Urteil des LAG Hamm vom 04.01.2007

LArbG Hamm: ortszuschlag, treu und glauben, teilzeitbeschäftigung, ehepartner, zulage, kauf, arbeitsgericht, anteil, vollzeitbeschäftigung, tarifvertrag

Landesarbeitsgericht Hamm, 17 Sa 1275/06
Datum:
04.01.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 Sa 1275/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Paderborn, 3 Ca 329/06
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 95/07 Revision zurückgewiesen
25.10.2007
Schlagworte:
Berechnung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-VKA unter
Berücksichtigung des Ehegattenzuschlags bei einem übergeleiteten
vollzeitbeschäftigten Ehepartner und einem nach BAT vergüteten
teilzeitbeschäftigten Ehepartner - unbewusste Regelungslücke - keine
ergänzende Auslegung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Paderborn vom 21.06.2006 - 3 Ca 329/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Bildung des Vergleichsentgeltes bei Überleitung des
Klägers in den neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD – VKA – zum
01.10.2005.
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Der Kläger ist seit dem 16.04.1987 als Angestellter bei der Beklagten tätig. Seine
Ehefrau ist mit einer ermäßigten Wochenstundenzahl von 15,5 Stunden als
Justizangestellte bei dem Landgericht P1xxxxxxx Arbeitnehmerin des Landes
Nordrhein-Westfalen.
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Bis einschließlich September 2005 war kraft arbeitsvertraglicher Verweisung auf beide
Arbeitsverhältnisse der Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 (BAT)
anwendbar. Aufgrund der Konkurrenzregelung des § 29 B Abs. 5 BAT erhielten die
Ehegatten bis einschließlich September 2005 einen Ortszuschlag nach der Stufe 1
zuzüglich der Hälfte der Differenz zwischen den Stufen 1 und 2 nach § 29 B Abs. 2 Ziff.
1 BAT. Die Ehefrau des Klägers erhielt die Leistung entsprechend ihrer
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Teilzeitbeschäftigung anteilig gekürzt.
Mit Wirkung zum 01.10.2005 war das Arbeitsverhältnis des Klägers vom BAT in den
TVöD überzuleiten. Gemäß § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA vom 13.09.2005 war die
Vergütungsgruppe des Klägers den Entgeltgruppen des TVöD zuzuordnen. In § 5 TVÜ-
VKA trafen die Tarifvertragsparteien folgende Vereinbarung:
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1. Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD wird für die
Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der im September
2005 erhaltenen Bezüge gem. den Absätzen 2 – 5 gebildet.
2. Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche
Sparkassen setzt sich das Vergleichsentgelt aus der Grundvergütung, der
allgemeinen Zulage und dem Ortszuschlag der Stufe 1 und 2 zusammen. Ist auch
eine andere Person i.S. von § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche
Sparkassen ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
familienzuschlagsberechtigt, wird die Stufe 1 zugrunde gelegt; findet der TVöD am
01. Oktober 2005 auch auf die andere Person Anwendung, geht der jeweils
individuell zustehende Teil des Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 1 und
2 des Ortszuschlages in das Vergleichsentgelt ein.....
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5. Bei Teilzeitbeschäftigten wird das Vergleichsentgelt auf der Grundlage eines
vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten bestimmt. Satz 1 gilt für Beschäftigte, deren
Arbeitszeit nach § 3 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992
herabgesetzt ist, entsprechend.
8
Protokollerklärung zu § 5 Abs. 5:
9
Lediglich das Vergleichsentgelt wird auf der Grundlage eines entsprechenden Voll-
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zeitbeschäftigten ermittelt; sodann wird nach der Stufenzuordnung das zustehende
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Entgelt zeitratierlich berechnet. Diese zeitratierliche Kürzung des auf den
Ehegattenanteil im Ortszuschlag entfallenden Betrags unterbleibt nach Maßgabe
des § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen......
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Bis zum 31.10.2006 galt für die Ehefrau des Klägers weiterhin der BAT. Mit Wirkung
zum 01.11.2006 war sie in den TV-L vom 12.10.2006 überzuleiten. Bezüglich der
Bildung des Vergleichsentgeltes enthält § 5 TVöD-L vom 18.08.2006 folgende
Regelung:
13
(1)
14
Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TV-L wird für die Beschäftigten
nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der Bezüge, die im Oktober 2006
zustehen, nach Absätzen 2 – 6 gebildet.
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(2)
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Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O setzt sich das
Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der Stufe
1 oder 2 zusammen. Ist auch eine andere Person im Sinne von § 29 Abschnitt B Abs. 5
BAT/BAT-O ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
familienzuschlagsberechtigt, wird die Stufe und der jeweilige Anteil des
Unterschiedsbetrages der Ortszuschlagsstufe 1 und 2 bzw. des Familienzuschlags der
Stufe 1, den die andere Person aufgrund von Teilzeitbeschäftigung nicht mehr erhält,
zugrunde gelegt; findet der TV-L am 01. November 2006 auch auf die anderen
Personen Anwendung, gibt der jeweils individuell zustehende Teil des
Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages in das
Vergleichsentgelt ein. ....
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5.
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Bei Teilzeitbeschäftigten wird das Vergleichsentgelt auf der Grundlage eines
entsprechenden Vollzeitbeschäftigten bestimmt. Satz 1 gilt für Beschäftigte, deren
Arbeitszeit nach § 3 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992
herabgesetzt ist, entsprechend.
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Protokollerklärung zu § 5 Abs. 5:
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Lediglich das Vergleichsentgelt wird auf der Grundlage eines entsprechenden
Vollzeitbeschäftigten ermittelt; sodann wird das nach der Stufenverordnung das
zustehende Entgelt zeitanteilig berechnet. Die zeitanteilige Kürzung des auf den
Ehegattenanteil im Ortszuschlag entfallenden Betrages (§ 5 Abs. 2 Satz 2. Halbsatz)
unterbleibt nach Maßgabe des § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 2 BAT/BAT-O. Neue
Ansprüche entstehen hierdurch nicht.
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Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 01.10.2005 ein Entgelt, in das u.a. der
Ortszuschlag der Stufe 1 eingeflossen ist. Die hälftige Differenz zwischen den
Ortszuschlägen der Stufen 1 und 2 i.H.v. 50,91 € brutto entfiel.
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Die Ehefrau des Klägers erhält ab Oktober 2005 einen zeitanteilig im Hinblick auf die
Teilzeitbeschäftigung gekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 i.H.v. 231,52 €.
23
Mit Schreiben vom 06.02.2006 (Bl. 7 – 9 d.A.) forderte der Kläger von der Beklagten die
Zahlung eines um 50,91 € brutto monatlich erhöhten Entgeltes. Die Beklagte lehnte den
Anspruch mit Schreiben vom 13.02.2006 ab.
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Mit seiner am 03.03.2006 bei Gericht eingegangenen Klage, die er mit Schriftsatz vom
03.01.2005 in der Berufungsinstanz erhöht hat, begehrt er die Zahlung der
Monatsdifferenz für die Zeit von Oktober 2005 bis Dezember 2006 einschließlich sowie
die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, an ihn ab Januar 2007 monatlich
weitere 50,91 € brutto zu zahlen.
25
Der Kläger ist der Auffassung, § 5 TVÜ-VKA enthalte eine den Tarifvertragsparteien
nicht bewusste Regelungslücke. Sie hätten sicherstellen wollen, dass die Arbeitnehmer
durch die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD keine finanzielle
Verschlechterung hätten hinnehmen müssen. Die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 1.
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Halbsatz TVÜ-VKA sei jedoch nur angemessen bei Vollzeitbeschäftigung beider
Ehegatten. Das Familieneinkommen mindere sich, wenn der vollzeitbeschäftigte
Ehepartner in den TVöD übergeleitet und der teilzeitbeschäftigte Ehepartner weiterhin
nach BAT entlohnt werde, Artikel 3 GG sei verletzt.
Der Kläger hat beantragt,
27
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 254,55 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus jeweils 50,91 € seit dem
01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006 und 01.03.2006 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab März 2006 monatlich
50,91 € brutto als hälftige Differenz zwischen dem Ortszuschlag BAT Stufe 1 und
dem Ortszuschlag BAT Stufe 2 zu zahlen.
28
29
Die Beklagte hat beantragt,
30
die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA verstoße nicht gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz. Die tariflichen Regelungen seien zutreffend angewendet
worden.
32
Mit Urteil vom 21.06.2006 hat das Arbeitsgericht Paderborn die Klage abgewiesen.
33
Es hat ausgeführt:
34
Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Anspruch des Klägers rechtfertige sich nicht
aus den tarifvertraglichen Regelungen, insbesondere nicht aus § 5 TVÜ-VKA. Die von
der Beklagten vorgenommene Bildung des Vergleichsentgeltes entspreche dem
Wortlaut des Tarifvertrages.
35
Eine planwidrige Regelungslücke bestehe nicht. Es sei den Tarifvertragsparteien
wegen der vielen unterschiedlichen Eingruppierungsmöglichkeiten und persönlichen
Situationen nicht möglich gewesen, jeden Beschäftigten einer konkreten Stufe der
jeweiligen Entgeltgruppe zuzuordnen. Allein deswegen sei schon mit geringfügigen
Schwankungen in der Vergütung zu rechnen gewesen. Die weite Verbreitung der
Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst spreche im Übrigen gegen eine planwidrige
Regelungslücke.
36
Ein Verstoß gegen Artikel 3 GG liege ebenfalls nicht vor.
37
Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 21.06.2006 (Bl. 24 bis 30 d.A.) Bezug
genommen.
38
Gegen das ihm am 14.07.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.08.2006 bei dem
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Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 13.09.2006
eingehend begründet.
Er ist der Auffassung:
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Eine unbewusste Regelungslücke in § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA sei zu bejahen. Die
Tarifvertragsparteien hätten inzwischen selbst erkannt, den Fall übersehen zu haben,
dass der unter den TVöD fallende Ehepartner vollzeitbeschäftigt und der unter den BAT
fallende Ehepartner teilzeitbeschäftigt ist. Die Verhandlungen hätten jedoch noch zu
keinem Ergebnis geführt.
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Die Beklagte sei wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus
Artikel 3 GG verpflichtet, ihm weiterhin den Differenzbetrag zu zahlen, um dem Ziel des
§ 5 TVÜ-VKA entsprechend eine finanzielle Schlechterstellung im Vergleich zum BAT
zu vermeiden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 21.06.2006 (3 Ca 329/06) abzuändern
44
und
45
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 763,65 € brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus jeweils 50,91 € seit dem
01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006, 01.03.2006, 01.04.2006,
01.05.2006, 01.06.2006, 01.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006,
01.11.2006, 01.12.2006 und 01.01.2007 zu zahlen,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab Januar 2007 monatlich
50,91 € brutto als hälftige Differenz zwischen dem Ortszuschlag BAT Stufe 1 und
dem Ortszuschlag BAT Stufe 2 zu zahlen.
47
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet,
50
die Sicherung des Familieneinkommens sei nie Ziel der tariflichen Vereinbarungen
gewesen. Den Tarifvertragsparteien sei bewusst gewesen, dass dies nicht in jedem
denkbaren Fall möglich sei. Sie seien sich angesichts der großen Aufgabe der
Ablösung eines in Jahrzehnten gewachsenen Tarifwerkes durch den TVöD möglicher
Unzulänglichkeiten bewusst gewesen und hätten diese offenkundig in Kauf genommen.
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Die Arbeitgeberseite werde einer Änderung des Tarifvertrages bezüglich der hier
streitgegenständlichen Fallkonstellation nicht zustimmen.
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Entscheidungsgründe
53
I.
54
Die gemäß §§ 64 Abs. 2 b, Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässige Berufung
des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Paderborn hat seine Klage zu Recht
abgewiesen.
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1. Der Zahlungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
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Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer 50.91 € monatlich folgt nicht aus §
5 Abs. 2 TVÜ-VKA.
57
Gemäß § 3 TVÜ-VKA waren die von § 1 Abs. 1 TVÜ-VKA erfassten Angestellten, zu
denen auch der Kläger gehört, zum 01.10.2005 in den TVöD überzuleiten. Dazu gehörte
auch die Zuordnung zu den Entgeltgruppen der Anlage 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs. 1 TVÜ-
VKA. § 5 TVÜ-VKA regelt die Bildung des Vergleichsentgeltes. Gemäß § 5 Abs. 1
erfolgt die Zuordnung zu den Entgeltgruppen unter Bildung eines Vergleichsentgeltes
auf der Grundlage der von dem Angestellten im September 2005 erhaltenen Bezüge. Es
setzt sich nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA zusammen aus der Grundvergütung, der
allgemeinen Zulage und dem Ortszuschlag der Stufe 1. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1.
Halbsatz TVÜ-VKA wird nur die Stufe 1 zugrunde gelegt, wenn eine andere Person im
Sinne von § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT ortszuschlagsberechtigt ist und auf sie der
TVöD-VKA nicht anwendbar ist. Gemäß § 29 B II Ziff. 1, Abs. 5 BAT erhält diese Person
den vollen Ortszuschlag nach der Stufe 2, da der in den TVöD-VKA übergeleitete
Ehegatte keinen Anspruch mehr auf einen Ortszuschlag hat. Der Verheiratetenzuschlag
ist im TVöD nicht mehr vorgesehen (vgl. Litschen, Das Tarifrecht der Beschäftigten im
öffentlichen Dienst, Vergleichsentgelt § 5 TVÜ-VKA Rdnr. 4;
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink, TVöD, TVÜ-VKA § 5 Rdnr. 7 Beispiel 2).
58
Ist der unter § 29 B BAT fallende Ehegatte vollbeschäftigt, bleibt das Einkommen der
Ehegatten gleich hoch. Eine nicht bezweckte Erhöhung des Familieneinkommens wird
vermieden (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink a.a.O. TVÜ-VKA § 5 Rdnr. 8,
Anhang 1 Rundschreiben der VKA zur Berücksichtigung des Ortszuschlags beim
Vergleichsentgelt vom 06.10.2005 Seite 18, 19).
59
Die Ehefrau des Klägers ist zwar als Arbeitnehmerin des Landes Nordrhein-Westfalen
Angestellte des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 29 B Abs. 5, Abs. 7 BAT, ohne
dass der TVöD-VKA auf sie Anwendung findet. Sie erhält entsprechend einen
Ortszuschlag nach der Stufe 2. Zu Recht verweist der Kläger jedoch darauf, dass sich
das Familieneinkommen vermindert hat. Im September 2005 bezog er einen
Ortszuschlag der Stufe 1 ½, § 29 B Abs. 5 BAT. Seine Ehefrau erhielt gemäß § 29 B
Abs. 5 Satz 1 Satz 2 BAT anteilig entsprechend ihrer unterhälftigen regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit einen Ortszuschlag ebenfalls nach der Stufe 1 ½. Im Oktober
2005 floss in das Vergleichsentgelt des Klägers nur die Stufe 1 ein, während seine
Ehefrau zwar die Stufe 2, aber nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit erhielt.
Unstreitig ist das Familieneinkommen durch die Überleitung gesunken.
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Wären beide Ehegatten mit Wirkung zum 01.10.2005 in den TVöD-VKA übergeleitet
worden, wäre gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2. Halbsatz TVÜ-VKA der jeweils individuell
zustehende Teil des Unterschiedsbetrages in das Vergleichsentgelt eingeflossen.
61
Nach der Protokollnotiz zu § 5 Abs. 5 Satz 2 TVÜ-VKA unterbleibt bei
teilzeitbeschäftigten Angestellten die zeitratierliche Kürzung des auf den
Ehegattenanteil im Ortszuschlag entfallenden Betrags im Vergleichsentgelt nach
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Maßgabe des § 29 B Abs. 5 Satz 2 BAT in all den Fällen, in denen in das
Vergleichsentgelt der individuell zustehende Anteil am Ehegattenanteil eingeht, weil die
andere ortszuschlagsberechtigte Person ebenfalls in den TVöD übergeleitet wird (vgl.
Rundschreiben der VKA a.a.O. S. 19, 20).
Das Problem, dass nicht der übergeleitete Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt ist, sondern
sein weiterhin dem BAT unterliegender Ehegatte, erfährt weder in § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA
noch in der Protokollnotiz eine Regelung (vgl. Hoffmann, Korrekturbedarf am TVöD,
Kommunal Praxis spezial 2006, 116; Rundschreiben der VKA a.a.O. S. 21).
63
Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich jedoch auch nicht bei ergänzender
Auslegung der tariflichen Vorschrift.
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Zwar sind tarifliche Regelungen grundsätzlich einer ergänzender Auslegung
zugänglich. Diese kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien
eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und dies in einer
entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet. Im Falle einer unbewussten
Regelungslücke haben die Gerichte grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, die
Lücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben
ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien
ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 24.02.1988 – 4 AZR 614/87, BAG/E 57, 334; vom
10.12.1986 – 5 AZR 517, 85, BAG/E 54, 30; vom 03.11.1998 – 3 AZR 432/97, ZTR
1999, 375; vom 20.05.1999 – 6 AZR 451/97, BAG/E 91, 358). Die Lückenschließung
durch das Gericht scheidet allerdings dann aus, wenn verschiedene Möglichkeiten
bestehen und es deshalb aufgrund der bestehenden Tarifautonomie den
Tarifvertragsparteien überlassen bleiben muss, für welche Lösungsmöglichkeit sie sich
entscheiden wollen (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.1999 a.a.O.).
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§ 5 Abs. 2 TVÜ-VKA ist nach Auffassung des Gerichtes lückenhaft. Der Vorschrift sind
keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer
in der Situation des Klägers bei der Bildung des Vergleichsentgeltes schlechter stellen
wollten als zuvor zur Zeit des Geltung des BAT bzw. sie die Schlechterstellung billigend
in Kauf genommen haben, um ein anderes Tarifziel zu erreichen. Dagegen spricht
schon, dass es ihr erklärter Wille war, die Überleitung zum einen für die Arbeitgeber
möglichst kostenneutral durchzuführen und zum anderen die Arbeitnehmer nicht
schlechter zu stellen (vgl. Litschen a.a.O. Rdnr. 1; Hoffmann a.a.O. S. 116). Die nach
dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA zwingende Rechtsfolge, dass der Kläger mit der
Ortszuschlagsstufe 1 übergeleitet wird, rechtfertigt sich nicht unter dem Gesichtspunkt
der Kostenneutralität, da die von ihm begehrte Zahlung des Differenzbetrags
kostenneutral ist. Das Gericht verkennt nicht, dass wegen der vielen
Eingruppierungsmöglichkeiten und persönlichen Situationen, die sich auf die Bezüge
auswirken können, es nicht möglich war, jeden Einzelfall befriedigend zu lösen (vgl.
auch Litschen a.a.O. Rdnr. 1). Die Eheleute befinden sich auch in einer typischen
Situation. Deshalb hat das erstinstanzliche Gericht die Annahme als naheliegend
angesehen, die Tarifvertragsparteien hätten bewusst den vorliegenden Fall nicht
gesondert geregelt, sondern eine maßvolle Verschlechterung der familiären
Verhältnisse in Kauf genommen. Gleichwohl gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür,
dass es sich um eine unbewusste Regelungslücke handelt.
66
Dass sich die Tarifvertragsparteien auch unter dem Gesichtspunkt der
Teilzeitbeschäftigung um ein hohes Maß an Entgeltgerechtigkeit bemüht haben, zeigt
67
sich in der bereits angeführten Protokollnotiz zu § 5 Abs. 5 TVÜ-VKA, mit der sie
sichergestellt haben, dass bei Teilzeitkräften Einbußen des Familieneinkommens durch
die Berechnung des zunächst auf Vollzeitbeschäftigung hochgerechneten
Vergleichsentgeltes und des nach der Überleitung zustehenden Teilzeitentgeltes infolge
der Überleitung in den TVÜD vermieden werden (vgl. Rundschreiben des VKA a.a.O. S.
20). Für eine unbewusste Lücke spricht auch, dass der später abgeschlossene TVÜ-L in
§ 5 Abs. 2 Satz 2 eine Regelung für das vorliegende Problem enthält. Auf
Arbeitnehmerseite ist dieser Tarifvertrag ebenfalls – wie der TVÜ-VKA u.a. – von der
Gewerkschaft ver.di und gleichlautend mit der dbb Tarifunion abgeschlossen worden.
Dass hier eine "Nachbesserung" gegenüber dem früher abgeschlossenen TVÜ-VKA
bezweckt war, liegt auf der Hand. Entsprecht weist Hoffmann als Tarifreferent der dbb
Tarifunion (vgl. Kommunal Praxis spezial 2006, S. 116) darauf hin, dass es von
vornherein nicht realistisch gewesen sei anzunehmen, das neue Tarifrecht werde in der
Praxis reibungslos übernommen und ohne Probleme angewendet werden können; u.a.
das Problem des Ortszuschlages bei Teilzeitbeschäftigung des noch unter den BAT
fallenden Ehegatten habe sich "als berühmter Teufel in Detail" erst bei Inkrafttreten des
TVöD gezeigt (vgl. S. 116, 117). In dem Rundschreiben des VKA (a.a.O. S. 21) wird nur
konstatiert, dass mangels tariflicher Regelung ein Ausgleich im Verlust des
Familieneinkommens nicht stattfindet, ohne dass sich ein Hinweis darauf findet, die
Tarifvertragsparteien hätten das Problem gesehen und bewusst keiner gesonderten
Lösung zugeführt.
Nach Mitteilung von Hoffmann (a.a.O. S. 117, 118) und der Parteien im Termin vom
04.01.2005 finden zwischen den Tarifvertragsparteien Nachverhandlungen statt, die
bisher zu keiner Regelung des vorliegenden Problembereichs geführt haben.
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Trotz Bejahung einer unbewussten Regelungslücke sah sich die Kammer gehindert,
diese i.S. der klägerischen Rechtsauffassung zu füllen. Zur Schließung der Lücke
haben die Tarifvertragsparteien verschiedene Möglichkeiten. Sie können vereinbaren,
dass das Vergleichsentgelt des übergeleiteten Arbeitnehmers unter voller
Berücksichtigung der vormaligen Ortszuschlagsstufe 1 ½ gebildet wird. Das ist die
Lösung, die der Kläger seiner Klage zugrunde legt. Mindestens so wahrscheinlich ist es
aber, dass sie die Regelung des TVÜ-L zum Vorbild genommen hätten, hätten sie das
Problem gesehen. Der Ausgleich erfolgt gemäß § 5 Abs. 2 1. Halbsatz TVÜ-L dadurch,
dass in das Vergleichsentgelt zusätzlich derjenige Teil des Ehegattenanteils
eingerechnet wird, der der Konkurrenzgemeinschaft wegen der Teilzeitbeschäftigung
der anderen Person nicht mehr gezahlt wird (vgl. Sponer/Steinherr, TV-L Komm. § 5
TVÜ-L Erläuterung 5.1.3 (7) mit Beispiel).
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Der Kläger wird das Ergebnis der Nachbehandlung in der Tarifvertragsparteien
abzuwarten haben.
70
II.
71
Der Feststellungsantrag ist zulässig. Insoweit wird auf die zutreffenden
Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtes verwiesen.
72
Aus den dargestellten Gründen ist der Antrag jedoch unbegründet.
73
III.
74
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der
Revision aus § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.
75
Held-Wesendahl
Andreas
Brenner
76