Urteil des LAG Hamm vom 25.02.2005

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Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 2119/04
25.02.2005
Landesarbeitsgericht Hamm
15. Kammer
Urteil
15 Sa 2119/04
Arbeitsgericht Iserlohn, 4 Ca 515/04
13. Monatseinkommen; Gleichstellungsabrede
TV über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13.
Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie
Die Revision wird nicht zugelassen
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn
vom 14.10.2004 - 4 Ca 515/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr
2003.
Die Beklagte führt ein Unternehmen, welches grundsätzlich dem fachlichen
Geltungsbereich der Tarifverträge für die Eisen-, Metall-, Elektro- und
Zentralheizungsindustrie unterfällt. Sie ist nicht Mitglied des Verbandes der Metall- und
Elektroindustrie NRW e.V.. Sie hat ihren Hauptsitz in A1xxxx und unterhält zudem einen
Betrieb in W4xxxxxxxx. Der Kläger ist nicht Mitglied der IG Metall. Sowohl im Betrieb in
W4xxxxxxxx als auch im Betrieb in A1xxxx ist jeweils ein Betriebsrat gewählt. Vor dem
Landesarbeitsgericht Hamm sind am 10.12.2004 die Parallelverfahren 15 Sa 958/04, 15 Sa
982/04, 15 Sa 1308/04, 15 Sa 1073/04, 15 Sa 959/04, 15 Sa 1801/04, 15 Sa 1649/04, 15
Sa 1866/04 und 15 Sa 1477/04 verhandelt worden. Die Verfahren sind im vorliegenden
Verfahren beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden.
Der Kläger ist seit dem 25.02.1998 für die Beklagte tätig und ist derzeit als
Maschinenarbeiter im Betrieb A1xxxx beschäftigt. Die Parteien haben einen schriftlichen
Arbeitsvertrag abgeschlossen, in dem es unter anderem heißt:
"...
2. Die Arbeitsbedingungen richten sich nach den die Firma bindenden jeweiligen
tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie
Nordrhein-Westfalen sowie nach den jeweils zwischen der Firma und dem Betriebsrat
getroffenen Vereinbarungen.
3. ...
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c) Alle übertariflichen Zulagen wie auch alle sonstigen übertariflichen Leistungen
werden freiwillig gewährt und stehen unter dem Vorbehalt eines jederzeitigen Widerrufs,
unabhängig von den sonstigen Bedingungen dieses Arbeitsvertrages. Bei
Tariflohnerhöhungen erhöht sich der tarifliche Anteil am Monatsentgelt. Die übertariflichen
Zulagen vermindern sich dadurch entsprechend automatisch, und zwar auch rückwirkend,
wenn der Tariflohn rückwirkend erhöht wird.
..."
Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.03.1998 wird
auf Bl. 4 f. d.A. Bezug genommen.
Bereits unter dem 15.08.1997 hatte die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall,
Bezirksleitung NRW, einen sogenannten Anerkennungstarifvertrag geschlossen, der unter
anderem die Geltung des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines
13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 in
der jeweils gültigen Fassung im Unternehmen der Beklagten vorsah. Wegen der
Einzelheiten des Anerkennungstarifvertrages nebst Anlage wird auf Bl. 40 ff. der Akte 15
Sa 982/04 – LAG Hamm – verwiesen. Die Beklagte hat in den Parallelverfahren
zweitinstanzlich unstreitig gestellt, dass der Zeuge K3xxxxxxx bevollmächtigt war, im
Namen der IG Metall Bezirksleitung NRW den Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997
abzuschließen. Der Anerkennungstarifvertrag ist zum 31.12.2003 gekündigt worden.
Im Jahre 2003 zahlte die Beklagte dem Kläger kein anteiliges 13. Monatseinkommen
entsprechend den Regelungen des genannten Tarifvertrages. Nach erfolgloser
außergerichtlicher Geltendmachung verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten
Anspruch im vorliegenden Verfahren weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm ein anteiliges 13.
Monatseinkommen zu zahlen. Dieser Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag vom
16.03.1998 in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles
eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.250,68 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über
den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 05.12.2003 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines anteiligen 13.
Monatseinkommens ergebe sich nicht aus einem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien.
Ein dahingehender Anspruch des Klägers folge auch nicht aus dem genannten
Anerkennungstarifvertrag.
Durch Urteil vom 14.10.2004, das der Beklagten am 05.11.2004 zugestellt worden ist, hat
das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Einzelheiten dieser
Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen
Urteils verwiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 16.11.2004
beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 06.12.2004 worden ist.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung
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eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003. Sie bestreitet mit Nichtwissen,
dass der Kläger in der Vergangenheit regelmäßig ein Weihnachtsgeld erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des ArbG Iserlohn vom 14.10.2004 – 4 Ca 515/04 -
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die Beklagte habe ihm in der
Vergangenheit regelmäßig Weihnachtsgeld gezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
II.
Der Sache nach bleibt die Berufung erfolglos. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend
erkannt, dass der Kläger Anspruch auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für
das Jahr 2003 in zuerkannter Höhe hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus Ziffer 2 S. 1 des
Arbeitsvertrages der Parteien vom 16.03.1998 in Verbindung mit den Bestimmungen des
Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in
der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996.
1. Nach dem Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997, den die Beklagte mit der IG Metall
– Bezirksleitung NRW geschlossen hat, ist sie verpflichtet, denjenigen Arbeitnehmern, die
Mitglied der IG Metall sind, ein anteiliges 13. Monatseinkommen gemäß den
Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13.
Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 zu
zahlen. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Urteil der erkennenden Kammer vom
10.12.2004 im Verfahren Bierbach ./. Rebbert – 15 Sa 1308/04 -, das beigezogen und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.
2. Die Beklagte ist auch verpflichtet, denjenigen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der IG
Metall sind, ein anteiliges 13. Monatseinkommen zu zahlen.
a) Soweit die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer im Jahre 2002 den von der
Beklagten vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, ergibt sich die
Anspruchsgrundlage ebenfalls aus den Bestimmungen des Tarifvertrages über die
tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996. Diesen Arbeitsvertrag hat die Beklagte
gleichlautend mit fast allen ihren Arbeitnehmern geschlossen. Wie sich aus dem Urteil der
erkennenden Kammer vom 10.12.2004 im Verfahren Bierbach ./. Koch – 15 Sa 982/04 –
ergibt, gelten nach § 15 dieses Arbeitsvertrages in erster Linie die gesetzlichen
Bestimmungen, hilfsweise die Bestimmungen des Tarifvertrages. Hiermit können nur die
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Bestimmungen des Anerkennungstarifvertrages gemeint sein, den die Beklagte mit Datum
vom 15.08.1997 mit der Industriegewerkschaft Metall-Bezirksleitung NRW geschlossen hat.
Dass die Beklagte, die nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist, in dem von ihr
vorformulierten Arbeitsvertrag auf einen anderen Tarifvertrag Bezug nehmen wollte, ist
nicht ersichtlich. Wie sich den von der Beklagten erstellten Lohnabrechnungen entnehmen
lässt, die in den Parallelverfahren vorgelegt worden sind, hat die Beklagte den in der
Anlage zum Anerkennungstarifvertrag genannten Tarifvertrag über die tarifliche
Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 ihren Arbeitnehmern gegenüber offensichtlich
angewendet, und zwar unabhängig davon, ob diese in der IG Metall organisiert waren oder
nicht. Wenn die Beklagte unter diesen Umständen in § 15 des von ihr vorformulierten
Arbeitsvertrages regelt, dass die Bestimmungen "des Tarifvertrages" gelten sollen, so kann
hiermit ein anderer als der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 nicht gemeint sein.
Wie die Kammer weiter entschieden hat, ist der Anerkennungstarifvertrag wirksam
zustande gekommen.
Bei der Regelung in § 15 Abs. 1 des genannten schriftlichen Arbeitsvertrages handelt es
sich nach dem Urteil der erkennenden Kammer im Verfahren 15 Sa 982/04 um eine
sogenannte Gleichstellungsabrede, durch die arbeitsvertraglich vereinbart wird, dass die
Normen eines Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien in gleicher Weise
Anwendung finden sollen als wenn sie normativ gelten sollten (vgl. Schliemann,
Arbeitsvertragliche Verweisung auf Tarifverträge, Sonderbeilage zur NZA Nr. 16, 2003 S. 8
m.w.N.). Eine Gleichstellungsabrede "ersetzt" die möglicherweise fehlende
Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers, wie sie in § 4 Abs. 1 S. 1 des Tarifvertragsgesetzes
vorausgesetzt wird, führt aber weder zugunsten des Arbeitgebers noch zugunsten des
Arbeitnehmers zu weitergehenden Rechten, als sie sich aus einer normativen Geltung des
in Bezug genommenen Tarifvertrages ergäben (vgl. Schliemann, a.a.0., S. 8). Durch eine
Gleichstellungsabrede soll nur die ungeklärte Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers an den
als anwendbar bezeichneten Tarifvertrag ersetzt werden. Der tarifgebundene Arbeitgeber
verfolgt damit das Ziel der Gleichstellung der tarifungebundenen mit den tarifgebundenen
Arbeitnehmern. Die Gleichstellungsabrede gibt dem Arbeitnehmer keine schwächere, aber
auch keine stärkere Position, als er sie bei beiderseitiger Tarifgebundenheit an den in
Bezug genommenen Tarifvertrag hätte.
b) Allerdings hat der Kläger den oben genannten schriftlichen Arbeitsvertrag mit der
Beklagten nicht abgeschlossen. Dass die Beklagte den Kläger unabhängig hiervon im
Hinblick auf den Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13.
Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 mit
den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichbehandeln wollte, ergibt sich aber aus Ziffer 2 S.
1 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.03.1998. Danach richten sich die
Arbeitsbedingungen der Parteien nach den die Beklagte bindenden jeweiligen tariflichen
Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsbauindustrie. Nach § 2
Abs. 2 des Anerkennungstarifvertrages, an den die Beklagte jedenfalls 2003 noch
gebunden war, sind die Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung
eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW
vom 11.12.1996 Teil des Anerkennungstarifvertrages.
Ist damit im Wege der Gleichstellungsabrede auf das Arbeitsverhältnis der Parteien des
vorliegenden Rechtsstreits der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles
eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom
11.12.1996 anwendbar, so kann der Kläger die Beklagte auf Zahlung anteiligen 13.
Monatseinkommens für das Jahr 2003 in Anspruch nehmen.
3. Die Höhe des nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche
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Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 zu berechnenden Anspruchs des Klägers auf
anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 2003 ist zwischen den Parteien nicht weiter
streitig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert hat sich zweitinstanzlich nicht geändert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Dr. Wendling
Klocke
Brüssow /WR.