Urteil des LAG Hamm vom 11.11.2005

LArbG Hamm: wirtschaftliche einheit, unwirksamkeit der kündigung, unechte rückwirkung, eugh, anfang, vorübergehende beschäftigung, unternehmen, gemeinschaftsrechtskonforme auslegung, gesellschafter

Landesarbeitsgericht Hamm, 7 Sa 822/05
Datum:
11.11.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 822/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Iserlohn, 4 Ca 2589/04
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 797/05 Rücknahme 09.05.2007
Schlagworte:
Massenentlassung, Anzeigepflicht, Kündigung, Vertrauensschutz,
Teilbetriebsübergang
Normen:
§§ 17, 18, 1 Abs. 2 KSchG, § 613 a Abs. 1 u. 4 BGB
Leitsätze:
Parallelsache zu 7 Sa 623/05
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn
vom 17.03.2005 - 4 Ca 2589/04 - wird kostenpflichtig zurück-gewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob das seit dem 01.10.1990 zur Beklagten zu 1)
bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der
Beklagten zu 1) vom 26.07.2004 mit dem 31.12.2004 beendet worden ist oder darüber
hinaus fortbesteht. Die Parteien streiten außerdem darüber, ob die Beklagte zu 2) aus
den Gründen des Betriebsübergangs Arbeitgeberin des Klägers geworden und aus
diesem Grunde verpflichtet ist, ihn als Werkzeugmacher zu beschäftigen.
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Die Beklagte zu 1) war Zulieferer der Automobilindustrie. Ihre Kunden waren u. a. die V1
A7, D8xxxxx-C2xxxxxx, B9x, F5xxxxxx, Z3xxxx, L4xxxxxxx etc.. Die Beklagte zu 1) war
für die Automobilindustrie zertifiziert. Sie belieferte diese Kunden weltweit. Von der
Automobilindustrie bzw. von Zulieferern der Automobilindustrie war sie eingebunden in
die Großserienproduktion von 100.000 bis 800.000 Stück pro Kalenderjahr. Produziert
wurden u. a.
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Schaltgestänge, Schalthebel und Halterungen für Auspuffanlagen. Zulieferer der
Automobilindustrie waren ebenfalls die D1xx C3 und die D1xx U4. Beide
Unternehmungen waren jedoch nicht zertifiziert. In 2002 hat in A3xxxx die D1xx
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K3xxxxxxxxxxxxx GmbH eine eigenständige Produktion auf diesem besonderen
Fachgebiet aufgenommen. Die K3xxxxxxxxxxxx beliefert u. a. die Fa. B2xxx mit
hochwertigen Schrauben. Gesellschafter dieser GmbH sind neben U3xxxx H2xxxxx und
A4xxxxxx S3xxx der Sohn des Gesellschafters/Geschäftsführers der Beklagten,
M1xxxxxx D1xx, der zugleich Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1) war.
Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind U3xxx H2xxxxx, zugleich Prokurist der
Beklagten zu 1) und A4xxxxxx S3xxx.
Die Beklagte zu 1) produzierte in acht Hallen. In einer Halle – der Halle 7 – betrieb sie
ein Hochregallager. Für ihre kaufmännischen Aufgaben nutzte sie ein mehrstöckiges
Bürogebäude. Sie beschäftigte zeitweise bis zu 180 Mitarbeiter. Bedingt durch die
Absatzprobleme der Automobilindustrie verringerte sich ihre Belegschaft bis Mitte 2004
auf nahezu 100 Arbeitnehmer. Da in 2004 ein weiterer Umsatzrückgang von nahezu 20
% festgestellt wurde - verursacht durch die weiter fortbestehenden Absatzprobleme in
der Automobilindustrie, die Rückholung von Fremdvergaben in die Produktionsstätten
der Automobilindustrie und den Verlust von Aufträgen aufgrund technischer Probleme –
entschloss sich der
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Gesellschafter/Geschäftsführer R2xx D1xx zur Stilllegung der Produktion der Beklagten
zu 1). Diesen Beschluss formulierte er schriftlich am 22.07.2004. Nach seinen
Vorstellungen sollte die Produktion endgültig zum 31.03.2005 eingestellt sein. Zugleich
beauftragte er die Geschäftsführung, den Arbeitnehmern zeitnah unter Beachtung der
unterschiedlichen
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Kündigungsfristen zu kündigen und alle darüber hinaus notwendigen Maßnahmen zu
treffen. Aus diesem Anlass fertigte die Beklagte zu 1) am 26.07.2004 nahezu 63
Kündigungsschreiben. Hiervon war auch der Kläger betroffen. Am 27.07.2004 reichte
der Prokurist U3xxxx H2xxxxx die erste Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für
Arbeit I1xxxxxx, Büro W1xxxxx, für 100 Entlassungen ein. Eine weitere Anzeige erfolgte
am 28.10.2004.
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Nach Zugang der Kündigung wurde am 06.08.2004 die A1x Werkzeugtechnik GmbH,
N1x-xxxxxx, die Beklagte zu 2) gegründet. Geschäftsgegenstand dieser Gesellschaft ist
die Konstruktion und Entwicklung von Einzelteilen (Prototypen) und die Fertigung von
Kleinserien. Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die D1xx K3xxxxxxxxxx GmbH
A3xxxx und M1xxxxxx D1xx. Zu Geschäftsführern wurden Antonius S3xxx und U3xxxx
H2xxxxx bestellt. Die A1x hat ihre Tätigkeit Anfang Oktober 2004 aufgenommen. Sie
setzt neun CNC-Pressen und –Biegemaschinen und fünf Schweißanlagen aus dem
früheren Maschinenpark der Beklagten zu 1) ein.
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Mit der beim Arbeitsgericht Iserlohn am 09.08.2004 erhobenen Klage wehrt sich der am
22.01.12xx geborene, verheiratete und seit dem 01.10.1990 für die Beklagte zu 1) als
Werkzeugmacher zum monatlichen Bruttogehalt von 2.700,00 € tätige Kläger gegen die
ihm am 28.07.2004 zugegangene Kündigung. Zur Begründung hat er die Auffassung
vertreten, diese Kündigung sei nicht geeignet, das zur Beklagten zu 1) bestehende
Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004 zu beenden. Die Kündigung sei nämlich sozialwidrig.
Entgegen der Ankündigung sei die Beklagte zu 1) nicht in der Lage betriebsbedingte
Gründe vorzutragen. In den Hallen der Beklagten zu 1) befänden sich weiterhin
Mehrstufenpressen und Schweißautomaten, an denen weiterhin gearbeitet werde. Dass
die Beklagte zu 1) mit diesen Maschinen produziere mache sie darüber deutlich, dass
sie um die Zertifizierung als B- bzw. A-Lieferant für N1xxxxxxx nachgesucht habe. Aus
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diesem Anlass sei im Oktober 2004 ein Zertifizierungsaudit durchgeführt worden.
Ihre Lieferbeziehungen zur Automobilindustrie setze sie folglich am Standort N1xxxxxxx
fort. Dies bestätige sie durch die Einstellung des Leiters Planung und Entwicklung ab
01.09.2004 sowie durch die Anwerbung eines Key Account Managers. In dieser
Annahme sehe er sich bestärkt, durch die Annahme eines Neuauftrags der Fa.
F1xxxxxxxx & R3xx GmbH am 29.10.2004. Ihre früheren Kundenbeziehungen zur
Automobilindustrie halte sie aufrecht durch die Belieferung der V1 A7 mit H6xxxxx für
Plattformen, der I3x W3xxxx mit Schubstangen für A8xx, der C4x F6xxxxxxxxxxxxxxxxx
mit Schubstangen für S10x, der J1 & S7 GmbH mit Haltebügel für den N2x B10xxx
C5xxxx, die Firma L4xxxxxx mit Wahlhebel für B11 sowie die Fa. Z1 B3xx mit
Schalthebel für den D9-S11xxxxx. Gegen eine Einstellung der Produktion spreche
zudem die Ende September 2004 erfolgte Auslieferung der im Juni bestellten ABB-
Schweißmaschine (Robotec). Gegen den Wegfall seines
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Beschäftigungsbedarfs spreche zudem, dass die Abteilung Werkzeugbau nicht nur für
die Beklagte zu 1) sondern für alle Firmen des Firmenverbundes, also für die D1xx
K3xxxxxxxxxxxxx, die D1xx C3 und die D1xx U4 zuständig gewesen sei. Da Letztere
weiterproduzierten sei der Bedarf an Werkzeugen nicht entfallen. Darüber hinaus
beanstande er die getroffene Sozialauswahl. In der aufrecht erhaltenen Produktion
seien zwei Werkzeugmacher der Beklagten zu 1), u. a. der Werkzeugmacher K4xx tätig,
der sozialstärker sei als er. Da im Oktober 2004 eine Neueinstellung in diesem
Fachbereich erfolgt sei, seien soziale Gesichtspunkte nicht annähernd beachtet worden.
Die Kündigung sei schließlich wegen Nichtbeachtung der Anzeigepflichten bei einer
Massenentlassung rechtsunwirksam.
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Mit Klageerweiterung vom 28.02.2005 begehrt er zusätzlich die Feststellung, dass sein
Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1) zum 01.09.2004 auf die Beklagte zu 2)
übergegangen ist und dass die Beklagte zu 2) aus diesem Grunde verpflichtet sei, ihn
als Werkzeugmacher zu beschäftigen. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, zwischen
den Beklagten sei zum 01.09.2004 ein Betriebsübergang vollzogen worden. Die
Beklagte zu 2) nutze alle in N1xx-xxxx verbliebenen Pressen, Biege- und
Schweißautomaten und produziere die gleichen Artikel wie die Beklagte zu 1) für deren
Kunden.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der
Beklagten zu 1) durch die Kündigung vom 26.07.2004 nicht aufgelöst
sondern ungekündigt fortbesteht;
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2. die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn zu
den bisherigen, bei der Beklagten zu 1) bestehenden Bedingungen
weiterzubeschäftigen,
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hilfsweise hat er beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu 1) nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom
26.07.2004 aufgelöst worden ist sondern auf die Beklagte zu 2) gem. § 613
a BGB übergegangen ist;
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2. die Beklagten zu verurteilen, ihn zu den bisherigen, bei der Beklagten zu
1) bestehenden Bedingungen weiterzubeschäf-tigen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte zu 1) bewertet die Klage als unbegründet. Hierzu hat sie behauptet, in
ihrer Gesellschaft bestehe für den Kläger kein Beschäftigungsbedarf mehr. Sie habe
den Stilllegungsbeschluss vom 22.07.2004 unverzüglich umgesetzt, indem sie die
kündbaren
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Arbeitsverhältnisse am 26.07.2004 aufgekündigt, eine Massenentlassung am
27.07.2004 angezeigt, ihre Kunden über den Beschluss vom 22.07.2004 in Kenntnis
gesetzt und keine neuen Aufträge (Kunden) angenommen habe. Sie habe zugleich
damit begonnen, die Verlagerung von Doppeldruckpressen, Pressen, Biegemaschinen
und Schweißanlagen nach T2xxxxxxxx und G3xxxxxxxxxxxx vorzubereiten. Im Rahmen
der bestehenden Aufträge habe sie vorproduziert und diese Produktion im
Hochregallager zwischengelagert. Die für die Produktion nicht mehr benötigten
Schweißanlagen (BT01/B11/B13/B17/B18) sowie Bieger und Pressen (P1/P11/P25)
habe sie nach Ausspruch der Kündigungen stillgelegt. Mit dem Abtransport von
Maschinen habe sie Ende September (28., 29. und 30.09.2004) begonnen. Ihre
Kundenbeziehungen sollten nach Einstellung der Produktion vor Ort über die D1xx C3,
die eine Zertifizierung im Automotiv-Bereich anstrebe, und über die D1xx U4 fortgesetzt
werden. Zu diesem Zweck seien nach T2xxxxxxxx insgesamt acht Pressen und Bieger
und fünf Schweißanlagen sowie nach G3xxxxxxxxxxxx eine Schweißanlage und drei
Pressen bzw. Bieger sowie eine Großanlage OMCD verlagert worden. Zwei Maschinen
(D2 und P21) seien zur K3xxxxxxxxxxx GmbH, A3xxxx, transportiert worden. Eine
Maschine (P15) werde zum Hersteller zurückgebracht. Zusätzlich seien zwei Maschinen
verschrottet und drei Maschinen "endgültig" außer Betrieb gesetzt worden. Die zu
verlagernden Maschinen habe sie nach der Vorproduktion demontieren und umfassend
reinigen lassen. Diese Maßnahmen hätten es ihr ermöglicht, schon im September 22
Mitarbeiter während der noch laufenden Kündigungsfristen frei zu stellen. Parallel zu
den Kündigungen und zur Massenentlassungsanzeige habe sie beim Integrationsamt
um Zustimmung zur Entlassung von drei beschäftigten schwerbehinderten Menschen
nachgesucht. Nach erteilter Zustimmung habe sie auch diesen Mitarbeitern gekündigt.
Die befristeten Arbeitsverhältnisse habe sie auslaufen lassen. Entgegen früherer
Handhabung habe sie keine neuen Ausbildungsverhältnisse begründet. Ihre Produktion
habe sie endgültig eingestellt. Mit Ausnahme ihres Prokuristen und der im ruhenden
Arbeitsverhältnis befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige sie keine
Arbeitnehmer mehr. Gegen ihre Stilllegungsabsicht spreche nicht die vorübergehende
Beschäftigung eines Leiters Planung und Entwicklung. H8. W5. S12xx sei in dieser
Funktion nicht von ihr sondern von der D1xx T1x GmbH beschäftigt worden. Diese
Firma und nicht sie habe einen Key Account Manager gesucht. Sie habe im Oktober
2004 keine Neueinstellung im Bereich Werkzeugbau vorgenommen. Diese habe
allenfalls die Beklagte zu 2) veranlasst. Entgegen seiner Behauptung habe die
Abteilung Werkzeugbau ausschließlich Werkzeuge für den eigenen Bedarf hergestellt.
Die übrigen Unternehmungen hätten über eigenes Know-how verfügt und den eigenen
Werkzeugbau vorgehalten. Der Ende September gelieferte Schweißautomat sei von ihr
nicht mehr eingesetzt worden.
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Beide Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 2) sei nicht ihre
Rechtsnachfolgerin i. S. des § 613 a Abs. 1 BGB. Letztere führe weder den Betrieb der
Beklagten zu 1) fort. Sie habe auch keinen Betriebsteil, dem der Kläger zuzuordnen sei,
übernommen. Hierzu haben sie behauptet, die Beklagte zu 2) nutze ausschließlich die
in N1xxxxxxx verbliebenen und nicht ergänzend verschrotteten bzw. endgültig
stillgelegten Maschinen der Beklagten zu 1) für ihre eigenen betrieblichen Zwecke.
Diese unterschieden sich erheblich von denjenigen der Beklagten zu 1). Ihr
Schwerpunkt liege auf dem Bereich der Konstruktion und Entwicklung. Daneben
produziere sie Kleinserien für die Automobilindustrie. Die Beklagte zu 1) sei in die
Massenproduktion eingebunden gewesen. Die Kleinserienfertigung sei für sie lediglich
ein Nebenprodukt gewesen. Die Beklagte zu 2) habe auch nicht deren betriebliche
Organisation übernommen. Bei der Beklagten zu 1) habe die sog. Inselfertigung
vorgeherrscht. Die Beklagte zu 2) habe eine Linienproduktion aufgebaut. Um dieses Ziel
zu erreichen habe sie Roboter hinzugekauft, die den Transport übernehmen. Während
die Beklagte zu 1) auf Lager produziert habe benötige die Beklagte zu 2) das
Hochregallager nicht. Während die Beklagte zu 1) einen hohen Anteil an ungelernten
bzw. angelernten Mitarbeitern beschäftigt habe, benötige die Beklagte zu 2) zur
Überwachung und Umrüstung der Maschinen ausschließlich qualifizierte Mitarbeiter.
Aufgrund der geringen Belegschaft benötige die Beklagte zu 2) auch nicht das
mehrstöckige Bürogebäude der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) habe auch keinen
Betriebsteil "manuelles Biegen" übernommen. Einen solchen Be-triebsteil habe die
Beklagte zu 1) gar nicht vorgehalten. Ihr Betrieb sei vielmehr einheitlich strukturiert
gewesen und habe einem Gesamtbetriebsleiter unterstanden. Abteilungsleiter habe sie
aufgrund des erforderlichen Personalabbaus in der Vergangenheit weit vor dem
Stilllegungsbeschluss nicht mehr beschäftigt. Sie habe auch keinen eigenständigen Be-
triebsteil "Werkzeugmacherei" vorgehalten. Dieser Fachbereich habe eine nur
untergeordnete Funktion für die Großserienproduktion eingenommen. Da die
Werkzeugmacherei durch die Herstellung von Gesenken für manuelle Pressen stark
ausgelastet gewesen sei, sei mit der Verlagerung dieser Maschinen zur D1xx C3 der
wesentliche Bedarf entfallen. In der Werkzeugmacherei habe der Kläger eine
Vorgesetztenfunktion für Mitarbeiter in den Bereichen Werkzeugbau, Prototypenbau und
S9xxxxxxxxx, nicht jedoch auch für Mitarbeiter der Konstruktion, Entwicklung und
Fertigung inne gehabt. Sein Vorgesetzter B6xxxxxxxx sei wie er entlassen worden. Die
Beklagte zu 2) halte eine Werkzeugmacherei im früheren Ausmaß nicht vor. Sie setzte
Stahlbauschlosser ein, die der Geschäftsführung direkt unterstellt seien. Da u. a. die V1
A7 nicht zum Tausch der Vertragspartnerin bereit gewesen sei trete die Beklagte zu 1)
weiterhin im Außenverhältnis innerhalb der Rahmenverträge auf. Im
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Innenverhältnis habe die Beklagte zu 1) die Produktion der Kleinserien mit 100 – 150
Stück monatlich auf die Beklagte zu 2) als Subunternehmerin übertragen. Dies sei ihr im
Rahmen der Zertifizierung nicht untersagt. Als zertifiziertes Unternehmen sei sie
berechtigt, selbständig zu überprüfen, ob ihr Zuliefererbetrieb den Anforderungen
gerecht werde. Bei dem im September durchgeführten Zertifizierungsaudit habe es sich
um ein sog. Wiederholungsaudit gehandelt, das turnusmäßig einzuhalten gewesen sei.
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Mit Urteil vom 17.03.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es u. a. ausgeführt, die Kündigung sei durch dringende betriebliche
Erfordernisse bedingt. Hierfür genüge der Entschluss vom 22.07.2004, die Produktion
befristet auslaufen zu lassen um sie sodann endgültig einzustellen, zumal dieser
Entschluss durch die Beklagte tatsächlich umgesetzt worden sei. Hierfür sprächen die
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nachfolgenden Umstände: Keine Annahme von Neuaufträgen, Kündigung aller
Arbeitnehmer zum nächst möglichen Termin, Anzeige einer Massenentlassung, Einsatz
eigener Arbeitnehmer zur Abproduktion, Bekanntgabe der Stilllegungsabsicht nach
außen, Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes zur Entlassung
schwerbehinderter Arbeitnehmer, Freistellung von Arbeitnehmern während der
Kündigungsfrist sowie die Verlagerung erheblicher Teile des Maschinenparks nach
T2xxx-xxxxx, G3xxxxxxxxxxxx und an ein in N1xxxxxxx ansässiges Unternehmen. Die
umfassende Umsetzung dieses Stilllegungsentschlusses sei u. a. deshalb zu
unterstellen, zumal der Kläger das Vorbringen der Beklagten nicht substantiiert
bestritten habe. Die Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen sozial
ungerechtfertigt bzw. rechtsunwirksam. Aufgrund endgültiger Produktionseinstellung
und Entlassung aller Arbeitnehmer könne eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten
nicht verlangt werden. Eine Verletzung der Bestimmungen zur Massenentlassung sei
nicht erkennbar; ebenso wenig eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung aus den
Gründen des § 613 a Abs. 1 und 4 BGB. Die Übertragung von Betriebsteilen sei weder
in Bezug auf die D1xx C3 und die D1xx U4 noch in Bezug auf die A1x
Werkzeugtechnik, N1xxxxxxx, zu erkennen. Die Verlagerung jeweils eines Teils des
früheren Maschinenparks bewirke nicht die Wahrung der Identität des vorausgehenden
Produktionsbetriebes. Hieraus folge konsequent, dass eine Weiterbeschäftigung nicht
durchgesetzt werden könne.
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Gegen dieses, ihm am 12.04.2005 zugestellte, vorgetragene und wegen der sonstigen
Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 25.04.2005 Berufung
eingelegt, die nach vorausgehender Verlängerung der Begründungsfrist bis zum
13.07.2005 am 11.07.2005 begründet worden ist. Der Kläger greift das angefochtene
Urteil in vollem Umfang an. Zur Begründung vertritt er die Auffassung, die Kündigung sei
nicht nur sozial ungerechtfertigt sondern auch wegen Nichteinhaltung der Anzeigepflicht
vor Ausspruch der Kündigung rechtsunwirksam. Zudem verkenne das angefochtene
Urteil, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2) übergegangen sei. Hierzu trägt
er vor, die Beklagte habe nicht erkannt, dass nach Überzeugung des EuGH die Anzeige
vor der Kündigungserklärung zu erfolgen habe und dass die Nichtbeachtung dieses
Grundsatzes zur individual-rechtlichen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führe.
Entgegen der Bewertung im angefochtenen Urteil sei auch festzuhalten, dass sein
Arbeitsplatz nicht weggefallen sei. Das angefochtene Urteil habe zu Unrecht den
Stilllegungsbeschluss und dessen Umsetzung unterstellt. Dies müsse er weiterhin
bestreiten, zumal Ausführungen zur Immobilienverwertung, zur Kundeninformation, zur
Aufkündigung von Lieferverträgen etc. fehlten. Letzterem stehe die Fortsetzung der
Kundenbeziehungen seitens der Beklagten zu 2) entgegen. Auch müsse er bezweifeln,
dass nach den Behauptungen der Beklagten zu 1) alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
entlassen worden seien. Dem stehe entgegen, dass insbesondere Mitarbeiter in
leitender Funktion nur aufgrund Eigenkündigung oder mittels Aufhebungsvertrages ihre
Rechtsbeziehungen zur Beklagten zu 1) beendet hätten. Auch andere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter seien nicht entlassen worden. Dabei müsse er jedoch eingestehen, dass
ihm nicht bekannt sei, welche Gesellschaft Arbeitgeberin der an den früheren
Maschinen der Beklagten zu 1) arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei.
Aufgrund ihres Auftretens gegenüber Lieferanten und Kunden müsse er davon
ausgehen, dass die Beklagte zu 1) weiterhin produziere. Diese Annahme werde u. a.
bestärkt durch Anfragen der Beklagten zu 1) aus April 2005 bei der Firma R4xxxx
Stanztechnik, P3xxxxxxxxx. Sollte ausschließlich die Beklagte zu 2)
Arbeitgeberfunktionen ausüben, so sei festzustellen, dass sie den Betrieb der Beklagten
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zu 1) übernommen habe. Die Beklagte zu 2) verfüge über den gesamten intakten
Maschinenpark der Beklagten zu 1); und zwar einschließlich der ABB Schweißanlage
sowie des Cloos-Roboters. Von der Stilllegung und Verlagerung seien ausschließlich
veraltete, unbrauchbare, ja sogar schrottreife Maschinen betroffen gewesen. Er müsse
auch der behaupteten Umstellung von der Werkstattfertigung (Insellösung) auf eine
Linienfertigung widersprechen. Gerade die Beklagte zu 1) habe früher die sog.
Insellösung versucht. Sie sei hiermit gescheitert. Deshalb sei sie zur Linienfertigung
zurückgekehrt. Schließlich unterstelle er einen gemeinsamen Betrieb zwischen den
Beklagten. Aufgrund dieses Umstandes sei die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen,
eine Auswahl nach sozialen Kriterien vorzunehmen.
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu 1) durch die Kündigung vom 26.07.2004 nicht aufgelöst ist;
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2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten
Arbeitsbedingungen als Werkzeugmacher zu einem Stundenlohn von
14,51 € brutto sowie im Übrigen gemäß Arbeitsvertrag vom 18.09.1996
weiterzubeschäftigen.
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Hilfsweise
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1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) seit
dem 01.09.2004 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Folge
Betriebsübergang gem. § 613 a BGB besteht;
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2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen bei der
Beklagten zu 1) bestehenden Arbeitsbedingungen als Werkzeugmacher zu
einem Stundenlohn von 14,51 € brutto, im Übrigen gemäß dem zwischen
der Beklagten zu 1) und dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag vom
18.09.1996 weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagten beantragen,
35
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36
Sie bewerten weiterhin die Kündigung als rechtswirksam. Zur Begründung führen sie
aus, mit der Auslegung: "Kündigung = Entlassung" wende sich der EuGH an den
nationalen Gesetzgeber und nicht an den privaten Arbeitgeber. Der Gesetzgeber sei
deshalb gehalten, die Bestimmungen zur Massenentlassung entsprechend anzupassen,
zumal eine richtlinienkonforme Auslegung mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen
sei. Die Beklagte zu 1) genieße Vertrauensschutz. Sie habe in Anwendung der
gefestigten Rechtsprechung des BAG (trotz Kenntnis des Vorlagebeschlusses des
Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2003) nach Gesetz gehandelt. Letztlich dürfte eine evtl.
Nichteinhaltung dieser Bestimmungen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Auch diesbezüglich berufe sie sich auf die gefestigte Rechtsprechung des BAG. Sie
bekräftigen zudem die Ausführungen des angefochtenen Urteils zur
Produktionseinstellung und tragen hierzu vor, die Beklagte zu 1) habe ihre Produktion
37
spätestens Ende Dezember 2004 beendet. Sie vertreten hierzu die Auffassung, der
Betrieb der Beklagten zu 1) sei nicht von der Beklagten zu 2) übernommen worden. Die
Beklagte zu 1) habe vielmehr ihren Maschinenpark aufgelöst, die Beklagte zu 2)
produziere lediglich in einer H5xx, nutze weder das Hochregallager noch das
Bürogebäude. Die Beklagte zu 2) sehe ihr Schwergewicht der unternehmerischen
Tätigkeit auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion und produziere Auspuffhalter
bzw. Schaltgestänge lediglich in Kleinserien. Die Beklagte zu 2) unterscheide sich
insofern von ihrer Unternehmensform, zumal sie überwiegend im Rahmen von
Großserien beteiligt worden sei. Diese Großserien habe sie in der Form der
Inselfertigung abgearbeitet. Für die Kleinserienfertigung habe die A1x eine
automatische Linienfertigung aufgebaut. Kleinserien hätten ein Volumen von 150 bis
200 Stück. Dies erfordere ein ständiges Umrüsten der Maschinen. Für die
Linienfertigung habe die A1x zum Teil neue Maschinen, u. a. einen Cloosroboter
(Schweißmaschine B997) und einen Roboter mit TCP Vermessungseinheit, Drehtisch
und Werkzeugaufspannvorrichtung (Schweißanlage B19) beschafft. Diese Technik
habe die Beklagte zu keiner Zeit vor-gehalten. Zur Überwachung dieser automatischen
Maschinen benötige sie Fachpersonal. Ihrer Meinung nach habe die Beklagte zu 2)
auch keinen Betriebsteil aus ihrem Unternehmen übernommen. Ein solcher sei auch für
das manuelle Biegen nicht vorgehalten worden. Die Beklagte zu 2) beschäftige
einschließlich der Fremdeinstellungen erheblich weniger Mitarbeiter als vom Kläger
angegeben. Entgegen den Andeutungen des Klägers produziere sie nicht mittels der
Beklagten zu 2). Das vom Kläger angesprochene Organisationspapier halte lediglich
ein Gedankenmodell fest. Eine Holding existiere tatsächlich nicht. Eine
gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit beherrschender Leitung der Beklagten zu 1)
bestünde unter den angesprochenen Gesellschaften nicht. Die Beklagte zu 1) wickle nur
bestehende Verträge ab. Dies u. a. über die Beklagte zu 2) und die D1xx C3 bzw. D1xx
U4. Neugeschäfte sei sie nicht eingegangen.
Die Beklagte zu 1) wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, alle Arbeitnehmer
entlassen zu haben und keinen Arbeitnehmer mit Ausnahme ihres Prokuristen zu
beschäftigen. Auch die vom Kläger im Einzelnen angeführten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer seien am 26.07. bzw. 28.07.2004 entlassen worden. Im Übrigen habe sie
befristete
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Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen. Zu den gekündigten Arbeitnehmern gehöre auch
M4. R8xx, der zum 30.09.2004 ausgeschieden sei. In ihrem Betrieb habe die Beklagte
zu 1) keine Abteilungen vorgehalten. Dem Mitarbeiter B6xxxxxxxx habe sie zwar für den
Werkzeugbau Vorgesetztenfunktionen übertragen. Dieser sei persönlich dem
Produktionsleiter direkt unterstellt
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gewesen. Die mechanischen Pressen, für die der Kläger als Einrichter tätig gewesen sei
seien überwiegend nach T2xxxxxxxx verlagert worden. Lediglich drei (von sieben)
Pressen setze die Beklagte zu 2) ein. Die Beklagte zu 1) habe zur Erfüllung der
bestehenden Rahmenverträge (sog. Jahresverträge) für das zweite Halbjahr 2004
vorproduziert. Bei den Großserien sei die Beklagte zu 1) aufgrund qualitativer Mängel
und Zuliefererprobleme mit Nachfolgeaufträgen nicht mehr bedacht worden. Alle
Großaufträge seien in 2004 ausgelaufen. Über ihre Entscheidung, die Produktion
einzustellen seien ihre Großkunden durch die Mitarbeiter P4xxxxxx und L2xxxxxxx
informiert worden. Da die Beklagte zu 2) noch nicht zertifiziert sei, trete die Beklagte zu
1) bei den Kleinserienaufträgen weiterhin als Lieferant auf. Die Beklagte zu 2) sei in
diesem Rahmen ihre Subunternehmerin. Diese Form habe sie gewählt, um
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Schadenersatzansprüchen erfolgreich entgegentreten zu können. Die Beklagte zu 2)
habe nur einen geringen Anteil ihrer früheren Belegschaft eingestellt. Qualifiziertes
Personal habe sie zudem auf dem freien Arbeitsmarkt angeworben. Aufgrund des
geringen Personalbestandes benötige sie keine eigenständige Finanz- und
Lohnbuchhaltung. Die Beklagte zu 2) führe auch nicht den bei der Beklagten zu 1)
benötigten Einkauf, Vertrieb und Versand fort.
Die Beklagten tragen ergänzend vor, die Beklagte zu 1) habe nicht alle
Arbeitsverhältnisse aufkündigen müssen. Nach Ausspruch der 63 Kündigungen seien
weitere 13 Arbeitsverhältnisse aufgrund Zeitbefristung ausgelaufen; dies spätestens im
zweiten Halbjahr 2004. Weitere Arbeitnehmer seien mittels Aufhebungsvertrages
ausgeschieden. Lediglich ruhende Arbeitsverhältnisse habe sie noch nicht aufkündigen
können. Diese personellen Maßnahmen seien betrieblich veranlasst vollzogen. Aus
technischen Gründen (Lieferqualität) und im Hin-lick auf Lieferverzugssituationen habe
die Beklagte zu 1) Großserien mit mehreren 100.000 zum Teil mehreren Millionen
Teilen pro Jahr in 2004 weitgehend verloren. Dies habe auch zur Herabstufung in der
Zertifizierung geführt. Diese Situation habe die Beklagte zu 1) zum Anlass genommen,
auf der Grundlage des Stilllegungsbeschlusses die Ausproduktion anzuordnen.
Zeitgleich sei eine Maschinenverlagerung erfolgt. Die Beklagte zu 1) produziere aus
den genannten Gründen nicht mehr. Sie habe einen Teil der nicht erledigten Kleinserien
als Korrektur ihrer Prognoseentscheidung auf die Beklagte zu 2) übertragen. Von den für
2005 vorgelegten Anfragen seien im Wesentlichen Kleinserien betroffen. Dies werde
deutlich über die Belieferung von V1 A7 etc. mit Haltern, Schubstangen, Haltebügeln
und Wahlhebeln. Alle Lieferungen erführen einen Bezug zu speziellen Kleinserien. Die
Beklagte zu 2) sei ohne Beeinflussung des Gesellschaftergeschäftsführers der
Beklagten zu 1), R2xx D1xx, gegründet worden. Die Initiative hierfür liege
ausschließlich bei der K3xxxxxxxxx A3xxxx. Die Beklagte zu 2) sei als klare
Neugründung und nicht etwa als Abspaltung von der Beklagten zu 1) einzuordnen. Sie
habe unbeeinflusst ihr eigenes unternehmerisches Konzept und ihre
Arbeitsorganisation entwickelt. Die der Beklagten zu 1) fälschlich zugeordneten
Anfragen aus 2005 seien ausschließlich der Beklagten zu 2) zuzuordnen. Die Beklagte
zu 2) habe Anfang Oktober 2004 ihre Produktion mit 13 ehemaligen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Beklagten zu 1) aufgenommen. Ergänzend hierzu sei eine
Fremdeinstellung erfolgt. Noch heute bleibe der Belegschaftsumfang der Beklagten zu
2) weit unterhalb von 30 % der früheren Stammbelegschaft der Beklagten zu 1). Weder
die ABB Schweißanlage mit TCP Vermessungseinheit noch der Cloos-Roboter mit MIG
Lötverfahren seien bei der Beklagten zu 1) eingesetzt gewesen. Das MIG Lötverfahren
sei der Beklagten zu 1) völlig unbekannt. Die Geltendmachung eines
Betriebsübergangs sei dem Kläger im Übrigen verwehrt. Er habe sich hierauf nicht
unverzüglich berufen. Mit der Verlagerung von Maschinen habe sie auch den
Werkzeugbau "zerschlagen". Denn die Maschinen seien mit dem dazugehörigen
Werkzeug verlagert worden. Dies gelte auch für die Beklagte zu 2). Die Beklagte zu 2)
halte keinen eigenständigen Bereich "Werkzeugbau" vor. Die von ihr beschäftigten
Werkzeugmacher seien in die Produktion integriert. Ohne eine Verpflichtung zur
Sozialaushalt zu erkennen weise die Beklagte zu 1) darauf hin, dass der vom Kläger
angesprochene Werkzeugmacher K5xx seit dem 01.08.1966 beschäftigt gewesen sei.
Mit seiner vorausgehenden Beschäftigung im Zeitraum 1984 – 1988 erreiche der Kläger
dessen Betriebszugehörigkeit nicht. Beide Beklagten bildeten keinen gemeinsamen
Betrieb. Die Beklagte zu 2) nehme eine eigen-ständige Personalbefugnis in Anspruch.
Buchhaltung und Vertrieb seien fremd vergeben.
41
Wegen der sonstigen Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der
ge-wechselten Schriftsätze verwiesen.
42
Das Berufungsgericht hat im Berufungsverfahren 7 Sa 685/05 Beweis erhoben durch
uneidliche Vernehmung des 51-jährigen Betriebswirts und Prokuristen U3xxxx H2xxxxx
sowie des 32-jährigen Industriemechanikers M2xx L3xxx als Zeugen. Der Zeuge
H2xxxxx wurde im Berufungsverfahren 7 Sa 720/05 ergänzend vernommen. Im
Berufungsverfahren 7 Sa 1196/05 wurde die 25-jährige kaufmännische Angestellte
J2xxxxxxx U3xxxx zu den Anfragen bei der Fa. R4xxxx Stanztechnik als Zeugin
vernommen. Die Zeugen D5 V3xxxx und R5x-xxxx haben auf der Grundlage des § 377
Abs. 3 ZPO schriftliche Zeugenaussagen eingereicht. Diese Möglichkeit erhielt auch der
45-jährige Dipl.-Ing. Maschinenbau M5xxxxx P5xx-xxxxx (Bl. 305 und 306 der Akte).
43
Sowohl die vor der erkennenden Berufungskammer protokollierten als auch die gem. §
377 Abs. 3 zur Akte gereichten Zeugenaussagen wurden ohne Beschränkung im
Termin zur Berufungsverhandlung vorgelesen.
44
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
45
Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) statthafte, form- sowie fristgerecht
eingelegte und begründete Berufung des Klägers (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5, 64 Abs. 6
ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) hat keinen Erfolg.
46
A.
47
Die gem. § 256 ZPO allgemein zulässige und in der Frist des § 4 KSchG erhobene
Feststellungsklage des Klägers ist nicht begründet. Die Kündigung der Beklagten zu 1)
ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung
des Klägers auf Dauer entgegenstehen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG (I)). Die
Kündigung ist auch nicht aus sonstigen Gründen wie z. B. wegen Verstoßes gegen §
613 a Abs. 1 und 4 BGB oder wegen Nichtbeachtung der §§ 17, 18 KSchG
rechtsunwirksam (II).
48
I.
49
Die Kündigung vom 26.07.2004 ist nicht sozial ungerechtfertigt i. S. des § 1 Abs. 1
KSchG. Sie ist vielmehr durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der
Weiterbeschäftigung des Klägers auf Dauer entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).
Dringende betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen Umständen
wie z. B. der Umstellung der Produktion oder Schließung einer Abteilung oder durch
außerbetriebliche Umstände wie z. B. Umsatzrückgänge ergeben. Dringend sind
betriebliche Erfordernisse dann, wenn sie eine Kündigung im Interesse des Betriebes
notwendig machen. Auftragsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung dann
rechtfertigen, wenn durch ihn die anfallende Arbeit soweit zurückgeht, dass für einen
oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt und die
Kündigung nicht durch innerbetriebliche Maßnahmen vermieden werden kann. Das
Arbeitsgericht ist hierbei gehalten zu überprüfen, ob eine unternehmerische
Entscheidung vorliegt, die den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes bewirkt und ob
diese Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Auf ihre
sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit kann eine Unternehmerentscheidung
nicht überprüft werden (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 522/98 –).
50
nicht überprüft werden (BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 522/98 –).
Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten
Betriebes durch den Arbeitgeber. Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet
allerdings noch keine Betriebsstilllegung. Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die
Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und
Produktionsgemeinschaft zu
51
verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin
findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen
Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine
ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter
zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb
stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber
seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt,
etwaige Mietverträge zum nächst möglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über
die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt.
Abgeschlossen ist die Stilllegung erst dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der
Arbeitnehmer beendet sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. hierzu z. B. Urteil
vom 16.05.2002 – 8 AZR 319/01 – AP Nr. 237 zu § 613 a BGB; Urteil vom 24.02.2005 –
2 AZR 214/04 –). Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, eine Kündigung erst
nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung
wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige
Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen
werden, wenn die betreffenden betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen
haben. Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon
auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der
Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben
(BAG, a. a. O., mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BAG).
52
1. Der Beklagten zu 1) ist es gelungen, diese Voraussetzungen nachzuweisen. Die
Beklagte zu 1) hat durch ihren Gesellschafter/Geschäftsführer letztendlich am
22.07.2004 den zuvor gereiften Entschluss formal fixiert, den Betrieb zum
31.03.2005 stillzulegen. Zugleich hat er mit diesem Beschluss die
Geschäftsführung beauftragt, alles Erforderliche zu veranlassen, um diesen
Entschluss so zeitnah als möglich umzusetzen. Die Arbeitsverhältnisse sollten
unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist und unter Beachtung von
produktionstechnischen Gegebenheiten beendet werden. Dass dieser Beschluss
so gefasst wurde, hat der Prokurist der Beklagten, U3xxxx H2xxxxx, als Zeuge
bestätigt. Er war nach seiner Einlassung bei der Unterzeichnung zugegen. Er hat
die auszuführenden Hinweise entgegengenommen.
53
Dieser Entschluss wurde auch entsprechend den Vorstellungen des
Gesellschafter/Geschäftsführers zeitnah realisiert. Die Arbeitsverhältnisse der
kündbaren Arbeitnehmer wurden am 26.07.2004 aufgekündigt. Am 27.07.2004
wurde bei der Agentur für Arbeit I1xxxxxx, Büro W1xxxxx, die erste
Massenentlassungsanzeige eingereicht. Zeitgleich hat die Beklagte zu 1) bei dem
Integrationsamt um Zustimmung zur Entlassung der drei schwerbehinderten
Arbeitnehmer gebeten. Auch ihnen wurde nach erteilter Zustimmung gekündigt.
Diesen personellen Vollzug des Entschlusses hat der Zeuge H2xxxxx ebenfalls
aus eigener Kenntnis bestätigt. Als Personalleiter habe er die Kündigungen
54
unterschrieben und veranlasst, dass diese zur Post gegeben wurden. Persönlich
habe er am 27.07.2004 gegen 10 Uhr die Massenentlassungsanzeige bei der
Agentur für Arbeit eingereicht. Danach hätten in den Räumen der Beklagten
ausführliche Unterredungen zwischen Mitarbeitern der Agentur und den
betroffenen Arbeitnehmern stattgefunden. Er hat zudem bestätigt, dass das
Integrationsamt zur beabsichtigten Kündigung der Schwerbehinderten beteiligt
wurde. Des-sen Zustimmung lag am 10.08.2004 vor.
55
Zur weiteren Ausführung dieses Beschlusses wurde die sog. Ausproduktion
eingeleitet. Die Beklagte zu 1) hat im Rahmen der bestehenden Verträge
vorproduziert, um Schweißmaschinen, Doppeldruckpressen, Pressen und Bieger
zur Verlagerung nach T2xxxxxxxx, G3xxxxxxxxxxxx und A3xxxx demontieren und
reinigen zu können. Zeit-gleich wurde von Fremdfirmen die hierfür notwendig
werdende Logistik vorbereitet. Maschinen wurden ab Ende September fortlaufend
abtransportiert. Auch diese Angaben hat der Zeuge H2xxxxx bestätigt. Er hat
ausgeführt, die Verlagerung der Maschinen und die damit verbundene
Vorproduktion sei Bestandteil des Entschlusses vom 22.07.2004 gewesen. Der
Maschinentransport habe der Erweiterung der in T2xxxxxxxx und G3xxxxxxxxxxxx
vorhandenen Kapazität gedient. D1xx C3 habe, wie zur Akte gelangt, weitere
Flächen angemietet, um diese Maschinen in den bisherigen Maschinenpark
eingliedern zu können. Der Abtransport sei wie geplant erfolgt. Hierzu gehöre auch
die Verlagerung von zwei Maschinen zur K3xxxxxxxxxxx GmbH, A3-xxxx. Nach
seinen weiteren Begründungen habe diese Maßnahme dazu geführt, dass im
September 2004 insgesamt 22 Mitarbeiter hätten freigestellt werden können.
56
Diesen Entschluss unterstützend hat die Beklagte zu 1) alle befristeten Verträge
auslaufen lassen. Die Beklagte zu 1) hat darüber hinaus keinen neuen Aufträge
angenommen. Sie hat sich darum bemüht, für den Auszubildenden einen anderen
Ausbildungsplatz zu finden. Entgegen ihrer früheren Handhabung hat sie im
Sommer 2004 kein neues Ausbildungsverhältnis begründet. Sie hat darüber
hinaus keinen neuen Auftrag angenommen. Dies alles ist entweder unstreitig oder
vom Zeugen H2xxxxx bestätigt worden. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1)
ihren Entschluss u. a. durch den Zeugen H2xxxxx sowie den Mitarbeiter P4xxxxxx
und L2xxxxxxx den Kunden gegenüber bekannt gegeben hat.
57
Die Beklagte zu 1) beschäftigt – mit wenigen Ausnahmen – keine Arbeitnehmer
mehr. Der Zeuge H2xxxxx hat in diesem Zusammenhang in seiner
Zeugenaussage darauf hingewiesen, dass die Belegschaft entweder durch
auslaufende Befristung, durch Kündigung der Beklagten zu 1), durch
Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung der Arbeitnehmer ausgeschieden
seien. Auch dieser Teil der Aussage ist zur Überzeugung der erkennenden
Berufungskammer glaubhaft. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass der
Zeuge nicht in der Lage war, die Beendigungsart und den Beendigungszeitpunkt
derjenigen, vom Kläger aus einer Liste benannten drei bis vier Arbeitnehmer
konkret darzustellen. Diese Zurückhaltung ist nachzuvollziehen. Der Zeuge
H2xxxxx hat diesen Prozess begleitet. Er ist verständlicherweise nicht in der Lage,
alle Einzelheiten im Gedächtnis zu behalten und ohne Einsicht in die
Personalunterlagen hierauf spontan Rede und Antwort zu stehen.
58
Dass die Beklagte zu 1) ihre Produktion endgültig stillgelegt hat haben die
59
weiteren Zeugen bestätigt. Der ehemalige Fertigungsleiter R5xxxxx hat in seiner
schriftlichen Zeugenaussage vom 20.09.2005 ausgeführt, seine
Betriebszugehörigkeit zur Beklagten zu 1) sei zum 31.10.2004 mittels
Aufhebungsvertrages beendet worden, zumal mit beendeter Ausproduktion die
Funktion des Fertigungsleiters nicht mehr benötigt wurde. Zuvor sei er verpflichtet
gewesen, die Vorproduktion zu steuern. Schließlich seien Maschinen abgebaut
und abtransportiert worden. Mit der Beendigung seiner Tätigkeit habe auch die
Produktion der Beklagten zu 1) geendet. Dieser
Bewertung wiederspricht der Zeuge D5 V3xxxx in seiner schriftlichen
Zeugenaussage vom 20.09.2005 nur indirekt. Er meint zwar, eine Vorproduktion
sei aufgrund großer Rückstände gar nicht möglich gewesen. Artikel, die unter dem
Namen "Auslaufartikel" liefen seien kontinuierlich verlagert worden. Hierfür habe er
tschechische Mitarbeiter in der Programmierung und Bedienung von
Schweißrobotern geschult. Damit habe er die Verlagerung eines Teils der
Schweißanlagen vorbereitet. Er könnte neben der Demontage und den Transport
auch den Wiederaufbau der Anlagen in T2xxxxxxxx bestätigen. Die Beklagte zu 1)
habe mit eingeschränkter Personaldecke mit den verbliebenen Maschinen
reduziert produziert. Als ehemaliger Vertriebsleiter der Beklagten zu 1) hat der
Zeuge P4xxxxxx in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 07.11.2005 bestätigt,
dass die Beklagte nach September 2004 nicht mehr produziert habe. Er bekräftigt
seinerseits den Zeugen R5xxxxx in dessen Einlassung zur Vorproduktion. Diese
sei erforderlich geworden, um die Versorgung der Kunden
60
sicherzustellen. Damit steht zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer
fest, dass mit In-Kraft-Treten der zwischen den Beklagten verabredeten
Maschinennutzungsvereinbarung ab Oktober die Produktion der Beklagten zu 1)
stillgelegt bzw. aufgelöst war. Dies hat zur Konsequenz, dass für den Kläger kein
weiterer Bedarf als Werkzeugmacher bestand. Dies wird dadurch bestärkt, dass die
Beklagte zu 1) mit den Maschinen die dazugehörenden Werkzeuge verlagert hat.
Unter Berücksichtigung seiner Kündigungsfrist war die Beklagte zu 1) berechtigt,
entsprechend ihrer Planung im Juli 2004 das Arbeitsverhältnis "vorzeitig" zum
31.12.2004 zu beenden.
61
Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge P4xxxxxx mit seiner subjektiven
Bewertung zum Ausdruck bringt, eine endgültige Stilllegung der Beklagten zu 1)
könne erst mit Ablauf des letzten Liefervertrages festgestellt werden. Diese
Bewertung begründet er mit der mangelnden Zertifizierung der Beklagten zu 2) und
der D1xx C3. Mit dieser Einschätzung nimmt der Zeuge P4xxxxxx der Beklagten zu
1) jedoch nicht den betriebsbedingten Kündigungsgrund. Denn der Kläger war in
einem Fachbereich tätig, der die Produktion unterstützt hat. Mit Wegfall dieser
Produktion fehlt für den Werkzeugbau jeglicher Bedarf.
62
Dem Stilllegungsbeschluss steht entgegen der Einschätzung des Klägers nicht
entgegen, dass noch im Juli bzw. August ein Key Account Manager und ein
Diplomingenieur Verfahrenstechnik gesucht wurden. Aus den zuvor verhandelten
Berufungsverfahren ist der erkennenden Berufungskammer bekannt, dass die
D1xx T1x GmbH und nicht die Beklagte zu 1) die Annonce zur Einstellung eines
Key Account
63
Managers geschaltet hat. Bzgl. der Suche eines Diplomingenieurs
64
Fertigungstechnik ist nachvollziehbar, dass der Gesellschaftergeschäftsführer der
Beklagten zu 1), R2xx D1xx, als Kaufmann der Unterstützung im technischen
Know-how bedurfte, um den Auslandsgesellschaften D1xx C3 und D1xx U4 den
Qualitätsstandard in der Produktion zu vermitteln. Aus seiner Sicht war eine
Koordination zwischen D1xx C3 und D1xx U4 erforderlich. Aus diesem Grunde war
Teil des Anforderungsprofils die Beherrschung der englischen Sprache. Dass im
September ein Zertifizierungsaudit stattgefunden hat nimmt dem
Stilllegungsbeschluss ebenso wenig seine rechtliche Wirkung. Immerhin war die
Beklagte zu 1) aus den bestehenden Rahmenverträgen verpflichtet. Sie war
deshalb gehalten, bis zuletzt dem Qualitätsstandard zu genügen. Ob tatsächlich
die Beklagte zu 1) Auftragnehmerin der Firma F3xxxxxx & R3xx GmbH war, musste
nicht näher aufgeklärt werden. Zum einen ist es einem Unternehmen nicht
verwehrt, bis zur endgültigen Stilllegung Aufträge entgegen zu nehmen, um noch
vorhandene Maschinen auszulasten. Zum anderen ist es einem Unternehmen
auch nicht verwehrt, in die Auftragsausführung Subunternehmer einzubeziehen.
Hierin liegt kein Widerspruch zur protokollierten Aussage des Zeugen H2xxxxx.
Der
Zeuge H2xxxxx hat darauf hingewiesen, dass die Kunden darüber informiert
waren, dass die bestehenden Aufträge ausgeführt werden sollten und zusätzliche
Aufträge nicht mehr entgegen genommen werden könnten. Dass die Beklagte zu 1)
nicht mehr "selbst" produziert, beweist die Vertragsentwicklung des ehemaligen
Leiters der Schweißerei D5 V3xxx und des ehemaligen Vertriebsleiters P4xxxxx.
Der Mitarbeiter D5 V3xxxx hat sein Arbeitsverhältnis am 28.11.2004 gekündigt und
ist schließlich bei der Beklagten zu 1) mittels Aufhebungsvertrages zum
31.12.2004 ausgeschieden. Der Mitarbeiter P4xxxxxx hat sein Arbeitsverhältnis
mittels Aufhebungsvertrages zum 30.11.2004 beendet. Zuvor waren nahezu 17
Arbeitsverhältnisse mittels Aufhebungsvertrag ausgelaufen.
65
2. Entgegen den Andeutungen des Klägers ist die Stilllegungsabsicht der
Beklagten zu 1) nicht dadurch entfallen, weil sie von Anfang an beabsichtigte ihren
Betrieb zu veräußern. Zwar ist die Veräußerung des Betriebes, wie sich aus der
Wertung des § 613 a BGB ergibt, keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebes
gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet.
Betriebsveräußerung und
66
Betriebsstilllegung schließen sich nämlich systematisch aus. Dabei kommt es auf
das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom
Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer
Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn
die geplante Maßnahme sich als Betriebsstilllegung und nicht als
Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebs
wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der
Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung
bewertet (BAG, Urteil vom 16.05.2002 – 8 AZR 319/01 – AP Nr. 237 zu § 613 a
BGB).
67
Eine derartige Absicht ist nicht erkennbar. Zwar wurde am 06.08.2004, folglich
zeitnah zum Stilllegungsentschluss, die Beklagte zu 2) gegründet. Diese hat in den
Räumen der Beklagten ihre Produktion Anfang Oktober 2004 aufgenommen. Sie
beschäftigte zu Beginn in etwa 20 Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) und produziert
68
mit mindestens neun CNC-Pressen und –Bieger und fünf Schweißmaschinen der
Beklagten zu 1). Darin liegt jedoch keine Veräußerung ihres Betriebes i. S. des §
613 a Abs. 1 BGB. Letztere war zumindest nicht beabsichtigt, d. h. nicht vom
Entschluss des Gesellschafter/Geschäftsführers erfasst.
69
a) Ein Betriebsübergang i. S. des § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer
Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität
fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten
Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich
nach den Umständen des konkreten Falles.
70
Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des
betreffenden Betriebes, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie
Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die
Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen
Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen
Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von
Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer evtl.
Unterbrechung der Betriebstätigkeit (ständige Rechtsprechung des BAG im
Anschluss an EuGH vom 11.03.1997 – RsC –13/05 – AP Nr. 14 zu EWG-
Richtlinie Nr. 77/187; BAG, Urteile vom 16.05.2002 – 8 AZR 319/01 – AP Nr.
237 zu § 613 a BGB und vom 22.07.2004 – 8 AZR 394/03). Die Beklagte zu 2)
ist nicht
71
Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 1). Sie führt nicht deren wirtschaftliche
Einheit unter Wahrung deren Identität fort. Die A1x hat lediglich einen Teil des
Maschinenparks übernommen und beschäftigt auch nur 1/5 bis 1/4 der
früheren Belegschaft der Beklagten zu 1). Entscheidend ist allerdings der
unterschiedliche Geschäftsgegenstand und die veränderte betriebliche
Organisation. Die Beklagte zu 2) ist angelehnt an die D1xx K3xxxxxxxxxxxxx.
Sie bietet der
72
Automobilindustrie andersartige Produkte an, als dies die Beklagte zu 1)
getan hat. Parallel zur D1xx K3xxxxxxxxxxxx liegt ihr Schwerpunkt in der
Hartmetallbearbeitung. In diesem Sachgebiet befasst sie sich mit dem
Musterbau, Prototypenbau, mit der Konstruktion und Entwicklung. Darüber
hinaus ist sie im Gegensatz zur Beklagten zu 1) nicht in die
Großserienfertigung eingebunden. Sie beteiligt sich lediglich an Kleinserien.
Schließlich ist die Beklagte zu 2) anders organisiert. Während die Beklagte zu
1) eine für die Massenproduktion typische Inselfertigung mit Puffer und
Zwischenlagerungen im Hochregallager vorsah, hat die Beklagte zu 2) von
Anfang an eine Linienfertigung mit kontinuierlichem Materialverlauf
eingerichtet. Um dies zu bewerkstelligen hat sie Roboter – u. a. einen Cloos-
Roboter – hinzukaufen müssen, um den Transport zwischen den Maschinen
zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 2) nur etwas mehr als
eine Halle ohne Hochregallager und ohne Bürogebäude nutzt. Mit diesem,
vom Zeugen H2xxxxx bestätigten Sachverhalt, wird die Beklagte zu 1) nicht
fortgeführt; deren Einheit wurde vielmehr aufgelöst (vgl. hierzu auch: BAG,
Urteil vom 17.06.2003 – 2 AZR 134/02 – AP Nr. 260 zu § 613 a BGB).
73
Diesen Ausführungen des Zeugen H2xxxxx stehen die Erläuterungen des
Zeugen L3xxx nicht entgegen. Er hat diese veränderte Betriebsorganisation
zwar nicht in dieser Klarheit bestätigt. Dennoch hat er etwas zurückhaltend
gemeint, die Beklagte zu 2) unterhalte gegenüber früher eine einheitliche
Produktionslinie bis zur endgültigen Fertigstellung des Produktes. Vorher,
also bei der Beklagten zu 1) seien die Maschinen verstreuter aufgestellt
gewesen; bei der Beklagten zu 1) sei mehr zwischengelagert worden.
Nunmehr sei alles enger beieinander und im Ablauf besser angepasst.
Außerdem fertige die Beklagte zu 2) Einzelaufträge während die Beklagte zu
1) mit der Großteilfertigung befasst gewesen sei. Ein Betriebsübergang ist
entgegen der Einschätzung des Klägers nicht daraus abzuleiten, dass
ausschließlich der Beklagten zu 2) qualitativ wertvolle und intakte Pressen,
Bieger- und Schweißmaschinen überlassen wurden, während der
Maschinenpark der Gesellschaften D1xx C3 und D1xx U4 mit nahezu
schrottreifen Maschinen ergänzt worden sei. Dieser Behauptung des Klägers
steht die Aussage des Zeugen D5 V3xxxx entgegen. Er hat nach seiner
glaubhaften Einlassung tschechische Arbeitnehmer am Stammsitz N1xxxxxxx
in der Programmierung und Bedienung von Schweißrobotern geschult. Diese
Schulung erfolgte entsprechend seiner Bewertung zielgerichtet für die
Verlagerung eines Teils dieser Schweißanlagen in die T3xxxxxxx. Die
Demontage und den Transport sowie den Wiederaufbau dieser Anlagen in
T2xxxxxxxx konnte er aus eigener Anschauung bestätigen. Hieraus folgt,
dass auch die T3xxxxxxx funktionstüchtige und qualitativ wertvolle Maschinen
erhalten hat. Da weitere Maschinen zur D1xx U4 und zur D1xx
Umformtechnik, A3xxxx, verlagert wurden ist zu unterstellen, dass der
Maschinenbestand der Beklagten zu 1) und damit zugleich ihre betriebliche
Identität aufgelöst worden ist.
74
b) Der Stilllegungsabsicht steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1)
an die Beklagte zu 2) einen Betriebsteil "Werkzeugbau" übertragen hat. Dem
Kläger ist es hierfür nicht gelungen, eine derartige Betriebsteilübertragung
aufzuzeigen. Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer
dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es
erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt.
Betriebsteile sind Teileinheiten = Teilorganisationen des Betriebes. Es muss
sich um eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die
innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Das
Merkmal des Teilzwecks dient dabei zur Abgrenzung der organisatorischen
Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im übrigen
Betrieb verfolgt werden. Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen
Betriebsmitteln muss es sich jedoch um eine organisatorische
Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks
ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete
Hilfsfunktion handelt. § 613 a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang voraus,
dass die übernommenen Be-triebsmittel bereits bei dem früheren
Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten (BAG, Urteile vom
16.05.2002 – 8 AZR 319/01 – AP Nr. 237 zu § 613 a BGB, vom 17.04.2003 –
8 AZR 253/02 – AP Nr. 253 zu § 613 a BGB und vom 25.01.2005 – 9 AZR
258/04).
75
Obwohl die vom Mitarbeiter B6xxxxxxxx geleitete Werkzeugmacherei bei der
76
Beklagten zu 1) nicht in die Produktion eingegliedert und damit durchaus
eigenständig organisiert war, ist die erkennende Berufungskammer nicht
verpflichtet aufzuklären, ob die Werkzeugmacherei die Qualität eines
Betriebsteils hatte. Denn mit der Auflösung der Produktion und der Aufteilung
der Maschinen auf mehrere Gesellschaften wurde nicht nur ihre frühere
betriebliche Einheit sondern auch dieser Teilbereich zerschlagen. Dass die
früher vorgehaltene Werkzeugmacherei nicht als Einheit auf die Beklagte zu
2)
übergegangen ist wird dadurch deutlich, dass von zuvor 7 Werkzeugmachern
nur zwei "weiterbeschäftigt" werden und diese beiden Mitarbeiter nicht die
früheren Know-how Träger der Beklagten zu 1) waren. Über das
entsprechende Know-how verfügten der Leiter der Werkzeugmacherei
B6xxxxxxxx und der Kläger, dem auch eine Vorgesetztenfunktion eingeräumt
war.
77
c) Schließlich fehlt die Absicht, den Betrieb der Beklagte zu 1) bzw. einen Be-
triebsteil zu veräußern. Der Gesellschafter/Geschäftsführer R2xx D1xx hatte
zwar den Entschluss gefasst, den Maschinenpark aufzuteilen. Die Gründung
der Beklagten zu 2) war jedoch nicht Bestandteil dieses Entschlusses. Dies
hat der Zeuge H2xxxxx glaubhaft dargestellt. Auch nach seiner Einschätzung
hatte die Umformtechnik keine Zukunft mehr; deren Produkte waren in Zukunft
nicht mehr absetzbar. Deshalb habe er mit dem Mitarbeiter des Controlling,
B8xxx, überlegt, in N1xxxxxxx etwas vergleichbares zu A3xxxx auf dem
Gebiet der K3xxxxxxxxxxxxx aufzubauen. Diese Überlegungen seien dem
Gesellschafter/Geschäftsführer R2xx D1xx in einem Gespräch nach dem
Stilllegungsentschluss vorgetragen worden. Ohne seine Beteiligung und
Unterstützung sei dann mit dem Engagement seines Sohnes, M1xxxxxx D1xx,
die Beklagte zu 2) gegründet worden. Sie habe schließlich den bekannten
Teil des früheren Maschinenparks der Beklagten zu 1) übernommen und für
ihre betriebliche Organisation um weitere Maschinen - wie z. B. den Cloos-
Roboter und den MIG Löten - ergänzt.
78
3. Für die Kündigung sind auch nicht nachträglich die aufgezeigten dringenden
betrieblichen Erfordernisse entfallen. Entgegen den weiteren Einwendungen des
Klägers scheitert die Betriebsstilllegung nicht daran, dass die Beklagte zu 1)
weiterhin gegenüber der Automobilindustrie zuvor eingegangene
Lieferverpflichtungen erfüllt. Dies führt zumindest nicht zu der Annahme, dass die
Beklagte zu 1) auch jetzt noch produziert und deshalb Bedarf an
Produktionsmitarbeitern hat. Zum einen hat sich die erkennende Berufungskammer
auch durch das Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugen lassen, dass die
Beklagte zu 1) allenfalls handelt, aber nicht produziert. Da die Beklagte zu 1) als
zertifizierter Zulieferer nicht in der Lage war – ohne sich
Schadenersatzverpflichtungen auszusetzen -, die übernommenen Aufträge ohne
weiteres aufzukündigen, hat sie die Beklagte zu 2) für Kleinserien und die D1xx
T2xxxxxxxx sowie die D1xx U4 für Großserien als Subunternehmer eingebunden.
Dass die Beklagte zu 2) nur die Kleinserien auftragsgemäß erfüllt, hat der Zeuge
H2xxxxx in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung erhärtet. Hierin wurde er durch
den Zeugen L3xxx bestärkt. Dadurch kehrt die Beklagte zu 1) jedoch nicht wieder
zum Produktionsbetrieb zurück. Dass der Beklagten zu 1) dieser Produktionsanteil
nicht als Eigenproduktion zuzuordnen ist, ist damit zu begründen, dass beide
79
Gesellschaften keinen gemeinschaftlichen Betrieb führen. Es fehlt sowohl an der
einheitlichen Leitungsmacht als auch am gemeinsamen Betriebszweck. Im Übrigen
ist festzuhalten, dass eine nachträgliche, zuvor nicht erkennbare Entwicklung
keinerlei Auswirkungen auf den Kündigungsgrund hat. Die soziale Rechtfertigung
ist für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu überprüfen (vgl. hierzu auch:
BAG, Urteil vom 16.05.2002 – a. a. O., zu B III 2 der Gründe). Für eine weitere
aktive Produktion der Beklagten zu 1) sprechen nicht die Anfragen bei der Firma
R4xxxx KG Stanztechnik zur Belieferung mit Stanzteilen. Die Anfragen vom 13.04.,
16.04., 27.04. und 19.05.2004 weisen zwar die Beklagte zu 1) formell als
Anfragende auf. Dies beruht jedoch auf einem Irrtum der für den Einkauf der
Beklagten zu 2) zuständigen Mitarbeiterin U3xxxx. Sie hat als Zeugin ausgesagt,
sich bei den auf dem PC vorhandenen Vorlagen vertan zu haben. Alle Anfragen
seien ausschließlich im Interesse der Beklagten zu 2) erfolgt. Nur mit dieser stehe
sie seit Januar 2005 in einem Arbeitsverhältnis. Die unter der Kennzeichnung
"D1xx Gruppe" herausgegebenen Anfragen seien tatsächlich im Interesse
mehrerer Unternehmen, so auch für die D1xx C3 und D1xx U4 gestellt worden.
Hierzu sei sie durch die Beklagte zu 2) ausdrücklich beauftrag gewesen.
Der Einbeziehung von Subunternehmern steht die Zertifizierung der Beklagten zu
1) nicht entgegen. Der Zeuge R5xxxxx hat die Ausführung des Zeugen H2xxxxx
bestätigt, dass bei der Beklagten zu 1) die Werkerselbstprüfung vorherrschte.
Dementsprechend war jeder Arbeitnehmer für die Qualität seines
Aufgabengebietes eigen-verantwortlich. Unter diesen Voraussetzungen ist es
sodann nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte zu 1) als zertifiziertes
Unternehmen selbst prüft, ob die Beklagte zu 2) als Zulieferer diesen
Anforderungen gerecht wird.
80
4. Die erkennende Berufungskammer war berechtigt, ihrer Beurteilung sowohl die
in den vorausgehenden Berufungsverfahren protokollierten Zeugenaussagen als
auch die schriftlich erstatteten Zeugenaussagen zugrunde zu legen. Für die
Verwertung der Zeugenaussage des früheren Vertriebsleiters P4xxxxxx ist § 377
Abs. 3 ZPO maßgeblich. Trotz des zu beachtenden Grundsatzes der
Beweisunmittelbarkeit war die Einholung dieser und auch der früheren
Zeugenaussagen des ehemaligen
81
Fertigungsleiters Reinecke sowie des ehemaligen Leiters der Schweißerei D5
V3xxxx gerechtfertigt. Alle drei Zeugen waren von ihrer Funktion her dazu
geeignet, sich den schriftlich formulierten Fragen zu stellen. Zudem war die
Beweisfrage zur schriftlichen Beantwortung geeignet. Sie wurde in einem
ordnungsgemäßen Beweisbeschluss gem. § 359 Abs. 1 ZPO dargestellt. Die
Zeugen wurden zudem ausreichend gesetzlich belehrt. Zur Überzeugung der
erkennenden Berufungskammer wurde das Fragerecht des Klägers nicht
unzulässig beschnitten. Die Beweisbeschlüsse verschweigen streitigen
Sachvortrag der Parteien nicht. Die bislang vorliegenden Zeugenaussagen wurden
zulässig als Urkundenbeweis in die Berufungsverhandlung eingeführt. Durch
Verlesen der Urkunden war deren Inhalt Gegenstand der
82
Berufungsverhandlung.
83
II.
84
Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam (§ 13 Abs. 3
KSchG).
85
1. Die Beklagte zu 1) hat die Kündigung nicht wegen eines Betriebs- oder
Betriebsteilübergangs erklärt (§ 613 a Abs. 1 und 4 BGB). Die erkennende
Berufungskammer hatte zuvor dargestellt, dass nicht einmal eine
Betriebsteilveräußerung Inhalt des Entschlusses vom 22.07.2004 war. Im Übrigen
sieht die erkennende Berufungskammer die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1
BGB nicht als erfüllt an.
86
2. Die Kündigung ist auch nicht wegen verspätet eingereichter
Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit rechtsunwirksam (§§ 17, 18
KSchG i. V. m. § 134 BGB).
87
a) Zwar hat die Beklagte zu 1) zur Überzeugung der erkennenden
Berufungskammer die Kündigungserklärungen vor erstatteter
Massenentlassungsanzeige abgegeben. Mit der Unterzeichnung durch ihren
Prokuristen U3xxxx H2xxxxx am 26.07.2004 und dem nachfolgenden
einkuvertieren aller Kündigungen hat die Beklagte zu 1) ihren
rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert, dass an der Endgültigkeit
der Kündigung kein Zweifel möglich war. Die Kündigungen waren auch mit
ihrem Willen in den Verkehr gebracht worden. Die kaufmännische
Mitarbeiterin der Beklagten war mit allen Kündigungen am 26.07.2004 auf der
Post erschienen. Dass die Kündigungen entgegen den Vorstellungen der
Beklagten zu 1) nicht schon an diesem Tage in den weiteren Postlauf
gelangten, entsprach nicht ihrem Willen. Dies wurde ausschließlich von der
Sachbearbeiterin der Post beeinflusst. Diese sah sich wegen des
Schützenfestes nicht in der Lage, diese große Anzahl an Einschreiben
entgegen zu nehmen. Dass die Kündigungen dementsprechend erst nach
erfolgter Massenentlassungsanzeige endgültig in den Postlauf gelangt sind
hat nicht zur Rechtsfolge, dass die Beklagte zu 1) die Kündigungserklärungen
erst am 27.07.2004 und nicht schon am 26.07.2004 abgegeben hat (BGH,
Urteil vom 18.12.2002 – VI ZR 39/05 – NJW RR 2003, 384: Bei
empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss die Erklärung mit Willen des
Erklärenden in den Verkehr gebracht sein; Palandt/Heinrichs, § 130 Rdnr. 2
BGB).
88
b) Dieser zeitliche Ablauf bewirkt jedoch nicht die Rechtsunwirksamkeit der
Kündigung.
89
(1) Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSchG war die Beklagte zu 1) verpflichtet,
der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, da sie mehr als 10 % der in
ihrem Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer innerhalb von 30
Kalendertagen entlassen wollte. Die Anzeige musste vor der Entlassung
der für ihren Betrieb zuständigen Agentur für Arbeit erstattet werden.
Dieser Verpflichtung ist die Beklagte zu 1) gerecht geworden. Ausgehend
von der ständigen Rechtsprechung des BAG (BAG, Urt. v. 18.09.2003 – 2
AZR 79/02 – NZA 2004, 375 ff.) ist unter Entlassung i. S. der §§ 17, 18
KSchG nicht schon der Ausspruch der Kündigung, sondern die damit
beabsichtigte tatsächliche Beendigung des
90
Arbeitsverhältnisses gemeint. Danach kommt es nicht darauf an, dass die
Beklagte unter dem Datum des 26.07.2004 eine entsprechende Anzahl an
Kündigungen ausgesprochen hat. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt,
zudem die betroffenen Arbeitsverhältnisse tatsächlich beendet werden
sollten.
91
(2) An dieser Beurteilung ändert sich zur Überzeugung der erkennenden
Berufungskammer durch das Urteil des EuGH vom 27.01.2005 (C 188/03:
Irmtraud Jung ./. Wolfgang Kühnel, NZA 2005, 213) nichts. In diesem
Urteil hat der EuGH auf Vorlage des Arbeitsgerichts Berlin vom
30.04.2003 entschieden, dass als Entlassung i. S. der Richtlinie 98/59/EG
die Kündigungserklärung zu verstehen ist. Dieses Urteil betrifft unmittelbar
nur die Richtlinie 98/59/EG, die im Verhältnis zwischen Privaten keine
unmittelbare Wirkung entfaltet. Für die Frage, welche Auswirkungen
dieses Urteil auf die streitgegenständliche Kündigung hat, ist
entscheidend, ob die Regelungen der §§ 17 ff. KSchG richtlinienkonform
ausgelegt werden können und – bei Bejahung - ob die Einbeziehung von
"Altfällen" mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes vereinbar ist.
Beides ist zu verneinen.
92
(3) Die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG lassen die vom Kläger erhoffte
Auslegung nicht zu. Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit
ausschließlich zwischen Privaten anhängig ist, muss bei der Anwendung
der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung der in
einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen erlassen worden sind, das
gesamte nationale Recht berücksichtigen und es soweit wie möglich
anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um zu
einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten
Ziel vereinbar ist (EuGH, Urteil vom 05.10.2004 – Rs C 379/01 – Pfeif-fer,
AP Nr. 12 zu EWG-Richtlinie Nr. 93/104; EuGH, Schlussanträge des
Generalanwalts vom 30.06.2005 – C-144/04 – Mangold ./. Rüdiger Helm,
EzA Schnelldienst, Heft 14/05 vom 08.07.2005). Lassen Wortlaut,
Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang oder Sinn und Zweck
des Gesetzes mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem
Gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis führt, so ist die Auslegung
geboten, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Die
gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung darf aber nicht im Widerspruch
zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers stehen
(BAG, Beschluss vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02 -; BAG, Urteil vom
18.09.2003 – 2 AZR 79/02 -; a. A., K. Riesenhuber/R. Domröse,
richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17, 18 KSchG und Rechtsfolgen
fehlerhafter Massenentlassungen, NZA 2005, 568 ff.: für deutsche
Gerichte bedeutet dies, dass sie nationales Recht grundsätzlich auch
contra legem fortbilden müssen). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist
zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer eine richtlinien-
konforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG nicht möglich. Zwar kann bei
isolierter Betrachtung das Wort "Entlassung" sowohl im Sinne von
"Ausspruch der Kündigung" wie auch im Sinne von "Zeitpunkt der
93
tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses" verstanden werden.
Hätte der Gesetzgeber ein Verständnis im erstgenannten Sinne gewollt,
94
so hätte es nahe gelegen, in §§ 17 ff. KSchG wie in den vorangehenden
§§ 1 – 16 KSchG den Begriff der Kündigung zu verwenden. Durch den
abweichenden Begriff "Entlassung" wird jedoch bewusst ein anderes Wort
verwandt. Hieraus lässt sich ableiten, dass nicht nur optisch, sondern
auch inhaltlich etwas anderes als mit dem Wort "Kündigung" in den §§ 1 –
16 KSchG gemeint sein soll. Dies legt eine Auslegung i. S. des bisherigen
Verständnisses nahe, dass mit Entlassung die tatsächliche Beendigung
des Arbeitsverhältnisses gemeint ist (so auch: Bau-er/Krieger/Powietzka,
Der Betrieb 2005, 445 ff.; a. A., Riesenhuber/Domröse, a. a. O.; ArbG
Bochum, Urteil vom 17.03.2005 – 3 Ca 307/04). Die bewusste
Verwendung eines anderen Begriffes deutet weiter darauf hin, dass der
Gesetzgeber mit den Vorschriften in den §§ 17 ff. KSchG ein bestimmtes
Regelungskonzept verfolgte, in das mit einer Auslegung dieser
Vorschriften i. S. des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 erheblich
eingegriffen würde. Dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Entlassung"
in §§ 17 ff. KSchG als tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses
verstanden haben wollte, spricht schließlich, dass diese Regelungen –
trotz der häufigen Änderungen im
Kündigungsschutzgesetz, Kenntnis der Rechtsprechung des BAG und
Kenntnis der Richtlinien – in diesem Punkt nie geändert worden sind.
95
(4) Die sofortige Umsetzung des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 auch
auf "Altfälle" ist mit den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Prinzips des
Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Zwar hat der EuGH von der
Möglichkeit, die Rückwirkung seiner Entscheidung selbst auszuschließen,
im Urteil vom 27.01.2005 keinen Gebrauch gemacht. Zu Berücksichtigen
ist aber erneut, dass diese Entscheidung sich unmittelbar nur auf die
Richtlinie 1998/59/EG bezieht. Wollte man aus dem Urteil vom 27.01.2005
das Gebot einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 ff. KSchG auch
für die Vergangenheit ableiten, so wäre dies mit den Grundsätzen des
Vertrauensschutzes nicht vereinbar (Bauer/Krieger/ Powietzka, Der
Betrieb 2005, §§ 445 ff.; LAG Köln, Urteil vom 25.02.2005 – 11 Sa 767/04
-; LAG Berlin, Urteil vom 27.04.2005 – 17 Sa 2646/04 -; a. A., ArbG
Bochum, a. a. O.; ArbG Berlin, Urteil vom 01.03.2005 – 36 Ca 19726/02 -;
Riesenhuber/ Domröse, a. a. O.). Es handelte sich um eine unechte
Rückwirkung, da die Parteien über die Frage der Wirksamkeit der
Kündigung gerade streiten. Eine solche unechte Rückwirkung ist
grundsätzlich zulässig. Schranken ergeben sich jedoch aus dem
rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit. Durfte die betroffene Partei
mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und ist dieses
Vertrauen bei einer Abwägung der Interessen des Einzelnen mit
denjenigen der Allgemeinheit schutzwürdig, ist die unechte Rückwirkung
unzulässig. Dieser Schutz ist nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil jeder
Arbeitgeber mit einer möglichen Änderung in der Rechtsprechung
rechnen muss. Schließlich ist eine veränderte Rechtsanwendung
aufgrund neuer Rechtserkenntnisse nicht ohne Weiteres mit einer
Änderung der objektiven Rechtslage durch ein neues Gesetz und der
hierbei zu beachtenden Beschränkung echter Rückwirkung
gleichzusetzen. Allerdings gewinnt der sich aus dem
96
Rechtsstaatsprinzip ergebene Vertrauensschutz um so größere
Bedeutung, je mehr die Rechtsprechung sich der Rechtsetzung nähert.
Trotz des Vorlagebeschlusses des ArbG Berlin vom 30.04.2003 durfte die
Beklagte mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage in einem
derartigen Maß rechnen, dass ihr diesbezügliches Vertrauen bei einer
Abwägung mit den Belangen der anderen Partei und dem Anliegen der
Allgemeinheit den Vorzug verdient. Sowohl die langjährige gefestigte
Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2003 – 2 AZR
79/02 –, NZA 2004, 375 ff.) als auch der Hinweis in den Merkblättern
sowie in den Formularen zur Erstattung von Massenentlassungsanzeigen
der Bundesagentur für Arbeit gingen ausdrücklich davon aus, dass es für
die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht auf den Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung, sondern auf den der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Kündigungsfrist ankomme. Dieses
Vertrauen des in Unkenntnis der durch die Entscheidung des EuGH vom
27.01.2005 geänderten Rechtsprechung kündigenden Arbeitgebers ist
schützenswert (so ausdrücklich: LAG Köln, Urteil vom 25.02.2005 – 11 Sa
767/04 – und LAG Berlin, Urteil vom 27.04.2005 – 17 Sa 2646/04 –).
97
(5) Ein weiterer Vertrauenstatbestand ist für die Beklagte zu 1) dadurch
eingetreten, dass die Bundesagentur für Arbeit sowohl mit Bescheid vom
10.08.2004 als auch mit Bescheid vom 20.11.2004 die am 27.07.2004 und
am 28.10.2004 erstatteten Anzeigen unter Berücksichtigung der damals
hinlänglich bekannten Auslegungskriterien für rechtswirksam erachtet hat.
Entgegen der vom Arbeitsgericht Bochum vertretenen Rechtsauffassung
erfahren die Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen
der §§ 17, 18 KSchG Tatbestandswirkung für das arbeitsgerichtliche
Kündigungsschutzverfahren. Die
98
Massenentlassungsanzeige hat ausschließlich arbeitsmarktpolitische
Qualität. Der Bundesagentur für Arbeit soll die Möglichkeit eingeräumt
werden, einer durch diese unternehmerische Entscheidung auf die
Agentur hinzukommende ungewöhnlich hohe Vermittlungspflicht gerecht
zu werden. Sie soll rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen treffen
können, um eine Weitervermittlung zu ermöglichen. Bestätigt dann die
Bundesagentur für Arbeit der Beklagten zu 1) ihre ordnungsgemäße
Beteiligung, so ist es der Arbeitsgerichtsbarkeit verwehrt, nachträglich
deren Rechtswidrigkeit zu überprüfen, um hieraus mögliche
individualrechtliche negative Rechtsfolgen für das
Kündigungsschutzverfahren abzuleiten. Im Übrigen teilt die erkennende
Berufungskammer die vom BAG konsequent vertretende
Rechtsauffassung (beispielhaft: BAG, Urteil vom 18.09.2003 – 2 AZR
403/02 –), dass Fehler in der Anzeigepflicht nicht zur
Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen. Das
Kündigungsschutzgesetz sanktioniert Fehler des Arbeitgebers nicht mit
der individualrechtlichen Unwirksamkeit der Kündigung. Die §§ 17, 18
KSchG sind auch nicht Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB.
99
c) Die Beklagte zu 1) ist den Anforderungen ihrer Anzeigepflicht gem. den §§
17, 18 KSchG gerecht geworden. Mit ihren Anzeigen vom 27.07.2004 und
28.10.2004 hat sie die für den Zeitraum 30.09.2004 bis 31.12.2004
100
festzustellenden Massenentlassungen ordnungsgemäß vorbereitet.
B.
101
Die gegen die Beklagte zu 2) hilfsweise erhobene Feststellungsklage und
Beschäftigungsklage ist zwar zulässig (I), jedoch unbegründet (II).
102
I.
103
Gem. § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches
Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
festgestellt werde. Als feststellbares Rechtsverhältnis i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO kommt
vorliegend nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu 2) infolge eines Betriebsübergangs in Betracht. Eine Klage gegen den
Betriebserwerber ist darauf zu richten, dass festgestellt wird, das Arbeitsverhältnis
bestehe – zu unveränderten Arbeitsbedingungen – mit dem Betriebserwerber fort. Der
Kläger verfügt des Weiteren über das zur Erhebung der Feststellungsklage nach § 46
Abs. 2 ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse; denn die Beklagte
zu 2) stellt sowohl das Vorliegen eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs
als auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit ihr als Arbeitgeberin
in Abrede (vgl. hierzu, BAG, Urteil v. 22.07.2004 – 8 AZR 394/03).
104
Die Antragsstellung erfolgt nicht verspätet. Ein Arbeitnehmer, der Rechte aus einem
Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang geltend machen will, muss selbst nach
erlangter Kenntnisnahme von den vermeintlichen Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1
BGB unverzüglich reagieren und das Feststellungsbegehren noch innerhalb der
Kündigungsfrist stellen (BAG, Urteil vom 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, Der Betrieb 1999,
485). Eine mehrere Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist erhobene
Feststellungsklage erfüllt diese Anforderungen an eine rechtzeitige Klageerhebung
nicht mehr (BAG, Urteil vom 08.08.2002 – 8 AZR 583/01). Entgegen den Überlegungen
der Beklagten zu 2) ist der Kläger diesen Anforderungen durchaus gerecht geworden.
Schon einen Monat nach Gründung der Beklagten zu 2) hat er mit anwaltlichem
Schriftsatz vom 08.09.2004 seine vermeintlichen Rechte aus Anlass eines
Betriebsübergangs ihr gegenüber geltend gemacht. Diese Rechtswahrnehmung erfolgte
zwar verfrüht. Denn die Beklagte zu 2) hat erst Anfang Oktober 2004 die
Verfügungsbefugnis über die erwähnten CNC-Maschinen, Bieger und Schweißanlagen
erhalten. Klage erhoben hat er schließlich erstmals am 28.02.2005, also außerhalb der
Kündigungsfrist. Dies erfolgt auch aus Sicht der Beklagten zu 2) nicht verspätet. Denn
der Kläger hat von Anfang an bestritten, dass die Produktion eingestellt wurde. Dies hat
er aus der fortgesetzten
105
Belieferung der früheren Kunden abgeleitet. Hieraus hat er seinen
Beschäftigungsanspruch hergeleitet. Dieses Ansinnen war dem Prokuristen der
Beklagten zu 1) H2xxxxx, zugleich Ge-chäftsführer der Beklagten zu 2), bekannt. Für ihn
war zugleich erkennbar, dass der Kläger seine Weiterbeschäftigung von denjenigen
Unternehmen begehrte, in dessen Verantwortung auf dem früheren Betriebsgelände der
Beklagten zu 1) produziert wird.
106
II.
107
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist
ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden. Die Beklagte zu 2) ist nicht
Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 1). Sie hat nicht deren Betrieb oder einen dem
Kläger zuzuordnenden Be-triebsteil durch Rechtsgeschäft übernommen (§ 613 a Abs. 1
S. 1 BGB). Entgegen den Vorstellungen des Klägers führt die Beklagte zu 2) nicht die
wirtschaftliche Einheit der Beklagten zu 1) fort; sie wahrt nicht deren Identität.
108
Zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer unterscheidet sich die Beklagte
zu 2) in wesentlichen Bereichen von der Beklagten zu 1). Während die Beklagte zu 1)
an der Großserienproduktion (100.000 bis 800.000 Stück) für die Automobilindustrie
beteiligt war, liegt das Produktionsziel der Beklagten zu 2) in der Kleinserienfertigung
(150 bis 200 Stück). Diese ist mit einem hohen Umrüstungsaufwand verbunden. Ein
weiterer Schwerpunkt der Beklagten zu 2) ist der Muster- und Prototypenbau, die
Konstruktion und Entwicklung auf dem Gebiet der Hartmetallverarbeitung. Mit dieser
Aufgabenstellung hat sich die Beklagte zu 1) zu keiner Zeit befasst. Die Beklagten zu 1)
und zu 2) unterscheiden sich auch in ihren Betriebsmethoden und in ihrer
Arbeitsorganisation. War für die Großserienproduktion der Beklagten zu 1) die
Insellösung mit Zwischenlagerung im Hochregallager typisch, so produziert die
Beklagte zu 2) in einer geschlossenen Linie. Sie benötigt für die Kleinserien, für den
Muster- und Prototypenbau kein Zwischenlager. Festzustellen ist außerdem, dass die
Beklagte zu 2) nicht ausschließlich mit einem Teil der von der Beklagten zu 1)
eingesetzten Maschinen (im wesentlichen CNC-Maschinen) arbeitet. Für ihre
betriebliche Organisation, d. h. für ihre Linienproduktion benötigte sie zusätzlich
Roboter, die den Transport zwischen den Pressen und Biegemaschinen sowie
Schweißautomaten bewältigen. Sie hat außerdem ein Lötverfahren einbezogen, das bei
der Beklagten zu 1) nicht bekannt war. Schließlich benötigt die Beklagte zu 2) nur einen
geringen Teilbereich der früheren Liegenschaften der Beklagten zu 1). Sie arbeitet in
nahezu nur einer von früher acht Hallen, sie benötigt nicht das Hochregallager, sie hat
keinen Bedarf für das mehrstöckige Bürogebäude der Beklagten zu 1), sondern kommt
mit einem Büroraum aus. Sie hält nicht den Einkauf, Vertrieb, Versand, die Finanz- und
Lohnbuchhaltung im bei der Beklagten zu 1) gewohnten Umfang vor. Die Beklagte zu 1)
beschäftigt schließlich nur einen Bruchteil der für die Betriebsgröße der Beklagten zu 1)
typischen Belegschaftsstärke.
109
Die Beklagte zu 2) hat auch keinen Betriebsteil "Werkzeugbau" übernommen. Ob die
Beklagte zu 1) mit dem Werkzeugbau einen selbständigen übertragungsfähigen
Betriebsteil i. S. des § 613 a Abs. 1 BGB vorhielt, muss nicht näher überprüft werden. Mit
der Aufteilung der Maschinen einschließlich der dazu gehörenden Werkzeuge auf
mehrere Gesellschaften hat die Beklagte zu 1) auch einen möglichen Betriebsteil
"Werkzeugbau" aufgelöst. Ein Be-triebsteil "Werkzeugbau" wurde nicht auf die Beklagte
zu 2) übertragen. Diese beschäftigt von Anfang an lediglich zwei von früher
eingesetzten sieben Werkzeugmachern. Frühere Know-how Träger der Beklagten zu 1)
befinden sich hierunter nicht. Aus diesem Grunde ist die Beklagte zu 2) nicht verpflichtet,
den Kläger als Werkzeugmacher zu beschäftigen.
110
Die nachgereichten Unterlagen zu Anfragen aus dem Monat April bis Juli 2005 zwingen
nicht zu einer abweichenden Bewertung. Zwar hat die Zeugin U3xxxx alle Anfragen der
Beklagten zu 2) zugeordnet. Ausgenommen bleiben lediglich zwei Anfrage, die im
Interesse der "D1xx Gruppe" abgegeben werden. Dennoch folgt hieraus nicht zwingend,
dass die Beklagte zu 2) die frühere Großserienproduktion der Beklagten zu 1)
aufgenommen hat. Im Übrigen gibt die erkennende Berufungskammer zu bedenken,
111
dass für die Überprüfung eines Betriebsübergangs der frühere Zeitpunkt 01.10.2004 und
nicht ein Zeitpunkt nach März 2005 maßgeblich ist. Aus den gleichen Gründen führen
Überlegungen zu einem gemeinschaftlichen Betrieb zwischen den Beklagten zu keiner
abweichenden Bewertung. Denn die hieraus abzuleitende soziale Auswahl ist zeitlich
zurückversetzt auf den Ausspruch der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte
zu 2) noch nicht existent.
III.
112
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) keinen (gem. § 611 BGB) durchsetzbaren
Beschäftigungsanspruch. Zwischen diesen Parteien bestand zu keiner Zeit ein
Arbeitsverhältnis, das einen derartigen Anspruch vermitteln könnte.
113
C.
114
Aus den zuvor beschriebenen Gründen konnten die Feststellungs- und
Beschäftigungsklage von Anfang an keinen Erfolg haben. Der an sich statthaften
Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn war der
gewünschte Erfolg zu versagen; sie war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen. Angesichts der ungeklärten Rechtslage zur Massenentlassung hat die
erkennende Berufungskammer die Revision ausdrücklich zugelassen.
115
Schulte
Wende
Hermanns
116