Urteil des LAG Hamm vom 19.01.2006
LArbG Hamm: grundsatz der gleichbehandlung, arbeitsgericht, auszahlung, gratifikation, befristung, zusage, datum, fälligkeit, niedersachsen, erfüllung
Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 1946/05
Datum:
19.01.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 1946/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Minden, 2 Ca 146/05
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 363/06 Revision zurückgewiesen
23.05.2007
Schlagworte:
1. Tarifliche Sonderzahlung; Erfüllung durch Zahlung einer
Jahresergebnisbeteiligung; 2. Freiwillige Weihnachtsgratifikation;
Stichtagsregelung
Normen:
§ 10 Manteltarifvertrag im genossenschaftlichen Groß- und
Außenhandel Niedersachsen vom 16.10.2003
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung
des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 26.08.2005 - 2
Ca 146/05 - teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Streitwert beträgt 1.024,00 EUR.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um eine tarifliche Sonderzahlung und um die Zahlung einer
freiwilligen Weihnachtsgratifikation.
2
Der Kläger war seit dem 01.12.2002 als Kraftfahrer zunächst befristet bis zum
30.11.2003 beschäftigt. Wegen der Befristungsvereinbarung vom 21.11.2002 wird auf
Bl. 5 d.A. verwiesen. Durch weitere Vereinbarung vom 30.04.2004 haben die Parteien
das Arbeitsverhältnis befristet bis zum 30.11.2004 fortgesetzt. Mit Ablauf des 30.11.2004
endete das Arbeitsverhältnis der Parteien. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand
der Manteltarifvertrag im genossenschaftlichen Groß- und Außenhandel Niedersachsen
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vom 16.10.2003 Anwendung, der am 01.01.2003 in Kraft getreten war. Das Tarifentgelt
des Klägers betrug zuletzt 2.047,00 EUR.
Mit Datum vom 03.07.2003 richtete die Beklagte ein Schreiben an ihre Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und teilte ihnen die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine
sogenannte freiwillige Weihnachtsgratifikation und eine freiwillige Ergebnisgratifikation
im Jahr 2003 mit. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 03.07.2003 wird auf Bl.
67 ff. d.A. Bezug genommen. Entsprechend der Ankündigung in diesem Schreiben
erhielt der Kläger im November 2003 die in Ziff. I geregelte freiwillige
Weihnachtsgratifikation in Höhe von 50 % seines Tariflohns. Die in Ziff. II des
Schreibens vom 03.07.2003 genannte freiwillige Ergebnisgratifikation zahlte die
Beklagte an den Kläger im Juli 2004 in Höhe von 1.331,00 EUR aus.
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Bereits unter dem Datum des 10.05.2004 teilte die Beklagte ihren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine freiwillige
Weihnachtsgratifikation bzw. eine freiwillige Ergebnisgratifikation im Jahr 2004 mit.
Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 24 ff. d.A. Bezug genommen. Im
November 2004 zahlte die Beklagte an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer die unter Ziff. I des Schreibens vom 10.05.2004 genannte freiwillige
Weihnachtsgratifikation. Der Kläger erhielt die freiwillige Weihnachtsgratifikation für
2004 nicht.
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Mit vorliegender Klage, die am 26.01.2005 beim Arbeitsgericht Minden einging, verlangt
der Kläger Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gemäß Ziff. I des Schreibens
der Beklagten vom 10.05.2004 in Höhe von 1.024,00 EUR brutto, die aus der anteiligen
tariflichen Sonderzahlung gemäß § 10 des genannten Manteltarifvertrages in Höhe von
11/12 des Anspruchs entsprechend 375,28 EUR brutto sowie einer freiwilligen
Sonderzahlung in Höhe von 648,72 EUR brutto besteht.
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Der Kläger hat zur Begründung seines Begehrens vorgetragen, er habe Anspruch auf
Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gem. Ziff. I des Schreibens der
Beklagten vom 10.05.2004 in Höhe von 50 % seines monatlichen Tariflohns. Die
Nichtzahlung stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, da
diese Leistung an die im Betrieb verbliebenen Mitarbeiter gezahlt worden sei. Da sein
Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung geendet habe, habe er sich nicht in einem
gekündigten Beschäftigungsverhältnis befunden. Ein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz sei auch darin zu sehen, dass im Laufe des Jahres 2004
eingetretene Mitarbeiter eine zeitanteilige Weihnachtsgratifikation erhielten. Ein
vernünftiger Grund, warum eintretende oder austretende Mitarbeiter unterschiedlich
behandelt würden, sei nicht ersichtlich. Eine Berechtigung zur Verrechnung der
freiwilligen Weihnachtsgratifikation mit der Sonderzahlung aus Juli 2004 lasse sich den
tarifvertraglichen Regelungen nicht entnehmen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.024,00 EUR brutto nebst 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 zu
zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der freiwilligen
Weihnachtsgratifikation gem. Ziff. I ihres Schreibens vom 10.05.2004, da er die dort
geregelten Voraussetzungen nicht erfülle. Anspruch auf Zahlung dieser Gratifikation
hätten nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis über das
Jahresende 2004 hinaus bestanden habe, und zwar ungekündigt. Die Zusage mit einer
derartigen Stichstagsregelung sei auch nicht sachwidrig; mit einer solchen
Sondervergütung solle die Betriebstreue und Betriebszugehörigkeit belohnt werden. Die
tarifliche Sonderzahlung, die Bestandteil der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gem.
Ziff. I ihres Schreibens vom 10.05.2004 sei, sei durch Zahlung der freiwilligen
Ergebnisgratifikation im Juli 2004 in Höhe von 1.331,00 EUR erfüllt.
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Im Termin vom 26.08.2005 hat das Arbeitsgericht folgendes Urteil verkündet:
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"Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 375,28 EUR brutto nebst 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 zu
bezahlen.
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Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 63 % und die Beklagte zu 37
%.
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Der Streitwert wird auf 1.024,00 EUR festgesetzt.
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Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen."
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Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 21.09.2005 zugestellt worden ist,
richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 13.10.2005 beim Landesarbeitsgericht
eingegangen und am 18.11.2005 begründet worden ist. Die Berufung des Klägers, dem
das Urteil des Arbeitsgerichts am 20.09.2005 zugestellt worden ist, ist am 20.10.2005
beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 17.11.2005 begründet worden.
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Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der anteiligen
tariflichen Sonderzahlung in Höhe von 375,28 EUR brutto. Der tarifliche Anspruch des
Klägers für das Jahr 2004 sei durch Zahlung einer Ergebnisgratifikation im Juli 2004
gemäß § 10 Ziff. 3 S. 1 des genannten Manteltarifvertrages erfüllt. Entgegen der
Auffassung des Arbeitsgerichts sei die im Juli 2004 gezahlte Ergebnisgratifikation keine
Leistung im Sinne des § 10 Ziff. 3 S. 3 des Manteltarifvertrages, deren Höhe durch die
individuelle Leistung bestimmt sei. Die Höhe der freiwilligen Ergebnisgratifikation richte
sich nicht nach der individuellen Leistung eines Arbeitnehmers. Die Höhe der
Auszahlung setze sich nach der Zusage vielmehr aus zwei Teilbeträgen zusammen,
nämlich einem Teilbetrag, der abhängig vom Gesamtergebnis der E1xxx M1xxxx-
H1xxxxxx sei, und einem weiteren Teilbetrag, der abhängig von den Kosten der
einzelnen Geschäftsbereiche sei. Das Gesamtergebnis der E1xxx M1xxxx-H1xxxxxx-
Gruppe und die Kosten ihrer einzelnen Geschäftsbereiche resultierten aus den
Leistungen aller Beschäftigten und aus sonstigen Faktoren, die nicht leistungsabhängig
seien. Der Auszahlungsanspruch eines Arbeitnehmers werde damit gerade nicht durch
dessen individuelle Arbeitsleistung bestimmt. Dass sie sich vorbehalten habe, die
Ergebnisgratifikation pro Fehltag eines Arbeitnehmers um 1/60 zu kürzen, mache die
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Gratifikation nicht zu einer individuellen Sonderzahlung im Sinne des § 10 Ziff. 3 S. 3
des Manteltarifvertrages. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift erfüllten nur
Leistungszuschläge im engeren Sinn den tariflichen Anspruch auf eine Sonderzahlung
nicht. Die freiwillige Ergebnisgratifikation sei keine Leistungszulage, weil sie an das
Gesamtergebnis des Konzerns und den Kosten des Unternehmens anknüpfe, mithin
keine individuelle Leistung honoriere.
Unerheblich sei, dass die freiwillige Ergebnisgratifikation bereits im Jahre 2003
zugesagt worden sei und es sich um eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Ergebnis
des Geschäftsjahres 2003 gehandelt habe. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Fälligkeit
der Gratifikation und deren Auszahlung. Mit der Zahlung der Ergebnisgratifikation im Juli
2004 sei damit der tarifliche Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung im Jahre
2004 erfüllt worden. Dass es für die Erfüllungswirkung einer Sonderleistung nach § 10
Ziff. 3 S. 1 des Manteltarifvertrages nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des
Anspruchs auf die Sonderleistung ankomme, sondern auf die Fälligkeit und die
Auszahlung, ergebe sich aus § 10 Ziff. 3 S. 2 des Manteltarifvertrages.
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Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Klage dagegen abgewiesen, soweit der Kläger
Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gem. Ziff. I des Schreibens vom
10.05.2004 begehre. Der Kläger habe die Voraussetzungen für diese Leistung nicht
erfüllt, weil er per 30.11.2004 ausgeschieden sei. Bedenken gegen die Wirksamkeit der
Zusage vom 10.05.2004 seien unbegründet. Sie, die Beklagte, habe ersichtlich den
Verbleib im Betrieb über das Jahresende 2004 hinaus honorieren wollen.
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Die Beklagte beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Minden abzuändern und die Klage
abzuweisen,
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2. die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 26.08.2005 – 2 Ca 146/05 –
abzuändern und nach den Schlussanträgen der 1. Instanz zu erkennen;
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2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, er habe Anspruch auf Zahlung der freiwilligen
Weihnachtsgratifikation gemäß Ziff. I des Schreibens der Beklagten vom 10.05.2004. Er
sei nicht aufgrund einer Kündigung, sondern wegen des Ablaufs des befristeten
Arbeitsverhältnisses ausgeschieden.
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Jedenfalls aber habe er Anspruch auf Zahlung der anteiligen Sonderzahlung gemäß §
10 des genannten Manteltarifvertrages. Das Arbeitsgericht habe § 10 des
Manteltarifvertrages rechtsfehlerfrei angewendet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32
I.
33
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom
26.08.2005, durch das sie zur Zahlung von 375,28 EUR brutto nebst Zinsen an den
Kläger verurteilt worden ist, ist an sich statthaft. Zwar übersteigt der Wert des
Beschwerdegegenstandes im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten nicht den
Betrag von 600,00 EUR. Das Arbeitsgericht hat die Berufung für die Beklagte im Urteil
aber ausdrücklich zugelassen. Die danach statthafte Berufung der Beklagten ist form-
und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG an sich statthaft; der Wert des
abgewiesenen Teils der Klage beträgt 648,72 EUR. Auch die Berufung des Klägers ist
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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II.
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Die Berufung der Beklagten hat auch der Sache nach Erfolg. Denn der Kläger hat
keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderzahlung gemäß § 10 des genannten
Manteltarifvertrages in Höhe von 375,28 EUR brutto. Demgegenüber war die Berufung
des Klägers zurückzuweisen. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der
Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gem. Ziff. I
des Schreibens der Beklagten vom 10.05.2004 in Höhe von 648,72 EUR brutto hat.
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1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf
eine anteilige Sonderzahlung gem. § 10 des Manteltarifvertrages Groß- und
Außenhandel Niedersachsen vom 16.10.2003 für das Jahr 2004 in Höhe von 375,28
EUR brutto.
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a) Nicht streitig zwischen den Parteien ist, dass der Kläger die
Anspruchsvoraussetzungen der tariflichen Sonderzahlung grundsätzlich erfüllt. Der
Kläger war seit dem 01.12.2002 bei der Beklagten beschäftigt und konnte damit eine
ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten aufweisen. Unerheblich ist, dass
das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.11.2004 geendet hat. Gemäß § 10 Ziff. 5 des
genannten Manteltarifvertrages erhalten Arbeitnehmer, die im Laufe eines
Kalenderjahres eintreten und die Voraussetzungen der Ziff. 1 erfüllen oder ausscheiden,
je vollen Kalendermonat ihrer Betriebszugehörigkeit im laufenden Kalenderjahr 1/12 der
Sonderzahlung. Da das Ausscheiden des Klägers nicht aus den in § 10 Ziff. 8 des
Manteltarifvertrages genannten Gründen erfolgt ist, stand ihm ein Anspruch auf die
tarifliche Sonderzahlung im Umfang von 11/12 des Jahresanspruchs zu.
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b) Der Anspruch des Klägers auf die tarifliche Sonderzahlung ist jedoch durch Zahlung
der Jahresergebnisbeteiligung in Höhe von 1.331,00 EUR durch die Beklagte in Juli
2004 erfüllt worden. Gemäß § 10 Ziff. 3 des genannten Manteltarifvertrages gelten
Sonderleistungen des Arbeitgebers, wie Weihnachtsgeld, Jahresergebnisbeteiligung
u.a. als Sonderzahlung im Sinne dieser Vereinbarung und erfüllen den tariflichen
Anspruch, soweit sie zusammengerechnet die Höhe der tariflich zu erbringenden
Leistung erreichen. Dies gilt gemäß § 10 Ziff. 3 S. 2 des genannten Manteltarifvertrages
auch, wenn die betrieblichen Sonderzahlungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen,
betrieblicher Übung oder Einzelarbeitsvertrag für einen vor Inkrafttreten dieser
Vereinbarung liegenden Zeitraum entstanden sind, aber erst nach Inkrafttreten dieses
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Tarifvertrages zur Auszahlung gelangen. Allerdings gelten als Sonderzahlung im Sinne
dieser Vereinbarung nicht solche Leistungen, deren Höhe durch die individuelle
Leistung bestimmt ist sowie das tarifliche Urlaubsgeld.
aa) Die Beklagte hat ihren Arbeitnehmern mit Schreiben vom 03.07.2003 eine
sogenannte freiwillige Ergebnisgratifikation zugesagt und in Erfüllung dieser Zusage an
den Kläger im Juli 2004 einen Betrag von 1.331,00 EUR gezahlt. Diese Zahlung ist als
Sonderleistung der Beklagten im Sinne des § 10 Ziff. 3 des Manteltarifvertrages zu
werten und erfüllt damit den Anspruch des Klägers auf die tarifliche Sonderzahlung.
Denn sie übersteigt der Höhe nach die tariflich zu erbringende Leistung. Unerheblich ist,
dass die freiwillige Ergebnisgratifikation bereits im Jahre 2003 zugesagt worden war
und es sich insoweit um eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Ergebnis des
Geschäftsjahres 2003 gehandelt hat. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es
für die Erfüllungswirkung einer Sonderleistung nach § 10 Ziff. 3 Satz 2 des
Manteltarifvertrages nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs auf die
Sonderleistung ankommt, sondern auf die Fälligkeit und die Auszahlung. Gemäß Ziff. II
des Schreibens der Beklagten vom 03.07.2003 erfolgte die Auszahlung der freiwilligen
Ergebnisgratifikation nach Genehmigung des Jahresabschlusses 2003 durch die
Gesellschafterversammlung per 31.07.2004.
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bb) Nach Auffassung der erkennenden Kammer sind die Voraussetzungen des § 10 Ziff.
3 letzter Absatz des genannten Manteltarifvertrages nicht gegeben. Denn bei der
freiwilligen Ergebnisgratifikation gemäß Schreiben der Beklagten vom 03.07.2003
handelt es sich nicht um eine Zahlung, deren Höhe durch die individuelle Leistung
bestimmt ist.
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(1) Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Höhe der Ergebnisgratifikation
durch Faktoren bestimmt wird, die nicht durch die individuelle Arbeitsleistung des
einzelnen Arbeitnehmers beeinflusst ist. Ausweislich des Schreibens der Beklagten
vom 03.07.2003 setzt sich die Höhe der freiwilligen Ergebnisgratifikation aus zwei
Teilbeträgen zusammen und wird wie folgt bestimmt:
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1. Abhängig vom Gesamtergebnis der E1xxx M1xxxx-H1xxxxxx (Ergebnis der
konsolidierten Bilanz) erhält jeder Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin maximal 20 % eines
monatlichen Tariflohnes/-gehaltes.
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5 % kommen zur Ausschüttung, wenn das von der Gesellschafterversammlung
verabschiedete Konzernplanergebnis erreicht wird. Die freiwillige Ergebnisgratifikation
erhöht sich um je 5 % bis auf maximal 20 %, wenn das Konzernergebnis jeweils um
600.000,00 EUR über dem geplanten und verabschiedeten Konzernergebnis liegt.
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2. Abhängig von den Kosten der einzelnen Geschäftsbereiche der E1xxx M1xxxx-
H1xxxxxx I1-/l2xxxxxx s1xxxxx GmbH erhält jeder Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin maximal
45 % eines monatlichen Tariflohnes/-gehaltes. 15 % kommen bei Planerreichung zur
Auszahlung. Bei Verbesserung des Bereichsergebnisses um je 1 % steigt die
Gratifikation um je 5 % bis zum Maximum von 45 %.
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Hieraus folgt, dass die Höhe der freiwilligen Ergebnisgratifikation durch Faktoren
bestimmt wird, auf die der einzelne Arbeitnehmer durch seine individuelle Leistung
keinen Einfluss hat.
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(2) Zwar ist im Schreiben der Beklagten vom 03.07.2003 weiter geregelt, dass pro
Fehltag des Arbeitnehmers 1/60, bezogen auf eine 5-Tage-Woche, von der erreichten
Ergebnisgratifikation abgezogen wird, wobei Urlaub, Sonderurlaub laut Tarifvertrag und
die Tage während der Mutterschutzfrist nicht als Fehltage gelten. Hierdurch wird die
freiwillige Ergebnisgratifikation nicht zu einer Sonderzahlung, deren Höhe im Sinne von
§ 10 Ziff. 3 letzter Satz des Manteltarifvertrages durch die individuelle Leistung bestimmt
wird. Zwar kann durch die Regelung der Beklagten vom 03.07.2003 die freiwillige
Ergebnisgratifikation in voller Höhe entfallen, falls der einzelne Arbeitnehmer 60 oder
mehr Fehltage im Sinne der o.g. Regelung aufzuweisen hat. Das Nichtvorhandensein
von Fehltagen als Voraussetzung für die ungekürzte Zahlung der freiwilligen
Ergebnisgratifikation hat jedoch nicht zur Folge, dass diese Zahlung der Beklagten der
Höhe nach durch die individuelle Leistung des Arbeitnehmers bestimmt wird. Soweit der
einzelne Arbeitnehmer krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen hat, reduziert sich
die freiwillige Ergebnisgratifikation nicht infolge mangelnder individueller Leistung des
Arbeitnehmers. Krankheit als plötzliches unvorhergesehenes Ereignis ist nicht dem
Leistungsbereich zuzuordnen; vielmehr sind krankheitsbedingte Fehlzeiten auf Gründe
in der Person des Arbeitnehmers zurückzuführen.
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Soweit ein Arbeitnehmer unentschuldigte Fehltage aufzuweisen hat, beruht die Kürzung
der freiwilligen Ergebnisgratifikation ebenfalls nicht auf mangelhafter individueller
Leistung im Sinne des § 10 Ziff. 3 letzter Absatz des Manteltarifvertrages.
Unentschuldigte Fehltage betreffen nicht die individuelle Leistung, sondern das
Verhalten des Arbeitnehmers.
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2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf
Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation gemäß Ziff. I des Schreibens der
Beklagten vom 10.05.2004 in Höhe von insgesamt 50 % des jeweiligen monatlichen
Tariflohnes hat.
50
a) Gemäß Ziff. I Abs. 2 des Schreibens der Beklagten vom 10.05.2004 setzt die
freiwillige Weihnachtsgratifikation sich zusammen aus der tariflichen Sonderzahlung
und aus einer freiwilligen Sonderzahlung und beträgt 50 % des jeweiligen monatlichen
Tariflohnes/-gehaltes. Soweit die tarifliche Sonderzahlung gemäß § 10 des genannten
Manteltarifvertrages in Frage steht, ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass der
dahingehende Anspruch des Klägers, der grundsätzlich gegeben war, durch Zahlung
der Jahresergebnisbeteiligung durch die Beklagte im Juli 2004 in Höhe von 1.331,00
EUR erfüllt worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die erkennende
Kammer auf die obigen Ausführungen.
51
b) Soweit die freiwillige Sonderzahlung als weiterer Bestandteil der Leistung gemäß Ziff.
I des Schreibens der Beklagten vom 10.05.2004 in Frage steht, ist ein Anspruch des
Klägers hierauf nicht gegeben. Denn der Kläger ist mit Ablauf der Befristung am
30.11.2004 aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten ausgeschieden, so
dass sein Beschäftigungsverhältnis über das Jahresende 2004 hinaus nicht fortbestand.
52
aa) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für
die Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation zweigeteilt sind. Ziff. I des
Schreibens der Beklagten vom 10.05.2004 setzt zum einen voraus, dass das
Arbeitsverhältnis über das Jahresende 2004 hinaus fortbesteht und verlangt zum
anderen, dass es ungekündigt sein muss. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit
Ablauf der Befristung am 30.11.2004 geendet hat, kann er bereits den ersten Teil der
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Leistungsvoraussetzung nicht erfüllen. Denn sein Arbeitsverhältnis besteht nicht über
das Jahresende 2004 hinaus fort.
bb) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der freiwilligen
Weihnachtsgratifikation gem. Ziff. I des Schreibens vom 10.05.2004 ergibt sich auch
nicht aus Gleichbehandlungsgrundsätzen.
54
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der
in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen
gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Danach
ist es ihm verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne
sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie
schlechter zu stellen. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die
Voraussetzungen so abgrenzen, dass nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der
Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen wird (vgl. BAG, Urteil vom
08.03.1995 – 10 AZR 208/94 -, NJW 1996, 948, 949 m.w.N.).
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(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Ausschluss des Klägers vom
Bezug der freiwilligen Weihnachtsgratifikation als sachlich gerechtfertigt anzusehen.
Unerheblich ist hierbei, dass Arbeitnehmer der Beklagten, die im Laufe des Jahres 2004
eingetreten sind, gemäß Ziff. I Abs. 3 des Schreibens vom 10.05.2004 eine zeitanteilige
Weihnachtsgratifikation in Höhe der Sonderzahlung gemäß der tariflichen Regelung
erhalten. Der Arbeitgeber darf bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung danach
differenzieren, ob die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag
feststeht oder nicht. Freiwillige Leistungen sollen – unabhängig davon, inwieweit mit
ihnen auch eine künftige Betriebstreue bewirkt oder honoriert werden soll – den
Arbeitnehmer grundsätzlich auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit
motivieren. Eine solche motivierende Wirkung kann eine Sonderzahlung gegenüber
bereits ausgeschiedenen oder alsbald ausscheidenden Arbeitnehmern nicht mehr
entfalten. Schon diese am Motivationszweck orientierte Differenzierung danach, ob das
Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag noch besteht oder seinem Ende zugeht, ist
sachlich gerechtfertigt. Dies gilt auch dann, wenn mit der Sonderzahlung gleichzeitig in
der Vergangenheit geleistete Dienste für den Betrieb zusätzlich anerkannt werden
sollen. Der Zweck einer Sonderzuwendung allein vermag über die gesetzten
Anspruchsvoraussetzungen hinaus einen Anspruch auf die Sonderzuwendung nicht zu
begründen (vgl. BAG, Urteil vom 08.03.1995, a.a.0., m.w.N.).
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Angesichts dessen war die Beklagte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
mit Ablauf der Befristung am 30.11.2004 ohne weiteres berechtigt, den Kläger von der
Zahlung der freiwilligen Weihnachtsgratifikation auszunehmen. Tatsachen, die den
Schluss zulassen, die Beklagte habe anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage im
Jahre 2004 die freiwillige Weihnachtsgratifikation gezahlt, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich.
57
III.
58
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO.
59
Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
60
Das Gericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.
61
Dr. Wendling
Kerkenberg
Kampschulte
62
/WR.
63