Urteil des LAG Hamm vom 10.09.2010

LArbG Hamm (kläger, ausbildung, praktische ausbildung, allgemeine geschäftsbedingungen, klausel, ausbildungskosten, fahrtkosten, wohnort, höhe, ingenieurbüro)

Landesarbeitsgericht Hamm, 7 Sa 633/10
Datum:
10.09.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 633/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 1 Ca 2999/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 3 AZR 698/10
Normen:
§§ 12, 26 BBiG; §§ 306, 307, 310 BGB.
Leitsätze:
Eine Klausel, mit der Fort- und Ausbildungskosten zurückgefordert
werden sollen, genügt nur dann dem Transparenzgebot des § 307 Abs.
1 S. 2 BGB, wenn die
Zahlungsverpflichtung so weit als möglich aus den Angaben in der
Klausel selbst errechnet werden kann.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld
vom 25.03.2010 – 1 Ca 2999/08 – wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des klagenden Arbeitgebers aus einer
Fortbildungsvereinbarung.
2
Der Kläger betreibt ein Ingenieurbüro. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter
Sachverständiger für Kfz-Schäden und Bewertungen. Darüber hinaus führt er
Fahrzeugprüfungen im Auftrag einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation
durch.
3
Der Kläger bildet im Rahmen seiner Tätigkeit Ingenieure für deren spätere Tätigkeit als
Kfz-Prüfingenieure aus, so auch den Beklagten, mit dem er am 15.01.2008 eine
schriftliche und von den Parteien so bezeichnete Fortbildungsvereinbarung abschloss.
Die vom Kläger formulierte Vereinbarung verwandte dieser mit identischen Regelungen
auch gegenüber mehreren anderen Vertragspartnern.
4
In dieser Vereinbarung, wegen deren weiteren Inhalts auf die zur Gerichtsakte
5
gereichten Kopie (Bl. 4 bis 8 d.A.) ergänzend Bezug genommen wird, wurde u.a.
Folgendes geregelt:
§ 5
6
Für die Fahrten zu den Ausbildungsstätten wird dem Lehrgangsteilnehmer ein
Fahrzeug zur Verfügung gestellt, mit dem er die erforderlichen Fahrten
durchführen soll. Das Fahrzeug dient ausschließlich der betrieblichen Nutzung.
Es wird am Betriebsgelände zur Verfügung gestellt und ist ggf. mit anderen
Lehrgangsteilnehmern des Ingenieurbüros zu teilen. Die Fahrten zu und von der
Betriebsstätte hat der Lehrgangsteilnehmer auf eigene Kosten zu tragen. (…)
7
(…)
8
§ 10
9
Kommt es durch Umstände zum Abbruch der Ausbildung, die der
Lehrgangsteilnehmer zu vertreten hat, oder besteht der Lehrgangsteilnehmer
die erforderliche Abschlussprüfung endgültig nicht, so haftet dieser gegenüber
dem Ingenieurbüro mit den Kosten der Ausbildung. In diesem Fall beziffert das
Ingenieurbüro die angefallenen Ausbildungskosten entsprechend der erfolgten
Leistungen und ggf. nach billigem Ermessen. Hierzu gehören in jedem Fall die
Lehrgangskosten bei der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation, die
Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im
Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung, soweit diese nicht durch
Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit übernommen worden sind.
10
(…)
11
Der Beklagte, der seine Ausbildung am 21.01.2008 begann, beendete sie am
09.06.2008. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen den Parteien
über das äußere Erscheinungsbild des Beklagten.
12
Die Ausbildung des Beklagten setzte sich aus einem theoretischen Teil, der dem
Beklagten durch eine andere Ausbildungsstätte in L1 vermittelt wurde, und der
betriebspraktischen Tätigkeit im Ingenieurbüro des Klägers zusammen. Sie wurde von
der Arbeitsverwaltung gefördert. Der Beklagte erhielt einen Bildungsgutschein, mit dem
die Kosten der theoretischen Ausbildung in L1 abgedeckt wurden, die sich auf 8.500,00
€ beliefen. Dort absolvierte der Beklagte 10 Lehrgangseinheiten. Die in diesem
Zusammenhang entstandenen Kosten für 57 Übernachtungen übernahm der Kläger, der
dem Beklagten darüber hinaus für 63 Tage Verpflegungskosten gewährte. Der Beklagte
nutze ein Firmenfahrzeug des Typs Ford Mondeo, um die Ausbildungsstätte in L1 zu
erreichen und die 95 Kilometer lange Wegstrecke von seinem Wohnort in W2 zur
Ausbildungsstätte in B1 ausbildungstäglich zurückzulegen, um dort an 26 Tagen die
betriebspraktische Ausbildung zu absolvieren. Eine Vergütung erhielt der Beklagte vom
Kläger nicht. Sozialhilfeleistungen oder Leistungen der Arbeitsverwaltung wurden dem
Beklagten, der Unterhalt von seiner Ehefrau erhielt, nicht gewährt. Der Beklagte setzte
die Ausbildung anderweitig fort. Die ihm vom Kläger gewährten
Ausbildungsbestandteile wurden angerechnet.
13
Der Kläger forderte den Beklagten mehrfach schriftlich - zuletzt mit Fristsetzung auf den
14
27.08.2010 - auf, an ihn 7.177,00 € zu zahlen. Er wies auf § 10 der
Fortbildungsvereinbarung hin und führte aus, ihm seien für die Ausbildung des
Beklagten folgende Kosten entstanden:
1. Übernachtungskosten 1.425,00 €
2. Verpflegungskosten 630,00 €
3. Fahrtkosten 2.340,00 €
4. Kosten der praktischen Ausbildung 1.300,00 €
5. Fahrtkosten für Fahrt nach B1 1.482,00 €
15
16
_______________________________________________
17
Summe 7.177,00 €
18
Der Kläger hat behauptet, die Einzelpositionen der Ausbildungskosten würden sich wie
folgt zusammensetzen: Für die Übernachtung des Beklagten während der theoretischen
Ausbildung in L1 seien bei 57 Übernachtungen und täglichen Kosten von 25,00 €
insgesamt 1.425,00 € entstanden. Verpflegungskosten von 10,00 € täglich habe er für
63 Tage in Höhe von insgesamt 630,00 € übernommen. Die Fahrtstrecke von B1 nach
L1 betrage 390 km. Dies führe unter Berücksichtigung des üblichen Pauschalbetrags
von 0,30 € pro gefahrenem Kilometer sowie der Hin- und Rückfahrten zu den 10
Lehrgangseinheiten zu einem Betrag von 2.340,00 €. Für die an 26 Tagen in seinem
Büro durchgeführte betriebspraktische Ausbildung seien täglich 50,00 € in Ansatz zu
bringen, mithin 1.300,00 €. Diese Kosten seien angemessen. Die Prüforganisation FSP
berechne für eine vergleichbare praktische Ausbildung, die 45 Tage umfasse, 3.050,00
€. Auf dieser Basis errechne sich bei einem 26/45 Anteil dieser Kosten ein
ausbildungstäglicher Kostenanteil von 50,00 €. Für die Fahrten des Beklagten mit dem
Firmenfahrzeug von dessen Wohnort in W2 seien bei 26 Ausbildungstagen im
Ingenieurbüro in B1 und einem Kilometersatz von 0,30 € ein Betrag von 1.482,00 €
zurückzufordern.
19
Er habe den Beklagten in nicht zu beanstandender Weise aufgefordert, übliche Regeln
des äußeren Auftretens und Erscheinungsbildes zu beachten. Der daraufhin erfolgte
Abbruch der Ausbildung durch den Beklagten sei grundlos.
20
Die Rückzahlungsklausel, so die vom Kläger geäußerte Auffassung, sei hinreichend
klar. Sie stelle konkret die Umstände dar, unter denen eine Rückzahlung zu erfolgen
habe und benenne die einzelnen Kostenpositionen. Der Beklagte habe sich daher
genaue Vorstellungen davon machen können, welche Kosten im Falle eines
schuldhaften Fortbildungsabbruchs zu erstatten wären. Letztlich habe der Beklagte die
gewährte Ausbildung auch nutzen können, was die Anrechnung der gewährten
Ausbildungsbestandteile auf die vom Beklagten anderweitig fortgesetzten Ausbildung
zeige, während er selbst um die Früchte der für die Ausbildung getätigten
Aufwendungen gebracht worden sei. Die gewährte Ausbildung verschaffe dem
Beklagten einen Vorteil. Er könne die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihn
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zum Prüfingenieur qualifizierten, auch außerhalb seines - des Klägers - Betriebs
verwerten und zum beruflichen Aufstieg nutzen.
Der Kläger hat weiter behauptet, dem Beklagten sei vor Abschluss der
Fortbildungsvereinbarung ausführlich dargelegt worden, dass neben den
Lehrgangskosten auch Kosten für die praktische Ausbildung, die Unterbringung in L1
sowie für die Fahrtkosten dorthin entstünden. Eine nähere Konkretisierung dieser
Kosten in der Fortbildungsvereinbarung hätten nicht erfolgen können, weil sie von den
individuellen Verhältnissen im Rahmen der Ausbildung und vom Verhalten des
Beklagten abhängig gewesen seien.
22
Der Kläger hat beantragt,
23
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.177,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2008 zu zahlen.
24
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
26
Er hat behauptet, der Kläger habe ihm zunächst für eine zwangsläufig neben der
Ausbildung im Ingenieurbüro anfallende Arbeitstätigkeit mündlich zugesagt, eine
Vergütung zahlen zu wollen. Der Kläger habe ihn dann im Hinblick auf die
Unterzeichnung der Vereinbarung unter Druck gesetzt und letztlich eine Bezahlung
verweigert. Er habe jedenfalls auch für den Kläger Arbeitsleistungen erbracht.
27
Der Beklagte hat die Auffassung geäußert, bei der zwischen den Parteien
geschlossenen Vereinbarung handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen.
Die Rückzahlungsklausel in § 10 der Vereinbarung sei unklar und unbestimmt. Die
geltend gemachte Forderung sei unsubstantiiert.
28
Er habe die Ausbildung im Übrigen nicht schuldlos abgebrochen. Dazu hat er
behauptet, Anlass für die Beendigung der Zusammenarbeit sei die unsachliche Kritik
des Klägers an seinem Auftreten und Erscheinungsbild gewesen.
29
Unter Aufhebung eines Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 03.03.2009 hat das
Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27.05.2009 den Rechtsweg zu den Gerichten
für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Mit Urteil vom 25.03.2010 hat das Arbeitsgericht
die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die
Fortbildungsvereinbarung und damit auch die in ihr enthaltene Rückforderungsklausel
des § 10 sei rechtsunwirksam weil sittenwidrig, denn dem Beklagten sei vom Kläger
keine Vergütung gewährt worden.
30
Gegen das dem Kläger am 15.04.2010 zugestellte Urteil richtet sich dessen am
05.05.2010 eingegangene und am 15.06.2010 begründete Berufung.
31
Der Kläger ist der Auffassung, die Fortbildungsvereinbarung sei nicht sittenwidrig. Der
Beklagten habe theoretische und praktische Fähigkeiten erworben und dazu auf eine
Fortbildung zurückgegriffen, die am Markt üblich und eingeführt sei. Auch sei eine
Förderung durch die Arbeitsverwaltung erfolgt. Dies müsse bei der Fragen
Berücksichtigung finden, ob die Fortbildungsvereinbarung sittenwidrig und damit nach §
32
138 BGB nichtig sei. Es sei daher verkürzt, alleine darauf abzustellen, ob der vom
Beklagten erbrachten Tätigkeit auch ein Lohnanspruch gegenüberstehe.
Sofern die Fortbildungsvereinbarung als Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3
BGB anzusehen sei, seien nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die konkreten
individuellen Umstände bei Vertragsschluss zu berücksichtigen. Deshalb müsse im
Rahmen einer Interessenabwägung bedacht werden, dass der Beklagten durch die
Ausbildung eine erhebliche Verbesserung seiner beruflichen Situation erfahre, die ihm
der Kläger unentgeltlich gewährt habe, der Beklagte 40 Jahre alt und akademisch
ausbildet und angesichts seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Ingenieur in
rechtlichen und vertraglichen Dingen erfahren sei. Außerdem sei dem Beklagten, so die
Behauptung des Klägers, bei Abschluss der Fortbildungsvereinbarung erläutert worden,
dass neben den Lehrgangskosten auch Kosten für die praktische Ausbildung und
Unterbringung sowie für die Fahrtkosten anfielen. Die Rückzahlungsklausel sei
ausreichend transparent und klar, denn es sei dort hinreichend deutlich ausgeführt,
welche Kosten zu ersetzen seien. Letztlich sichere der Hinweis, dass die Kosten nach
den erfolgten Leistungen und ggf. billigem Ermessen festzusetzen seien, dass eine
Bindung an § 315 BGB erfolge. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seine
Behauptungen und Auffassungen erster Instanz.
33
Der Kläger beantragt,
34
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.03.2010, 1 Ca 2999/08
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.177,00 € nebst 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2008 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
37
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, ist der Auffassung, § 10 der
Fortbildungsvereinbarung berücksichtige seine Interessen nicht angemessen im Sinne
des § 307 BGB und hält die Klausel für unklar.
38
In der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2010 stellte der Kläger unstreitig, dass er
dem Beklagten ein Firmenfahrzeug entgegen der Regelung in § 5 der
Fortbildungsvereinbarung überlassen habe, damit er die Fahrten von seinem Wohnort
zur Ausbildungsstätte in B1 zurücklegen könne.
39
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen ergänzend Bezug genommen.
40
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
41
I.
42
Die Berufung des Klägers ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig §
64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG am 05.05.2010 gegen das am 15.04.2010 zugestellte Urteil innerhalb der
Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S.
1 ArbGG und auch ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG
43
am 15.06.2010 begründet worden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage war
abzuweisen.
II.
44
Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von verauslagten
Fortbildungskosten in Höhe von 7.177,00 € zu.
45
1. Einen solchen Anspruch kann der Kläger nicht auf die Rückzahlungsklausel in § 10
der Fortbildungsvereinbarung i.V.m. § 241 Abs. 1 BGB stützen. Nach § 10 der
Fortbildungsvereinbarung haftet der Beklagte dem Kläger mit den Kosten der
Ausbildung, sofern es zum Abbruch der Ausbildung infolge von Umständen kommt, die
der Beklagte zu vertreten hat. Diese Bestimmung aus der Fortbildungsvereinbarung, die
nach den §§ 133, 157 BGB so zu verstehen ist, dass sie dem Kläger einen Anspruch auf
Rückzahlung der im Rahmen der Fortbildung entstandenen Kosten gewähren soll, ist
unwirksam.
46
a) Die Rückzahlungsklausel des § 10 Abs. 1 der Fortbildungsvereinbarung ist nach §
307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie den Beklagten unangemessen benachteiligt.
47
aa) Die Regelungen in der zwischen den Parteien getroffenen
Fortbildungsvereinbarung stellen allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des §
305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl
von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender bei Abschluss
eines Vertrages dem Vertragspartner stellt. Zwischen den Parteien war nicht im Streit,
dass der Kläger mit mehreren anderen Vertragspartnern inhaltsgleiche Verträge
abgeschlossen hat. Damit sind die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von
Verträgen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehen (vgl. BAG 23.01.2007 - 9
AZR 482/06- NZA 2007, 748; 25.05.2005 - 5 AZR 572/04- AP BGB § 310 Nr. 1) und
unterliegen folglich einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unter angemessener
Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB.
48
bb) Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Rückzahlungsklauseln aus
Fortbildungsvereinbarungen rechtsunwirksam, wenn sich die auferlegte
Zahlungsverpflichtung als eine übermäßige Beeinträchtigung der
arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG
darstellt (BAG 18.11.2008 - 3 AZR 192/07, DB 2009, 853; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05 -
NZA 2006, 2134; 23.01.2007 - 9 AZR 482/06 - NZA 2007, 748).
49
cc) Es mag dahinstehen, ob dies auch für die hier vereinbarte Rückzahlungsklausel
nach § 10 der Fortbildungsvereinbarung gilt. Denn § 10 Abs. 1 der
Fortbildungsvereinbarung ist jedenfalls nach den §§ 307 Abs. 3 S. 2, 307 Abs. 1 S. 2,
310 Abs. 3 Nr. 3 BGB unangemessen benachteiligend und damit unwirksam, weil sie
nicht klar und verständlich ist.
50
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von
Rechtsvorschriften abgewichen wird, sind nach den §§ 307 Abs. 3 S. 2, 1 S. 2 BGB
dann unwirksam, wenn sie gegen das Transparenzgebot verstoßen. Das
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB schließt das Bestimmtheitsgebot ein.
Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen in einer
Klausel so genau beschrieben werden, dass zugunsten des Verwenders keine
51
unangemessenen Beurteilungsspielräume entstehen. Dem genügt eine Klausel dann,
wenn in ihr die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise
beschrieben werden, wie es dem Verwender unter Berücksichtigung des rechtlich und
tatsächlich Zumutbaren möglich ist (BAG 31.08.2005 - 5 AZR 545/04 - NZA 2006, 324;
BGH 06.11.2004 - VIII ZR 215/03 - WuM 2004, 663; 03.03.2004 - VIII ZR 153/03 juris;
Erfurter Kommentar/Preis, 5. Aufl. 2010, §§ 305 - 310 Rn 44). Das Bestimmtheitsgebot
ist hingegen verletzt, wenn die Klausel Unklarheiten und Spielräume enthält, die
vermeidbar sind (BAG 31.08.2005 - 5 AZR 545/04 - NZA 2006, 324; BGH 05.11.2003 -
VIII ZR 10/03 - NJW 2004, 1598). Für Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit
Fort- und Ausbildungskosten ist dabei vorauszusetzen, dass die Zahlungsverpflichtung
für den Vertragspartner so weit als möglich aus den Angaben in der Klausel selbst
errechnet werden kann, damit eine Einschätzung des Zahlungsrisikos möglich wird (vgl.
LAG Schleswig-Holstein- 23.05.2007 - 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514).
Die Regelung in § 10 Abs. 1 der Fortbildungsvereinbarung beschreibt die dem
Beklagten auferlegten Pflichten in den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen
hingegen nicht ausreichend bestimmt genug.
52
Die Klausel sieht in § 10 Abs. 1 S. 3 der Fortbildungsvereinbarung vor, dass zu den
Kosten für die Ausbildung, die der Rückzahlungsverpflichtung unterliegen sollen, die
Lehrgangskosten bei der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation, die
Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit der
praktischen Ausbildung gehören. Eine Bezifferung der Kosten oder eine Angabe ihrer
Berechnungsgrundlage enthält die Klausel hingegen nicht. Dies wäre allerdings im
Hinblick auf die Fahrtkosten ohne großen Aufwand möglich gewesen. So hätte der
Kläger als Verwender in seine Klausel aufnehmen können, dass er beabsichtigt, die
Fahrtkosten im Zusammenhang mit den Fahrten zur Ausbildungsstätte, die die
theoretische Ausbildung vermittelt, auf der Basis einer Kilometerpauschale
abzurechnen. Keine Probleme hätte es auch bereitet, die Kosten für die praktische
Ausbildung im Ingenieurbüro des Klägers ausbildungstäglich der Höhe nach
anzugeben.
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Die Erstattung von Verpflegungskosten, wie sie der Kläger begehrt, ist in der
Rückzahlungsklausel nicht ausdrücklich vorgesehen, obwohl es sich auch insoweit um
eine Position handelt, deren Anfall bereits zu Beginn der Ausbildung bekannt sein
musste. Hier handelt es sich um Übrigen auch eher nicht um Kosten im Zusammenhang
mit der Ausbildung, sondern um solche, die anlässlich der Ausbildung gezahlt wurden
und dem Bereich der allgemeinen Lebensführung des Beklagten zuzurechnen sind. Der
Kläger stützt sich in diesem Zusammenhang darauf, dass nach den Formulierungen in §
10 Abs. 1 S. 3 der Fortbildungsvereinbarung "in jedem Fall" die dort näher genannten
Kostenpositionen gehören sollen. Die in der Klausel näher bezeichneten Leistungen
erhalten damit den Charakter von Regelbeispielen. Die Klausel eröffnet so den Weg,
auch noch weitere Positionen den Ausbildungskosten zuzurechnen. Durch die gewählte
Formulierung verschafft sich der Kläger als Verwender Unklarheiten und Spielräume,
die durch eine sorgfältige Abfassung der Rückzahlungsklausel hätten vermieden
werden können.
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Dies zeigt sich nicht nur an der Rückforderung der dem Bereich der allgemeinen
Lebensführung zuzuordnenden Verpflegungskosten. Unklar ist auch die Behandlung
der Fahrtkosten, die dadurch entstanden sind, dass der Beklagte ein Firmenfahrzeug
nutzen konnte, um den Weg von seinem Wohnort in W2 zur Ausbildungsstätte nach B1
55
an insgesamt 26 Ausbildungstagen zurückzulegen. Auch hier handelt es sich eher nicht
um Kosten der Ausbildung. Dem Beklagten war das Fahrzeug nach § 5 Abs. 1 S. 2 der
Fortbildungsvereinbarung ausschließlich zur privaten Nutzung überlassen. Nach § 5
Abs. 1 S. 4 der Fortbildungsvereinbarung waren die Kosten für Fahrten von und zur
Betriebsstätte vom Beklagten zu tragen. Hätte der Beklagte dagegen verstoßen, stünde
dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus den §§ 280, 241 Abs. 1 BGB in
Verbindung mit der Fortbildungsvereinbarung zu. Macht der Kläger diese Kosten nun
als Ausbildungskosten geltend, zu deren Rückzahlung der Beklagte über § 10 der
Fortbildungsvereinbarung verpflichtet sein soll, nutzt er als Verwender die in § 10 Abs. 1
S. 3 der Fortbildungsvereinbarung enthaltenen Unklarheiten und Spielräume, um sie in
seinem Sinne anzuwenden.
Ohne Probleme wäre es dem Kläger ferner möglich gewesen, die im Zusammenhang
mit der in seinem Büro durchgeführten betriebspraktischen Ausbildung entstandenen
Kosten dem Grunde nach zu beziffern und anzugeben, in welcher Höhe
ausbildungstäglich solche Kosten anfallen.
56
Vermeidbare Spielräume eröffnet die Klausel auch in § 10 Abs. 1 S. 2 BGB. Dort ist
geregelt, dass die angefallenen Ausbildungskosten "entsprechend der Leistungen und
ggf. nach billigem Ermessen" vom Kläger beziffert werden. Auch hier bleibt unklar, unter
welchen tatbestandlichen Voraussetzungen ein billiges Ermessen anzuwenden ist, das
zu einer Bezifferung von Leistungen führen soll. Für den Beklagten als Vertragspartner
ist damit insgesamt in nicht mehr hinnehmbaren Umfang unklar und offen, in welcher
Höhe er im Falle des Abbruchs der Ausbildung Kosten zurückzuzahlen hat.
57
(2) Dem steht nicht entgegen, dass an die Transparenz einer Klausel keine überhöhten
Anforderungen zu stellen sind. Dem Verwender ist nur eine solche Konkretisierung
aufzuerlegen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen
Gegebenheiten zu leisten ist. Deshalb ist von ihm nicht zu verlangen, die variablen
Kosten, deren Höhe vor dem Hintergrund der individuellen Inanspruchnahme während
der Ausbildung unterschiedlich hoch sein kann, bereits am Anfang der Ausbildung
abschließend beziffert anzugeben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger als
Verwender nicht überfordert wird, die der Berechnung der variablen Kosten
zugrundeliegenden Faktoren hinreichend konkret aufzunehmen und zu beziffern, damit
für seinen Vertragspartner hinreichend deutlich wird, worauf er sich einlässt.
58
(3) Auch die konkreten Umstände bei Vertragsschluss führen zu keinem anderen
Ergebnisnichts. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind bei Verträgen zwischen einem
Unternehmer und einem Verbraucher bei der Beurteilung einer unangemessenen
Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB die den Vertragsschluss begleitenden
Umstände zu berücksichtigen. Zu diesen Umständen gehören auch die persönlichen
Eigenschaften der Vertragspartner, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, die
Besonderheiten der konkreten Situation im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss,
wie beispielhaft eine Überrumpelung oder Belehrungen sowie untypische
Sonderinteressen der Vertragspartner, die sowohl zur Unwirksamkeit einer ansonsten
wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle
unwirksamen Klausel führen könnten (BAG 31.08.2005 - 5 AZR 545/04 - NZA 2006, 324
m.w.N.). Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass dem Beklagten zu
Beginn der Ausbildung erläutert worden ist, dass neben den Lehrgangskosten auch
Kosten für die praktische Ausbildung, die Unterbringung in L1 sowie für die Fahrtkosten
dorthin entstünden. Dies ändert nichts daran, dass auf der Rechtsfolgenseite eine
59
hinreichend klare und bestimmte Angabe zur Berechnung der zurückzuzahlenden
Ausbildungskosten nicht erfolgt ist. Das mit 40 Jahren bereits fortgeschrittene Alter des
Beklagten, seine akademische Ausbildung und dessen vom Kläger angenommene
Verhandlungssicherheit in rechtlichen und vertraglichen Angelegenheiten ändert daran
ebenfalls nichts.
dd) Der Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB führt zum
vollständigen Wegfall der Rückzahlungsklausel. Nach § 306 Abs. 1 BGB bleibt der
Vertrag im Übrigen wirksam. Weder mit dem Zweck der §§ 305 ff BGB noch mit dem
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wäre es vereinbar, eine an sich
unwirksame Klausel mit ihrem noch zulässigen Inhalt aufrecht zu erhalten BAG
11.04.2006 - 9 AZR 610/05 - NZA 2006, 2134; LAG Schleswig-Holstein- 23.05.2007 - 3
Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514).
60
b) Es mag daher offen bleiben, ob die Klausel auch nach den §§ 26, 12 Abs. 2 Nr. 1
BBiG unwirksam ist, weil danach solche Bestimmungen nichtig sind, die in einem
anderen Vertragsverhältnis als einem Berufsausbildungs- oder Arbeitsverhältnis eine
Verpflichtung zur Entschädigung von Ausbildungskosten für solche Personen vorsehen,
die die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse oder berufliche
Erfahrungen zu erwerben, und inwieweit die vom Kläger eingeforderten Kosten als in
diesem Sinne unzulässig erhobene Kosten für die Ausbildung anzusehen sind.
61
2.
stützen. Danach ist eine Leistung herauszugeben oder Wertersatz zu leisten, wenn
diese ohne rechtlichen Grund erlangt worden ist. Die Ausbildungsleistung hat der
Beklagte indes nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Zugrunde lag als Schuldverhältnis
im Sinne des § 241 Abs. 1 BGB die Fortbildungsvereinbarung der Parteien vom
15.01.2008, deren Bestand durch die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel nach §
306 Abs. 1 BGB nicht berührt wird, wie bereits ausgeführt wurde. Die in diesem
Zusammenhang erlangten Ausbildungsleistungen hat der Kläger daher mit Rechtsgrund
erhalten.
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3. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Zahlung eines mit
der Klage geltend gemachten Teilbetrags über 1.482,00 € für die Fahrten des Beklagten
mit dem Firmenfahrzeug von dessen Wohnort in W2 zur Betriebsstätte des Klägers in B1
an 26 Ausbildungstagen wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung der
Fortbildungsvereinbarung aus den §§ 280 Abs. 1 241 Abs. 1 BGB zu.
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Zwar ist in § 5 Abs. 1 der Fortbildungsvereinbarung geregelt, dass das Firmenfahrzeug
dem Beklagten nur ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassen werde und der
Beklagte für die Fahrtkosten von seinem Wohnort zur Betriebsstätte selbst
aufzukommen habe, während der Beklagte dieses Fahrzeug streitlos nutzte, um die
Ausbildungsstätte des Klägers während der Ausbildungstage dort zu erreichen.
64
Doch hat der persönlich angehörte Kläger im Kammertermin vom 10.09.2010 erklärt, er
habe dem Beklagten das Fahrzeug entgegen der Regelung in § 5 der
Fortbildungsvereinbarung überlassen, damit er damit die Fahrten von seinem Wohnort
zur Betriebsstätte in B1 zurücklegen könne, ohne dass weitere Vereinbarungen
getroffen worden seien. Die Parteien haben damit abweichend von der Regelungen in §
5 der Fortbildungsvereinbarung vereinbart, dass der Beklagte das dienstliche Fahrzeug
ohne Kostenaufwand auch für die Fahrten von seinem Wohnort zur Betriebsstätte
65
nutzen konnte.
III.
66
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 ZPO. Dem Kläger fallen die
Kosten der von ihm ohne Erfolg eingelegten Berufung zur Last. Die Revision war aus
den Gründen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
67