Urteil des LAG Hamm vom 12.08.2008

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Landesarbeitsgericht Hamm, 14 Sa 1916/07
Datum:
12.08.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 Sa 1916/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 4 Ca 1310/07
Schlagworte:
Auslegung, Kündigung Arbeitnehmer, Annahmeverzug, tatsächliches
Angebot
Normen:
§ 133, § 157, §§ 293 ff., § 615 BGB
Leitsätze:
Kündigt der Arbeitnehmer ordentlich zu einem Kündigungstermin, der
nicht der
einzuhaltenden Kündigungsfrist entspricht, ist diese Kündigung als
ordentliche Kündigung zum zulässigen Termin des Ablaufs der
Kündigungsfrist auszulegen. Dies gilt auch dann, wenn der
Arbeitnehmer zunächst darauf beharrt, dass der von ihm gewählte
Kündigungstermin der einzuhaltenden Kündigungsfrist entspricht, und
im unmittelbaren Anschluss bei einem anderen Arbeitgeber
(Wettbewerber) eine Tätigkeit aufnimmt.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter ihrer Zurückweisung im
Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12. Oktober 2007 (4
Ca 1310/07) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
- für den Monat Mai 2007 insgesamt 994,90 Euro brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB
seit 1. Juni 2007 sowie
- für den Monat Juni 2007 insgesamt 2.288,38 Euro brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247
BGB seit 1. Juli 2007
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits (einschließlich des
Berufungsverfahrens) tragen der Kläger 1/25, die Beklagte 24/25.
Der Streitwert wird auf 3.432,76 Euro festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Lohn unter dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.
2
Der Kläger war seit dem 1. Februar 2001 als kaufmännischer Angestellter im Verkauf
bei der Beklagten zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt 2.288,38 € brutto beschäftigt.
Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2000 (wegen der Einzelheiten vgl. Bl.
8 ff d.A. 4 Ga 11/07) enthielt u.a. folgende Regelungen:
3
§ 4
4
Kündigung
5
Der Vertrag kann nach der Probezeit von beiden Seiten unbeschadet des
Rechts zur fristlosen Kündigung mit einer Kündigungsfrist von mindestens
einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. Sofern der Betrieb bis zu 20
Arbeitnehmer beschäftigt, gilt eine Kündigungsfrist von 4 Wochen. Für die
Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer gilt § 622 Abs. 5 Satz 2
BGB.
6
7
Verlängerte Kündigungsfristen aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher
Bestimmungen gelten für beide Vertragspartner.
8
§ 12
9
Anwendung tarifvertraglicher und gesetzlicher Bestimmungen
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Neben den vorstehenden Vertragsvereinbarungen gelten die Bestimmungen
der jeweils gültigen Tarifverträge im Groß- und Außenhandel NRW. Im Übrigen
gelten die gesetzlichen Bestimmungen, etwaige Betriebsvereinbarungen und
Arbeitsordnungen.
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§ 7 MTV Groß- und Außenhandel NRW sieht für den Arbeitgeber eine Kündigungsfrist
von 3 Monaten zum Ende eines Kalendermonats vor, wenn das Arbeitsverhältnis in dem
Betrieb oder Unternehmen 5 Jahre bestanden hat.
12
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 23. März 2007 zum 30. April 2007 (Bl. 14 d.A. 4
Ga 11/07). Mit Schreiben vom 29. März 2007 (Bl. 15 d.A. 4 Ga 11/07) wies die Beklagte
den Kläger darauf hin, dass Kündigungstermin der 30. Juni 2007 sei. Mit Schreiben
seines damaligen Bevollmächtigten vom 23. April 2007 (Bl. 16 ff d.A. 4 Ga 11/07) hielt
der Kläger an seiner Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem 30. April 2007
ordentlich ende, gegenüber der Beklagten fest. Am 1. Mai 2007 nahm der Kläger eine
Tätigkeit für einen Wettbewerber der Beklagten auf. Daraufhin erwirkte die Beklagte
durch Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11. Mai 2007 (4 Ga 11/07) eine
einstweilige Verfügung, mit dem dem Kläger die weitere Tätigkeit für die Firma S4
untersagt wurde. Einen zunächst unter dem 15. Mai 2007 vom Kläger gegen die
erlassene einstweilige Verfügung eingelegten Widerspruch nahm er mit dem am 29. Mai
2007 eingegangenen Schriftsatz zurück.
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Der Kläger nahm nach Verkündung des Urteils am nächsten Arbeitstag (Montag, den
14. Mai 2007) seine Arbeit bei der Firma S4 nicht wieder auf. Mit Schreiben vom 15. Mai
2007 (Bl. 15 d.A. 4 Ga 11/07) teilte er der Beklagten Folgendes mit:
14
"Sehr geehrter Herr K1,
15
aufgrund der verlängerten Kündigungsfrist, stehe ich der Fa. H1. G1 bis zum
30.06.2007 zur Verfügung.
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Bitte teilen Sie mir weiteres Vorgehen bezüglich meines Arbeitseinsatzes mit."
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Des Weiteren zahlte der Kläger die von der Gegenseite geforderte Vertragsstrafe in
Höhe eines Bruttomonatsentgelts. Schließlich sprach er, nachdem sich die Beklagte auf
sein Schreiben vom 15.Mai 2007 nicht geäußert hatte, am 18. Mai 2007 persönlich vor
und bot seine Arbeitskraft bis zum 30. Juni 2007 an. Eine Beschäftigung erfolgte nicht.
Ebenso lehnte die Beklagte den später vom Kläger geltend gemachten
Zahlungsanspruch auf Zahlung der hälftigen Vergütung für den Monat Mai 2007 sowie
der Vergütung für den Monat Juni 2007 ab.
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Mit seiner am 14. Juni 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger
die Zahlung von Vergütung für den vorgenannten Zeitraum verlangt und die Auffassung
vertreten, dass sich die Beklagte ab dem 15. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2007 in
Annahmeverzug befunden habe.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. an den Kläger ein halbes Monatsgehalt (für den Monat Mai 2007) in Höhe von
1.144,38 € brutto nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 1. Juni 2007 zu zahlen, sowie
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24
2. ein ganzes Monatsgehalt (für den Monat Juni 2007) in Höhe von 2.288,38 € brutto
nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 1.Juli 2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
27
Die Beklagte hat gemeint, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Klägers
zum 30. April 2007 beendet worden sei, so dass ihm keine weiteren Ansprüche gegen
die Beklagte mehr zustehen könnten. Aus dem Urteil in dem einstweiligen
Verfügungsverfahren ergebe sich nicht, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni
2007 fortbestanden habe. Der Kläger unterfalle bis zum Ablauf der vertragsgerechten
Kündigungsfrist aufgrund einer nachwirkenden Treuepflicht dem Wettbewerbsverbot. Im
Übrigen müsse die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma S4
bestritten werden.
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Durch das hier angegriffene Urteil vom 12. Oktober 2007 hat das Arbeitsgericht die
Beklagte antragsgemäß zur Zahlung an den Kläger verurteilt, weil das Arbeitsverhältnis
aufgrund der Kündigung des Klägers vom 23. März 2007 erst mit dem 30. Juni 2007 sein
Ende gefunden habe und die Beklagte sich mit Wirkung ab 15. Mai 2007 in
Annahmeverzug befunden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird
auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
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Das Urteil wurde der Beklagten am 19. Oktober 2007 zugestellt. Hiergegen richtet sich
die am 29. Oktober 2007 eingelegte und nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Januar 2008 mit einem an diesem Tage
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Auslegung der Kündigung des Klägers vom 23.
März 2007 in eine fristgerechte Kündigung zum 30. Juni 2007 ausscheide. Der Kläger
habe das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf seine Tätigkeit ab 1. Mai 2007 zum 30. April
2007 beenden wollen und trotz des Hinweises der Beklagten vom 29. März 2007
ausweislich seines anwaltlichen Schriftsatzes vom 23. April 2007 an diesem
Rechtsstandpunkt festgehalten und die Beklagte aufgefordert, die Kündigung
vorbehaltlos zu akzeptieren. Der im Übrigen darin liegende Vertragsbruch führe nicht
dazu, dass er das Wettbewerbsverbot habe vermeiden können. Zum Zeitpunkt des
Arbeitsangebots des Klägers habe jedenfalls kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen den
Parteien bestanden, ebenso wenig habe eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur
Begründung eines solchen bestanden.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Münster zum Aktenzeichen 4 Ca 1310/07,
verkündet am 12. Oktober 2007, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens erster Instanz verteidigt er die
angegriffene Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen
in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts vom
22. August 2007 sowie 12. Oktober 2007 und des Landesarbeitsgerichts vom 12. August
2008 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage
stattgegeben, soweit es den Zeitraum ab dem 18. Mai 2007 betrifft. Die Beklagte befand
sich in dieser Zeit in Annahmeverzug. Für die Zeit vom 15. Mai 2007 bis 17. Mai 2007
fehlt es dagegen an einem tatsächlichen Arbeitsangebot des Klägers im Sinne des §
293, § 294 BGB. Insoweit war das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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1. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis aufgrund der
Kündigung des Klägers vom 23. März 2007 erst mit dem Ablauf des 30. Juni 2007 sein
Ende gefunden. Dies ergibt eine Auslegung des Kündigungsschreibens.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zum Ganzen BAG, 14.
Dezember 2005, 2 AZR 148/05, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 55; 6. Juli 2006, 2 AZR 215/05,
AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57) muss sich aus der Kündigungserklärung nur ergeben, zu
welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll und ob eine ordentliche
oder außerordentliche Kündigung gewollt ist. Die Auslegung hat zu ermitteln, wie der
Empfänger der Kündigungserklärung diese aufgrund des aus der Erklärung
erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und
der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Ziel der
Auslegung ist die Ermittlung ihrer objektiven, normativen Bedeutung, die beide Parteien
gegen sich gelten lassen müssen. Dabei sind sowohl die Verständnismöglichkeit des
Empfängers als auch das Interesse des Erklärenden daran zu berücksichtigen, dass
sich der Empfänger darum bemüht, die Erklärung nicht misszuverstehen. Der
Empfänger darf sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen,
sondern muss seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die
dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Die
Auslegung hat sich dabei an dem Grundsatz auszurichten, dass im Zweifel gewollt ist,
was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der Recht verstandenen
Interessenlage entspricht.
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Bei der Auslegung einer Kündigungserklärung ist zu berücksichtigen, dass die
Rechtsordnung nur die außerordentliche oder die ordentliche, d. h. fristgerechte
Kündigung zur Verfügung stellt. Die außerordentliche Kündigung – ob mit oder ohne
Auslauffrist – muss hinreichend deutlich erklärt sein. Daher genügt selbst die
Erkennbarkeit des Willens des Erklärenden, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung
zu beenden, dann nicht, wenn diese Erklärung die Deutungsmöglichkeit einschließt, die
sofortige Beendigung soll durch einen Beendigungstatbestand eintreten, der das
Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht voraussetzt, wie es z. B. bei der Berufung auf
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die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags aus Formmängeln oder bei der Anfechtung der
Fall ist. Erst recht muss in allen Fällen, in denen nicht einmal die sofortige
Vertragsbeendigung angestrebt wird (z. B. Einhaltung der Kündigungsfrist oder einer
kürzeren Frist, Gewährung einer Auslauffrist), zweifelsfrei der Wille erkennbar werden,
aus wichtigem Grund zu kündigen.
Verbindet deshalb der Kündigende mit der Kündigung einen Zeitpunkt, zu dem die
Kündigung in der Zukunft wirken soll, kann hierin grundsätzlich keine außerordentliche
Kündigung gesehen werden, wenn der Kündigende nicht gleichzeitig deutlich macht,
dass es sich dabei lediglich um eine Auslauffrist zu einer außerordentlichen Kündigung
handelt. Es liegt dann folgerichtig eine ordentliche Kündigung vor. Bei dieser Art der
Kündigung ist für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die
einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren will, da er aufgrund gesetzlicher,
tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden ist. Bei der Angabe des
Zeitpunkts, zu dem die Kündigung wirken soll, handelt es sich letztendlich nur um eine
Aus- bzw. Folgewirkung der Entscheidung, dass überhaupt gekündigt wird. Die Frist ist
deshalb grundsätzlich nur ein Berechnungsfaktor. Die Angabe des Kündigungstermins
ist damit regelmäßig eher eine "Wissenserklärung" als eine Willenserklärung.
Besonders deutlich wird dies in den Fällen, in denen der Kündigende zudem deutlich
macht, dass die Wiedergabe eines Datums, zu dem das Arbeitsverhältnis enden soll,
aus einer vorangegangenen Berechnung folgt – z. B. durch die Formulierung "Hiermit
kündige ich Ihnen ordentlich zum nächstzulässigen Termin. Das ist meines Wissens der
(konkrete) Zeitpunkt".
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Nur dann, wenn sich aus der Kündigung und der im Rahmen der Auslegung zu
berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls ein Wille des Kündigenden ergibt, die
Kündigung nur zum erklärten Zeitpunkt gegen sich gelten zu lassen, scheidet eine
Auslegung aus. Der Kündigungstermin wäre dann ausnahmsweise integraler
Bestandteil der Willenserklärung. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Auslegung der
Kündigung ergibt, dass die Kündigung ausschließlich zu dem in ihr genannten Zeitpunkt
gelten soll und für den Fall, dass dieser Termin nicht der richtige ist, am
Arbeitsverhältnis festgehalten werden soll.
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis
der Parteien durch die Kündigung des Klägers vom 23. März 2007 nicht zu dem im
Kündigungsschreiben angegebenen Termin 30. April 2007, sondern erst zum Ablauf der
einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist gemäß § 7 MTV Groß- und Außenhandel
NRW (3 Monate zum Monatsende) am 30. Juni 2007 beendet. Dem
Kündigungsschreiben ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass ausschließlich die
Beendigung durch eine ordentliche Kündigung gewollt war. Aufgrund welcher
Umstände zweifelsfrei der Wille des Klägers erkennbar sein soll, aus wichtigem Grunde
zu kündigen, lässt sich weder dem Schreiben noch dem unstreitigen Vorbringen der
Parteien oder den Darlegungen der Beklagten entnehmen. Tatsächliche Umstände
hierfür sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden. Zwar hat der
Kläger eine falsche Kündigungsfrist gewählt und an dieser trotz des umgehend erfolgten
schriftlichen Hinweises der Beklagten vom 29. März 2007 an seiner unzutreffenden
Rechtsauffassung festgehalten. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger lediglich
eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der seiner Auffassung nach zutreffenden
Frist erklären wollte. Dementsprechend konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien
rechtswirksam erst zum 30. Juni 2007 enden. Ein anderer Beendigungstatbestand, der
zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor diesem Termin führen
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könnte, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Es ist unerheblich, dass der Kläger am 1. Mai 2007 zunächst seine –
wettbewerbswidrige – Tätigkeit bei einem Konkurrenten der Beklagte aufgenommen hat.
Dies beruhte ersichtlich auf seiner unzutreffenden Ansicht über die Länge der von ihm
einzuhaltenden Kündigungsfrist. Entsprechendes gilt für die in dem anwaltlichen
Schreiben vom 23. April 2007 enthaltene Aufforderung, die Beklagte möge die
Kündigung vorbehaltlos akzeptieren. Aus all dem ergibt sich nicht, dass der Kläger zum
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist
zum 30. April 2007 kündigen wollte. Vielmehr ging es stets um eine ordentliche
Kündigung. Bei der Mitteilung des Beendigungstermins 30. April 2007 handelt es sich
lediglich um eine Wissenserklärung über die ausgehend von dem Rechtsstandpunkt
des Klägers einzuhaltende Kündigungsfrist. Aus der Wahl einer falschen
Kündigungsfrist und dem Festhalten an dieser nach Zugang der Kündigung folgt noch
nicht, dass die Kündigung ausschließlich zu diesem Zeitpunkt wirksam und andernfalls
das Arbeitsverhältnis nicht auflösen sollte. Vielmehr kam es dem Kläger gerade auf die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Dies schließt es aus, dass der mitgeteilte
Kündigungstermin in dem Schreiben vom 23. März 2007 integraler Bestandteil der
Kündigungserklärung ist.
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2. Die Beklagte befand sich nicht bereits aufgrund des Schreibens vom 15. Mai 2007 ab
diesem Zeitpunkt, sondern erst mit dem tatsächlichen Angebot der Arbeitskraft am 18.
Mai 2007 in Annahmeverzug.
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a) Der Arbeitgeber gerät nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene
Leistung nicht annimmt. Gemäß § 294 BGB muss die Leistung dem Gläubiger
grundsätzlich so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Der
Arbeitnehmer muss sich zur vertraglich vereinbarten Zeit an den vereinbarten Arbeitsort
begeben und die nach dem Vertrag geschuldete Arbeitsleistung anbieten. Nach § 295
BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat,
dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung
eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist.
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Im ungekündigten Arbeitsverhältnis ist ein tatsächliches Angebot zur Begründung eines
Annahmeverzugsanspruchs des Arbeitnehmers notwendig (vgl. BAG, 29. Oktober 1992,
2 AZR 250/92, EZA BGB § 615 Nr. 77). Entsprechendes gilt, wenn das
Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages zwischen den Parteien streitig ist (vgl.
BAG, 7. Dezember 2005, 5 AZR 19/05, AP BGB § 615 Nr. 114) oder der Arbeitnehmer
eine unwirksame Eigenkündigung ausgesprochen hat (vgl. BAG, 16. Januar 2003, 2
AZR 653/01, AP SeemG § 67 Nr. 2). Auf die Rechtsprechung zur Begründung des
Annahmeverzugs nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber kann in diesen Fällen nicht abgestellt
werden, weil der Arbeitgeber in diesen Fällen dem Arbeitnehmer nicht durch einseitige
gestaltende Willenserklärung die Arbeitsmöglichkeit entzieht (BAG, 7. Dezember 2005,
a.a.O.).
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Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein wirksames Arbeitsangebot durch sein Schreiben
vom 15. Mai 2007 nach Ausspruch seiner Eigenkündigung zum 30. April 2007 nicht
abgeben können. Vielmehr war ein tatsächliches Angebot seiner Arbeitskraft
erforderlich. Dies ist erst am 18. Mai 2007 erfolgt.
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b) Neben der Vergütung für den Monat Juni 2007 (2.288,38 € brutto) war für den Monat
Mai 2007 für die ab 18. Mai 2007 zu vergütenden 10 Arbeitstage (einschließlich
Feiertag) ein Betrag von 994,90 € brutto zu zahlen (2.288,38 € : 23 Arbeitstage x 10
Arbeitstage). Die weitergehende Klage war abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt durch § 92 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert blieb unverändert.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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