Urteil des LAG Hamm vom 24.01.2008

LArbG Hamm: tarifvertrag, einheit, zuwendung, öffentlich, wechsel, arbeitsgericht, anwendungsbereich, kirchendienst, anpassung, alter

Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 1641/07
Datum:
24.01.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Sa 1641/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Paderborn, 1 Ca 865/07
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 10 AZN 341/08 Beschwerde zurückgewiesen
28.05.2008
Schlagworte:
Arbeitsvertragliche Verweisung auf branchenfremden Tarifvertrag / BAT /
Zuwendungstarif-vertrag / Auslegung / kirchlicher Dienst/ Kolpingwerk /
Wechsel von privatrechtlich organisierter Einrichtung zur "verfassten
Kirche"
Normen:
BGB §§ 133, 145; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte im
Bereich des BAT
Leitsätze:
Kein anteiliger Anspruch nach dem arbeitsvertraglich in Bezug
genommenen Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte im
Bereich des BAT, wenn der Arbeitnehmer von einer gemeinnützigen
GmbH des Kolpingwerks zum Erzbistum als neuem Arbeitgeber
wechselt.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Paderborn vom 09.08.2007 - 1 Ca 865/07 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem einvernehmlichen Wechsel des
Klägers von der beklagten Bildungs-GmbH – einer gemeinnützigen Einrichtung des
Kolpingswerks – zum Erzbistum P1 um einen Anspruch auf anteilige Sonderzahlung auf
der Grundlage des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Zuwendungstarifvertrages
über eine Zuwendung für Angestellte im Bereich des BAT.
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Durch Urteil vom 09.08.2007 (Bl. 37 ff d. A.), auf welches wegen des weiteren
Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren mit der
Begründung entsprochen, die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die tariflichen
Regeln des öffentlichen Dienstes sei im vorliegenden Zusammenhang dahingehend
auszulegen, dass der tariflich verwendete Begriff des "öffentlichen Dienstes" durch
denjenigen des "kirchlichen Dienstes" zu ersetzen sei. Da sowohl die Beklagte wie
auch das Erzbistum P1 dem kirchlichen Dienst zuzurechnen und auch die weiteren
tariflichen Voraussetzungen erfüllt seien, stehe dem Kläger der geforderte anteilige
Zuwendungsanspruch zu.
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Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt die Beklagte dem
Standpunkt des Arbeitsgerichts zur Auslegung der arbeitsvertraglichen
Verweisungsklausel mit Rechtsausführungen entgegen
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und beantragt,
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unter Abänderung des arbeitsrechtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung der
arbeitsgerichtlichen Entscheidung zur Abweisung des Klagebegehrens.
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I
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Dem Kläger steht die begehrte anteilige Sonderzahlung nach dem arbeitsvertraglich in
Bezug genommenen Tarifvertrag nicht zu.
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1. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag auf bestimmte tarifliche Regelungen des
öffentlichen Dienstes verwiesen, so u.a. auch auf den Tarifvertrag über eine Zuwendung
für Angestellte. Einen anteiligen Anspruch auf Jahressonderzahlung sieht der
Tarifvertrag allein für einen Arbeitgeberwechsel innerhalb des öffentlichen Dienstes vor,
wobei die tarifliche Protokollnotiz ausdrücklich als öffentlichen Dienst allein die
Gebietskörperschaften sowie Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen
Rechts definiert. Dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen, steht zwischen den
Parteien außer Streit.
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2. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, folgt aus der Tatsache, dass die
Arbeitsvertragsparteien auf einen "fachfremden" Tarifvertrag verwiesen haben, die
Notwendigkeit, den Inhalt der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sinngemäß
auszulegen (vgl. BAG Urteil vom 06.12.1990 – 6 AZR 268/89 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG
Bezugnahme auf Tarifvertrag).
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Andernfalls hätte die in Bezug genommene tarifliche Regelung, soweit sie eine
Regelung für den Fall des Arbeitgeberwechsels betrifft, von vornherein keinen
Anwendungsbereich.
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Auf der Grundlage der zitierten Entscheidung könnte danach ein Arbeitgeberwechsel
innerhalb der rechtlich selbständigen, jedoch verbandsmäßig strukturierten
Einrichtungen des Kolpingwerks als geeignet anzusehen sein, einen anteiligen
Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung zu begründen, da ein solcher
verbandsinterner Arbeitgeberwechsel dem tariflich vorgesehenen Wechsel innerhalb
des öffentlichen Dienstes gleichzustellen wäre. Dem-gegenüber scheidet eine
Auslegung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel in dem vom Arbeitsgericht
angenommenen weitgefassten Sinne einer "Einheit des kirchlichen Dienstes" – ohne
Unterscheidung zwischen der "verfassten Kirche" als Körperschaft öffentlichen Rechts
einerseits und privat-rechtlich organisierten Betätigungsformen kirchlichen Handelns
andererseits – aus.
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a) Wie sich aus der Protokollnotiz Nr. 2 zum Zuwendungstarifvertrag ergibt, haben die
Tarifparteien einen Anspruch auf anteilige Jahressonderzahlung nur für den
Arbeitgeberwechsel vorgesehen, bei welchem alter und neuer Arbeitgeber zum
"öffentlichen Dienst" i.e.S. zählen, weswegen ein Arbeitgeberwechsel von oder zu
einem privat-rechtlich organisierten Arbeitgeber, auch wenn dieser letztlich – wie etwa
bestimmte Forschungseinrichtungen – in staatlicher Trägerschaft geführt und finanziert
wird - von der tariflichen Regelung nicht erfasst wird (BAG, Urteil vom 07.12.1983 – 5
AZR 5/82; Urteil vom 07.02.1996 – 10 AZR 445/95 – AP Nr. 23 zu § 611 BGB
Kirchendienst). Der Gedanke der "Einheit des öffentlichen Dienstes" bleibt also im
Anwendungsbereich des BAT auf die öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgeber
beschränkt.
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b) Diese Grundsätze müssen auch bei der Auslegung der hier einschlägigen
arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sinngemäß berücksichtigt werden. Der
Gedanke der "Einheit des öffentlichen Dienstes" im Sinne des
Zuwendungstarifvertrages rechtfertigt danach allein eine Anwendung der Regeln über
den Arbeitgeberwechsel innerhalb eines privat-rechtlich organisierten kirchlich
getragenen Verbandes (so des Kolpingwerks) oder innerhalb einzelner öffentlich-
rechtlich organisierter Einrichtungen der verfassten Kirche. Wollte man demgegenüber
die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel unter dem Gesichtspunkt der "Einheit des
kirchlichen Dienstes" auch auf solche Fallgestaltungen ausdehnen, in welchen ein
Arbeitgeberwechsel von privat-rechtlich organisierten Einrichtungen des
Kirchendienstes zur verfassten Kirche selbst stattfindet, so würde hierdurch – über eine
sinngemäße Anpassung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel hinaus – eine
inhaltliche Erweiterung der in Bezug genommenen tariflichen Regelung bewirkt. Für
einen solchen, über die in Bezug genommene tarifliche Regelung hinausgehenden
Regelungswillen der Vertragsparteien liegen indessen keine Anhaltspunkte vor.
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c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, für die "Einheit
des kirchlichen Dienstes" sei entscheidend, dass die Beklagte als früherer Arbeitgeber
ebenso wie das Erzbistum als neuer Arbeitgeber der Grundordnung des kirchlichen
Dienstes unterworfen seien. Abgesehen davon, dass die Beklagte eine eigene
diesbezügliche rechtliche Bindung bestritten und hierzu ausgeführt hat, weder in der
Satzung ihres als e.V. organisierten Rechtsvorgängers noch in den aktuell für die
Beklagte maßgeblichen Rechtsgrundlagen werde auf die kirchliche Grundordnung
Bezug genommen, vermag auch die – zugunsten des Klägers als wahr unterstellte –
gleichartige Bindung von altem und neuem Arbeitgeber an die kirchliche Grundordnung
die tariflich maßgebliche Unterscheidung zwischen privat-rechtlich organisierten
Formen kirchlicher Betätigung einerseits und öffentlich-rechtlicher kirchlicher Betätigung
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nicht beiseite zu schieben. Hätten die Arbeitsvertragsparteien bei der Regelung einer
jährlichen Sonderzahlung, anstatt die im Zuwendungstarifvertrag vorgesehenen
Beschränkungen aufzugreifen, weitergehend jeden Arbeitgeberwechsel innerhalb des
gesamten Kirchendienstes i.w.S. erfassen und die Gewährung der Zuwendung im Falle
des Arbeitgeberwechsels allein an die übereinstimmende Orientierung an der
kirchlichen Grundordnung knüpfen wollen, so hätte dies einer eigenständigen
vertraglichen Regelung bzw. Klarstellung bedurft. Mit der arbeitsvertraglich vereinbarten
Verweisung auf den Zuwendungstarifvertrag sind aber im Zweifel auch die hierin
vorgesehenen Beschränkungen vereinbart, welche bei einem Wechsel zwischen privat-
rechtlich organisiertem und öffentlich-rechtlich organisiertem Arbeitgeber einen
anteiligen Zuwendungsanspruch nicht vorsehen.
II
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Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist.
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III
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht
vor.
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Dr. Dudenbostel
Kalkbrenner
Keßler
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