Urteil des LAG Hamm vom 24.04.2002

LArbG Hamm: betriebsrat, leitende stellung, arbeitsgericht, aufrechterhaltung der ordnung, verwalter, verantwortlichkeit, geschäftsleitung, beschwerdekammer, leiter, anweisung

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 142/01
Datum:
24.04.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 142/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 9 BV 44/01
Schlagworte:
§ 99 Abs. 1, 4 BetrVG§§ 2, 3 Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel
NRW
Normen:
§ 99 Abs. 1, 4 BetrVG§§ 2, 3 Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel
NRW
Rechtskraft:
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.08.2001 - 9 BV 44/01 -
wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
A
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Die Beteiligten streiten um die zutreffende Eingruppierung eines Mitarbeiters des
Arbeitgebers.
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Der antragstellende Arbeitgeber betreibt zahlreiche Baumärkte, unter anderem den
Baumarkt in K3xxx. Im Betrieb des Arbeitgebers in K3xxx ist ein Betriebsrat gebildet, der
bislang aus fünf Personen bestand, seit der Betriebsratswahl 2002 aus drei Personen.
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Im Baumarkt in K3xxx war im März 2001 eine Stelle im Bereich des Warenlagers zu
besetzen, nachdem der bisherige Stelleninhaber ausgeschieden war. In einer
innerbetrieblichen Ausschreibung vom 29.06.2000 (Bl. 24 d.A.) war diese Stelle als
"Wareneingangsleiter/in" bezeichnet. Auch in anderen innerbetrieblichen Formularen
wurde die Stelle als "Wareneingangsleiter" bezeichnet (Bl. 25, 26 d.A.).
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Der Arbeitgeber entschied sich schließlich, die freie Stelle im Betrieb K3xxx mit dem
Mitarbeiter P4xxx S4xxxxxxxxxxx zu besetzen, der seit März 1997 im Markt 81x, in
D2xxxxxx, tätig gewesen war und dort nach Angaben des Arbeitgebers aufgrund eines
dortigen Haustarifvertrages als "Lagererster" eingesetzt war. Mit Schreiben vom
06.03.2001 (Bl. 3 d.A.) teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass beabsichtigt sei,
den Mitarbeiter P4xxx S4xxxxxxxxxxx auf der freien Stelle im Wareneingang als
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den Mitarbeiter P4xxx S4xxxxxxxxxxx auf der freien Stelle im Wareneingang als
"Lagerersten" zum 15.03.2001 zu beschäftigen und ihn in die Gehaltsgruppe II des
Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen - GTV -
einzugruppieren. Mit Schreiben vom 13.03.2001 (Bl. 4 d.A.) und vom 12.04.2001 (Bl. 5
d.A.) stimmte der Betriebsrat der Einstellung des Mitarbeiters zu, widersprach jedoch
ausdrücklich der vorgesehenen Eingruppierung mit dem Hinweis darauf, dass eine
Eingruppierung in die Gehaltsgruppe IV GTV zu erfolgen habe.
Am 11.04.2001 schloss der Arbeitgeber daraufhin mit dem Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx
einen Arbeitsvertrag (Bl. 6 ff.d.A.) ab, wonach der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx seit dem
01.04.2001 als Lagererster unter Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II GTV zu einem
monatlichen Tarifentgelt von 3.556,00 DM zuzüglich einer freiwilligen übertariflichen
Zulage von 407,00 DM eingestellt wurde.
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Im Rahmen seiner Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers in K3xxx ist der Mitarbeiter
S4xxxxxxxxxxx zuständig für die Überprüfung des Wareneingangs, für das Versenden
von Reparaturen, für den wöchentlichen Abgleich der Reparaturbelege, für das
Versenden von Retouren und die damit verbundene Belegerstellung sowie für die
gesamte Durchführung der Be- und Entladetätigkeiten im Lager. Herr S4xxxxxxxxxxx
arbeitet regelmäßig mit drei Mitarbeitern im Wareneingangsbereich zusammen. Sein
direkter Vorgesetzter ist der Geschäftsstellenleiter Herr N1xxxxxxx.
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Mit dem am 24.04.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag machte der
Arbeitgeber die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur
Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx geltend.
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Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, Herr S4xxxxxxxxxxx sei zu Recht in die
Gehaltsgruppe II GTV eingruppiert worden, da er als Lagererster tätig werde. Herr
S4xxxxxxxxxxx übe im Wesentlichen solche Arbeiten aus, die auch von allen anderen
Mitarbeitern im Wareneingang bewerkstelligt werden müssten. Die zusätzlichen
Verwaltungsaufgaben, wie der manuelle Vergleich der Daten der Bestellung/Auftrag mit
den kontrollierten Lieferscheinen sowie die Erstellung des Belegwesens bei Retouren
und die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sauberkeit im Wareneingangsbereich
führten nicht zu einem eigenständigen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum; es
handele sich vielmehr um erweiterte Fachkenntnisse.
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Der Arbeitgeber hat beantragt,
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die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn
P4xxx S4xxxxxxxxxxx in die Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrages für den
Einzelhandel NRW zu ersetzen.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
14
Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe Herrn S4xxxxxxxxxxx
unzutreffenderweise in die Gehaltsgruppe II GTV eingruppiert; zutreffend sei eine
Eingruppierung in die Gehaltsgruppe IV GTV. Herr S4xxxxxxxxxxx sei als Leiter der
Warenannahmeabteilung anzusehen. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehöre die Kontrolle
der Warenausgänge und der Wareneingänge, die Bearbeitung und das Einbuchen von
entsprechenden Belegen mit Hilfe der EDV sowie die Bearbeitung der Reparaturbelege.
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Hinzu komme die Verantwortlichkeit für die übrigen drei Mitarbeiter, die ihm
nachgeordnet seien und denen er Anweisungen erteile. Der Leiter der Warenannahme
habe die volle Verantwortung für seinen Tätigkeitsbereich, das gesamte Gebiet der
Warenannahme einschließlich der Lagerverwaltung unterliege seiner persönlichen
Verantwortung. Auch die bisherigen Stelleninhaber seien als Wareneingangsleiter tätig
gewesen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen
S4xxxxxxxxxxx. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, so wie es in der
Sitzungsniederschrift vom 15.08.2001 (Bl. 43 ff.d.A.) niedergelegt ist, wird Bezug
genommen.
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Durch Beschluss vom 15.08.2001 hat das Arbeitsgericht sodann den Antrag des
Arbeitgebers als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die
Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx in
die Gehaltsgruppe II GTV könne nicht ersetzt werden, weil der Mitarbeiter nicht die
Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe II, sondern diejenigen der Gehaltsgruppe III GTV
erfülle. Für den Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx treffe das Tätigkeitsbeispiel "Verwalter von
Warenannahme und/oder Versand" im Sinne der Gehaltsgruppe III GTV zu. "Verwalter"
in diesem Sinne seien Arbeitnehmer, die für die Erledigung sämtlicher Aufgaben in
ihrem Aufgabenbereich zuständig seien, ohne eine leitende Stellung im Sinne der
Gehaltsgruppe IV GTV inne zu haben. Demgegenüber müsse der Lagererste im Sinne
der Gehaltsgruppe II GTV lediglich erweiterte Fachkenntnisse und damit verbunden
eine größere Verantwortung für die fachliche Erledigung der übertragenen
Arbeitsaufgaben aufweisen, während der "Verwalter" eine umfassendere Verantwortung
für einen Tätigkeitsbereich ausübe, der Spielraum für eigene Entscheidungen im Sinne
einer selbständigen Tätigkeit lasse. In diesem Sinne sei der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx
als "Verwalter" des Wareneingangsbereiches und des Lagers anzusehen. Aus der
durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich, dass der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx für
den gesamten organisatorischen Ablauf im Wareneingangsbereich zuständig sei. Er
gebe den Arbeitnehmern, die ständig mit ihm zusammen arbeiteten, täglich
Arbeitsanweisungen. Er gebe regelmäßig Lieferscheindaten und Auftragsdaten in das
EDV-System ein. Die Abwicklung von Reparaturaufträgen versehe Herr S4xxxxxxxxxxx
eigenständig. Er sei auch dazu beauftragt worden, für die Sicherheitsmaßnahmen im
Lager Sorge zu tragen. Nach den Bekundungen des Zeugen und dem Vorbringen der
Beteiligten gebe es keinen einzigen Arbeitsvorgang im Bereich der Warenannahme und
des Lagers, dessen Ablauf nicht Herr S4xxxxxxxxxxx, sondern ein anderer Mitarbeiter
beeinflusse. Insoweit stehe Herrn S4xxxxxxxxxxx auch ein erheblicher Spielraum für
eigene Entscheidungen zu.
17
Gegen den dem Arbeitgeber am 22.10.2001 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts,
auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am
20.11.2001 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach
Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 21.01.2002 mit dem am
18.01.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Arbeitgeber ist weiter der Auffassung, der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx übe keine
Tätigkeiten im Sinne der Gehaltsgruppe III GTV aus, er sei vielmehr als Lagererster im
Sinne der Gehaltsgruppe II GTV tätig. Insbesondere habe der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx
keine Verantwortung für seinen Tätigkeitsbereich im Sinne der Vergütungsgruppe III
GTV. Verantwortlich für die Tätigkeit der übrigen drei Mitarbeiter im
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Wareneingangsbereich dem Lager sei der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx nicht; die
Verantwortung hierfür trage vielmehr der Marktleiter selbst. Allein der Marktleiter, Herr
N1xxxxxxx, zeige die Verantwortung für den Bereich der Warenannahme und des
Versandes. Eine Verantwortlichkeit von Herrn S4xxxxxxxxxxx bestehe insoweit nicht.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Arbeitsgericht durchgeführten
Beweisaufnahme. Auch aus den Einlassungen des Zeugen ergebe sich allenfalls, dass
er als Lagererster tätig sei. Als Zeuge habe der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx klargestellt,
dass im Lager ein Team, das zusammen arbeite, tätig sei. Auch die Urlaubsplanung und
insbesondere die Urlaubsgewährung erfolge ausschließlich von Seiten der
Geschäftsleitung. Bestellungen dürfe der Zeuge selbst nicht vornehmen. Diese erfolgten
vielmehr von Mitarbeitern der einzelnen Fachabteilungen bzw. zentral. Insgesamt sei
der Zeuge nur ausführendes Organ von Weisungen der Geschäftsleitung. Im Rahmen
seiner Vernehmung habe der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx auch einräumen müssen, das
letztlich das gesamte Tagesgeschäft von selbst laufe, da die übrigen drei Mitarbeiter
bereits lange im Lagerbereich tätig seien und ihnen deshalb bekannt sei, wer was wie
zu tun habe. Auch für die Personalplanung sei der Zeuge S4xxxxxxxxxxx nicht
zuständig. Im Übrigen bestünden auch für den Wareneingangsbereich und für das Lager
bis ins einzelne gehende Organisationsanweisungen, die sich aus schriftlichen
Organisationsregeln des Arbeitgebers ergäben. Tägliche Arbeitsanweisungen gebe der
Zeuge S4xxxxxxxxxxx nicht. Herr S4xxxxxxxxxxx habe auch keine sammelnde oder
verteilende Funktion inne; eine Beeinflussung oder gar Verantwortlichkeit für das
Lagerwesen habe Herr S4xxxxxxxxxxx nicht. Insbesondere stehe ihm auch nicht der
vom Arbeitsgericht angenommene erhebliche Spielraum für eigene Entscheidungen zu.
Aus den Organisationsanweisungen des Arbeitgebers (Bl. 95 ff.d.A.) sei vielmehr zu
entnehmen, dass jeder einzelne Arbeitsablauf im Einzelnen detailliert geregelt sei.
Der Arbeitgeber beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.08.2001 - 9 BV 44/01 -
abzuändern und die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur
Eingruppierung des Herrn P4xxx S4xxxxxxxxxxx in die Gehaltsgruppe II des
Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel NRW zu ersetzen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und weist darauf hin, dass allein die
Bezeichnung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag für die Frage der Eingruppierung des
Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx nicht ausschlaggebend sei. Entscheidend sei vielmehr die
tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Das Arbeitsgericht habe aber zutreffend ausgeführt,
dass der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx die Verantwortung für das im
Wareneingangsbereich arbeitende Team habe. Er habe auch Einfluss auf die
Urlaubsgestaltung und die Urlaubsplanung im Wareneingangs- bzw. Lagerbereich.
Dass die letzte Entscheidung hierüber bei der Marktleitung liege, stehe der
Verantwortlichkeit des Zeugen nicht entgegen. Darüber hinaus würden alle
Arbeitsvorgänge im Bereich der Warenannahme und des Lagers ausschließlich von
Herrn S4xxxxxxxxxxx gesteuert und nicht von irgend einem anderen Mitarbeiter des
Arbeitgebers. Auch bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht habe der Mitarbeiter
S4xxxxxxxxxxx ausdrücklich bekundet, dass er Anweisungen erteile und die Befolgung
seiner Anweisungen notfalls erzwingen würde. Der Umstand, dass dies bislang nicht
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nötig gewesen sei, sondern seine Anweisungen auch ohne Zwang befolgt würden,
ändere nichts an dem Umstand, dass der Zeuge kraft seiner Organisations- und
Weisungsbefugnis für das Arbeitsergebnisverantwortlich sei.
Auch aus den vom Arbeitgeber vorgelegten Organisationsregeln ergebe sich nichts
anderes. Trotz dieser Regelungen seien täglich Arbeitsanweisungen von ihm
erforderlich, auch wenn der tägliche Arbeitsablauf eingespielt sei. Soweit der
Arbeitgeber behaupte, der Marktleiter bestimme im Einzelnen darüber, wie die Arbeit in
den Bereichen Warenannahme und Lager vonstatten gehe, sei dies unsubstantiiert. Der
Marktleiter könne diese Anweisungen schon nicht erteilen, weil er nicht regelmäßig
anwesend sein könne.
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Auch der Vorgänger des Zeugen S4xxxxxxxxxxx sei Warenannahmeleiter gewesen.
26
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
27
B
28
Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.
29
Der Arbeitgeber kann die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur
Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx in die Vergütungsgruppe II GTV nicht
verlangen.
30
I.
31
Der Antrag des Arbeitgebers ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG zulässig.
Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach §
99 BetrVG, nämlich die zutreffende Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx,
streitig.
32
Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis des Arbeitgebers und des Betriebsrates ergibt
sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Der betroffene Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx war im
vorliegenden Beschlussverfahren nicht zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 22.03.1983 -
AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 17.05.1983 - AP Nr. 18 zu § 99
BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 03.12.1985 - AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972;
Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 99 Rz. 235;
Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 83 Rz. 47 m.w.N.).
33
II.
34
Der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers ist nicht nach § 99 Abs. 4 BetrVG
begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu der begehrten Eingruppierung des
Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx zu Recht verweigert.
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1. Der Arbeitgeber bedarf der Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten
Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx in die Vergütungsgruppe II GTV.
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a) Nach § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als
20 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Zustimmung des Betriebsrates zu einer
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geplanten Eingruppierung oder Umgruppierung einzuholen.
Die Voraussetzungen, unter denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entsteht,
sind erfüllt. Im Betrieb des Arbeitgebers sind mehr als 20 zum Betriebsrat
wahlberechtigter Arbeitnehmer beschäftigt. Die geplante Maßnahme ist eine
Eingruppierung. Die Festlegung der für den Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx zutreffenden
Vergütungsgruppe betrifft die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und kann die
Lohnfindung beeinflussen. Dabei hat der Betriebsrat, wenn auch kein
Mitgestaltungsrecht, so doch ein Mitbeurteilungsrecht (BAG, Beschluss vom 22.03.1983
- AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 28.01.1986 - AP Nr. 32 zu § 99
BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 12.08.1997 - AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972
Eingruppierung; BAG, Beschluss vom 27.06.2000 - AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG 1972
Eingruppierung m.w.N.).
38
Der Arbeitgeber hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Er hat den
Betriebsrat mit Schreiben vom 06.03.2001 hinreichend informiert. Das Schreiben vom
06.03.2001 enthält die für den Betriebsrat erforderlichen Informationen bezogen auf die
Tätigkeit des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx sowie die Auffassung des Arbeitgebers,
welche Gehaltsgruppe hieraus folgt.
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b) Die Zustimmung des Betriebsrates zu der Eingruppierung des Mitarbeiters
S4xxxxxxxxxxx in die Gehaltsgruppe II GTV gilt auch nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2
BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung vor. Die
Zustimmungsverweigerung vom 13.03.2001 ist form- und fristgerecht erfolgt, § 99 Abs. 3
Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Zustimmungsverweigerung auch hinreichend
begründet. Die Zustimmungsverweigerung hat er unter anderem darauf gestützt, dass
nach seiner Auffassung für die Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx die
Gehaltsgruppe IV GTV die zutreffende sei. Diese Zustimmungsverweigerung lässt es
als möglich erscheinen, dass einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend
aufgezählten Gründe geltend gemacht wird (BAG, Beschluss vom 26.01.1988 - AP Nr.
50 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.06.2000 - AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG
1972 Eingruppierung). Mit der gegebenen Begründung hat der Betriebsrat den
Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Anspruch genommen. Dieser
Zustimmungsverweigerungsgrund ist immer dann zu prüfen, wenn der Betriebsrat - wie
hier - geltend macht, die vorgesehene Eingruppierung entspreche nicht den im
Tarifvertrag vorgesehenen Tätigkeitsmerkmalen (BAG, Beschluss vom 28.01.1986 - AP
Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972).
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2. Die geplante Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx in die Gehaltsgruppe II
GTV ist tarifwidrig. Sie entspricht nicht der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des
Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx.
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a) Nach § 2 Abs. 1 des Gehaltstarifvertrages des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen
- GTV - sind die Angestellten nach der von ihnen tatsächlich verrichteten Tätigkeit in
eine der nachstehenden Beschäftigungsgruppen einzugliedern. Hiernach ist nicht die im
Arbeitsvertrag bezeichnete Tätigkeit und die vereinbarte Eingruppierung entscheidend,
maßgeblich ist vielmehr die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit des Mitarbeiters
S4xxxxxxxxxxx. Dies stellt auch der Arbeitgeber nicht in Abrede.
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Werden mehrere Tätigkeiten tatsächlich und auf Dauer ausgeübt, ist gemäß § 10 Abs. 1
Satz 2 MTV von der überwiegenden ausgeübten Tätigkeit auszugehen. Überwiegend ist
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diejenige Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers in
Anspruch nimmt (BAG, Urteil vom 28.04.1982 - AP Nr. 62 zu § 22, 23 BAT 1975; BAG,
Urteil vom 07.11.1990 - AP Nr. 41 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG, Urteil
vom 29.07.1992 - AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).
Nimmt ein Arbeitnehmer überwiegend Tätigkeiten der in § 3 GTV genannten
Richtbeispiele war (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GTV), erfüllt er damit die Tätigkeitsmerkmale der
entsprechenden Vergütungsgruppe. Bestimmen nämlich Tarifvertragsparteien Beispiele
für typische Tätigkeiten, bringen sie damit zum Ausdruck, dass sie die abstrakten
Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe als erfüllt ansehen, wenn diese Tätigkeit in
der Vergütungsgruppe als Richtbeispiel aufgeführt ist (BAG, Urteil vom 08.02.1984 - AP
nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAG, Urteil vom 07.11.1984 - AP Nr. 6 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Einzelhandel; BAG, Urteil vom 14.05.1986 - AP Nr. 119 zu §§ 22, 23 BAT
1975; BAG, Urteil vom 25.09.1991 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel;
BAG, Urteil vom 29.07.1992 - AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG,
Urteil vom 13.11.1996 - ZTR 1997, 174 m.w.N.).
44
b) Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Mitarbeiter
S4xxxxxxxxxxx überwiegend Tätigkeiten wahrnimmt, die der Gehaltsgruppe III GTV
entsprechen. Er übt keine Tätigkeiten aus, die unter die Gehaltsgruppe II GTV
einzuordnen sind. Dieser Beurteilung in dem angefochtenen Beschluss folgt auch die
erkennende Beschwerdekammer.
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Nach § 3 B. GTV sind in die Gehaltsgruppe II einzugruppieren "Angestellte mit einer
Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung" erfordert. Als
Richtbeispiel ist insoweit der "Lagererste" sowie "erste Kräfte in ... Warenannahme,
Lager, Versand usw." genannt.
46
Demgegenüber sind in die Gehaltsgruppe III GTV einzugruppieren "Angestellte mit
selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisung und entsprechender
Verantwortung für ihren Tätigkeitsbereich". Als Richtbeispiel ist insoweit der "Verwalter
von Warenannahme und/oder Versand" angeführt.
47
Von diesen Begriffen ist auch das Arbeitsgericht ausgegangen und hat sie im
angefochtenen Beschluss zutreffend definiert.
48
Unter Lagererster oder Erste Kraft im Sinne der Gehaltsgruppe II GTV sind Arbeitnehmer
mit besonderen außergewöhnlichen Aufgaben zu verstehen, deren Tätigkeiten sich aus
den einfachen Tätigkeiten nach der Gehaltsgruppe I GTV deutlich hervorhebt. Eine
Tätigkeit als Erste Kraft im Sinne der Gehaltsgruppe II GTV setzt zudem stets das
Vorhandensein weiterer Arbeitnehmer voraus (BAG, Urteil vom 04.08.1993 - AP Nr. 38
zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Inwieweit sich allerdings die erste Kraft von
sonstigen Mitarbeitern hervorheben muss, wird durch den Begriff "Erster" nicht näher
bestimmt. Die Richtbeispiele "Erste Verkäufer", "Lagererster", "Erste Kraft" können nicht
aus sich heraus ausgelegt werden, was zur Folge hat, dass bei der Prüfung der
Eingruppierung insoweit auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale, auf die Oberbegriffe
zurückgegriffen werden muss (BAG, Urteil vom 07.11.1984 - AP Nr. 6 zu § 1
Tarifverträge: Einzelhandel; BAG, Urteil vom 04.08.1993 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Einzelhandel).
49
Demgegenüber sind "Verwalter" von Warenannahmen und/oder Versand im Sinne der
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Gehaltsgruppe III GTV Arbeitnehmer, die für die Erfüllung sämtlicher Aufgaben in ihrem
Bereich zuständig sind, ohne dass eine leitende Stellung im Sinne der Gehaltsgruppe
IV GTV vorliegt (LAG Hamm, Urteil vom 28.08.1997 - 4 Sa 1926/96 - NZA-RR 1998,
490; Decruppe/Rzaza, Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, Teil II, 3. Aufl., G III Rz. 24). Ein "Leiter" im Sinne der Gehaltsgruppe IV GTV
ist jemand, der etwas leitet und der damit verantwortlicher Vorgesetzter ist. Ein
"Verwalter" im Sinne der Gehaltsgruppe III GTV ist demgegenüber jemand, der etwas
verantwortlich führt und alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten erledigt.
Der Lagererste muss lediglich erweiterte Fachkenntnisse und damit verbunden eine
größere Verantwortung für die fachliche Erledigung der übertragenen Arbeitsaufgaben
aufweisen, während der "Verwalter" eine umfassendere Verantwortung für seinen
Tätigkeitsbereich ausübt, der Spielraum für eigenständige Entscheidungen im Sinne
einer selbständigen Tätigkeit lässt. Der Verwalter bestimmt - im Rahmen allgemeiner
Anweisung - die Arbeitsabläufe in dem ihm übertragenen Bereich, während der
Lagererste lediglich seine erweiterten Fachkenntnisse in die Aufgabenerfüllung
einfließen lässt.
51
In diesem Sinne ist der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx für die Erledigung sämtlicher
Aufgaben in dem ihm übertragenen Bereich, dem Wareneingang und dem Lager,
zuständig. Seine gesteigerte Verantwortung ergibt sich nicht lediglich aus einer
erweiterte Fachkenntnisse erfordernden Tätigkeit. Er übt vielmehr - im Rahmen
allgemeiner Anweisung - eine selbständige Tätigkeit mit entsprechender Verantwortung
für seinen Tätigkeitsbereich aus. Dies ergibt sich aus der vom Arbeitsgericht
durchgeführten Beweisaufnahme, die das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt hat.
52
Der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx ist insoweit für den gesamten organisatorischen Ablauf
im Wareneingangsbereich zuständig. Dies hat Herr S4xxxxxxxxxxx bei seiner
Vernehmung als Zeuge ausdrücklich bekundet. Er gibt den Arbeitnehmern, die ständig
mit ihm zusammenarbeiten, täglich Anweisungen. Herr S4xxxxxxxxxxx macht Vorgaben
im Hinblick auf die gesamte Lagerhaltung. Er gibt regelmäßig Lieferscheindaten und
Auftragsdaten in das EDV-System ein. Die Abwicklung von Reparaturaufträgen versieht
Herr S4xxxxxxxxxxx eigenständig. Er ist auch beauftragt worden, für die
Sicherheitsmaßnahmen im Lager Sorge zu tragen. Jedenfalls für den Lagerbereich ist er
für die Sicherheit verantwortlich. All dies ergibt sich aus den Bekundungen des als
Zeugen vernommenen Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx. Der Arbeitgeber kann sich nicht
darauf berufen, der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx sei lediglich ausführendes Organ, von
Weisungen der Geschäftsleitung abhängig. Die Beweisaufnahme erster Instanz hat
etwas anderes ergeben. Auch soweit behauptet wird, der Marktleiter bestimme im
Einzelnen darüber, wie die Arbeit in den bereichen Warenannahme und Lager
vonstatten gehe, hat dies die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme nicht
ergeben. Hierfür ist vielmehr der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx zuständig.
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Auch aufgrund der vom Arbeitgeber herausgegebenen Organisationsanweisungen (Bl.
94 f. d.A.) ergibt sich nichts anderes. Diese stehen der entsprechenden verantwortlichen
Tätigkeit des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx nicht entgegen. Sie stellen lediglich
allgemeine Anweisungen im Sinne der Gehaltsgruppe III GTV dar. Dass der Mitarbeiter
S4xxxxxxxxxxx lediglich nach Einzelanweisungen des Marktleiters tätig wird, behauptet
der Arbeitgeber selbst nicht. Voraussetzung für eine Eingruppierung in die
Gehaltsgruppe III GTV ist auch keine völlige Selbständigkeit, d.h. keine Tätigkeit ohne
Einflussnahme Dritter (BAG, Urteil vom 26.02.1986 - AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge:
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Metallindustrie; Decruppe/Rzaza, a.a.O., G III Rz. 1).
Der Eingruppierung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx als "Verwalter" im Sinne der
Gehaltsgruppe III GTV steht auch nicht entgegen, dass Herr S4xxxxxxxxxxx nicht für die
Personalplanung in seinem Bereich zuständig ist. Eine endgültige personelle
Verantwortung ist für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe III GTV nicht erforderlich.
Notwendig ist insoweit lediglich, dass dem Mitarbeiter Aufsichts- und
Weisungsbefugnisse übertragen sind (BAG, Urteil vom 25.02.1987 - AP Nr. 16 zu § 1
TVG Tarifverträge: Einzelhandel; Decruppe/Rzaza, a.a.O., G III Rz. 6). Diese Aufsichts-
und Weisungsbefugnisse stehen aber dem Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx zu. Dies ergibt
sich aus der durchgeführten Beweisaufnahme. Der Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx hat bei
seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht als Zeugen auch keinen Zweifel daran
gelassen, dass er Anweisungen erteilt und die Befolgung seiner Anweisungen notfalls
auch erzwingen würde, falls dies erforderlich sein würde.
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Zu Recht ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass letztlich der Mitarbeiter
S4xxxxxxxxxxx bestimmt, wie die Arbeit in den Bereichen Warenannahme und Lager
vonstatten geht. Auch mit der Beschwerde hat der Arbeitgeber keine Arbeitsvorgänge im
Bereich der Warenannahme und des Lagers nennen können, dessen Ablauf nicht der
Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx, sondern ein anderer Mitarbeiter beeinflusst. Hieraus hat das
Arbeitsgericht zu Recht geschlossen, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum für
eigene Entscheidungen zusteht, insbesondere im Hinblick auf die
arbeitsorganisatorische Gestaltung des Arbeitsablaufs, den Einsatz der anderen
Lagermitarbeiter und die Bearbeitung der Reparaturbelege. Welche Anweisungen der
Mitarbeiter S4xxxxxxxxxxx insoweit von der Geschäftsleitung erhält, ist auch insoweit
aus dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich.
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Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Arbeitgeber selbst die
Stellung des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx in innerbetrieblich verwendeten Formularen
und Schreiben als "Wareneingangsleiter" bezeichnet.
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Eine erneute Einvernahme des Mitarbeiters S4xxxxxxxxxxx als Zeugen durch die
Beschwerdekammer war entbehrlich, da die Beschwerdekammer der ausführlichen und
zutreffenden Würdigung durch das Arbeitsgericht folgt.
58
III.
59
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den
§§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
60
Schierbaum Bring Wiedemann
61
/N.
62