Urteil des LAG Hamm vom 23.10.2009

LArbG Hamm (betriebsrat, einstellung des verfahrens, lager, erledigung des verfahrens, hauptsache, mitarbeiter, bag, beschwerde, rechtsschutzinteresse, betrieb)

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 59/09
Datum:
23.10.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 59/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Minden, 2 BV 15/07
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats; Taschenverbot im Betrieb;
Ordnung des Betriebes; Erledigung des Verfahrens;
Rechtsschutzinteresse; Erledigungserklärung; Erledigung des
Beschwerdeverfahrens
Normen:
§§ 90 Abs. 2, 83 a Abs. 2, Abs. 3 ArbGG, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Tenor:
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Minden vom 27.06.2007 – 2 BV 15/07 – abgeändert.
Der Antrag des Betriebsrats wird als unzulässig abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
A
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Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im
Zusammenhang mit einem Taschenverbot im Lager der Arbeitgeberin.
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Die Arbeitgeberin betreibt einen Großhandel für Farben, Bodenbeläge, Tapeten und
Werkzeuge. Sie beschäftigt an mehreren Standorten mehr als 400 Mitarbeiter.
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Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der bei der Arbeitgeberin gewählte
Betriebsrat.
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Im Betrieb der Arbeitgeberin gab es seit langen Jahren – auch schon vor Bildung des
Betriebsrats – ein durch die Lagerleitung der Arbeitgeberin verhängtes Taschenverbot.
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Die Frage eines Taschenverbots im Lagerbereich wurde sodann Anfang 2007
Gegenstand eines Monatsgesprächs zwischen den Beteiligten. In dem Gespräch vom
24.01.2007 kamen die Beteiligten überein, eine Regelung eines Taschenverbots
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24.01.2007 kamen die Beteiligten überein, eine Regelung eines Taschenverbots
gemeinsam zu erarbeiten. Die Arbeitgeberin erarbeitete daraufhin einen Entwurf vom
08.02.2007 (Bl. 6 d.A.), dem der Betriebsrat jedoch gemäß Schreiben vom 19.02.2007
(Bl. 7 d.A.) nicht zustimmte.
Daraufhin erstellte die Arbeitgeberin eine "Information für alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter" über ein Taschenverbot im Lager, das auch im Betrieb der Arbeitgeberin
ausgehängt wurde (Bl. 8 d.A.). Mit Schreiben vom 15.03.2007 (Bl. 9 d.A.) forderte der
Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, mit ihm in Verhandlungen wegen eines
Taschenverbots zu treten und das ausgehängte Taschenverbot aufzuheben. In einem
weiteren Monatsgespräch vom 22.03.2007, in dem die Frage des Taschenverbots noch
einmal besprochen wurde, vertrat die Arbeitgeberin die Auffassung, dass der Ausspruch
eines Taschenverbots einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht unterliege.
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Mit dem am 04.04.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren verfolgt
der Betriebsrat sein zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgtes
Begehren, mit dem der Betriebsrat aufgrund des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom
27.04.2007 – 2 BVGa 5/07 Arbeitsgericht Minden – obsiegte, im Hauptsacheverfahren
weiter.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Anordnung der Arbeitgeberin unterliege
dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der
einzelnen Arbeitnehmer gebiete die Beteiligung des Betriebsrats bei entsprechenden
Maßnahmen.
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Durch das Verbot der Mitnahme von privaten Taschen werde den Mitarbeitern die
Möglichkeit genommen, beispielsweise verderbliche Nahrungsmittel in kleinen
Kühltaschen mit zur Arbeit zu nehmen und die Nahrungsmittel dort zu verzehren. Dieses
Recht werde durch die einseitige Maßnahme der Arbeitgeberin ohne jeden Grund und
sehenden Auges gesetzwidrig beeinträchtigt. Gründe, aufgrund derer es der
Arbeitgeberin gestattet werden dürfte, das Taschenverbot vorab ohne Zustimmung des
Betriebsrats auszusprechen, seien nicht ersichtlich.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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der Arbeitgeberin aufzugeben, es ab sofort zu unterlassen, ein Taschenverbot im
Lager auszusprechen und aufrechtzuerhalten, bis entweder die Zustimmung des
Betriebsratsrats für ein solches Taschenverbot im Lager vorliegt oder die
Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt
worden ist,
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für den Fall der Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld bis zu
10.000,00 € anzudrohen.
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Die Arbeitgeberin hat beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats scheitere im
vorliegenden Fall bereits daran, dass es sich bei dem streitigen Taschenverbot um eine
Maßnahme handele, die jedenfalls unausgesprochen bereits im Betrieb der
Arbeitgeberin bestanden habe, bevor überhaupt ein Betriebsrat gewählt worden sei.
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Das ausgehängte Taschenverbot vom 22.02.2007 sei nur die Wiederholung der
früheren Anweisung der Arbeitgeberin gewesen. Eine rückwirkende Mitbestimmung
komme aber nicht in Betracht. Auch stelle das Verbot, Taschen in das Warenlager zu
nehmen, keine Frage der Ordnung im Betrieb, sondern der Sicherheit der Mitarbeiter
dar. In Sicherheitsfragen müsse ein Unternehmen einseitig Anordnungen für das
Unternehmen treffen dürfen. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, Sicherheitsvorkehrungen
zu schaffen, um die Ware im Lager ausreichend gegen Diebstahl zu schützen. Dazu
gehörten auch die Anordnung eines generellen Taschenverbots für alle Mitarbeiter, die
das Lager beträten. Das Taschenverbot diene auch dem Schutz der Mitarbeiter, da sie
von vornherein vom Verdacht ausgenommen würden, für eventuelle Inventurdifferenzen
verantwortlich zu sein.
Das Eigentumssicherungsinteresse der Arbeitgeberin könne auch nicht durch das
Verlangen des Betriebsrats, das Taschenverbot als einseitige Maßnahme aufzuheben,
außer Kraft gesetzt oder ausgehöhlt werden. Das Recht, eine mitbestimmte Maßnahme
verlangen zu können, unterliege insoweit Grenzen.
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Das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter sei durch das Verbot auch nicht unzumutbar
eingeschränkt, da durch verschließbare Schränke dem Mitarbeiter die Möglichkeit
gegeben sei, seine persönliche Habe wirksam vor dem Zugriff Dritter zu verschließen
und auch die Nahrungsmitnahme an den Arbeitsplatz gestattet bleibe. Im Falle einer
Hitzeperiode sei die Arbeitgeberin bereit, vom strengen Taschenverbot abzuweichen,
sodass dieses nicht zur Begründung einer dauerhaften unzumutbaren
Persönlichkeitsrechtsverletzung herangezogen werden könne.
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Durch Beschluss vom 27.06.2007 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats
stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das von der Arbeitgeberin verhängte
Taschenverbot unterliege dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG. Bei dem Taschenverbot handele es sich um eine Frage der Ordnung des
Betriebes. Das Taschenverbot betreffe nicht lediglich das Arbeitsverhalten der
Mitarbeiter.
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Gegen den der Arbeitgeberin am 13.07.2007 zugestellten Beschluss, auf dessen
Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 09.08.2007
Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der
Beschwerdebegründungsfrist bis zum 15.10.2007 mit dem am 11.10.2007 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Nach Zustellung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 27.06.2007 wurde der das
Taschenverbot im Lager enthaltene Aushang vom 22.02.2007 durch die Arbeitgeberin
wieder abgenommen und aus dem Lager entfernt. Daraufhin wurde nach Durchführung
eines Anhörungstermins vor der Beschwerdekammer das Beschwerdeverfahren
zunächst nicht weiterbetrieben.
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Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung unterliege der
Abänderung. Im vorliegenden Verfahren gehe es nicht um die erstmalige Anordnung
eines Taschenverbots, sondern lediglich um die Aufrechterhaltung eines seit Jahren
bestehenden Taschenverbots bei der Arbeitgeberin. Insoweit behauptet die
Arbeitgeberin, im gewerblichen Bereich bestehe seit etlichen Jahren die Anweisung,
keine Taschen mit in das Lager zu nehmen. Diese Anordnung sei seinerzeit von dem
ehemaligen Lagerleiter A2 ausgesprochen worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als es
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bei der Arbeitgeberin überhaupt noch keinen Betriebsrat gegeben habe. Mit dem
Aushang vom 22.02.2007 sei lediglich an dieses, bereits seit Jahren bestehenden
Taschenverbots erinnert worden. Allein dadurch, dass die Arbeitgeberin an dieses
Taschenverbot erinnere, werde die Maßnahme nicht zu einem
mitbestimmungspflichtigen Tatbestand.
Im Übrigen habe sich das vorliegende Verfahren durch die Abnahme des Aushanges
vom 22.02.2007 erledigt. Unterlassungsansprüche könne der Betriebsrat nun nicht mehr
geltend machen. Wenn der Betriebsrat eine Änderung der seit Jahren bestehenden
Situation herbeiführen wolle, könne er sein Initiativrecht in Anspruch nehmen und
gegebenenfalls auch die Einigungsstelle anrufen. Bis zu einem entsprechenden
Initiativantrag des Betriebsrats verbleibe es bei der Arbeitgeberin bei dem Zustand, wie
er vor der erstmaligen Betriebsratswahl bestanden habe, das vorliegende Verfahren sei
jedenfalls in der Hauptsache erledigt.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 27.06.2007 – 2 BV 15/07 –
abzuändern und den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, das
Arbeitsgericht sei zu Recht von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der
Anordnung eines Taschenverbots ausgegangen. Er behauptet, dass es ein allgemeines
für den gesamten Lagerbereich gültiges, offiziell ausgesprochenes Taschenverbot
niemals gegeben habe. Es sei lediglich so gewesen, dass einzelne Mitarbeiter
angesprochen worden seien, keine privaten Taschen mit in den Lagerbereich nehmen
zu dürfen.
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Im Übrigen sei das vorliegende Verfahren durch die Abnahme des Aushanges vom
22.02.2007 nicht erledigt. Gegenstand des Unterlassungsbegehrens des Betriebsrats
sei zwar das am 22.02.2007 ausgesprochene Taschenverbot gewesen. Allein die
Abnahme des Aushanges führe aber nicht dazu, dass das durch die Arbeitgeberin
ausgesprochene Taschenverbot inhaltlich wieder rückgängig gemacht worden sei. Eine
Erledigung des Hauptsacheverfahrens könne nur dann eintreten, wenn die
Arbeitgeberin ausdrücklich erkläre, dass im Betrieb aktuell kein Taschenverbot bestehe.
Eine eindeutige Erklärung der Arbeitgeberin liege insoweit nicht vor. Der Betriebsrat
könne allenfalls das Beschwerdeverfahren für erledigt erklären, die Hauptsache sei
nicht erledigt.
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Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
31
B
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Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
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I.
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Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig.
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Die Arbeitgeberin hat die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom
27.06.2007 form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 89
Abs. 2 ArbGG.
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Die Unzulässigkeit der Beschwerde der Arbeitgeberin ergibt sich auch nicht daraus,
dass sie das Verfahren im Beschwerderechtszug in der Hauptsache für erledigt erklärt
hat. Zwar wäre eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren wegen Erledigung der
Hauptsache zulässig (BAG, 23.01.2008 – 1 ABR 64/06 – AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 10,
Rn. 10). Eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 90 Abs. 2, 83 a ArbGG käme
jedoch nur dann in Betracht, wenn entweder die Beteiligten das Verfahren
übereinstimmend für erledigt erklärt hätten (§ 83 a Abs. 2 ArbGG), oder wenn der
Antragsteller – hier der Betriebsrat – das Verfahren mit Zustimmung der übrigen
Beteiligten nach § 83 a Abs. 3 ArbGG für erledigt erklärt hätte.
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Eine übereinstimmende Erledigungserklärung beider Beteiligten des vorliegenden
Verfahrens liegt nicht vor. Eine Erledigungserklärung in der Hauptsache hat lediglich die
Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren abgegeben, die Arbeitgeberin ist jedoch nicht
die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens. Der Betriebsrat hat lediglich das
Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass
auch ein Rechtsmittel für erledigt erklärt werden kann (vgl. BAG, 20.12.2007 – 9 AZR
1040/06 – AP ZPO § 91 a Nr. 29; BGH, 11.01.2001 – V CB 40/99 – MDR 2001, 647;
BGH, 12.05.1998 – IX CR 219/97 – NJW 1998, 2453 m.w.N.), steht dieses Recht
lediglich dem Rechtsmittelführer, dem Beschwerdeführer zu. Der Betriebsrat ist jedoch
im vorliegenden Verfahren nicht der Beschwerdeführer. Gerade weil der Betriebsrat
lediglich das Beschwerdeverfahren für erledigt erklären will, liegt eine
übereinstimmende Erledigungserklärung beider Beteiligten in der Hauptsache
jedenfalls nicht vor.
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Eine Einstellung des Verfahrens kam auch nicht nach den §§ 90 Abs. 2, 83 a Abs. 3
ArbGG in Betracht. Eine Erledigungserklärung des Antragstellers in der Hauptsache
liegt nicht vor. Der Betriebsrat hat als Antragsteller des vorliegenden Verfahrens
lediglich das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt. Eine Erledigungserklärung in der
Hauptsache hat lediglich die Arbeitgeberin abgegeben. Erklärt jedoch ein anderer
Beteiligter als der Antragsteller ein Beschlussverfahren in der Hauptsache für erledigt,
so gilt hierfür § 83 a Abs. 3 ArbGG nicht. Eine solche Erklärung ist für die Beendigung
des Verfahrens ohne Bedeutung, das Verfahren ist in der Hauptsache fortzuführen. Eine
Erledigungserklärung eines anderen Beteiligten als des Antragstellers kann allenfalls
Anlass zur Prüfung der Frage sein, ob für den Antrag noch ein Rechtsschutzinteresse
besteht (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 83 a Rn. 25;
Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 83 a Rn. 24; GK/Dörner, ArbGG, § 83 a Rn. 32,
ErfK/Eisemann/Koch, 9. Aufl., § 83 a ArbGG Rn. 4 m.w.N.).
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II.
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Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
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Dem vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsanspruch fehlt es nämlich – inzwischen –
an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Der Antrag des Betriebsrats ist damit
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unzulässig geworden.
1. Das gewählte Beschlussverfahren ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG zwar die
richtige Verfahrensart. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche
Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich darum, ob es sich bei dem
Taschenverbot der Arbeitgeberin vom 22.02.2007 um eine mitbestimmungspflichtige
Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG handelt und ob hieraus ein
Unterlassungsanspruch folgt.
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Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin am
vorliegenden Verfahren ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
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3. Nach Auffassung der Beschwerdekammer fehlt es für den vom Betriebsrat geltend
gemachten Unterlassungsanspruch jedoch inzwischen an dem erforderlichen
Rechtsschutzinteresse.
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a) Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Während es
bei Feststellungsanträgen in Gestalt des rechtlichen Interesses an alsbaldiger
gerichtlicher Feststellung gemäß § 256 Abs. 1 ZPO stets gesondert zu prüfen ist, ist es
bei einer Leistungs- und Gestaltungsklage regelmäßig gegeben. Das
Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich nämlich regelmäßig aus der
Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs (BAG, 14.09.1994 – 5 AZR 632/93 –
AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 13; BAG, 03.06.2003 – 1 AZR 349/02 – AP BetrVG 1972
§ 77 Tarifvorbehalt Nr. 19; BAG, 09.05.2006 – 9 AZR 278/05 – AP BErzGG § 215 Nr. 47;
BAG, 19.02.2008 – 1 ABR 65/05 – AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 11). Für eine
Unterlassungsklage gilt nichts anderes. Insoweit genügt regelmäßig die Behauptung,
dass der vom Anspruchssteller verfolgte Anspruch besteht. Ob der behauptete Anspruch
besteht, ist grundsätzlich eine Frage der Begründetheit. Besondere Umstände können
aber bereits das Verlangen, in die materiell-rechtliche Sachprüfung einzutreten, als
nichtschutzwürdig erscheinen lassen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein
einfacherer oder billigerer Weg zur Verfügung steht oder wenn der Antragsteller
offensichtlich gerichtlicher Hilfe zur Erreichung seines Ziels nicht – mehr – bedarf.
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b) So liegt der vorliegende Fall. Das Rechtsschutzinteresse für den vom Betriebsrat
geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist nämlich dadurch entfallen, dass die
Arbeitgeberin den streitigen Aushang vom 22.02.2007 nach Erlass des erstinstanzlichen
Beschlusses abgenommen und aus dem Lager der Arbeitgeberin entfernt hat. Ist jedoch
das Rechtsschutzinteresse nachträglich entfallen und hält der Antragsteller seinen
Antrag gleichwohl aufrecht, so ist dieser nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts als unzulässig abzuweisen (BAG, 06.10.1978 – 1 ABR 75/76 –
AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 2; BAG, 23.01.1986 – 6 ABR 47/82 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr.
31; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 83 a Rn. 25; Schwab/Weth,
a.a.O., § 83 a Rn. 24 m.w.N.).
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Durch die Abnahme des Aushanges vom 22.02.2007 ist das Unterlassungsbegehren
des Betriebsrats erledigt. Anlass für die Einleitung des vorliegenden
Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht war gerade der Aushang vom 22.02.2007, zu
dem der Betriebsrat seine Zustimmung nicht erteilt hatte. Dies ergibt sich zunächst aus
dem zwischen den Beteiligten geführten vorprozessualen Schriftverkehr. Das Schreiben
des Betriebsrats vom 15.03.2007 bezieht sich ausdrücklich auf das von der
Arbeitgeberin "einseitig ausgesprochene Taschenverbot im Lager", so wie es mit
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Aushang vom 22.02.2007 ausgesprochen worden ist. Darüber hinaus hat der
Betriebsrat im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 11.01.2008
ausdrücklich zu Protokoll erklärt, Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sei das am
22.02.2007 ausgesprochene Taschenverbot. Nachdem dieser Aushang vom 22.02.2007
und das damit durch den Aushang vom 22.02.2007 ausgesprochene Taschenverbot
rückgängig gemacht und entfernt worden ist, besteht für das Unterlassungsbegehren
des Betriebsrats kein Rechtsschutzinteresse mehr.
Der Betriebsrat kann sich auch nicht darauf berufen, für das Unterlassungsbegehren
bestehe nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse, weil die Arbeitgeberin keine
eindeutige Erklärung zu dem Taschenverbot abgegeben habe, insbesondere habe die
Arbeitgeberin nicht ausdrücklich erklärt, dass im Betrieb überhaupt kein Taschenverbot
bestehe. Zwischen den Beteiligten ist nämlich offenbar nach wie vor streitig, ob es im
gesamten Lagerbereich – neben dem Taschenverbot vom 22.02.2007 – überhaupt ein
gültiges, bereits vor Jahren ausgesprochenes Taschenverbot gegeben hat. Während die
Arbeitgeberin dies in der Beschwerdeinstanz unter Beweisantritt behauptet hat, hat der
Betriebsrat dies in Abrede gestellt. Soweit der Betriebsrat jedoch behauptet, es gebe
überhaupt kein Taschenverbot im Lager, geht sein Unterlassungsbegehren ins Leere.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann sich nur auf ein bestehendes
Taschenverbot im Lager beziehen. Das durch Aushang vom 22.07.2007
ausgesprochene Taschenverbot hat die Arbeitgeberin jedoch unstreitig rückgängig
gemacht.
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Unstreitig hat der Betriebsrat auch ein etwaiges ihm zustehende Initiativrecht – für den
Fall, dass ein Taschenverbot im Lager nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
mitbestimmungspflichtig sein sollte – zu keinem Zeitpunkt ausgeübt. Hierauf hat die
Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich hingewiesen. Der Betriebsrat ist
auch nicht der Anregung der Beschwerdekammer, eine Einigungsstelle anzurufen,
gefolgt. Auch hieraus ergibt sich, dass das Unterlassungsbegehren des Betriebsrats
erledigt ist und für eine Fortsetzung des Verfahrens kein Rechtsschutzbedürfnis mehr
besteht.
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III.
51
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den
§§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
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