Urteil des LAG Hamm vom 18.01.2008

LArbG Hamm: abmahnung, berufliches fortkommen, firma, personalakte, dienstanweisung, eigenhändig, volumen, datum, form, nummer

Landesarbeitsgericht Hamm, 13 Sa 1644/07
Datum:
18.01.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Sa 1644/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 5 Ca 620/07
Schlagworte:
Abmahnung; Pflichtverstoß; Verhaltenspflicht
Normen:
§ 1004 BGB
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bielefeld vom 07.08.2007 - 5 Ca 620/07 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 23.02.2007 aus der
Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung.
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Der Kläger ist seit dem 01.10.1982 bei der Beklagten, einer Wohnungsbau- und
Verwaltungsgesellschaft, beschäftigt, zuletzt in der Funktion eines Sachbearbeiters
Technik und Projektleiters zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.950,-- €. Der
Kläger, der zugleich auch Betriebsratsvorsitzender ist, ist u.a. zuständig für die
Instandhaltung von ca. 2.000 durch die Beklagte verwalteter Wohnungen. In dem
Zusammenhang besteht eine arbeitgeberseits erlassene Dienstanweisung Nr. 7, in der
unter "B. Modernisierungsaufträge – Bauaufträge" folgendes bestimmt ist:
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Diese Aufträge sind nur über das Baubuch zu erteilen. Die festgelegten
Kontierungen nach Sachbearbeiter und Konten sind zu beachten. Aufträge bis
5.000,00 € können von dem zuständigen Sachbearbeiter eigenverantwortlich
erteilt werten. Im Baubuch wird hierzu das "kleine Auftragsschreiben" gewählt.
Dieser Vordruck wird nicht eigenhändig unterzeichnet. Das Auftragsblatt druckt
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den Namen des Abteilungsleiters und des auftragerteilenden Sachbearbeiters
mit gezeichnet aus.
Aufträge über 5.000,00 € sind mit dem "großen Auftragsschreiben" zu erteilen.
Diese Aufträge sind der Abteilungsleitung vorzulegen und werden von der
Abteilungsleitung und dem Sachbearbeiter eigenhändig unterschrieben.
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Die Auftragserteilung erfolgt durch die technischen Sachbearbeiter.
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In dem angesprochenen (elektronischen) Baubuch werden die Aufträge der
Sachbearbeiter mit einer bestimmten Nummer eingegeben – neben dem Datum und den
geschätzten Kosten. Anschließend erfolgt die schriftliche Auftragserteilung. Nach
Erledigung der Arbeiten erstellt der Handwerker eine Rechnung, die von der
Rechnungsstelle der Beklagten beglichen wird. Liegt der Betrag deutlich höher als
zuvor vom Sachbearbeiter geschätzt, erfolgt eine automatische Zahlungssperre, die nur
vom Vorgesetzten aufgehoben werden kann.
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Zu dem vom Kläger zu verwaltenden Bestand gehört die Wohnung "L1 Straße 12, DG
re" in D1. Dort waren im Oktober/November 2006 anlässlich eines Mieterwechsels
Malerarbeiten durchzuführen. Damit beauftragte der Kläger am 24.10.2006 die Firma O1
M1 aus D1. Er legte im Baubuch einen entsprechenden Auftrag an über eine von ihm
geschätzte Auftragssumme in Höhe von 1.800,-- €. Sodann erhielt die Firma M1 einen
entsprechenden schriftlichen Auftrag (Bl. 25 d. A.). Als Auftragsnummer gab der Kläger
in das Baubuch ein: 2006/100768/01. Im Zuge der Durchführung des Auftrags teilte die
Firma M1 dem Kläger telefonisch mit, dass ein Mehraufwand in Form einer
Neutapezierung der Decken erforderlich sei. Telefonisch genehmigte der Kläger diese
Mehrarbeiten. Anschließend erstellte die Firma M1 der Beklagten unter dem 15.11.2006
eine Rechnung über insgesamt 3.211,58 € zur Auftragsnummer 2006/100768/01 und
wies darin auf die beauftragten Mehrarbeiten hin. Daraufhin legte der Kläger am
20.11.2006 im Baubuch einen zweiten Auftrag bezüglich der Malerarbeiten in dem
Objekt unter der Nummer 2006/100768/02 an. Als Auftragsdatum trug er den 24.10.2006
ein und als geschätzte Auftragssumme 3.220,00 €. Die Auftragsnummer in der
Rechnung der Firma M1 änderte der Kläger handschriftlich auf 02 am Ende ab. Im
elektronischen Baubuch der Beklagten waren nunmehr zwei Aufträge verzeichnet, zum
einen über 1.800,00 € und zum anderen über 3.220,00 €.
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Die Beklagte nahm diesen Sachverhalt zum Anlass, dem Kläger mit Schreiben vom
23.02.2007 eine Abmahnung zu erteilen. Darin wird u.a. ausgeführt:
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Sehr geehrter Herr N1, wir beanstanden, dass Sie einen neuen Auftrag angelegt
hatten, nachdem bereits der ursprüngliche Auftrag erfüllt und hierüber eine
Rechnung erteilt war. Diese überstieg das Volumen lt. Auftrag vom 24.10.2006
um 1.411,58 €. Um die Gründe für eine derart gegenüber dem ursprünglich
erteilten Auftrag erhöhte Rechnung prüfen zu können, ist es nicht statthaft, einen
"neuen Auftrag" über ein höheres Volumen, als ursprünglich vorgesehen,
anzulegen. Hierdurch werden Kontrollen und etwa notwendige Rückfragen
erschwert. Sie hätten vor einer eigenmächtigen, nachträglichen
Auftragsveränderung Rücksprache mit Ihrem Vorgesetzten nehmen müssen.
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Bezüglich des weiteren Inhalts wird Bezug genommen auf die mit Klageschriftsatz vom
06.03.2007 eingereichte Kopie (Bl. 7 f. d. A.).
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe mit seiner Vorgehensweise nicht
gegen die Dienstanweisung Nr. 7 der Beklagten verstoßen. So habe ihm die Kompetenz
zugestanden, Aufträge in einem Volumen von bis zu 5.000,-- € eigenhändig zu erteilen.
Das Erfordernis einer Vorlage des Vorgangs beim Vorgesetzten betreffe nur den hier
nicht einschlägigen Fall, dass ein Handwerker auf der Grundlage eines unverändert
gebliebenen Auftrages einen höheren Betrag in Rechnung stelle, als zuvor vom
Sachbearbeiter im Baubuch vorläufig geschätzt worden sei. Es sei ihm aus technischen
Gründen nicht möglich gewesen, im Baubuch die Auftragserweiterung anders als
geschehen ordnungsgemäß zu erfassen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2007
erteilte Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei der Vorwurf zu machen, dass er noch
einen neuen Auftrag über 3.220,-- € angelegt habe, nachdem der ursprüngliche Auftrag
bereits erfüllt und hierüber eine Rechnung erteilt worden sei. Die Verfahrensweise des
Klägers erschwerte Kontrollen und Rückfragen, wenn es, wie hier, zu einer
Überschreitung des Rechnungsvolumens um ca. 1.400,-- € gekommen sei.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.08.2007 die Klage abgewiesen. Zur
Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei trotz einer fehlenden
Verfahrensregelung bei einer nachträglichen Auftragserhöhung nicht berechtigt
gewesen, im Nachhinein einen zweiten Auftrag über die Gesamtsumme anzulegen; ggf.
hätte er seinen Dienstvorgesetzten fragen müssen.
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Gegen dieses dem Kläger am 24.08.2007 zugestellte Urteil hat er am 14.09.2007
Berufung eingelegt und sie am 24.09.2007 begründet.
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Er ist unverändert der Ansicht, dass er wegen seiner Befugnis, bis zu einem Betrag von
5.000,-- € Aufträge selbstständig erteilen zu können, im konkreten Fall auch zur
nachträglichen Erweiterung des Auftrags ohne Rücksprache berechtigt gewesen sei.
Nur im hier nicht gegebenen Fall der nachträglichen Erhöhung der ursprünglichen
Rechnungssumme sei er verpflichtet gewesen, sich gegenüber seinem Vorgesetzten zu
erklären. Das elektronische Baubuch sehe den Fall einer nachträglichen
Auftragserweiterung nicht vor.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.08.2007 – 5 Ca 620/07 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 23.02.2007
aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt aus, der Kläger sei bei einer nachträglichen Auftragserweiterung nicht befugt,
wie geschehen zu verfahren. Zudem hätte er seinen Vorgesetzten einschalten müssen,
um die erforderlichen Kontrollen hinsichtlich des Auftrags, der Arbeit und des
Rechnungsbetrages zu ermöglichen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
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Denn entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat er gegenüber der Beklagten einen
Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 23.02.2007 aus der Personalakte.
Insofern kann er sich auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog stützen, wonach der
Arbeitnehmer bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht in
Form unzutreffender Äußerungen des Arbeitgebers die Beseitigung verlangen kann. Die
Voraussetzungen sind erfüllt bei einer zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung, weil
die in ihr erhobenen Vorwürfe Grundlage für eine falsche Beurteilung des
Arbeitnehmers sein und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere
arbeitsrechtliche Nachteile mit sich bringen können (z.B. BAG AP BGB § 611
Fürsorgepflicht Nr. 93; AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 4, 8).
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Die Abmahnung muss u.a. einer sogenannten Hinweis- bzw. Rügefunktion gerecht
werden, in dem sie den Inhalt einer bestehenden Vertragspflicht beschreibt und den
Arbeitnehmer an die Einhaltung erinnert. Diesem Zweck kann sie nicht gerecht werden,
wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien unklar ist, welche konkrete
Handlungspflicht den Arbeitnehmer in einer bestimmten Situation trifft, weil der
Arbeitgeber es versäumt hat, erforderliche präzise Vorgaben zu machen. Dann bedarf
es erst genauer Anweisungen, bevor ein anschließendes Fehlverhalten zum
Gegenstand einer Abmahnung gemacht werden kann.
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Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass die vom Kläger angegriffene
Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen ist. Denn die Beklagte hat es in der
Vergangenheit versäumt, klare Verhaltensvorgaben für den bei ihr sicher nicht selten
vorkommenden Fall zu machen, dass nach der Dienstanweisung Nr. 7 B. vom
zuständigen Sachbearbeiter ein Auftrag erteilt wird und sich dann bei dessen
Durchführung ein zusätzlicher Renovierungsbedarf ergibt.
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Genauso, wie sie in der genannten Dienstanweisung exakte Vorgaben für die Erteilung
von Aufträgen gemacht und festgelegt hat, in welchen Fällen die Abteilungsleitung zur
Gewährleistung der erforderlichen Transparenz und Kontrolle einzuschalten ist, hätte
sie entsprechend der in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2008 erstmals
aktenkundig gewordenen Erklärung ihren Arbeitnehmern, darunter dem Kläger, auch
vorgeben müssen, dass auch im Falle der "bloßen" Erweiterung eines bereits erteilten
Auftrages entweder über das Baubuch eine zweite Beauftragung zu erfolgen hat oder
vorab die Zustimmung des Vorgesetzten einzuholen ist.
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Da diese Handlungspflichten im Oktober/November 2006, als der Kläger der Firma M1
den erweiterten Auftrag (auch) zur Neutapezierung der Decken in der Wohnung "L1 Str.
12, DG re" erteilte, nicht entsprechend gefasst waren, stand es der Beklagten nicht zu,
das tatsächliche Verhalten des Klägers in der konkreten Situation dazu zu nutzen, ihm
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sofort eine Abmahnung auszusprechen, statt den Vorfall zum Anlass zu nehmen,
zunächst einmal die Anweisungen – endlich – zu präzisieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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Dr. Müller
Haase
Heer
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