Urteil des LAG Hamm vom 11.11.2010

LArbG Hamm (kläger, zahlung, arbeitnehmer, arbeitsverhältnis, höhe, wirtschaftliche lage, leistung, eintritt, betrag, arbeitsbedingungen)

Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 643/10
Datum:
11.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Sa 643/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herford, 1 Ca 151/10
Schlagworte:
Jubiläumsgeld/Sonderzahlung/betriebliche Übung/Ausschluss
gekündigter Arbeitnehmer, Stichtagsregelung
Normen:
BGB § 611
Leitsätze:
Gewährt der Arbeitgeber betriebsüblich eine Sonderzahlung, ohne
gegenüber den Beschäftigten zu verdeutlichen, dass die
Leistungsgewährung nach dem Vorbild einer Stichtagsregelung nur
Arbeitnehmern im ungekündigten Arbeitsverhältnis gewährt werden soll,
so führt allein der Umstand, dass Arbeitnehmer im gekündigten
Arbeitsverhältnis tatsächlich stets von der Leistungsgewährung
ausgenommen worden sind, nicht zur Begründung einer
betriebsüblichen Gruppenbildung mit der Unterscheidung von
begünstigten und von der Leistung ausgeschlossenen Mitgliedern. Die
Einführung einer Stichtagsklausel bedarf vielmehr - wie bei
ausdrücklicher Leistungszusage - auch bei Begründung einer
Betriebsübung einer entsprechenden Beschränkung des erklärten
Verpflichtungswillens.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) als Jubiläumszuwendung 1.278,00 Euro brutto
b) als Sonderzahlung 2009 1.319,76 Euro brutto
zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21.01.2010.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 9/10, der
Kläger 1/10.
Tatbestand
1
Mit seiner Klage verlangt der Kläger, welcher zunächst seit dem Jahre 1984 bei der
Firma P2 S1 GmbH und sodann ab dem 20.08.2008 aufgrund schriftlichen
Arbeitsvertrages bei der beklagten Firma P1 M1- und A1 GmbH in dem von beiden
Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt war und aufgrund
arbeitgeberseitiger Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2009 aus dem Arbeitsverhältnis
ausgeschieden ist, die Zahlung von Jubiläumsgeld und Sonderzahlung für das Jahr
2009.
2
Zum Anspruch auf Zahlung von Jubiläumsgeld verweist der Kläger auf die im
Arbeitsvertrag vom 20.08.2008 getroffene Regelung, nach welcher als Eintrittsdatum
weiterhin der 01.08.1984 gilt. Auf der Grundlage der zurückgelegten
Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren errechnet der Kläger einen Anspruch auf Zahlung
von 1.500,-- Euro. Weiter verlangt der Kläger die Gewährung einer Sonderzahlung.
Diesen Anspruch stützt der Kläger auf die Grundsätze der Betriebsübung und behauptet
hierzu, bei der Beklagten wie auch bei der früheren Arbeitgeberin sei die Zahlung von
Weihnachtsgeld in Übereinstimmung mit den tariflichen Regeln der Metallindustrie über
die Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens erfolgt. Danach stehe ihm auch im
Austrittsjahr eine entsprechende Leistung zu.
3
Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, die früher bestehende Betriebsübung
über die Zahlung von Jubiläumsgeld sei bereits aufgrund einer diesbezüglichen
Entscheidung der Geschäftsführung im Jahre 2005 aufgegeben worden. Hierzu verweist
die Beklagte auf eine entsprechende Anweisung des Geschäftsführers vom 14.12.2005
(Bl. 36 d.A.). Dementsprechend sei in der Folgezeit keine Jubiläumsgeldzahlung mehr
erfolgt. Im Übrigen habe der Kläger auf der Grundlage der früheren Betriebsübung allein
eine Leistung von 100,-- DM/Beschäftigungsjahr erlangen können, was einem Betrag
von 1.278,-- Euro entspreche. Ebenso wenig könne der Kläger für das Jahr 2009 die
begehrte Sonderzahlung beanspruchen. Zwar sei in der Vergangenheit aufgrund
entsprechender Betriebsübung eine derartige Zahlung in Anlehnung an die tariflichen
Regeln der Metallindustrie erfolgt, abweichend von den tariflichen Regeln sei jedoch
eine Zahlung im gekündigten Arbeitsverhältnis in keinem Falle vorgenommen worden.
Dementsprechend erfülle der Kläger nicht die tatbestandlichen Voraussetzung der
betriebsüblich gewähren Leistung. Im Übrigen sei mit Rücksicht auf die schlechte
wirtschaftliche Lage des Unternehmens die Sonderzahlung zuletzt nur noch unter dem
Vorbehalt der Freiwilligkeit gewährt worden. Soweit der Kläger geltend mache, er habe
dem Freiwilligkeitsvorbehalt widersprochen, betreffe dies allein das Verhältnis zum
früheren Arbeitgeber, der Firma P2 S1 GmbH, nicht hingegen das mit der Beklagten
begründete Arbeitsverhältnis.
4
Durch Urteil vom 26.03.2010 (Bl. 46 ff d.A.), auf welches wegen des weiteren
Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Kläger antragsgemäß
einen Betrag von 1.500,--- Euro brutto als Jubiläumszuwendung nebst Zinsen
zugesprochen, im Übrigen hingegen die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im
Wesentlichen ausgeführt worden, der Anspruch des Klägers auf Zahlung der
5
Jubiläumszuwendung folge aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Allein
durch das Schreiben des Geschäftsführers vom 14.10.2005 an die Buchhaltung sei die
bestehende Betriebsübung nicht beseitigt worden. Ebenso folge allein aus der
Tatsache, dass seither Ansprüche auf Zahlung von Jubiläumsgeld nicht mehr erfüllt
worden seien, nicht die wirksame Beseitigung der Betriebsübung. Mit dem Eintritt des
Klägers in das Unternehmen der Beklagten sei auch der Kläger von der bestehenden
Betriebsübung erfasst worden. Der Höhe nach stehe dem Kläger – entsprechend der
vorgetragenen Umrechnung von DM in Euro im Verhältnis "1:1" – ein Betrag von 1.500,-
- Euro brutto nebst Zinsen zu. Demgegenüber könne der Kläger die begehrte
Sonderzahlung für das Jahr 2009 nicht verlangen. Nach dem übereinstimmenden
Vortrag der Parteien orientiere sich die Sonderzahlung an den tariflichen Regeln der
Metallindustrie. Danach gehöre zu den Anspruchsvoraussetzungen das Bestehen eines
ungekündigten Arbeitsverhältnisses im Auszahlungszeitpunkt. Diese Voraussetzung sei
im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.
6
Die Beklagte hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens an ihrer Auffassung fest, dem Kläger stehe auf der Grundlage des neu
abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 20.08.2008 weder das ihm vom Arbeitsgericht
zugesprochene Jubiläumsgeld noch die weiter begehrte Sonderzahlung für das Jahr
2009 zu. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit entsprechende betriebsübliche
Leistungen erbracht habe, sei die zugrundeliegende Betriebsübung bereits bei Eintritt
des Klägers beendet gewesen. Zugleich ergebe sich aus dem neu abgeschlossenen
Arbeitsvertrag, dass der Kläger als neu eingestellte Kraft an etwa bestehenden
Betriebsübungen nicht teilnehmen solle. Hinsichtlich der betriebsüblichen Gewährung
einer Sonderzahlung habe sich die Beklagte zwar im Übrigen an den tariflichen Regeln
orientiert, abweichend vom Tarifvertrag indessen seit je her Arbeitnehmer im
gekündigten Arbeitsverhältnis von der Gewährung der Leistung ausgenommen.
Dementsprechend stehe dem Kläger schon aus diesem Grunde ein Zahlungsanspruch
nicht zu.
7
Die Beklagte beantragt,
8
das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 26.03.2010, AZ: 1 Ca 151/10
dahingehend abzuändern, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
9
Der Kläger beantragt,
10
die Berufung zurückzuweisen und beantragt seinerseits
11
das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 26.03.2010 – 1 Ca 151/10 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über die bereits
ausgeurteilte Jubiläumszuwendung hinaus Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in
Höhe von 1.319,76 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2010 zu zahlen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
14
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG
abgesehen.
15
Entscheidungsgründe
16
Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil, die Berufung des Klägers hingegen in
vollem Umfang begründet.
17
I
18
Die Berufung der Beklagten hat allein hinsichtlich der Höhe des ausgeurteilten
Jubiläumsgeldes Erfolg.
19
1. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Jubiläumsgeld ist
die bei der Beklagten in der Vergangenheit begründete und bei Eintritt des Klägers
fortbestehende betriebliche Übung, nach welcher u.a. bei Erreichen des 25.
Dienstjubiläums der Arbeitnehmer ein Jubiläumsgeld erhält.
20
a) Mit dem Wechsel des Klägers vom vormaligen Arbeitgeber – der Firma P2 S1 GmbH
– zur jetzigen Arbeitgeberin, der Beklagten P1 M1- und A1 GmbH richteten sich die
Arbeitsbedingungen allein noch nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 20.08.2008,
durch welchen die früheren Arbeitsbedingungen bei der Rechtsvorgängerin abgelöst
wurden. Unstreitig bestand in der Vergangenheit bei der Beklagten eine betriebliche
Übung über die Zahlung von Jubiläumsgeld. Abweichend vom Standpunkt der
Beklagten konnte die bestehende Betriebsübung, welche Gegenstand der
Vertragsbedingungen der Beschäftigten geworden war, nicht durch die bloße
Anweisung des Geschäftsführers an die Buchhaltung beseitigt werden, künftig keine
Jubiläumsgelder mehr auszuzahlen. Vielmehr bedurfte es zur Beseitigung der
diesbezüglichen Übung einer Vertragsänderung, welche – jedenfalls für die
Stammbelegschaft – nicht wirksam herbeigeführt worden ist.
21
b) Abweichend vom Standpunkt der Beklagten ist die so umschriebene betriebliche
Übung auch nicht dadurch beseitigt worden, dass tatsächlich seit dem Jahre 2006
Jubiläumsgelder nicht mehr zur Auszahlung kamen. Vielmehr folgt aus dem Umstand,
dass gegenüber den im Betrieb Beschäftigten ein vertraglicher Anspruch begründet war,
dass - unbeschadet der fehlenden Erfüllung der durch Betriebsübung begründeten
Ansprüche – für einen jeden Arbeitnehmer bei Erreichen der geforderten
Beschäftigungsdauer ein entsprechender Zahlungsanspruch entstand.
22
c) Galt aber bei Eintritt des Klägers in das Unternehmen der Beklagten die früher
begründete und nicht wirksam beseitigte Betriebsübung fort, so wurde der Kläger, auch
wenn er selbst noch nicht in den Empfang der betriebsüblich gewährten Leistungen
gekommen war, von der Regelung der Betriebsübung erfasst. Allein der innere Wille der
Beklagten, neu eintretenden Arbeitnehmern kein Jubiläumsgeld mehr zu zahlen und
nicht in die bestehende betriebliche Übung einzubeziehen, war nicht geeignet, den neu
eingetretenen Kläger von den Wirkungen der Betriebsübung auszunehmen.
23
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus § 4 des Arbeitsvertrages
nicht, dass der Kläger bei seinem Eintritt von den Regeln der bestehenden
Betriebsübung ausgenommen sein sollte. Nach § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erhält
der Kläger neben seinem Stundenlohn die beispielhaft aufgeführten betriebsüblichen
24
"Sonderzahlungen, wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld". Nach § 4 Abs. 2 des
Arbeitsvertrages sind mit der Vergütungszahlung "alle weiteren Sonderzahlungen wie
z.B. Zuschläge für Überstunden abgegolten". Dementsprechend bedarf es der
Abgrenzung der in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 aufgeführten "Sonderzahlungen". Hierbei ist zu
beachten, dass es sich bei den in Abs. 2 erwähnten Zuschlägen für Überstunden um
reguläres Arbeitsentgelt handelt, hingegen die in Abs. 1 aufgeführten Sonderzahlungen
nicht als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit, sondern als Sozialleistungen
anzusehen sind. Dementsprechend führt die Anwendung der Vorschrift des § 4 des
Arbeitsvertrages zu dem Ergebnis, dass der Kläger gerade nicht anders als die
Stammbelegschaft behandelt und von den betrieblichen Sozialleistungen
ausgenommen sein soll, im Gegenteil soll der Kläger wie die Stammbelegschaft die
betriebsüblichen Sozialleistungen erhalten. Hierzu gehört aus den dargestellten
Gründen auch die Zahlung von Jubiläumsgeld, und zwar unabhängig davon, dass die
Beklagte zuletzt die durch Betriebsübung begründeten Ansprüche einzelner
Arbeitnehmer nicht mehr erfüllt hat.
2. Der Höhe nach kann der Kläger allerdings allein den durch korrekte Umrechnung von
DM- auf Euro-Beträge errechneten Betrag von 1.278,-- Euro beanspruchen. Für eine
Gleichsetzung von DM- und Eurobeträgen besteht jedenfalls auf der Grundlage des
zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten keine Grundlage. Dementsprechend war
das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit abzuändern und in Höhe des Differenzbetrages
zwischen ausgeurteiltem Betrag und zugesprochenem Betrag abzuweisen.
25
II
26
Die Berufung des Klägers ist begründet. Abweichend vom Standpunkt des
arbeitsgerichtlichen Urteils steht dem Kläger für das Jahr 2009 die begehrte
Sonderzahlung zu.
27
1. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist die bei der Beklagten bestehende,
auch die Person des Klägers erfassende Betriebsübung, welche nicht durch einen
Freiwilligkeitsvorbehalt beschränkt ist, auch für die Person des neu eingetretenen
Klägers gilt und schließlich auch nicht in Form einer Stichtagsregelung Arbeitnehmer im
gekündigten Arbeitsverhältnis vom Leistungsversprechen ausnimmt.
28
a) Wie bereits ausgeführt, richten sich die Arbeitsbedingungen des Klägers ab dem
Zeitpunkt seines Übertritts zur Beklagten ausschließlich nach den dort maßgeblichen
Arbeitsbedingungen, welche gemäß § 4 des Arbeitsvertrages auch die betriebsüblich
gewährte Sonderzahlung umfassen.
29
b) Entgegen dem Standpunkt der Beklagten unterstand die Gewährung der
Sonderzahlung nicht einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt. Nachdem in der
Vergangenheit infolge wiederholter Zahlung eine entsprechende vertragliche
Verpflichtung nach den Regeln der Betriebsübung begründet war, konnte der so
begründete Rechtsanspruch nicht allein dadurch beseitigt werden, dass ab dem Jahre
2007 bei der Auszahlung ein entsprechender Freiwilligkeitsvorbehalt in die
Gehaltsabrechnung eingefügt wurde. Ein derartiger Hinweis in der Gehaltsabrechnung
war nicht geeignet, die vertraglich begründeten Ansprüche der Beschäftigten
einzuschränken.
30
c) Unabhängig hiervon ist im Übrigen zu beachten, dass der Kläger nach § 4 des
31
Arbeitsvertrages betriebsübliche Sonderzahlungen "erhält". Hiermit steht es in
Widerspruch, wenn die Beklagte zugleich – auf der Grundlage eines zuvor eigeführten
Freiwilligkeitsvorbehalts – die Entstehung eines Rechtsanspruchs auf Gewährung der
Sonderzahlung ausschließen wollte. Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner
Entscheidung vom 24.10.2007 (10 AZR 825/06, AP Nr. 32 zu § 307 BGB = NZA 2008,
40 ff.) ausgeführt hat, stellt es eine widersprüchliche Regelung dar, wenn der
Arbeitnehmer nach der vertraglichen Regelung eine bestimmte Zahlung "erhält" und im
Gegensatz hierzu an anderer Stelle des Vertrages ein Rechtsanspruch auf die Leistung
ausgeschlossen wird. Überträgt man dies auf den vorliegenden Fall, so führt dies zu
dem Ergebnis, dass dem Kläger aufgrund der in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen
Verweises auf die betriebsüblich gewährten Sonderzahlungen, welche er "erhalten"
soll, nicht der Einwand entgegengehalten werden kann, in Wahrheit bestehe wegen
eines diesbezüglichen Freiwilligkeitsvorbehalts keine Zahlungsverpflichtung.
d) Mit dem Eintritt des Klägers in das Unternehmen der Beklagten ist damit dem Grunde
nach ein Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der bestehenden betrieblichen Übung
entstanden.
32
e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die so begründete Betriebsübung ihrem
Inhalt nach nicht auf den Kreis derjenigen Arbeitnehmer beschränkt, welche im
Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen.
33
Die von der Beklagten vorgetragene Beschränkung der Zahlungsverpflichtung auf
Beschäftigte im ungekündigten Arbeitsverhältnis stellt sich rechtlich als Stichtagsklausel
dar, welche den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer entsprechend einengt. Gegen die
Vereinbarung einer solchen Stichtagsklausel bestehen keine Bedenken, Voraussetzung
für deren Geltung ist jedoch eine entsprechend klare und für die Arbeitnehmer
erkennbare Regelung. Anders als bei einer ausdrücklichen Vereinbarung einer
Sonderzahlung mit entsprechender Einschränkung ist bei der Anspruchsbegründung im
Wege der Betriebsübung zu beachten, dass sich der rechtsgeschäftliche
Erklärungstatbestand, aus welchem sich nach wiederholtem Vollzug eine vertragliche
Verpflichtung zur Leistungsgewährung ergibt, in der vorbehaltlosen Vornahme der
Zahlung erschöpft. Aus Sicht des begünstigen Arbeitnehmers ist damit eine
Einschränkung im ´Sinne einer Stichtagsklausel nicht erkennbar. Dass diejenigen
Arbeitnehmer vom Leistungsversprechen ausgeschlossen sein sollen, welche im
Auszahlungszeitpunkt im gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, ist aus der Sicht
desjenigen, welcher wiederholt in den Genuss der Zahlung gelangt, nicht erkennbar.
Dies gilt selbst dann, wenn in demjenigen Zeitraum, in welchem durch dreimalige
Leistungsgewährung die Verpflichtung nach den Regeln der Betriebsübung begründet
wird, Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis keine Leistung erhalten. Allein der
für die Leistungsempfänger nicht erkennbare Ausschluss gekündigter Arbeitnehmer
führt nicht zu einem Nebeneinander abweichender Betriebsübungen mit einer
Gruppenbildung von begünstigten Arbeitnehmern im ungekündigten und nicht
begünstigten Arbeitnehmern im gekündigten Arbeitsverhältnis. Voraussetzung hierfür
wäre nach den Regeln des Vertragsrechts eine entsprechende (konkludente) Erklärung
an sämtliche Beschäftigten, bei der Leistungsgewährung zwischen beiden Gruppen
unterscheiden zu wollen. Allein der tatsächlich praktizierte Ausschluss gekündigter
Arbeitnehmer umfasst demgegenüber keine für die Belegschaft erkennbare
Beschränkung des Verpflichtungswillens. Dies hat zur Folge, dass die Stichtagsklausel
nicht zum Gegenstand der betrieblichen Übung wird.
34
f) Damit steht dem Kläger für das Jahr 2009 ein Anspruch auf Gewährung der
betriebsüblichen Sonderzahlung unabhängig davon zu, dass im Auszahlungspunkt sein
Arbeitsverhältnis bereits gekündigt war.
35
2. Der Höhe nach ist die Berechnung der Klageforderung nicht zu beanstanden.
Insoweit hat die Beklagte auch keine Bedenken erhoben.
36
III
37
Zinsen stehen dem Kläger in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu.
38
IV
39
Die Kostenverteilung entspricht dem beiderseitigen Obsiegen und Unterliegen im
Rechtsstreit.
40
V
41
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht
vor.
42