Urteil des LAG Hamm vom 30.04.2008

LArbG Hamm: geschäftsführer, kündigung, anstellungsvertrag, leiter, arbeitsgericht, amt, anstellungsverhältnis, vergütung, feststellungsklage, hauptsache

Landesarbeitsgericht Hamm, 2 Ta 738/07
Datum:
30.04.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ta 738/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herne, 5 Ca 878/07
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 5 AZB 58/08 Vergleich 14.10.2008
Schlagworte:
Rechtsweg: Zur Frage der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG,
wenn der Arbeitnehmer ohne Aufhebung des Arbeitsvertrages zum
Geschäftsführer der GmbH berufen wird.
Normen:
§§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 323 BGB
Leitsätze:
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG nicht eröffnet, wenn es um die Kündigung des der Organstellung
zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses geht. Dies gilt auch dann,
wenn der aufgrund eines Arbeitsvertrages als technischer Leiter
beschäftigte Arbeitnehmer zum Geschäftsführer ernannt wird und
tatsächlich die Tätigkeiten eines Geschäftsführers ausübt, ohne dass der
bisher bestandene Arbeitsvertrag aufgehoben und ein schriftlicher
Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen worden ist (Abweichung
von LAG Niedersachen, 05.03.2007 - 17 Ta 618/06, NZA-RR 2007, 522
und LAG Bremen, 02.03.2006 - 3 Ta 9/06, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 11)
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Herne vom 31.10.2007 - 5 Ca 878/07 - wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 31.609,47 €
festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
I
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Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
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Der Kläger will gegenüber den Beklagten feststellen lassen, dass das zwischen den
Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten zu 1) und
2) vom 30.03.2007 nicht aufgelöst worden ist, fordert Weiterbeschäftigung als
technischer Leiter und macht rückständige Vergütungsansprüche geltend.
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Der am 01.08.1958 geborene Kläger trat aufgrund eines Arbeitsvertrages für Angestellte
als technischer Leiter mit Personalverantwortung ab 01.04.2005 in die Dienste der
Beklagten zu 1), deren Mutter die Beklagte zu 2) ist. Die Parteien vereinbarten ein
jährliches Bruttogehalt von 75.000,00 €.
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Am 17.10.2005 wurde der Kläger zum gemeinsam vertretungsberechtigten
Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt. Am 06.12.2006 ist er zum
alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ernannt worden. In diesem
Zusammenhang wurde sein Jahresgehalt auf 130.000,00 € erhöht. Zum Abschluss
eines schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages kam es nicht. Der von der
Beklagten zu 1) vorgelegte Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der die Aufhebung des
Anstellungsvertrages vom 05.10.2004 zum Gegen-stand hat, ist nicht unterschrieben
worden. Tatsächlich hat der Kläger seit seiner Geschäftsführerbestellung
Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt.
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Mit Schreiben vom 30.03.2007 kündigte die Beklagte zu 1) vor dem Hintergrund der
schwebenden Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des
Anstellungsverhältnisses vorsorglich ein etwa bestehendes Anstellungsverhältnis zum
nächstmöglichen Termin. In gleicher Weise kündigte die Beklagte zu 2) ebenfalls mit
Schreiben vom 30.03.2007 vorsorglich das etwaig bestehende Dienst- bzw.
Anstellungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin.
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Durch Gesellschafterbeschluss vom 12.04.2007 wurde der Kläger von seinem Amt als
alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abberufen.
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Der Kläger meint, da der ursprünglich geschlossene Arbeitsvertrag gemäß § 623 BGB
nicht wirksam aufgehoben worden sei, seien die Arbeitsgerichte für den vorliegenden
Rechtsstreit zuständig.
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Demgegenüber vertritt die Beklagte den Standpunkt, der Rechtsweg zu den
Arbeitsgerichten sei vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aufgrund der
Organstellung des Klägers nicht gegeben.
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Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 31.10.2007 festgestellt, dass der
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist und den Rechtsstreit an
das Landgericht Bochum verwiesen. Zur Begründung seiner dem Kläger am 05.11.2007
zugestellten Entscheidung hat es ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten für
Arbeitssachen sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet. Wer als Organ zur
Vertretung einer juristischen Person berufen sei, gelte nach der gesetzlichen Fiktion
weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person. Zugunsten des Klägers
könne unterstellt werden, dass er Arbeitnehmer im materiell-rechtlichen Sinne sei, denn
§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ordne an, dass die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien, wenn
es um die Kündigung des Anstellungsvertrages gehe, der Grundlage der
Geschäftsführerbestellung sei. Da ein schriftlicher Geschäftsführer-Anstellungsvertrag
nicht geschlossen worden sei, sei der Arbeitsvertrag für Angestellte vom 05.10.2004
weiterhin Grundlage für die Vertragsbeziehungen der Parteien. Die vom
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Bundesarbeitsgericht für die Zulässigkeit des Rechtsweges entwickelte sog. sic-non-
Rechtsprechung sei auf Organvertreter nicht anwendbar. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Der dagegen eingelegten
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sofortige Beschwerde
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des Klägers, die am 12.11.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat das
Arbeitsgericht nicht abgeholfen.
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Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, es gäbe keinen schriftlichen
Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, sondern nur den Anstellungsvertrag vom
05.10.2004, der nicht aufgehoben worden sei. In diesen Fällen habe sowohl des LAG
Bremen als auch das LAG Niedersachsen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
bejaht. Er habe sein Amt als Geschäftsführer freiwillig und in der Erwartung
niedergelegt, als technischer Leiter weiterbeschäftigt zu werden.
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Die Beklagte verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und tritt dem Vorbringen des
Klägers entgegen. Sie trägt ergänzend vor, das gesamte Vertragsverhältnis sei seit
2006 als Geschäftsführerdienstverhältnis "gelebt" worden. Seitdem sei der Kläger nicht
mehr als weisungabhängiger technischer Leiter tätig geworden, sondern ausschließlich
als Geschäftsführer. Anders als vom Kläger dargestellt hätten sich die Parteien auf
bestimmte Vertragskonditionen für die Tätigkeit als Geschäftsführer geeinigt.
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Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Bezug genommen.
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II
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Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht
hat sich zu Recht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz
1 GVG an das zur Entscheidung berufene Landgericht Bochum verwiesen. Das
Beschwerdegericht folgt den überzeugenden Gründen des Arbeitsgerichts und nimmt
darauf gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Die dagegen gerichteten Angriffe der
sofortigen Beschwerde greifen nicht durch.
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1. Es kommt für die Frage des Rechtsweges nicht darauf an, ob der im Jahre 2005
geschlossene Arbeitsvertrag im Hinblick auf § 623 BGB wirksam aufgehoben worden
ist. Die Arbeitsgerichte sind vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann nicht
zuständig, wenn der Anstellungsvertrag als technischer Leiter weiterhin besteht.
Vorliegend geht es nämlich um die Kündigung des der Geschäftsführeranstellung
zugrunde liegenden Schuldverhältnisses. Ob es sich dabei um den fortentwickelten
Arbeitsvertrag oder um einen mündlich geschlossenen Geschäftsführer-
Anstellungsvertrag handelt, kann offenbleiben. Der Kläger war gemäß § 35 Abs. 1
GmbHG zum vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten zu 1) berufen
worden und hat tatsächlich die Tätigkeiten eines Geschäftsführers ausgeübt. Die
vertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GmbH gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG auch dann nicht als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG, wenn sie sich darauf berufen,
das der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis sei ein
Arbeitsverhältnis gewesen. Für diese Personengruppe hat der Gesetzgeber unabhängig
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von ihrem materiell-rechtlichen Status geregelt, dass sie nicht als Arbeitnehmer zu
behandeln sind (BAG vom 20.08.2003 – 5 AZB 79/02, AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979
m.zutr.Anm.v. Wank).
2. Der Hinweis des Klägers auf das weiter bestehende Arbeitsverhältnis verfängt nicht.
Seine Klageanträge sind so zu verstehen, dass er sich gegen die Auflösung des zuletzt
bestandenen Rechtsverhältnisses wendet. Dieses war ein zumindest mündlich
geschlossener Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, denn die Parteien haben sich auf
eine veränderte Tätigkeit und die Erhöhung des Jahresgehaltes auf 130.000,00 €
verständigt. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn unabhängig voneinander zwei
selbständige schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestehen würden, nämlich der
Geschäftsführerdienstvertrag und daneben das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis und
der Kläger nur den Fortbestand des ruhenden Arbeitsverhältnisses geltend macht (zur
Doppelstellung vgl. BAG vom 10.12.1996 – 5 AZB 20/96, BB 1997, 998). Eine solche
Differenzierung kann nach den Darlegungen des Klägers nicht festgestellt werden.
Klageanträge und Klagebegründung können nicht dahin verstanden werden, dass es
dem Kläger nur um die Kündigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses als
technischer Leiter geht. Dem Kläger geht es vielmehr um die Kündigung des zuletzt
bestandenen Rechtsverhältnisses, welches er mangels formgerechter Aufhebung des
Arbeitsvertrages für ein Arbeitsverhältnis hält. Grundlage für die vom Kläger als
Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ausgeübte Tätigkeit war der fortentwickelte
Arbeitsvertrag. Bezeichnenderweise berechnet er die Höhe seiner Vergütung nach den
zuletzt im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bestandenen Konditionen. Der
Begründung des Arbeitsgerichts ist daher in vollem Umfang zu folgen.
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3. Ob zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Rechtsverhältnis bestanden
hat, kann im Rechtswegbestimmungsverfahren offen bleiben. Der Kläger greift mit
seiner auch gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Feststellungsklage die Kündigung des
zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses an. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte
handelt es sich dabei um die der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegende
schuldrechtliche Beziehung, sodass auch insoweit § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eingreift.
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4. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch für
den Weiterbeschäftigungsantrag nicht eröffnet, denn der Kläger stützt diesen Anspruch
nicht auf den Arbeitsvertrag vom 05.10.2004, sondern auf die unwirksame Kündigung
des zuletzt bestandenen Rechtsverhältnisses. Gleiches gilt für die Zahlungsklage.
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5. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ferner ausgeführt, dass im Falle des § 5 Abs. 1 Satz
3 ArbGG die sog. sic-non-Rechtsprechung des BAG nicht anwendbar ist. Auch darauf
kann gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen werden.
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III
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Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos eingelegten
Rechtsmittels zu tragen.
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Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der
Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im
Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.
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Wegen der vom LAG Bremen (Beschluss vom 02.03.2006 – 3 Ta 9/06, NZA 2006) und
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vom LAG Niedersachen – 17 Ta 618/06 (NZA-RR 2007, 522) vertretenen
abweichenden Auffassung hat das Beschwerdegericht gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 5
GVG, 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Hamm, den 30.04.2008
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Der Vorsitzende der 2. Kammer
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Bertram
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Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
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