit hat auch die 13. Kammer des Beschwerdegerichts mit Beschluss vom
06.09.2006 den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren zu Recht auf 4.000,00 €
festgesetzt und im Hinblick auf den Umstand, dass es sich um ein einstweiliges
Verfügungsverfahren gehandelt hat, keine Abschläge vorgenommen. Dies gilt auch für
das erstinstanzliche Verfahren.
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Schierbaum
/N.
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