Urteil des LAG Hamm vom 23.03.2010

LArbG Hamm (anstellungsvertrag, abwerbung von kunden, karenzentschädigung, unternehmen, höhe, geschäftsführer, bag, vereinbarung, klage auf zahlung, firma)

Landesarbeitsgericht Hamm, 14 SaGa 68/09
Datum:
23.03.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 SaGa 68/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 2 Ga 43/09
Schlagworte:
AGB, Arbeitnehmer, Arbeitsvertrag, Dienstvertrag, Geschäftsführer,
Wettbewerbsabrede, Wettbewerbsverbot
Normen:
§ 305 c Abs. 2 BGB, § 74 HGB
Leitsätze:
1. Soll nach einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag ein
nachvertragli-ches Wettbewerbsverbot nicht gelten, wenn das
Vertragsverhältnis während der ersten zwölf Monate der Beschäftigung
beendet wird, findet es keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer in
dieser Zeit ausscheidet. Das gilt auch dann, wenn der Beginn der
Beschäftigung im Vertrag auf ein bestimmtes Datum festgelegt wird, in
einer im Vertragstext in Bezug genommenen Zusatzvereinbarung
geregelt wird, dass das Arbeitsverhältnis (aufgrund einer vorherigen
Tätigkeit als Geschäftsführer) schon seit einem früheren Zeitpunkt
besteht, jedoch die Bestimmungen des Arbeitsvertrags ab dem im
Vertragstext festgelegten Zeitpunkt gelten und das nunmehr vereinbarte
Wettbewerbsverbot sich inhaltlich bezüglich Umfang, und Dauer vom
vorher vereinbarten Wettbewerbsverbot unterscheidet.
2. Die Zusage einer Karenzentschädigung, bei der nach dem
Vertragstext zur Be-rechnung der Höhe auf den Durchschnitt der
Vergütungsleistungen innerhalb eines abweichend von § 74 Abs. 2, § 74
b Abs. 2 HGB bestimmten Zeitraums abgestellt und lediglich die Hälfte
dieses Durchschnitts zugesagt wird, entspricht nicht der in § 74 Abs. 2
HGB vorgeschriebenen Höhe. Das gilt auch dann, wenn im Übrigen die
gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB gelten sollen.
3. Handelt es sich um eine Klausel in einem vom Arbeitgeber
vorformulierten
Arbeitsvertrag, ist zumindest unklar im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB, ob
eine
gesetzeskonforme Karenzentschädigung zugesagt wird. Dies führt zur
Unverbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum
vom 24. November 2009 (2 Ga 43/09) wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vom Beklagten die
Unterlassung von Wettbewerb.
2
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen für Personaldienstleistungen unter
anderem auf den Gebieten Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung. Sie
unterhält in verschiedenen Bundesländern mehrere Niederlassungen. Der Beklagte war
seit dem 15. September 1999 auf der Basis eines GmbH-Geschäftsführervertrages vom
28. Juni 1999 (Anlage A 14 zur Berufungsbegründung vom 29. Januar 2010, Bl. 144 ff.
d. A.), der mit der Firma A1 Z1 GmbH, damals noch in Gründung, abgeschlossen
worden war, als Geschäftsführer tätig. § 4 GmbH-Geschäftsführervertrag enthielt unter
der Überschrift "Nebentätigkeit/Wettbewerbsverbot" folgende Regelung:
3
1. Der Geschäftsführer wird seine ganze Arbeitskraft, Erfahrungen und
Kenntnisse der Gesellschaft - vorbehaltlich in Abs. 2 genehmigter Tätigkeit - zur
Verfügung stellen. An eine bestimmte Arbeitszeit ist er nicht gebunden. Er ist
jedoch gehalten, jederzeit, wenn und soweit das Wohl der Gesellschaft es
erfordert, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen. Nebentätigkeiten sind
dem Geschäftsführer nicht erlaubt.
4
2. Für die Dauer dieses Vertrages und dem darauffolgenden Jahr ist es dem
Geschäftsführer nicht gestattet, in einem der Gesellschaft gleichartigen Betrieb
innerhalb den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein Westfalen tätig zu
sein, und zwar weder selbständig noch unselbständig, zu beraten oder in
irgendeiner Form zu unterstützen, ein solches Unternehmen zu errichten oder
sich an einem solchen Unternehmen zu beteiligen, und zwar weder unmittelbar
noch mittelbar, weder gelegentlich noch gewerbsmäßig.
5
3. Für die Zeit des Bestehens des Wettbewerbsverbotes nach Ablauf des
Vertrages verpflichtet sich die Gesellschaft zur Zahlung einer jährlichen
Entschädigung in Höhe von 50 % des Jahresfestgehaltes, das der
Geschäftsführer innerhalb der letzten 12 Monate vor seinem Ausscheiden
bezogen hat. Die so errechnete Vergütung wird in monatlichen Teilbeträgen von
1/12 gezahlt.
6
4. Für jeden Fall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot zahlt der
Geschäftsführer der Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,00
DM. Weitergehende Schadensersatzansprüche der Gesellschaft bleiben
hiervon unberührt.
7
Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der A1 Z1 GmbH in B1. Aufgrund der von ihr
beschlossenen Verschmelzung der A1 Z1 GmbH auf die Klägerin wurde der Beklagte
ab 1. Januar 2009 als Niederlassungsleiter mit Sitz in B1 weiterbeschäftigt. Hierzu
schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag vom 19. Januar 2009 (vgl. Anlage A 1
zur Antragsschrift, Bl. 9 ff. d. A.). Es handelt sich bei dem Vertrag um ein von der
Klägerin für Neueinstellungen konzipiertes Formular. In dem Vertrag heißt es unter
anderem:
8
§ 1
9
Beginn des Arbeitsverhältnisses
10
1.1 Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.01.2009 (s. Zusatzvereinbarung).
11
1.2 trifft nicht zu.
12
13
§ 9
14
Wettbewerbsverbot
15
9.1 Für die Dauer dieses Vertrages und der darauffolgenden zwei Jahre ist es
dem/der Niederlassungsleiter/in nicht gestattet, unmittelbar oder mittelbar,
selbständig oder unselbständig für ein Unternehmen tätig zu sein, das der
Gesellschaft (insbesondere in den Bereichen Arbeitnehmerüberlassung,
Arbeitsvermittlung, Outsourcing) in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und
Baden-Württemberg Konkurrenz macht, ein solches Unternehmen zu gründen,
zu beraten, zu unterstützen oder sich daran zu beteiligen, und zwar weder
unmittelbar noch mittelbar, weder gelegentlich noch gewerbsmäßig.
16
9.2 Das Wettbewerbsverbot gilt nicht für Beteiligungen an Unternehmen in
Gestalt von Wertpapieren, die an Börsen gehandelt oder zum Zwecke der
Kapitalanlage erworben werden.
17
9.3 Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt nicht, wenn das
Vertragsverhältnis während der ersten 12 Monate der Beschäftigung beendet
wird. Hierbei wird auf den Beendigungstermin abgestellt.
18
9.4 Für die Zeit des Bestehens des Wettbewerbsverbotes nach Ablauf des
Vertrages verpflichtet sich die Gesellschaft zur Zahlung einer jährlichen
Entschädigung in Höhe von 50 % der vertragsmäßigen Leistungen, die der/die
Niederlassungsleiter/in innerhalb der letzten zwölf Monate vor seinem/ihrem
Ausscheiden bezogen hat. Die so errechnete Vergütung wird in monatlichen
Teilbeträgen vom 1/12 gezahlt.
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9.5 Das Unternehmen kann bis zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch
schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten mit der Folge,
dass es nach Ablauf eines Jahres seit Erklärung des Verzichts von den
Verpflichtungen zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Das
Wettbewerbsverbot wird von den Parteien bereits jetzt einvernehmlich
20
aufgehoben für den Zeitpunkt, an dem der/die Niederlassungsleiter/in in den
Ruhestand tritt.
9.6 Im Übrigen gelten für das Wettbewerbsverbot die Vorschriften des HGB
über Wettbewerbsverbote entsprechend (§§ 74 - 75 c HGB).
21
9.7 Für jeden Fall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot wird eine
Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,00 € fällig. Schadensersatzansprüche der
Gesellschaft bleiben hiervon unberührt.
22
Die in § 1.1 genannte Zusatzvereinbarung (vgl. Anlage A 1, Bl. 14 d. A.) hat folgenden
Wortlaut:
23
Das Arbeitsverhältnis besteht bereits seit dem 15.09.1999. Mit Wirkung ab dem
01.01.2009 gelten die Bestimmungen des neuen Anstellungsvertrages vom
19.01.2009.
24
Der Beklagte war in seiner Funktion als Niederlassungsleiter zuständig für die
Niederlassungen in B1 und M4. Hierfür erhielt er Einzelprokura, welche am 23. März
2009 in das Handelsregister eingetragen wurde.
25
Mit Schreiben vom 28. Juni 2009 (vgl. Anlage A 2 zur Antragsschrift vom 17. November
2009, Bl. 15 d. A.) kündigte der Beklagte das Anstellungsverhältnis mit der Klägerin zum
30. September 2009. Gleichzeitig bat er die Klägerin, ihn aus dem Wettbewerbsverbot
zu entlassen. Er erklärte, er werde bei einem Kundenunternehmen der Klägerin, der
Firma K2 P2 AG in N1 tätig werden. Sein Arbeitsplatz sei am Standort der P2 GmbH in
N2. Es handele sich für ihn um eine einmalige Karrierechance. Das Unternehmen wolle
künftig auch Aktivitäten auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung entfalten. Eine
spätere Kooperation mit der Klägerin sei beabsichtigt. Er benötige deshalb eine
Entlassung aus dem Wettbewerbsverbot.
26
Der Vorstand H1 der Klägerin schlug daraufhin mit Schreiben vom 8. September 2009
(Anlage A 3 zur Antragsschrift vom 17. November 2009, Bl. 16 f. d. A.) dem Beklagten
vor, das Wettbewerbsverbot im Anstellungsvertrag im beiderseitigen Einvernehmen
aufzulösen. Voraussetzung sei die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel, die
sowohl der Beklagte als auch dessen neue Arbeitgeberin akzeptieren solle. Nachdem
der Beklagte sich damit zunächst einverstanden erklärt hatte und in der Unterzeichnung
durch die Firma K2 P2 AG kein Problem sah, erklärte er später, er wisse nicht, ob die
Firma die Kundenschutzvereinbarung unterzeichnen würde. Auf einer gemeinsamen
Fahrt am 15. September 2009 erklärte der Beklagte gegenüber dem Vorstand H1, dass
er am Nachmittag des Tages ein Gespräch mit dem zuständigen Vorstandsmitglied für
Personal und Recht sowie dem Personalleiter haben werde. Am Folgetag teilte der
Beklagte dem Vorstand H1 in einem Telefonat mit, dass die Firma K2 P2 AG nicht bereit
sei, mit der Klägerin irgendwelche Vereinbarungen zu treffen. Der Beklagte erklärte
weiter, er könne die Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung ja allein
unterzeichnen. Er werde sicherlich keinerlei Daten über die Kunden der Klägerin
weitergeben, für diese bestehe nicht ernsthaft die Gefahr einer Abwerbung von Kunden
oder Arbeitnehmern.
27
Am 9. Oktober 2009 unterzeichneten der Vorstand H1 der Klägerin sowie der Beklagte
eine auf den 29. September 2009 datierte Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung,
28
welcher in der Anlage eine zwölfseitige Kundenliste beigefügt war. Die Vereinbarung
hat folgenden Wortlaut (vgl. Anlage A 4 zur Antragsschrift vom 17. November 2009, Bl.
18 f.):
Zur Aufhebung der Wettbewerbsvereinbarung in § 9 des Anstellungsvertrages
vom 19.01.2009 sowie des vorherigen Anstellungsvertrages ab 15.09.1999 und
gleichzeitig zur Begründung einer Kundenschutzvereinbarung treffen die Parteien
folgende Verabredungen:
29
Teil I: Aufhebung der Wettbewerbsvereinbarung
30
1. Das in den oben genannten Arbeitsverträgen zwischen der A1 P1 M1 AG und
Herrn S1 S2 vereinbarte Wettbewerbsverbot wird hiermit im gegenseitigen
Einvernehmen mit Wirkung zum 30.09.2009 (24.00 Uhr) aufgehoben.
31
32
2. Ab dem 01.10.2009 entfallen damit sämtliche wechselseitigen Rechte und
Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot.
33
34
3. Herrn S2 wird mit Wirkung ab 01.10.2009 die Wettbewerbstätigkeit insoweit
gestattet, als die zwischen den Parteien anderweitig getroffene
Kundenschutzvereinbarung eingehalten wird.
35
36
4. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung besteht nicht.
37
38
5. Auf alle sonstigen Ansprüche aus der Wettbewerbsvereinbarung wird verzichtet.
Die jeweils andere Partei nimmt den Verzicht an.
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40
Teil II: Begründung einer Kundenschutzvereinbarung
41
6. Herr S1 S2 verpflichtet sich gegenüber der A1 P1 M1 AG, es für einen Zeitraum
von zwei Jahren - vom 01.10.2009 bis einschließlich 30.09.2011 - zu unterlassen,
entweder für sich selbst oder für Dritte geschäftliche Kontakte im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung oder vergleichbarer Geschäfte wie Werkverträge,
Dienstleistungsverträge etc. zu den von der A1 P1 M1 AG, Niederlassung B1 in
den Jahren 2007, 2008 und 2009 belieferten Kunden aufzunehmen, herzustellen,
zu unterhalten etc. Die Unterlassungspflicht bezieht sich insbesondere auf die
Abwerbung und/oder Belieferung dieser Kunden für die K2 P2 AG und etwaige
sonstige Arbeitgeber, Aufraggeber, Geschäftspartner etc. des Herrn S2.
Maßgeblich ist die diesem Schreiben beigefügte Kundenliste der A1 P1 M1 AG
Niederlassung B1 der Jahre 2007, 2008 und 2009. Ausgenommen von der
Kundenschutzvereinbarung werden die Unternehmen K3 K2 GmbH, N1 und K3
G1 GmbH, S5. L2 R1. Herr S1 S2 verpflichtet sich, für jeden Fall der
Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 30.000,00 EUR (in Worten:
dreißigtausend Euro) an die A1 P1 M1 AG zu zahlen. Die Einrede des
Fortsetzungszusammenhangs wird ausgeschlossen. Ansprüche auf
Schadensersatz bleiben von der Vertragsstrafe unberührt.
42
43
Teil 3: Sonstige Vereinbarungen
44
7. Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und/oder Ergänzungen
dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.
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46
8. Sollte eine oder sollten mehrere Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam
sein, so wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.
Die Parteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine wirksame
Bestimmung zu ersetzen, die dem gewollten Zweck am nächsten kommt.
47
48
Seit dem 1. Oktober 2009 ist der Beklagte für die B4 N4 B.V. als Vertriebsleiter N5
beschäftigt. Das Unternehmen gehört zu der sogenannten B4-Gruppe. Hierbei handelt
es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen auf dem Gebiet der
Personaldienstleistungen. Die B4-Gruppe ist unter anderem in den Bundesländern
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz tätig. Die B4 P4
GmbH hat ihren Sitz in K4. Diese betreibt eine Niederlassung in E1. Dort ist ein
ehemaliger Mitarbeiter der Klägerin, Herr J1 S6, tätig. Der Beklagte besitzt in der
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Niederlassung E1 ein Büro. Anlässlich von Vorstellungsgesprächen der bei der
Klägerin beschäftigten Mitarbeiter K5 und F2 in der Niederlassung E1 bei Herrn S6 kam
es auch zu persönlichen Kontakten mit dem Beklagten. Beide Mitarbeiter waren bei
einem Kundenunternehmen der Klägerin, der Firma H6 S7 GmbH in E1, eingesetzt.
Dieses Unternehmen hat die Klägerin inzwischen verloren. Der weitere dort von der
Klägerin eingesetzte Mitarbeiter R3 hat sein Arbeitsverhältnis bei ihr zum 7. November
2009 gekündigt.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 hat die Klägerin die Vereinbarung vom 29.
September 2009 wegen arglistiger Täuschung angefochten (vgl. Anlage A 9 zur
Antragsschrift Bl. 46 ff. d. A.) Das Anfechtungsschreiben wurde dem Beklagten am 2.
November 2009 zugestellt.
50
Die Klägerin hat zunächst beim Arbeitsgericht Bochum (2 Ca 2892/09) mit der am 5.
November 2009 eingegangenen Klageschrift eine Klage auf Zahlung der in § 9.7
vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,00 € erhoben, welche sie nach dem
Gütetermin am 17. Dezember 2009 mit einem am 29. Dezember 2009 eingegangenen
Schriftsatz um die Anträge auf Unterlassung der Tätigkeit für die B4-Gruppe sowie die
Erteilung diverser Auskünfte über die derzeitige Tätigkeit des Beklagten, seine Kontakte
zu Kunden der Klägerin sowie über seinen Verdienst bei dem neuen Arbeitgeber
erweitert hat. Kammertermin ist für den 20. April 2010 bestimmt.
51
Mit ihrer am 18. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift
begehrt die Klägerin die Untersagung der Tätigkeit des Beklagten für die B4-Gruppe.
Sie ist der Auffassung, dass sie aufgrund des Verhaltens des Beklagten von ihm
arglistig getäuscht worden sei. Diese Täuschung habe sie zum Abschluss der
Vereinbarung vom 29. September 2009 erst veranlasst. Deren wirksame Anfechtung
führe zur Wiederherstellung des § 9 des Anstellungsvertrages vereinbarten
Wettbewerbsverbots. Hiergegen habe der Beklagte verstoßen. Er habe bereits vor
seinem Ausscheiden persönliche Gespräche mit der Mitgesellschafterin Sperling geführt
und mit ihr vereinbart, dass die Firma H6 S7 GmbH zukünftig mit der B4-Gruppe
arbeiten werde. An die Mitarbeiter K5 und F2 sei der Beklagte persönlich herangetreten,
um sie zu einem Wechsel zu bewegen, insbesondere durch die Zusage höherer
Stundenlöhne. Auch der Kündigung des Mitarbeiters R3 habe zweifellos ein
Beschäftigungsangebot der B4-Gruppe zugrunde gelegen.
52
Die Klägerin hat beantragt,
53
dem Antragsgegner bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00
€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung
bis zum 30. September 2011 zu untersagen, irgendeine unmittelbare oder
mittelbare, selbständige oder unselbständige, beratende oder unterstützende
Tätigkeit für ein Unternehmen der B4-Gruppe, insbesondere die B4 P4 GmbH, N3
1, 56789 K4, zu entfalten, insbesondere die Anwerbung von Kunden und
Arbeitnehmern für die Geschäftszweige Arbeitnehmerüberlassung,
Arbeitsvermittlung und Outsourcing in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen und Baden-Württemberg, des weiteren insbesondere die
Abwerbung von Kunden-Unternehmen und/oder Arbeitnehmern der Klägerin in
den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-
Württemberg.
54
Der Beklagte hat beantragt,
55
den Antrag zurückzuweisen.
56
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Wettbewerbsverbot in § 9 Anstellungsvertrag
vom 19. Januar 2009 sei schon wegen der fehlenden Differenzierung zwischen dem
vertraglichen und dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unwirksam. Zum anderen
beziehe sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auf den Bereich "Outsourcing", in
dem die Klägerin nicht tätig sei. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vertragsklausel
sei ausgeschlossen, so dass sie insgesamt unwirksam sei. Darüber hinaus sei das
Wettbewerbsverbot gemäß § 9.3 Anstellungsvertrag gar nicht wirksam geworden, das
Arbeitsverhältnis sei während der ersten zwölf Monate des Vertrages beendet worden.
Des Weiteren verstoße der Beklagte nicht gegen das nachvertragliche
Wettbewerbsverbot, weil er nicht im Vertragsgebiet der Klägerin tätig sei. Dort mache er
keine Konkurrenz. Die Firma H6 S7 GmbH habe er nicht abgeworben. Der Beklagte
habe auch die Mitarbeiter K5 und F2 nicht angesprochen, sondern nur bei ihrem
Vorstellungsgespräch begrüßt. Des Weiteren besteht nach Auffassung des Beklagten
kein Anfechtungsgrund. Er habe den Vorstand H1 weder um die Aufhebung des
Wettbewerbsverbots gebeten noch die Klägerin arglistig getäuscht. Die unterlassene
Mitteilung, bei der niederländischen B4 B.V. tätig zu werden, könne ihm nicht
vorgeworfen werden. Richtig sei, dass er entgegen den ursprünglichen Überlegungen
nicht bei der K2 P2 AG tätig geworden sei.
57
Das Arbeitsgericht hat in seiner angefochtenen Entscheidung den Erlass einer
einstweiligen Verfügung abgelehnt. Das Verhalten des Beklagten erfülle nicht den
Tatbestand der arglistigen Täuschung. Eine Täuschung durch Schweigen wegen der
unterlassenen Mitteilung des Wechsels zur B4-Gruppe könne nur dann relevant sein,
wenn den Schweigenden eine Aufklärungspflicht treffe. Das sei nur der Fall, wenn
besonders wichtige Umstände vorlägen, die für die Willensbildung des anderen Teils
offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sei. Diese Voraussetzungen seien
vorliegend nicht gegeben. Die Beschäftigung des Beklagten bei der Firma K2 P2 AG
habe für die Klägerin nicht den großen Stellenwert gehabt, den diese ihr jetzt beimesse.
Sonst hätte sie die Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung nicht abgeschlossen,
ohne dass diese auch von der Firma P2 mit unterzeichnet worden wäre. Darüber hinaus
ergebe sich aus Nr. 6 der Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung, dass die
Klägerin davon ausgegangen sei, der Beklagte könne nicht nur für die Firma K2 P2 AG
tätig werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des Urteils (Seite 5 f., Bl. 97 f. d. A.) Bezug genommen.
58
Das Urteil wurde der Klägerin am 3. Dezember 2009 zugestellt. Hiergegen richtet sich
die am 7. Dezember 2009 eingelegte und mit dem am 29. Januar 2010 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
59
Die Klägerin hält die Bedenken des Arbeitsgerichts gegen die Wirksamkeit des
Wettbewerbsverbots im Hinblick auf § 9.3 Anstellungsvertrag für unbegründet. Durch die
Zusatzvereinbarung hätten die Parteien zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass die
Vorbeschäftigungszeit des Beklagten als Geschäftsführers der A1 Z1 GmbH auf die
Beschäftigungszeit als Niederlassungsleiter angerechnet werden und für alle
Rechtsfragen, bei denen es auf die Dauer der Zusammenarbeit ankomme, der Stichtag
15. September 1999 maßgeblich sein solle. Dies gelte auch für § 9.3
Anstellungsvertrag. Hinsichtlich der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei es
60
falsch, ausschließlich die Variante "Täuschung durch Schweigen" zu prüfen. Der
Vorstand H1 sei nicht durch Schweigen, sondern durch vorsätzliches Handeln
getäuscht worden sei. Diese Täuschung sei auch ursächlich für den Abschluss der
Aufhebungsvereinbarung gewesen. Die Aufnahme des Hinweises "etwaige sonstige
Arbeitgeber" entstamme dem ersichtlichen Bemühen, die Kundenschutzvereinbarung
möglichst umfassend zu formulieren. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass für die
Entscheidung über die Aufhebung oder Beibehaltung des Wettbewerbsverbots eines
langjährig im Vertrieb beschäftigten Mitarbeiters die Information über seinen neuen
Arbeitgeber und seinen neuen Aufgabenkreis von entscheidender Bedeutung sei. Im
Übrigen behauptet die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrags, dass der Beklagte die von ihr dargelegten
Wettbewerbsverstöße begangen habe. Abschließend vertritt sie die Auffassung, dass in
dem Fall, dass eine Anfechtung der Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung
ausscheide, der Beklagte es zumindest deswegen zu unterlassen habe, für einen
Zeitraum von zwei Jahren geschäftliche Kontakte zu Kundenunternehmungen der
Klägerin herzustellen und zu unterhalten. Hilfsweise sei er deshalb entsprechend zu
verurteilen.
Die Klägerin beantragt,
61
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum - 2 Ga 43/09 - vom 24. November 2009,
zugestellt am 1. Dezember 2009, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
es bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für den Fall der Zuwiderhandlung bis zum 30.
September 2011 zu unterlassen, irgendeine unmittelbare oder mittelbare,
selbständige oder unselbständige, beratende oder unterstützende Tätigkeit für ein
Unternehmen der B4-Gruppe, insbesondere die B4 P1 S8 GmbH, N3 1, 56789
K4, zu entfalten, insbesondere die Anwerbung von Kunden und Arbeitnehmern für
die Geschäftszweige Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitsvermittlung und
Outsourcing in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und
Baden-Württemberg, des Weiteren insbesondere die Abwerbung von Kunden-
Unternehmen und/oder Arbeitnehmern der Klägerin in den Bundesländern
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg.
62
Der Beklagte beantragt,
63
die Berufung zurückzuweisen.
64
Nach Auffassung des Beklagten fehle es schon am Verfügungsgrund, weil die Klägerin
die Berufungsbegründungsfrist voll ausgeschöpft habe. Unter Wiederholung und
Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt er Im Übrigen die
angefochtene Entscheidung als zutreffend. Abgesehen davon sei die
Kundenschutzvereinbarung unwirksam, weil sie keine Karenzentschädigung vorsehe.
Es handele sich dabei um ein nachvertragliches Wettbewerbsverbots. Im Übrigen
bestreitet der Beklagte weiterhin, sich wettbewerbswidrig gegenüber der Klägerin zu
verhalten.
65
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen
in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Glaubhaftmachung vorgelegten diversen
eidesstattlichen Versicherungen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts
66
am 24. November 2009 sowie des Landesarbeitsgerichts am 23. März 2009 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
67
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat - jedenfalls
im Ergebnis - zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.
68
1. Eine Anfechtung der Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung wegen arglistiger
Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann nicht aus den vom Arbeitsgericht genannten
Gründen abgelehnt werden. Der substantiierte und vom Beklagten nicht bzw. nur
pauschal bestrittene Vortrag der Klägerin umfasst bereits erstinstanzlich ausschließlich
den Vorwurf, dass der Beklagte von sich aus durch wiederholt falsche Angaben über
seine künftige Beschäftigung die Klägerin getäuscht und dadurch die Aufhebung des
Wettbewerbsverbots erreicht hat. Maßgeblich für den Vorwurf der Klägerin ist nicht, dass
der Beklagte die Mitteilung eines Wechsels zu einem unmittelbaren Wettbewerber
unterlassen hat. Zwar trifft es nicht zu, dass den Beklagten eine Aufklärungspflicht trifft.
Eine Nebenverpflichtung des Arbeitnehmers, mit dem der Arbeitgeber ein
Wettbewerbsverbot vereinbart hat, diesen bereits vor Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mitzuteilen, bei welchem Arbeitgeber er nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses beschäftigt sein wird, besteht nicht (vgl. LAG Hamm, 1. Dezember
2009, 14 SaGa 59/09, juris) und lässt sich auch nicht vertraglich vereinbaren (vgl. BAG,
2. Dezember 1968, 3 AZR 204/67, AP HGB § 74 a Nr. 3; 26. Oktober 1978, 3 AZR
649/77, AP HGB § 75 a Nr. 3). Die Berechtigung, eine Auskunft über die spätere
Beschäftigung nicht erteilen zu müssen, bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitnehmer
berechtigt ist, von sich aus seinem Arbeitgeber eine nicht beabsichtigte Beschäftigung
vorzuspiegeln, welche diesen wegen der daraus vermeintlich nicht bestehenden
Konkurrenzsituation dazu veranlasst, ein vereinbartes Wettbewerbsverbot
einvernehmlich aufzuheben.
69
2. Der Beklagte ist zur Unterlassung von Wettbewerb nicht verpflichtet, weil das in dem
Anstellungsvertrag vom 19. Januar 2009 vereinbarte Wettbewerbsverbot gemäß § 9.3
Anstellungsvertrag nicht gilt.
70
a) Gemäß § 9.3 Anstellungsvertrag gilt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht,
wenn das Vertragsverhältnis während der ersten zwölf Monate der Beschäftigung
beendet wird. Laut § 1.1 Anstellungsvertrag beginnt das Vertragsverhältnis am 1. Januar
2009. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2009 gekündigt. Zum
Zeitpunkt der Beendigung mit Ablauf der Kündigungsfrist hat es noch keine zwölf
Monate bestanden, das Wettbewerbsverbot galt noch nicht.
71
b) Etwas anderes folgt nicht aus der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom
19. Januar 2009, auf die in § 1.1 Anstellungsvertrag verwiesen wird. Entgegen der
Ansicht der Klägerin ergibt sich daraus bezüglich § 9.3 Anstellungsvertrag nicht
eindeutig, dass Stichtag für alle Rechtsfragen, bei denen es auf die Dauer der
Zusammenarbeit ankommt, der 15 September 1999 sein sollte.
72
aa) Nach § 1.1 Anstellungsvertrag beginnt "das Vertragsverhältnis am 01.01.2009", §
9.3 Anstellungsvertrag nimmt auf "das Vertragsverhältnis" Bezug. Am Ende von § 1.1
Anstellungsvertrag wird auf die Zusatzvereinbarung verwiesen. Diese
Zusatzvereinbarung enthält im Hinblick auf § 9.3 Anstellungsvertrag zwei
73
widersprüchliche Regelungen. Zwar haben die Parteien darin vereinbart, dass das
Arbeitsverhältnis bereits seit dem 15. September 1999 besteht. Jedoch heißt es sodann
ausdrücklich, dass mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 die Bestimmungen des neuen
Anstellungsvertrages gelten. Dazu gehört § 9.3 Anstellungsvertrag.
(1) Satz 1 der Zusatzvereinbarung regelt, dass das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 15.
September 1999 besteht. Diese Regelung ist eine Folge des Umstands, dass der
Beklagte zuvor als Geschäftsführer tätig war. Ohne ausdrückliche Vereinbarung kam
eine Anrechnung dieser Zeit nicht ohne Weiteres in Betracht. Für beide Parteien
bestand im Hinblick auf die beabsichtigte weitere Zusammenarbeit ein in dieser Lage
typisches Interesse, den Sachverhalt zu regeln. Das könnte dafür sprechen, dass
grundsätzlich der Wille der Parteien darauf gerichtet war, für die Fragen, bei denen es
auf die Beschäftigungsdauer ankommt, die Vorbeschäftigungszeit als Geschäftsführer
für das Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Insbesondere im Hinblick auf die Frage des
Kündigungsschutzes bestand hieran ein Interesse für einen Arbeitnehmer wie den
Beklagten, der von einer Geschäftsführerposition in ein Arbeitsverhältnis wechselt und
deswegen ein erhebliches Bedürfnis nach einer klaren Regelung der Anrechnung
dieser Dienstzeit hat. Aber auch aus Sicht der Klägerin hatte eine solche Vereinbarung
Sinn, weil aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit eine klare Regelung der
Beschäftigungszeit auch für sie interessengerecht war. Bezogen auf das
Wettbewerbsverbot ist es zudem nachvollziehbar, dass ein Arbeitgeber wie die Klägerin
bei einer Führungskraft wie dem Beklagten ein typisches Interesse daran hat, bei einem
Wechsel von der Position als Geschäftsführer in die eines Niederlassungsleiters mit
vergleichbaren Verantwortungsbereich eine ohnehin bestehendes Wettbewerbsverbot
fortzusetzen. Das spricht dafür, die in § 9.3 Anstellungsvertrag enthaltene Formulierung,
"wenn das Vertragsverhältnis während der ersten zwölf Monate der Beschäftigung
beendet wird", dahin auszulegen ist, dass sie auch durch die gemäß § 1.1
Anstellungsvertrag in Verbindung mit Satz 1 der Zusatzvereinbarung zu
berücksichtigende Beschäftigungszeit des Beklagten als Geschäftsführer erfüllt wird.
74
(2) Das ändert jedoch nichts daran, dass infolge von Satz 2 der Zusatzvereinbarung,
wonach die Bestimmungen des neuen Anstellungsvertrags ab dem 1. Januar 2009
gelten, auch die Auslegung in Betracht kommt, dass für die Geltung des
arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbots zunächst eine einjährige Tätigkeit als
Niederlassungsleiter Voraussetzung sein sollte. § 9.3 Anstellungsvertrag gehört zu den
in Satz 2 der Zusatzvereinbarung genannten neuen Bestimmungen. Für seine
Anwendbarkeit sprechen die erheblichen inhaltlichen Abweichungen zu dem
Wettbewerbsverbot, welches im GmbH-Geschäftsführervertrag enthalten ist. Der
räumliche Geltungsbereich ist um das Bundesland Baden-Württemberg erweitert
worden. Darüber hinaus wurden die Bereiche, in denen der Klägerin Konkurrenz
gemacht werden kann, durch den Klammerzusatz "insbesondere in den Bereichen
Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitsvermittlung, Outsourcing" konkretisiert. Weiter enthält
das Wettbewerbsverbot im GmbH-Geschäftsführervertrag keine Regelung der Frage
einer Beteiligung an konkurrierenden Unternehmen. Die zeitliche Geltungsdauer wurde
von ein auf zwei Jahre verlängert. Dies bedeutet für einen Arbeitnehmer wie den
Beklagten eine erhebliche zeitliche Ausweitung der Beschränkung seiner beruflichen
Betätigung für den Fall des Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis bei der
Klägerin. Für die Klägerin folgte daraus eine erhebliche Erhöhung des Betrags der zu
zahlenden Karenzentschädigung. Neben den inhaltlichen Änderungen des
Wettbewerbsverbots unterlag auch die künftig beabsichtigte Tätigkeit als
Niederlassungsleiter Veränderungen, insbesondere durch die Erweiterung des
75
Verantwortungsbereichs um eine weitere Niederlassung im Bundesland Baden-
Württemberg. Im Hinblick auf den letztlich nicht vollständig vergleichbaren Status als
Geschäftsführer einerseits, als Niederlassungsleiter mit Einzelprokura andererseits
erscheint es plausibel, diese neue Form der zudem arbeitsvertraglichen
Zusammenarbeit dadurch für den Beklagten akzeptabler zu machen, dass er für einen
begrenzten Zeitraum nicht dem inhaltlich veränderten und ihn stärker einschränkenden
nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterlag. Dementsprechend kommt es auch in
Betracht, die in § 9.3 Anstellungsvertrag enthaltene Formulierung, "wenn das
Vertragsverhältnis während der ersten zwölf Monate der Beschäftigung beendet wird",
dahin auszulegen ist, dass hierfür gemäß § 1.1 Anstellungsvertrag in Verbindung mit
Satz 2 der Zusatzvereinbarung als Beginn der Beschäftigung der 1. Januar 2009
maßgeblich ist.
bb) Bei der Regelung des § 9.3 Anstellungsvertrag handelt es sich um eine Allgemeine
Geschäftsbedingung. Die Klägerin trägt selbst vor, dass es sich bei dem
Anstellungsvertrag um ein Formular für Neueinstellungen handelt. Dementsprechend
findet die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB Anwendung, wonach Zweifel bei
der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen.
Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die Auslegung einer einzelnen Klausel in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen mindestens zwei Ergebnisse vertretbar erscheinen
lässt und keines den klaren Vorzug verdient (vgl. BAG, 10. Dezember 2008, 10 AZR
1/08, NZA-RR 2009, 576). Widersprechen sich hingegen mehrere Klauseln inhaltlich, ist
§ 305 c Abs. 2 BGB unanwendbar und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB greift (vgl. BAG, 10. Dezember 2008, a.a.O.; 20. Januar 2010, 10 AZR 914/08,
juris). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Unklarheit, die auf einer
mehrdeutigen Auslegung der Vertragsklausel des § 9.3 Anstellungsvertrag beruht. Dass
diese Unklarheit besteht, weil zur Auslegung eine weitere Vertragsklausel sowie eine
Individualabrede heranzuziehen sind, führt nicht zu einer Widersprüchlichkeit dieser
Bestimmungen.
76
cc) Anhaltspunkte dafür, welcher dieser beiden Auslegungen der Vorzug zu geben ist,
bestehen nicht. Insoweit geht es gerade zu Lasten der Klägerin, dass sie das
Naheliegende versäumt hat, nämlich aus dem von ihr verwendeten Formular § 9.3
Anstellungsvertrag zu streichen. Hierfür trägt sie als Verwenderin des Formulars die
Verantwortung und die daraus resultierenden Folgen. Rechtsfolge des Verstoßes gegen
die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB ist, dass als Zeitpunkt des Beginns der
ersten zwölf Monate der Beschäftigung in § 9.3 Anstellungsvertrag der 1. Januar 2009
gilt. Angesichts der unklaren Regelung in der Zusatzvereinbarung kann die Klägerin
sich nicht darauf berufen, dass die § 9.3 Anstellungsvertrag vorausgesetzte Zeit von
zwölf Monaten bis zur Geltung des Wettbewerbsverbots aufgrund einer in Satz 1 der
Zusatzvereinbarung vereinbarten Anrechnung der Beschäftigung ab 15. September
1999 bereits erfüllt ist. Dies führt dazu, dass zum Zeitpunkt des Ausscheidens des
Beklagten am 30. September 2009 ein wirksames Wettbewerbsverbot noch nicht
bestand.
77
3. Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der in § 9.4
Anstellungsvertrag vereinbarten Karenzentschädigung.
78
a) Nach dem derzeitigen Stand ist eine der gesetzlichen Regelung des § 74 Abs. 2 HGB
entsprechende Karenzentschädigung nicht zugesagt, mit der Folge, dass das
Wettbewerbsverbot unverbindlich ist.
79
aa) Bei der Berechnung der gesetzlich geschuldeten Karenzentschädigung sind zwei
Berechnungsmethoden zu unterscheiden. Hinsichtlich der festen
Vergütungsbestandteile kommt es allein auf den letzten Monatsbetrag bzw. den letzten
Zeitraum, der der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung zugrunde liegt, an. Hinsichtlich der
variablen Gehaltsbestandteile wie zum Beispiel Provisionen ist gemäß § 74 b Abs. 2
HGB der Durchschnitt der letzten drei Jahre anzusetzen (Bauer/Diller,
Wettbewerbsverbote, 5. Auflage, Rn. 257 f. 266; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch,
34. Auflage, 2010, § 74 b Rn. 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, HGB, 2.
Auflage 2007, § 74 b Rn. 11 ff.; ErfK/Schaub/Oetker, 10. Auflage, 2010, § 74 b Rn. 3, 5;
HWK/Diller 3. Auflage 2008, § 74 HGB Rn. 84 ff., § 74 b Rn. 5 ff., Schaub, Arbeitsrechts-
Handbuch, 13. Auflage, 2009, § 58 Rn. 74; HK-ArbR/Schütte/Schlegel, § 74 b HGB Rn.
11, 14 f.). Wegen der nach § 74 Abs. 2 HGB vorgegebenen Jahresbezogenheit sind bei
festen Vergütungsbestandteile die letzten Monats-, Wochen- oder Tagesbezüge als die
zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen mit dem entsprechenden Faktor (12, 52,
365) zu multiplizieren (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken, a.a.O., § 74 b Rn. 11;
ErfK/Schaub/Oetker, a.a.O., § 74 b Rn. 5; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, a.a.O.).
Dementsprechend findet eine Tariferhöhung im letzten Monat vor dem Ausscheiden bei
der Berechnung der gesetzlichen Karenzentschädigung im vollen Umfang bei den
festen Vergütungsbestandteilen Berücksichtigung (Bauer/Diller, a.a.O.; Rn. 262;
HWK/Diller, a.a.O., § 74 Rn. 86, § 74 b Rn. 5).
80
bb) Gerade der zuletzt genannte Gesichtspunkt verdeutlicht die abweichende Regelung,
welche die Klägerin bei der Zusage der Karenzentschädigung aufgrund der von ihr
vorformulierten Regelung in § 9.4 vorgenommen hat. Danach steht dem Beklagten als
Karenzentschädigung ein Betrag in Höhe von 50 % der vertragsmäßigen Leistungen zu,
die er innerhalb der letzten zwölf Monate vor seinem Ausscheiden bezogen hat. Anders
als in dem von der erkennenden Kammer des Berufungsgerichts entschiedenen Fall
(25. November 2008, 14 SaGa 41/08, juris) wird dem Wortlaut der Bestimmung nach
zwar nicht auf den Durchschnitt der letzten zwölf Monate für die Berechnung
Karenzentschädigung abgestellt. Allerdings lässt die von der Klägerin verwendete
Klausel genau eine solche Auslegung zu. Maßgeblich für die Berechnung der
Karenzentschädigung sollen die in dem Zeitraum von zwölf Monaten vor Ausscheiden
bezogenen Leistungen sein. Dann liegt es aber nahe, dass die auch schon im GmbH-
Geschäftsführervertrag vorgesehene Berechnungsmethode der Karenzentschädigung
Anwendung finden sollte, wonach das in den letzten zwölf Monaten vor dem
Ausscheiden bezogene Jahresentgelt Grundlage sein soll. Damit wird auf einen
Durchschnittsbezug aus einem längeren, jedoch von den gesetzlichen Vorgaben
abweichenden Zeitraum abgestellt. Es kommt weder hinsichtlich der bezogenen festen
Vergütung ausschließlich auf den letzten Abrechnungszeitraum noch hinsichtlich der
variablen Vergütungsbestandteile ausschließlich auf den Dreijahreszeitraum des § 74 b
Abs. 2 HGB an. Zusagen, die für die Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung
auf den Durchschnitt der Vergütungsleistungen innerhalb eines abweichend von § 74
Abs. 2, § 74 b Abs. 2 HGB bestimmten Zeitraums abstellen und lediglich die Hälfte
dieses Durchschnitts zusagen, sind aber unwirksam. Dass gilt für Zusagen wie "die
Hälfte der Bezüge im Durchschnitt der letzten drei Jahre" (vgl. BAG, 5. August 1966, 3
AZR 154/66, AP HGB § 74 Nr. 19) oder die Hälfte "der während der letzten sechs
Monate durchschnittlich erzielten Honorare" (vgl. Hess. LAG, 12. Juni 1995, 10 Sa
1159/94, juris). Die Zusage der Hälfte der "Durchschnittsbezüge der letzten zwölf
Monate" oder der "zuletzt bezogenen Jahresvergütung" ist ebenso wenig ausreichend
im Hinblick auf § 74 Abs. 2 HGB (vgl. Bauer/Diller a.a.O., Rn. 299; Gamerschlag, NJW
81
1989, 2870; a.A. Winterstein, NJW 1989, 1463, <1465>). Die von der Klägerin
verwendete Formulierung entspricht nicht dem gesetzlichen Leitbild des § 74 Abs. 2
HGB.
cc) Etwas anderes folgt nicht aus der unter § 9.6 enthaltenen Regelung, dass im
Übrigen für das Wettbewerbsverbot die Vorschriften des HGB über Wettbewerbsverbote
(§ 74 - 75 c HGB) entsprechend
Bundesarbeitsgerichts ein Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart, wenn ausdrücklich
keine Entschädigung für die Dauer des Wettbewerbsverbots zugesagt wird, die Parteien
aber vereinbart haben, dass im Übrigen die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB
gelten sollen (vgl. BAG, 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, AP HGB § 74 Nr. 80). Dies gilt
für die Höhe der zugesagten Karenzentschädigung selbst dann, wenn in der
Vereinbarung nur " die Hälfte der zuletzt erhaltenen Monatsbezüge" zugesagt wird und
im Übrigen die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB gelten sollen (vgl. BAG, 9. Januar 1990, 3
AZR 110/88, AP HGB § 74 Nr. 59). Wenn nicht besondere Umstände zu einer anderen
Auslegung zwingen, ist anzunehmen, dass die Parteien eine rechtswirksame
Wettbewerbsabrede treffen wollen und mit der Bezugnahme auf die §§ 74 ff. HGB die
Zahlung von Karenzentschädigung in gesetzlicher Mindesthöhe verabreden (vgl. BAG,
28. Juni 2006, a.a.O.).
82
Im vorliegenden Fall ist durch den Aufbau der Regelung in § 9 Anstellungsvertrag ein
anderes Auslegungsergebnis naheliegend. § 9.4 Anstellungsvertrag wird eine sowohl
vom gesetzlichen Wortlaut als auch inhaltlich abweichende Regelung zu Höhe der
Karenzentschädigung aufgrund der dort beschriebenen Berechnungsweise formuliert.
Danach folgen Regelungen zum Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot
sowie zur Aufhebung für den Zeitpunkt, in dem der Beklagte in Ruhestand tritt. Wenn
danach in der vorletzten Nummer der Wettbewerbsvereinbarung bestimmt wird, dass im
Übrigen die §§ 74 - 75 c HGB Anwendung finden sollen, legt schon der Wortlaut nahe,
dass die gesetzlichen Bestimmungen nur dann Anwendung finden, soweit zuvor keine
abweichende individuelle Vereinbarung getroffen wurde (vgl. BAG, 4. Juni 1985, 3 AZR
265/83, AP HGB § 74 Nr. 50; LAG Hamm, 25. November 2008, a.a.O.; LAG Düsseldorf,
10. Dezember 2002, 8 Sa 1151/02, NZA 2003, 570, <571>). Aus einer pauschalen
Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB lässt sich für die Auslegung einer Klausel im Rahmen
einer Wettbewerbsvereinbarung nichts herleiten (vgl. BAG, 5. September 1995, 9 AZR
718/93, AP HGB § 74 Nr. 67). In § 9.4 Anstellungsvertrag fehlt ein Bezug auf die zuletzt
bezogene Vergütung, weil dort ausschließlich auf das Jahresentgelt abgestellt wird.
Dann lässt sich anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall (vgl. BAG, 9. Januar
1990, a.a.O.), in dem ein solcher Bezug in der Formulierung der
Karenzentschädigungszusage enthalten war, aus der pauschalen Verweisung auf die
§§ 74 ff. HGB nicht herleiten, dass die Klägerin die Karenzentschädigung in der
gesetzlich vorgeschriebenen Höhe zusagen wollte. Ebenso wenig ist die Regelung in §
9.4 Anstellungsvertrag mit dem Fall vergleichbar, dass nur das Wettbewerbsverbot
ausdrücklich vereinbart wird und sich die Zusage der Karenzentschädigung erst aus
dem Verweis auf die §§ 74 ff. HGB ergibt (vgl. BAG, 28. Juni 2006, a.a.O.). Denn es fehlt
gerade im Vertragstext an einer konkreten Bestimmung der Berechnung, welche im
Widerspruch zur gesetzlichen Vorgabe steht. Dann bleibt es möglich, im Wege der
Auslegung zu dem Ergebnis zu gelangen, dass ergänzend zum Wettbewerbsverbot das
Gesetz und damit die dort vorgesehene Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe
gelten sollen.
83
b) Darüber hinaus verstößt die vorformulierte Klausel in § 9.4 Anstellungsvertrag gegen
84
§ 305 c Abs. 2 BGB, was ebenfalls die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots zur
Folge hat.
aa) Bei der Reglung in § 9.4 Anstellungsvertrag handelt es sich um eine Allgemeine
Geschäftsbedingung, auf welche die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB
Anwendung findet.
85
Eine solche Unklarheit besteht hier. Selbst wenn man nicht das vorstehend genannte
Auslegungsergebnis zu § 9.4 Anstellungsvertrag für eindeutig hält, scheidet auf der
anderen Seite die Annahme aus, dass eindeutig eine Karenzentschädigung in
gesetzlicher Höhe seitens der Klägerin dem Beklagten mit dieser Vertragsklausel
zugesagt wurde. Denn sowohl das eine als auch das andere Auslegungsergebnis
kommen ernsthaft in Betracht und keines verdient den klaren Vorzug (vgl. BAG, 10.
Dezember 2008, a.a.O.).
86
Ist die Auslegung einer Wettbewerbsvereinbarung im Hinblick auf die Höhe der
Karenzentschädigung mehrdeutig, weil sowohl eine § 74 Abs. 2 HGB entsprechende
als auch nicht entsprechende Zusage vorliegen kann, geht die dadurch geschaffene
Unklarheit, ob eine der Höhe nach gesetzeskonforme Karenzentschädigung vorliegt,
gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des die Allgemeine Geschäftsbedingung
verwendenden Arbeitgeber. Es ist dann von der Zusage einer zu niedrigen
Karenzentschädigung auszugehen mit der Folge, dass das vereinbarte
Wettbewerbsverbot zwar nicht nichtig, aber unverbindlich gemäß § 74 Abs. 2 HGB ist.
(vgl. LAG Hamm, 25 November 2008, 14 SaGa 41/08, juris; 4. November 2008, 14 Sa
818/08, juris). Dementsprechend kann der Beklagte nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nachvertraglich Wettbewerb betreiben, an das unverbindliche
Wettbewerbsverbot ist er nicht gebunden.
87
bb) Soweit die Klägerin im Hinblick auf den erst im Termin erteilten Hinweis eine
Schriftsatzfrist zu diesem Punkt beantragt hat, war dem nicht stattzugeben. Zum einen
handelt es sich vorliegend um ein einstweiliges Verfügungsverfahren. Zum anderen
geht es um eine Rechtsfrage, die in der Literatur schon lange als problematisch
behandelt wird (vgl. Bauer/Diller, a.a.O., Rn. 299; Gamerschlag, NJW 1989, 2870). Auch
die Entscheidungen der erkennenden Kammer sind bereits Ende des Jahres 2008
ergangen. Unabhängig von den zuletzt genannten Entscheidungen bestand jedenfalls
Veranlassung bei Abfassung des Anstellungsvertrages, die rechtliche Wirksamkeit der
in § 9.4 des Anstellungsvertrags enthaltenen Klausel zur Höhe der
Karenzentschädigung zu überprüfen, wenn bereits in einem Aufsatz aus dem Jahr 1989
das Abstellen auf das Jahresentgelt für problematisch erachtet wird.
88
4. Eine einstweilige Verfügung konnte auch nicht im Hinblick auf die
Kundenschutzvereinbarung erlassen werden. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, Kunden
und Arbeitnehmer der Klägerin in keiner Form zu kontaktieren.
89
Die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel beschränkt den Arbeitnehmer in seiner
beruflichen Betätigung. Eine solche Klausel ist nur zulässig, wenn eine
Karenzentschädigung gemäß § 74 Abs. 2 HGB vereinbart wird. Eine solche
Beschränkung der beruflichen Betätigung ist nichts anders als ein Wettbewerbsverbot.
Der Arbeitnehmer wird dadurch gehindert, Wettbewerb im bereits bestehenden
Kundenstamm des ehemaligen Arbeitgebers auszuüben (vgl. Bauer/Diller, a.a.O., Rn.
134 a, b, 147 ff. m.w.N.).
90
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine entschädigungslose Vereinbarung einer
solchen Kundenschutzklausel aufgrund ihres auf die Unterbindung von Wettbewerb
gerichteten Charakters gemäß § 74 HGB gesetzlich unzulässig. Es kommt nicht darauf
an, ob überhaupt durch die Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung vom 29.
September 2009 zugleich ein aus dem Anstellungsvertrag folgendes
Wettbewerbsverbot aufgehoben und der Beklagte dadurch eine Gegenleistung für die
Vereinbarung der Kundenschutzklausel erhielt. Zwar beschränkt eine
Kundenschutzklausel letztlich nicht so umfassend die berufliche Betätigungsfreiheit des
Arbeitnehmers wie ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot, das jegliche
Konkurrenz in der Sparte des Arbeitgebers verbietet. Dies allein rechtfertigt es jedoch
nicht, entgegen der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 74 HGB solche
beruflichen Beschränkungen entschädigungslos zu vereinbaren.
91
5. Eine Untersagung der Tätigkeit des Beklagten für die B4-Gruppe folgt auch nicht aus
dem im GmbH-Geschäftsführervertrag vereinbarten Wettbewerbsverbot. Dies beruht auf
zwei Gründen. Zum einen ist der Geschäftsführervertrag zum 31. Dezember 2008
beendet worden, ein daraus gegebenenfalls bestehendes Wettbewerbsverbot endet,
weil es nur für ein Jahr vereinbart war, mit dem Ablauf des 31. Dezember 2009. Danach
kann eine Untersagung der Wettbewerbstätigkeiten nicht mehr erfolgen. Zum anderen
ist das Wettbewerbsverbot aus dem GmbH-Geschäftsführervertrag nicht erst durch die
Aufhebungs- und Kundenschutzvereinbarung vom 29. September 2009 aufgehoben
worden, sondern bereits durch den Abschluss des Anstellungsvertrages vom 19. Januar
2009. Dies ergibt sich aus Satz 2 der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag,
wonach ab 1. Januar 2009 ausschließlich dessen Bedingungen für das
Rechtsverhältnis der Parteien maßgeblich sind. Der Anstellungsvertrag hat den GmbH-
Geschäftsführervertrag insgesamt einschließlich des darin geregelten
Wettbewerbsverbots aufgehoben. Es ist unerheblich, wenn sich im Nachhinein
herausstellt, dass einzelne Regelungen des nachfolgenden Vertrages bislang -
möglicherweise - rechtlich wirksam geregelte Bereiche nicht ausgefüllt haben.
Maßgeblich ist allein der Wille der Parteien, ihre vertraglichen Beziehungen
ausschließlich auf die zuletzt vereinbarte Grundlage zu stellen.
92
6. Im vorliegenden Fall kam es daher nicht mehr darauf an, ob die Ausdehnung des
Wettbewerbsverbots auf dem Bereich "Outsourcing" bereits wegen unangemessener
Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der
Wettbewerbsvereinbarung insgesamt führt oder ob eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs.
1 und 2, § 308, § 309 BGB nicht stattfindet, weil es sich bei einem Wettbewerbsverbot
nicht um eine von Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelung
im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 handelt. Ebenso kann offen bleiben, ob durch die
Ausschöpfung der Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist in Wettbewerbssachen
der Verfügungsgrund entfällt (dagegen allgemein LAG Hamm, 16. November 2007, 14
SaGa 39/07, EzA-SD 2008, Nr. 4 11). Schließlich bedarf es keiner Klärung, ob sich der
Beklagte tatsächlich wettbewerbswidrig verhalten hat.
93
7. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
94
Eine Revision ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.
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