Urteil des LAG Hamm vom 09.11.2006

LArbG Hamm: treu und glauben, täuschung, innere medizin, überwiegendes interesse, arbeitsgericht, vermessungstechniker, kündigung, gesundheitszustand, vertragsschluss, krankheit

Landesarbeitsgericht Hamm, 17 Sa 172/06
Datum:
09.11.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 Sa 172/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 4 Ca 1795/05
Schlagworte:
Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen des Verschweigens einer die
Arbeitsleistung perio-disch beeinträchtigenden Erkrankung
Tenor:
1.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Münster vom 14.12.2005 - 4 Ca 1795/05 - wird unter Klarstellung des
Tenors in der Hauptsache zu 2) – 4) wie folgt zurückgewiesen:
2.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger als technischen Angestellten
gemäß dem Arbeitsvertrag vom 20.07.2004 und der Niederschrift vom
20.07.2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den
Kündigungsschutzantrag weiterzubeschäftigen.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.368,09 € brutto abzüglich
des von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Arbeitslosengeldes in
Höhe von 1.209,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 140,60 € seit dem
01.08.2005 sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus 1.018,15 € seit dem 01.09.2005 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.774,15 € brutto abzüglich
des Arbeitslosengeldes in Höhe von 756,00 € nebst Verzugszinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.018,15 € seit
dem 01.10.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis
durch Anfechtungserklärung der Beklagten beendet ist.
2
Der am 01.03.1985 geborene, ledige Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.08.2001 bis
zum 20.07.2004 eine Berufsausbildung als Vermessungstechniker bei der Beklagten. Er
schloss die Ausbildung mit der Prüfungsnote gut ab.
3
Aufgrund einer Untersuchung des erkrankten Klägers am 18.03.2004 diagnostizierte die
Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. S6xxxxx ein vegetativ ausgelöstes
primäres Raynaud-Syndrom. Sie empfahl vor allem den Schutz vor Kälteexpositionen,
den der Kläger bei seiner weiteren beruflichen Planung besonders berücksichtigen
sollte. Wegen der Einzelheiten der ärztlichen Feststellungen wird auf die von der
Beklagten mit Schriftsatz vom 02.06.2006 vorgelegte Kopie des ärztlichen Berichtes (Bl.
241, 242 d.A.) Bezug genommen.
4
Mit Schreiben vom 21.04.2004 (Bl. 258 f. der Akte) schlug der Zeuge Dr. L1xxxx der
Beklagten vor, den Kläger nach der Prüfung wie folgt einzusetzen.
5
"Ich schlage vor, Herrn B1xxxxx danach zunächst auf der Stelle 0.61100.0038.1
(z. Zt. P2xxxxxxx) einzusetzen.
6
Zum 01.01.2004 ist die Stelle des Messgehilfen A2xxxxx auf Vorschlag des
Amtes 62 gestrichen worden.
7
Leider ist seitdem auch der Messgehilfe P2xxxxxxx erkrankt. Aufgrund seines
Krankheitsbildes ist nicht zu erwarten, dass Herr P2xxxxxxx in absehbarer Zeit
wieder dienstfähig sein wird.
8
...
9
Durch den unplanmäßigen, langfristigen Ausfall des Messgehilfen P2xxxxxxx
bei gleichzeitigem Wegfall der weiteren Messgehilfenstelle ist dieser Ansatz
ohne den Einsatz des VT B1xxxxx im Jahr 2004 nicht zu erreichen.
10
Ich bitte daher, Herrn B1xxxxx bis zu einer eventuellen Rückkehr des
Messgehilfen P2xxxxxxx die Aufgaben der Messgehilfenstelle zu übertragen."
11
Die Beklagte beschäftigt ca. 20 Vermessungstechniker, von denen 19 Mitarbeiter im
Innen- und ein Mitarbeiter regelmäßig im Außendienst eingesetzt ist. Weiterhin besteht
der Bedarf an einer Beschäftigung von fünf Messgehilfen im Außendienst. Der
Messgehilfe P2xxxxxxx war in der Zeit vom 05.11.2003 bis zum 06.08.2004
arbeitsunfähig krank. Aufgrund der Schwere seiner Erkrankung war ein weiterer Einsatz
im Außendienst des Vermessungs- und Katasteramtes ausgeschlossen. In der Zeit vom
07.08.2004 bis zum 31.05.2005 wurde Herr P2xxxxxxx mit Hilfstätigkeiten im
Innendienst des Vermessungs- und Katasteramtes beschäftigt. Mit Wirkung zum
12
01.06.2005 setzte ihn die Beklagte in der Bußgeldstelle des Ordnungsamtes ein.
Mit Schreiben vom 11.06.2004 (Bl. 321 d.A.) bot die Beklagte dem Kläger bei
bestehender Prüfung mit der Note sehr gut oder gut den Abschluss eines unbefristeten
Arbeitsvertrages ab dem Tag der bestandenen Prüfung an.
13
Mit Schreiben vom 22.06.2004 (Bl. 281 d.A.) beteiligte die Beklagte den Personalrat
gemäß § 72 Abs. 1 Ziffer 1 LPVG/NW und teilte ihm ihre Absicht mit, den Kläger ab dem
21.07.2004 bis auf Weiteres im Amt 62 zur Unterstützung der Krankheitsvertretung des
Herrn P2xxxxxxx einzusetzen. Der Personalrat erteilte seine Zustimmung mit Vermerk
vom 28.06.2004.
14
Am 20.07.2004 beschlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, wegen dessen
Einzelheiten auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Kopie (Bl. 17, 18
d.A.) Bezug genommen wird. Gemäß § 1 wurde er mit Wirkung zum 21.07.2004 als
Angestellter auf unbestimmte Zeit eingestellt. Gleichzeitig erteilte die Beklagte ihm eine
Niederschrift nach dem Nachweisgesetz (Bl. 19 d.A.). Gemäß Ziffer 2 des Nachweises
sollte er als Angestellter nach dem Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen
beschäftigt werden. Mit Schreiben ebenfalls vom 20.07.2004 (Bl. 22 d.A.) teilte die
Beklagte ihm die Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis und seinen
Einsatz bis auf Weiteres im Vermessungs- und Katasteramt zur Unterstützung der
Krankheitsvertretung von Herrn P2xxxxxxx mit.
15
Der Kläger war zunächst - betraut mit den Aufgaben des erkrankten Messgehilfen - im
Außendienst tätig. Nach Beklagtenvorbringen erstmals am 06.10.2004 teilte der Kläger
der Beklagten mit, er könne krankheitsbedingt nicht mehr im Außendienst eingesetzt
werden, da in Folge des Raynaud-Syndroms seine Hände nicht hinreichend durchblutet
seien, sehr kalt würden und schmerzten. Am 15.10.2004 überreichte er ein Attest seiner
Hausärzte vom 15.10.2004 (Bl. 347 d.A.).
16
Ab November 2004 setzte die Beklagte ihn ausschließlich im Innendienst ein. Im
Dezember 2004 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht. Der Amtsarzt berichtete der
Beklagten mit Schreiben vom 09.12.2004 (Bl. 203 d. A.).
17
Mit Schreiben vom 10.02.2005 drohte diese dem Kläger die Anfechtung des
Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung an, sollte er nicht freiwillig eine andere
Ausbildung beginnen. Der Kläger lehnte das Angebot mit Schreiben vom 11.02.2005
ab.
18
Nach seinem Urlaub vom 28.04.2005 bis zum 24.05.2005 setzte die Beklagte ihn erneut
im Außendienst ein. Er verrichtete überwiegend Messgehilfentätigkeiten, arbeitete aber
auch als Truppführer.
19
Mit Schreiben vom 12.07.2005, dem Kläger am 13. 07.2005 zugegangen, erklärte die
Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung mit der
Begründung, der Kläger sei nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte
auch ohne besondere Befragung verpflichtet gewesen, die Erkrankung an den
Raynaud-Syndrom zu offenbaren. Wegen der Einzelheiten des Anfechtungsschreibens
wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 7 d.A.) verwiesen.
20
Mit Schreiben vom 17.11.2005 (Bl. 282 d.A.) beantragte die Beklagte die Zustimmung
21
des Personalrats gemäß § 72 a Abs. 1 LPVG/NW zur hilfsweisen krankheitsbedingten
ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 25.11.2005 (Bl.
111, 112 d.A.) verweigerte der Personalrat die Zustimmung mit der Begründung, der
Kläger könne problemlos Arbeiten im Innendienst verrichten.
Mit seiner am 27.07.2005 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangenen Klage begehrt
der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtungserklärung, seine
Weiterbeschäftigung sowie die Zahlung seiner Vergütung für die Monate Juli bis
September 2005.
22
Er hat behauptet:
23
Die Krankheitssymptome seien bereits während seiner Berufsausbildung aufgetreten,
sie seien jedoch erst in 2004 diagnostiziert worden. Bei der Beklagten sei die Diagnose
bekannt gewesen. Er habe u.a. mit seinem ehemaligen Ausbilder Bernhard
Fechtelkötter darüber gesprochen. Noch vor Beendigung seiner Ausbildung sei die
Erkrankung im Amt 62 bekannt gewesen.
24
Den Zeugen Dr. L1xxxx habe er in einem Gespräch Ende Juni 2004/Anfang Juli 2004
von seiner Erkrankung informiert. Anlässlich dieses Gespräches sei erklärt worden, im
Hinblick auf die krankheitsbedingten Probleme werde er ab November keinen
Außendienst mehr verrichten müssen. Ihm sei ausdrücklich von Dr. L1xxxx zugesagt
worden, nur unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Probleme im Außendienst
eingesetzt zu werden. Die Beklagte hätte ihn angesichts der großen Zahl der im
Innendienst beschäftigten Vermessungstechniker dort einsetzen können.
25
Der Kläger hat beantragt,
26
1.
27
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
Anfechtung des Arbeitsvertrages vom 12.07.2005, zugegangen am 13.07.2005,
aufgelöst worden ist,
28
2.
29
den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des
vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Angestellten zu
beschäftigen,
30
3.
31
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.368,09 € brutto abzüglich des von der
Bundesagentur für Arbeit geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.209,00
€ nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 140,60 €
seit dem 01.08.2005 sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz aus 1.018,14 € seit dem 01.09.2005 zu zahlen,
32
4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.774,15 € brutto abzüglich des von der
Bundesagentur für Arbeit geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 756,00 €
nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
33
seit dem 01.10.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Er hat behauptet:
36
Der Kläger hätte ihm seine spätestens seit Herbst 2002 bekannte Erkrankung mitteilen
müssen, denn sie beeinträchtige seine Arbeitsausführung erheblich. Eine
Außendiensttätigkeit sei in den Wintermonaten unstreitig nicht möglich. Vor
Unterzeichnung des Arbeitsvertrages sei ihm mitgeteilt worden, dass er bis auf Weiteres
als Vermessungsgehilfe mit Außendiensttätigkeit eingesetzt werde. Auch aufgrund der
Ausbildung sei dem Kläger bekannt gewesen, dass der Beruf des
Vermessungstechnikers den Außendienst umfasse.
37
Das Gericht hat durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Dr. B4xxx U1xxxx L1xxxx,
von dem Beklagten benannt, Beweis erhoben über dessen Behauptung, der Zeuge
habe den Kläger von einem Einsatz auf dem Arbeitsplatz des Messgehilfen vor
Vertragsschluss informiert, dieser habe ihn aber nicht auf seine Erkrankung
hingewiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 14.12.2005 (Bl. 114 bis 116 d.A.) Bezug genommen.
38
Mit Urteil vom 14.12.2005 hat das Arbeitsgericht Münster der Klage insgesamt
stattgegeben.
39
Es hat ausgeführt:
40
Die Anfechtungserklärung des Beklagten vom 12.07.2005 habe das Arbeitsverhältnis
der Parteien nicht beendet. Die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB setze voraus, dass
der Täuschende unter Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen bei dem
Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn dadurch zur Abgabe einer
Willenserklärung veranlasst habe. Die Täuschung könne auch in dem Verschweigen
von Tatsachen bestehen, sofern den Erklärenden eine Offenbarungspflicht treffe. Diese
bestehe dann, wenn die verschwiegenen Umstände dem Arbeitnehmer die Erfüllung der
arbeitsvertraglichen Leistung unmöglich machten.
41
Der Erklärende müsse arglistig handeln, d.h. die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen
oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass der Erklärungsempfänger durch die
Täuschung beeinflusst werde.
42
Dem Kläger könne kein arglistiges Verhalten vorgeworfen werden.
43
Der Zeuge Dr. L1xxxx habe zwar nicht seine Behauptung bestätigt, er sei von ihm vor
Unterzeichnung des Arbeitsvertrages von dem Ausschluss eines Außendienstes in
kalten Jahreszeiten unterrichtet worden. Nach der Aussage sei dem Kläger auch sein
Einsatz als Messgehilfe im Außendienst bekannt gewesen. Die Beweisaufnahme habe
jedoch nicht ergeben, dass er im Sommer 2004 davon habe ausgehen müssen, der
Messgehilfe P2xxxxxxx werde dauerhaft nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Im
Übrigen habe der Kläger nach Aussagen des Zeugen aufgrund der jahrelangen Übung
der Beklagten davon ausgehen dürfen, er werde bei einem Prüfungsabschluss mit der
44
Note "gut" auf jeden Fall in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Die
Eignung für den Außendienst sei ihm als zwingende Voraussetzung nicht erkennbar
gewesen.
Der Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung ergebe sich aus §§ 611, 613, 242
BGB i.V.m. Artikel 1, 2 GG.
45
Die Beklagte habe sich auch in der Zeit von Juli bis September 2005 in Annahmeverzug
befunden und habe an den Kläger Annahmeverzugslohn abzüglich der Leistungen der
Bundesagentur für Arbeit zu erbringen.
46
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 120 bis 128 d.A.
Bezug genommen.
47
Gegen das ihm am 30.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.01.2006
eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.03.2006 am 28.03.2006 bei dem
Landesarbeitsgericht eingehend begründet.
48
Er ist der Auffassung:
49
Das erstinstanzliche Gericht habe die Aussage des Zeugen Dr. L1xxxx in wesentlichen
Punkten unzutreffend und unvollständig gewürdigt. Aus der Aussage ergebe sich, dass
dem Kläger unmissverständlich mitgeteilt worden sei, er werde im Außendienst als
Messgehilfe eingesetzt, da keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe. Die
Vermutung des Zeugen, der Kläger hätte auch dann einen unbefristeten Arbeitsvertrag
erhalten, wenn der Messgehilfe P2xxxxxxx nicht erkrankt gewesen wäre, sei
unerheblich, da der Zeuge als Amtsleiter über personelle Fragen nicht zu entscheiden
habe.
50
Der Kläger habe auch arglistig gehandelt. Der Beklagte behauptet dazu:
51
Er habe gegenüber Dr. L1xxxx geäußert, er wolle nicht gern als Messgehilfe arbeiten. Er
habe also schon konkrete Bedenken hinsichtlich eines Einsatzes im Außendienst
gehabt.
52
Am 20.07.2005 habe der Kläger in einem Gespräch mit dem Zeugen K1xxx extrem
bedrückt gewirkt. Auch bei Aushändigung des Arbeitsvertrages am 21.07.2004 durch
die Zeugin H2xxxxx habe er so bedrückt gewirkt, dass diese ihn gefragt habe, ob er sich
für den richtigen Beruf entschieden habe. Er habe erklärt, es handele sich nicht um
seinen Traumberuf. Schon damals sei er auf die Möglichkeit hingewiesen worden, eine
Ausbildung zum Verwaltungsangestellten zu absolvieren.
53
Dem Kläger sei sein Einsatzgebiet auch aus der Ausbildung bekannt gewesen.
54
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die einzig verfügbare Planstelle mit der
Auszubildenden T1xxx G1xxx, die am 18.12.2003 ihre Prüfung ebenfalls mit der Note
"gut" absolviert habe, besetzt worden sei. Eine Planstelle für den Kläger habe nicht
bestanden.
55
Der Beklagte beantragt,
56
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
57
Der Kläger beantragt,
58
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Beklagte
59
verurteilt werde, ihn als technischen Angestellten gemäß dem
60
Arbeitsvertrag vom 20.07.2004 und der Niederschrift vom
61
20.07.2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den
62
Kündigungsschutzantrag zu beschäftigen und dass Verzugszinsen
63
jeweils in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz, im
64
Rahmen des Klageantrags zu 4) aus einem Differenzbetrag von
65
1.018,15 € verlangt würden.
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Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und behauptet:
67
Im Jahre 2005 habe Herr S7xxxxx den Amtsleiter Dr. L1xxxx gebeten, ihn – wie es von
Anfang an geplant gewesen sei – nur im Innendienst arbeiten zu lassen, da es dort sehr
viel Arbeit gebe. Der Amtsleiter habe das Ersuchen mit den Worten abgelehnt: "Nein,
der muss nach draußen, das geht nicht anders."
68
Seine Stelle im Außendienst sei nach seinem Ausscheiden nicht wiederbesetzt worden.
69
Dass der Beklagte ihn auf jeden Fall angesichts seiner guten Prüfungsnote eingestellt
hätte, ergebe sich auch aus der Einstellung der ehemaligen Auszubildenden T1xxx
G1xxx. Diese sei zunächst auf einer fremden Planstelle geführt und im Innendienst
eingesetzt worden. Auch andere Auszubildende seien ohne Planstelle übernommen
worden.
70
Die von dem Zeugen Dr. L1xxxx bekundete Planung, im Außendienst zunehmend
Vermessungstechniker einzusetzen, sei nicht umgesetzt worden. Der Beklagte habe
vielmehr einen Messtrupp geschlossen.
71
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
72
I.
73
Die gemäß §§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 14.12.2005 ist
unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der Klage stattgegeben.
74
1 a) Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. zur
Antragstellung im vergleichbaren Fall einer Anfechtung eines Aufhebungsvertrages
BAG, Urteil vom 11.03.1999 – 2 AZR 461/98 -, NZA 1999, 761; Urteil vom 12.08.1999 –
75
2 AZR 832/98 – NZA 2000, 27). Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus der
Berufung der Beklagten auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ihre
Anfechtungserklärung vom 12.07.2005.
b) Der Antrag ist begründet.
76
aa) Die Kammer brauchte nicht zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer im Fall der
Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber die dreiwöchige Klagefrist nach
§§ 13, Abs. 1, 4 Satz 1 KSchG einzuhalten hat (offengelassen von BAG, Urteil vom
14.12.1979 – 7 AZR 38/78 -, EzA § 119 BGB Nr. 11; abgelehnt von der herrschenden
Meinung in der Literatur – vgl. KR-Friedrich, 7. Aufl., § 4 KSchG, Rdn. 16 a m.w.N.). Der
Kläger hat die gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende Klagefrist von
drei Wochen gewahrt. Die Anfechtungserklärung ist ihm am 13.07.2005 zugegangen.
Die Feststellungsklage ist am 27.07.2005 bei dem erstinstanzlichen Gericht
eingegangen.
77
bb) Die Anfechtungserklärung beendet nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB das
Arbeitsverhältnis der Parteien.
78
Die Willenserklärung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kann wie jedes
Rechtsgeschäft wegen Irrtums nach § 119 BGB, wegen falscher Übermittlung nach §
120 BGB oder wegen Drohung oder arglistiger Täuschung nach § 123 BGB
angefochten werden (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2004 – 2 AZR 148/04 – ZTR 2005,
379; Erfurter Kommentar/Preis, 7. Aufl., § 230 BGB, § 611 Rdn. 420 m.w.N.). Der
Anfechtungsberechtigte ist nicht ausschließlich auf sein Recht zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses zu verweisen.
79
(1) Dahinstehen kann, ob der Gesundheitszustand des Klägers eine
verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB darstellt. Der
Gesundheitszustand ist dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft, wenn dem
Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend die Fähigkeit fehlt, die vertraglich übernommene
Leistung zu erbringen (vgl. dazu BAG, Urteil vom 28.03.1974 – 2 AZR 92/73 -, AP Nr. 3
zu § 119 BGB). Denn die Beklagte hat die Anfechtungserklärungsfrist nach § 121 Abs. 1
BGB nicht gewahrt. Danach muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern
(unverzüglich) erklärt werden. Diese Frist wird bei einem Irrtum über eine
verkehrswesentliche Eigenschaft durch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB
konkretisiert (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.1981 – 7 AZR 1093/78 - EzA § 119 BGB Nr.
12). Bei zu Gunsten der Beklagten angenommener erster Kenntnis der einem Einsatz im
Außendienst entgegenstehenden Erkrankung des Klägers am 06.10.2004 war die
Anfechtungserklärungsfrist nach § 121 BGB bei Zugang der Anfechtungserklärung
längst abgelaufen.
80
(2) Die Kammer geht aber zu Gunsten des Beklagten davon aus, dass er die
Anfechtungsfrist nach § 124 BGB gewahrt hat. Im Falle der arglistigen Täuschung, auf
die er sich beruft, beginnt die einjährige Frist nach § 124 Abs. 1 BGB mit dem Zeitpunkt,
in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, § 124 Abs. 2 Satz 1
BGB. § 626 Abs. 2 BGB ist nicht analog anzuwenden, da die Fristbestimmung des § 124
Abs. 1 BGB bereits eine genaue Zeitgrenze enthält (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.1983 – 2
AZR 171/81 - AP Nr. 25 zu § 123 BGB).
81
Den Vortrag des Beklagten als richtig unterstellt ist er erstmals am 06.10.2004 von der
82
Erkrankung des Klägers in Kenntnis gesetzt worden. Die Anfechtungserklärungsfrist war
demnach am 13.07.2005 noch nicht abgelaufen.
(3) Der Kläger hat ihn nicht arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht und
dadurch zum Abschluss des Arbeitsvertrages bestimmt (§ 123 Abs. 1 BGB). Die
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt dann in Betracht, wenn der
Anfechtungsgegner in zulässiger Weise nach dem Gesundheitszustand gefragt hat und
ihm ein für das Arbeitsverhältnis bedeutsamer Umstand verschwiegen wurde. Der
Beklagte behauptet nicht, den Kläger vor Abschluss des Arbeitsvertrages nach einer
seine Eignung für die vorgesehene Tätigkeit dauerhaft oder regelmäßig wiederkehrend
einschränkenden Krankheit gefragt zu haben. Die Täuschung kann aber auch – wie das
Arbeitsgericht Münster zutreffend ausgeführt hat – in dem Verschweigen einer Tatsache
liegen, wenn eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers besteht. Schon vor Abschluss
des Arbeitsverhältnisses besteht zwischen den verhandelnden Parteien eine
schuldrechtliche Sonderbeziehung im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Gemäß § 241
Abs. 2 BGB ist jeder Teil je nach Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die
Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Bei der Bestimmung
des Umfangs der Pflicht zur Rücksichtnahme ist zu berücksichtigen, dass sich bei
Abschluss eines Arbeitsvertrages Grundrechte des Arbeitgebers nach Artikel 2, 12, 14
GG und des Arbeitnehmers nach Art. 1, 2, 12 GG gegenüberstehen, die zu einer
Begrenzung des Informationsrechtes des Arbeitgebers durch das Recht des Bewerbers
führen. Der Arbeitnehmer ist nur dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn die zu
offenbarende Tatsache für ihn in einem erkennbaren Zusammenhang mit der in
Aussicht genommenen Beschäftigung steht, sie objektiv geeignet ist, das für den
Arbeitgeber in dem Arbeitsverhältnis liegende Risiko zu erhöhen und sein Leistungs-
und Integritätsinteresse zu beeinträchtigen und die Offenbarung nicht unverhältnismäßig
in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift, ihn nicht diskriminiert (vgl. BAG,
Urteil vom 14.07.2005 – 8 AZR 300/04 –, NZA 2005, 1298; Urteil vom 21.02.1991 – 2
AZR 449/90 –, NZA 1991, 719; Erfurter Kommentar/Preis, a.a.O., 230 BGB, 611 Rdn.
353).
83
Ungefragt muss der Arbeitnehmer seinen Gesundheitszustand offenbaren, wenn er
damit rechnen muss, dass er infolge einer bereits vorliegenden Krankheit seiner
Arbeitspflicht im Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses nicht nachkommen
kann (vgl. BAG, Urteil vom 07.02.1964 – 1 AZR 251/63 – DB 1964, 555) oder wenn er
möglicherweise an einer ansteckenden Krankheit leidet, die der Durchführung des
Arbeitsverhältnisses rechtlich oder tatsächlich entgegensteht (vgl. Hessisches LAG,
Urteil vom 13.10.1972 – 5 Sa 406/72 –, DB 1972, 2359).
84
Fraglich ist schon, ob die fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers für einen
Einsatz im Außendienst für den Vertragsschluss von ausschlaggebender Bedeutung
war. Der Beklagte hat ihn nach dem Arbeitsvertrag vom 20.07.2004 und der
Niederschrift nach dem Nachweisgesetz ebenfalls vom 20.07.2004 als Angestellten
nach dem Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen eingestellt. Er hat jedoch
nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 5 NachwG in den Vertrag oder die Niederschrift
aufgenommen, dass der Kläger nach der zu leistenden Tätigkeit im Außendienst
eingesetzt werden sollte. Diese Charakterisierung wäre aber erforderlich und zu
erwarten gewesen, hätte der Wille bestanden, den Kläger dauerhaft den Messtrupps
zuzuweisen.
85
Dagegen spricht auch der Antrag des Beklagten an den Personalrat auf Zustimmung
86
nach § 72 Abs. 1 Ziffer 1 LPVG/NW, nach dem die Aussicht bestand, den Kläger zur
Unterstützung der Krankheitsvertretung des Herrn P2xxxxxxx einzusetzen. Es ging
gerade nicht um einen dauerhaften Einsatz auf dem Arbeitsplatz des Messgehilfen.
Dem Kläger ist mit Schreiben vom 20.07.2004 ebenfalls der vorübergehende Einsatz
zur Unterstützung der Krankheitsvertretung mitgeteilt worden.
87
Der Zeuge Dr. L1xxxx hat bekundet, zunächst nur die Möglichkeit der
Krankheitsvertretung gesehen zu haben mit der Option, den Kläger später in den
Innendienst zu versetzen. Die persönliche Annahme des Zeugen, der Messgehilfe
werde seine vertragliche Tätigkeit dauerhaft nicht ausüben können, hat in der
Information des Personalrats und des Klägers keinen Niederschlag gefunden. Ob dies
tatsächlich Grundlage der Entscheidung zum Vertragsschluss war, ist zweifelhaft.
88
Im Übrigen endete der Vertretungsfall schon am 06.08.2004. Erst die nachträgliche
Entscheidung, Herrn P2xxxxxxx krankheitsbedingt in den Innendienst zu versetzen, hat
zu der Notwendigkeit geführt, den Kläger dauerhaft auch in der Winterzeit mit Aufgaben
im Außendienst zu betrauen. In der vorübergehenden Krankheitsvertretung unterlag er
keinen gesundheitlichen Einschränkungen.
89
Dahinstehen kann, ob dem Beklagten die Krankheit des Klägers nicht schon aus der
Berufsausbildungszeit bekannt war.
90
Das Arbeitsgericht Münster hat nämlich zu Recht festgestellt, dass dieser die
Erkrankung nicht arglistig, d.h. vorsätzlich verschwiegen hat. Dabei reicht es aus, dass
das Verschweigen mit bedingtem Vorsatz geschieht, der Kläger billigend in Kauf
genommen hat, dem Beklagten eine für den Vertragsschluss entscheidende Information
vorzuenthalten. Fahrlässigkeit führt dagegen nicht zur Arglist (vgl. BAG, Urteil vom
11.11.1993 - 2 AZR 467/93 -, NZA 1994, 407; Erfurter Kommentar/Preis, a.a.O., 230
BGB, § 611 Rdn. 449).
91
Von erheblicher Bedeutung war für die Kammer das Schreiben des Beklagten vom
11.06.2004. Ohne Einschränkung auf ein besonderes Einsatzgebiet hat er dem Kläger
angeboten, ihn bei Bestehen der Prüfung mit der Note "sehr gut" oder "gut" in ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Nach Aussage des Zeugen Dr. L1xxxx
entsprach dieses Angebot der bis zum Jahre 2004 üblichen Praxis, Auszubildende mit
einem guten Prüfungsabschluss zu übernehmen. Da der Beklagte
Vermessungstechniker weit überwiegend im Innendienst beschäftigt, konnte und musste
der Kläger nicht erkennen, dass ein dauerhafter Einsatz nur im Außendienst
beabsichtigt war. Der Zeuge L1xxxx hat ihn in dem Gespräch vor Vertragsschluss nicht
entsprechend informiert. Der Zeuge konnte nicht mit Sicherheit bekunden, ihn auf den
ausschließlichen Einsatz im Außendienst hingewiesen und informiert zu haben, dass
der Messgehilfe P2xxxxxxx nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren werde. Der
Zeuge hat dem Kläger vielmehr angeraten, diesen Arbeitsplatz für die Dauer der
Krankheitsvertretung anzunehmen, da es immer Möglichkeiten gebe, in den Innendienst
zurückzukehren. Der Kläger konnte somit nicht erkennen, dass er über Monate, d.h.
auch in den kalten Jahreszeiten, im Außendienst würde arbeiten müssen.
92
Zu Recht weist das Arbeitsgericht Münster darauf hin, dass die Pläne des Beklagten,
zunehmend Messgehilfen durch Vermessungstechniker auszutauschen, nicht bekannt
waren.
93
Musste sich dem Kläger die Absicht des Beklagten, ihn nur und dauerhaft im
Außendienst zu beschäftigen, nicht aufdrängen, war für ihn ein Arbeitgeberinteresse an
einer entsprechenden gesundheitlichen Eignung nicht offenkundig.
94
Im Übrigen durfte die Kammer nicht außer Acht lassen, dass der Kläger zum Zeitpunkt
der Vertragsverhandlungen gerade 19 Jahre alt und im Berufsleben noch sehr
unerfahren war. Der Beklagte stellt an seine Erkenntnismöglichkeiten überzogene
Ansprüche. Es wäre seine Aufgabe gewesen, den Kläger über seine Verwendung
eindeutig und unmissverständlich aufzuklären.
95
2. Der auf Verurteilung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers gerichtete
Leistungsantrag ist zulässig und begründet.
96
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Anspruch
auf Weiterbeschäftigung, wenn eine Kündigung offensichtlich unwirksam ist (vgl. GS
BAG, Urteil vom 27.02.1985 – 1/84 -, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflichten Nr. 9).
Offensichtlich unwirksam ist eine Kündigung, wenn ein ihre Unwirksamkeit
feststellendes Instanzurteil besteht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein
überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht
weiterzubeschäftigen.
97
Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Streit um den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses anwendbar (vgl. auch KR-Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rdn. 273).
98
Einer Beschäftigung des Klägers trotz Obsiegens mit dem Feststellungsantrag
entgegenstehende Interessen hat der Beklagte nicht geltend gemacht.
99
3. Auch die auf Zahlung des Annahmeverzugslohnes für die Monate Juli 2005 bis
September 2005 gerichteten Leistungsanträge sind zulässig und begründet.
100
Der Zahlungsanspruch folgt aus §§ 611 Abs. 1, 615 BGB.
101
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis bestand fort. Der Beklagte
befand sich in Annahmeverzug, § 293 BGB.
102
Obwohl der Kläger arbeitsfähig und leistungsbereit war, hat er dessen Arbeitsleistung
nicht entgegengenommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 -, NZA 1985,
119; Urteil vom 21.03.1985 - 2 AZR 201/84 - NZA 1985, 778) gerät der Arbeitgeber auch
ohne tatsächliches oder wörtliches Angebot des Arbeitnehmers im Sinne der §§ 294,
295 BGB in Annahmeverzug, wenn er eine unwirksame Kündigung ausspricht und nicht
von sich aus den Arbeitnehmer zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert. In diesem Fall
erbringt er nicht seine Gläubigermitwirkungshandlung nach § 296 BGB. Der Arbeitgeber
muss dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung kalendermäßig bestimmt ermöglichen,
d.h. er muss den Arbeitseinsatz fortlaufend planen und durch Weisungen Ort und Zeit
der Arbeitsleistung konkretisieren (vgl. BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 -,
NZA 1999, 925).
103
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zwar nicht gekündigt, aber durch (unwirksame)
Anfechtungserklärung die Bereitstellung des Arbeitsplatzes verweigert.
104
Er schuldet dem Kläger deshalb für Juli 2005 Restlohn in unstreitiger Höhe von 593,94
€ brutto und für August 2005 in Höhe von 1.774,15 € brutto, insgesamt 2.368,09 € brutto.
105
Gemäß § 11 Ziffer 3 KSchG muss sich der Kläger die öffentlich-rechtlichen Leistungen
in Folge der Arbeitslosigkeit anrechnen lassen, die für die Zwischenzeit gezahlt wurden.
Für Juli 2005 hat er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 433,00 € und
für August 2005 in Höhe von 756,00 € erhalten, insgesamt 1.209,00 €.
106
Für den Monat September 2005 schuldet der Beklagte ebenfalls 1.774,15 € brutto
abzüglich des Arbeitslosengeldes von 756,00 €.
107
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich jeweils ausgehend von dem Differenzbetrag
zwischen dem geschuldeten Lohn und den öffentlich-rechtlichen Leistungen aus §§ 286
Abs. 2 Ziffer 1 i.V.m. 614, 288 Abs. 1, 247 BGB.
108
II.
109
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
110
Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
111
Held-Wesendahl
Schürmann
Vogel
112
/Bu.
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