Urteil des LAG Hamm vom 12.04.2010

LArbG Hamm (zpo, erklärung, partei, kläger, ablauf der frist, aufhebung, bewilligung, höhe, auflage, bedürftige partei)

Landesarbeitsgericht Hamm, 14 Ta 657/09
Datum:
12.04.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 Ta 657/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 5 Ca 3320/05
Schlagworte:
amtlicher Vordruck, Aufhebung Prozesskostenhilfebewilligung,
Nachprüfungsverfahren
Normen:
§ 117, § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 2 ZPO
Leitsätze:
Für eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, besteht im
Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO keine
Verpflichtung, den für die Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 3 ZPO eingeführten
amtlichen Vordruck zu nutzen. Die erneute Abgabe einer solchen
formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse kann nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO von einer Partei nicht
gefordert werden. Füllt sie den Vordruck nicht oder nur unvollständig
aus, rechtfertigt dies allein nicht die Aufhebung der
Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO, wenn ihre übrigen
Angaben eine Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse ermöglichen (Aufgabe von LAG Hamm, 14. Juli 2003, 4 Ta
820/02, LAGReport 2003, 371; 3. September 2004, 4 Ta 575/04, juris).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18. Mai 2009 (5 Ca 3320/05) aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe :
1
I. Dem Kläger wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 1. September
2006, ausgefertigt unter dem 4. September 2006, Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe
bewilligt, dass er keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten
hat. Zum Abschluss des ersten Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO teilte
das Arbeitsgericht dem Kläger auf seine Erklärung vom 19. Februar 2008, für die er den
amtlichen Vordruck nach § 117 Abs. 3 ZPO verwendet hatte, mit Schreiben vom 26.
2
amtlichen Vordruck nach § 117 Abs. 3 ZPO verwendet hatte, mit Schreiben vom 26.
Februar 2008 mit, dass er zurzeit keine Zahlungen auf die Prozesskosten zu leisten
brauche.
Der Kläger wurde danach im automationsgestützten Verfahren erneut darauf
hingewiesen, dass er nach § 120 Abs. 4 ZPO auf Anfrage mitzuteilen habe, ob sich
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bewilligung der
Prozesskostenhilfe bzw. seit der letzten Entscheidung über zu leistende Zahlungen
verbessert hätten, und aufgefordert, sich hierüber erneut bis zum 27.Januar 2009 zu
erklären. Der amtliche Vordruck nach § 117 Abs. 3 ZPO war beigefügt verbunden mit
dem Hinweis, dass dieser zur Vereinfachung verwendet werden könne. Mit Schreiben
vom 12. März 2009 erinnerte das Arbeitsgericht den Kläger an die Abgabe dieser
Erklärung unter Fristsetzung bis zum 26. März 2009. Auf die Möglichkeit der Aufhebung
der Prozesskostenhilfe im Falle der Nichtabgabe der Erklärung wies es hin. Mit
gerichtlichen Schreiben vom 23. April 2009 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass wegen
der bislang nicht vorliegenden Erklärung die Aufhebung der Prozesskostenhilfe
beabsichtigt sei, und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen
gegeben. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht. Mit Beschluss vom 18. Mai 2009 hob
das Arbeitsgericht die "durch Beschluss … vom 04.09.2006" bewilligte
Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO wegen Nichtabgabe der Erklärung auf.
3
Der Beschluss wurde dem Kläger am 26. Mai 2009 zugestellt. Mit Schreiben vom 17.
Juni 2009, bei Gericht eingegangen am 19. Juni 2009, teilte der Kläger unter
Bezugnahme auf zwei beigefügte Belege (zwei Kontoauszüge der H2, Schreiben der
Investitionsbank S5-H4) mit, dass sich die Verhältnisse bei ihm und seiner Ehefrau auch
bis 2009 nicht verändert hätten. Dies hielt das Arbeitsgericht nicht für ausreichend. Mit
Schreiben vom 19. Juni 2009 forderte es den Kläger auf, den beigefügten Vordruck (für
die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) vollständig
auszufüllen und mit Belegen zu versehen. Erst dann könne über die Beschwerde
entschieden werden. An die Erledigung wurde er mit Schreiben vom 20.Juli 2009 und
20. August 2009 erinnert. Der Kläger erklärte darauf mit einem am 9. September 2009
eingegangenen Schreiben, dass sich an seinen finanziellen Gegebenheiten nichts
geändert habe und bat aus gesundheitlichen Gründen um Fristverlängerung. Unter dem
23. Oktober 2009 erinnerte das Gericht "letztmalig an die Erledigung des hiesigen
Schreibens vom 19.06.2009". Der Kläger reagierte hierauf nicht.
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II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff ZPO
zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Eingabe des Klägers vom 17.
Juni 2009 ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die bewilligte
Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO aufgehoben. Es ist unzutreffend, dass
der Kläger eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat, weil er
auch im Beschwerdeverfahren nicht den amtlichen Vordruck für die Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwendet hat. Dazu ist er nicht
verpflichtet. Die in seiner Eingabe enthaltenen Angaben waren unter Berücksichtigung
seiner vorherigen Erklärungen ausreichend, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
ohne Zahlungsanordnung aufrechtzuerhalten.
5
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts hat eine Partei, der
Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, nach Erhalt eines entsprechenden gerichtlichen
Aufforderungsschreibens innerhalb der darin gesetzten Frist erneut eine Erklärung über
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck im
Sinne des § 117 Abs. 4 ZPO abzugeben (vgl. LAG Hamm, 14. Juli 2003, 4 Ta 820/02,
6
LAGReport 2003, 371; 3. September 2004, 4 Ta 575/04, juris). In einer weiteren
Entscheidung scheint die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO abzugebende Erklärung mit der
Formularerklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO gleichgesetzt zu werden (vgl. LAG Hamm,
2. Januar 2002, 14 Ta 710/01, juris.).
2. Nach überwiegender Auffassung sowohl in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung
(vgl. LAG Bremen, 12. Juni 1990, 1 Ta 68/90, BB 1990, 2196; Hessisches LAG, 24.
September 2002, 16 Ta 443/02, juris; LAG Köln, 23. Juni 2003, 3 Ta 115/03, juris; LAG
Rheinland-Pfalz, 23. Januar 1998, 4 Ta 237/97, NZA-RR 1998, 560; 20. Februar 2009, 1
Ta 17/09, juris) als auch in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (vgl. OLG
Brandenburg, 22. Januar 1996, 10 WF 97/95, FamRZ 1996, 806; 24. Juli 2007, 10 WF
187/07, MDR 2007, 1391; OLG Braunschweig, 31. März 2009, 3 WF 31/09, FamRZ
2009, 1507; OLG Dresden, 30. Juni 1997, 20 WF 165/97, FamRZ 1998, 250; OLG
Karlsruhe, 12. Oktober 2005, 1 W 60/05, OLGR Karlsruhe 2006, 609; OLG Koblenz, 9.
Dezember 1998, 1 W 815/98, FamRZ 1999, 1144; 6. Mai 2009, 5 W 287/09, MDR 2009,
825; OLG Köln, 9. Juni 2006, 4 WF 93/06, OLGR K4 2006, 875; OLG Saarbrücken, 26.
März 2009, 6 WF 34/09, OLGR Saarbrücken 2009, 581; OLG Sachsen-Anhalt, 8. Juni
1999, 3 WF 76/99, FamRZ 2000, 761; 6. August 1999, 3 WF 90/99, FamRZ 2000, 1224;
a.A. nur OLG Koblenz, 23. August 1996, 15 WF 741/96, JurBüro 1997, 368) sowie der
Verwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, 23. Oktober 2008, 14 E 1158/08, juris) und in der
Literatur (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Auflage, 2010, § 120
ZPO Rn. 29, § 124 Rn. 39; HK-ZPO/Pukall, 3. Auflage, 2009, § 120 Rn. 18, § 124 Rn. 8;
MüKoZPO/Motzer, 3. Auflage, 2008, § 120 Rn. 19; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Auflage,
2009, § 120 Rn. 14, § 124 Rn. 6; Schoreit/Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, 9.
Auflage, 2008, § 124 ZPO, Rn. 17; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Auflage, 2004, § 121 Rn.
34; Zöller/Geimer, ZPO, 28.Auflage, 2010, § 120 ZPO Rn. 28a, § 124 Rn. 10a; a.A.
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe,
5. Auflage, 2010, Rn. 400) besteht keine Verpflichtung der Partei zur Verwendung des
nach § 117 Abs. 3 ZPO eingeführten Formulars im Rahmen der Erklärung nach § 120
Abs. 4 Satz 2 ZPO.
7
3. Nach Auffassung der erkennenden Kammer des Beschwerdegerichts, der sich nach
Rücksprache die beiden weiteren für Prozesskostenhilfebeschwerden zuständigen
Kammern anschließen, besteht für eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde,
im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO keine Verpflichtung,
den für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
eingeführten amtlichen Vordruck zu nutzen. Die erneute Abgabe einer solchen
formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
kann nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO von einer Partei nicht gefordert werden. Füllt sie
den Vordruck nicht oder nur unvollständig aus, rechtfertigt dies allein nicht die
Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung, wenn ihre übrigen Angaben eine
Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen.
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a) Für einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe schreibt § 117 Abs. 2 Satz 1
ZPO vor, dass diesem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen sind. Was unter
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu verstehen ist, wird in dem
Klammerzusatz im § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit den Begriffen Familienverhältnisse,
Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten umschrieben. Nach § 117 Abs. 3 ZPO wird
das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung
des Verfahrens Formulare für die Erklärung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO einzuführen.
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Soweit sie eingeführt sind, besteht gemäß § 117 Abs. 4 ZPO im Verfahren um die
erstmalige Bewilligung ein Benutzungszwang für die antragstellende Partei.
§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO bestimmt dagegen nur, dass auf Verlangen des Gerichts sich
die Partei darüber zu erklären hat, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.
Durch die Verwendung des Begriffs Verhältnisse wird zwar auf die Bestimmung des §
117 Abs. 2 Satz 1 ZPO Bezug genommen. Die Partei hat sich über eine Änderung ihrer
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, im Einzelnen der Familienverhältnisse,
des Berufs, Vermögens, Einkommens und der Lasten zu erklären. Darüber hinaus ist
diese Erklärungspflicht gesetzlich nicht weiter ausgestaltet. Insbesondere lässt sich dem
Gesetzeswortlaut des § 120 Abs. 4 ZPO mit keinem Wort entnehmen, dass die Partei
bei ihrer Erklärung über eine Änderung ihrer Verhältnisse das für den erstmaligen
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 117 Abs. 4 ZPO zu verwendende
Formular benutzen muss (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 20. Februar 2009, a.a.O.; OLG
Brandenburg, 24. Juli 2007, a.a.O.; OLG Koblenz, 6. Mai 2009, a.a.O.). Die Erklärung
nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist nicht identisch mit der Formularerklärung gemäß §
117 Abs. 4 ZPO (vgl. OLG Hamm, 2. August 2004, a.a.O.). Nur bei erstmaliger
Antragstellung ist die Partei nach § 117 Abs. 4 ZPO zur Verwendung des amtlichen
Vordrucks verpflichtet (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, 6. August 1999, a.a.O.). § 120 Abs. 4
ZPO verweist nicht auf diese Bestimmung (vgl. LAG Köln, 23. Juni 2003, a.a.O.; LAG
Rheinland-Pfalz, 23. Januar 1998, a.a.O.; 20. Februar 2009, a.a.O.; OLG Koblenz, 6. Mai
2009, a.a.O.).
10
b) Soweit hiergegen eingewandt wird, der Verweis auf die in § 120 Abs. 4 ZPO fehlende
gesetzliche Anordnung eines Zwangs zur Benutzung des Vordrucks erscheine sehr
formalistisch und trage nicht dem Gedanken der Vereinfachung und Reduzierung
bürokratischen Aufwands Rechnung (so Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn.
400), rechtfertigt dies nicht die Einführung einer gesetzlich nicht vorgesehenen
Verpflichtung mit der Folge, dass bei einem Verstoß die Partei die durch die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe gewährten Vergünstigen insgesamt verliert.
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aa) Prozesskostenhilfe dient dazu, Personen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als
Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der
Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege
dar, welche ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen Rechtsstaats
und im allgemeinen Gleichheitssatz findet (vgl. BAG, 15. Februar 2005, 5 AZN 781/04,
NZA 2005, 431). Das Prozesskostenhilfeverfahren soll durch die Gleichstellung
bemittelter und unbemittelter Parteien in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung das aus
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 GG folgende Gebot der
Rechtsschutzgleichheit verwirklichen (vgl. BVerfG, 26. April 1988, 1 BvL 84/86, BVerfGE
78, 104, 14. Oktober 2003, 1 BvR 901/03, NVWZ 2004, 334).
12
(1) Wegen des Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der Belastung der
Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung wird durch das
Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO für einen begrenzten Zeitraum von vier
Jahren die Möglichkeit eröffnet, die Partei bei einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen
Verhältnisse zu den Kosten der Prozessführung nachträglich heranzuziehen. Die Partei
hat gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO daran auf Aufforderung des Gerichts mitzuwirken,
indem sie sich über eine Änderung ihrer Verhältnisse erklären muss. Erfüllt sie diese
Mitwirkungspflicht nicht, besteht nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO die Möglichkeit der
13
Aufhebung der Prozesskostenhilfe. Dies schafft einen hinreichenden Zwang, die
Mitwirkungspflicht zu erfüllen.
(2) Die Ausgestaltung der von der Partei von Gesetzes wegen zu erfüllenden
Mitwirkungspflicht durch die Gerichte darf nicht dazu führen, den verfassungsrechtlich
gewährleisten Anspruch eines gleichen Zugangs zu den Gerichten für bemittelte und
unbemittelte Parteien bei dieser Überprüfung im Nachhinein ohne Grund zu beseitigen.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei bestehender Bedürftigkeit die
unterbliebene Erfüllung von Form- und Verfahrensvorschriften zum Verlust eines der
Partei bereits zugesprochenen Anspruchs führen soll. Dazu müssen diese
Verpflichtungen eindeutig gesetzlich definiert sein. Den Gerichten ist es verwehrt,
zusätzliche vom Gesetzgeber nicht vorgesehene formale Voraussetzungen für die
Aufrechterhaltung einer einmal bewilligten Prozesskostenhilfe aufzustellen. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn die gesetzliche Regelung hierfür keine Anhaltspunkte aufgrund
ihrer Ausgestaltung gibt
14
bb) Das Gesetz sieht allein im Bewilligungsverfahren zur Vermeidung der
Zurückweisung des materiell möglicherweise bestehenden Anspruchs auf
Prozesskostenhilfe einen Vordruckzwang vor (vgl. § 117 Abs. 4 ZPO). Eine
vergleichbare Regelung besteht dagegen im Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4
ZPO nicht. Vereinfachungs- und Entbürokratisierungsgesichtspunkte rechtfertigen es
nicht, diese gesetzgeberische Entscheidung zu ignorieren und durch Rechtsprechung
aufzuheben.
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(1) Es mag sein, dass für die vom Rechtspfleger vorzunehmende Gesamtbetrachtung
die erneute Benutzung des Formulars das einfachste Mittel ist und eine unzumutbare
Belastung der Partei in dessen Benutzung nicht liegt (so Kalthoener/Büttner/Wrobel-
Sachs, a.a.O., Rn. 400). Der Entzug eines verfassungsrechtlich gewährleisteten
Anspruchs aus diesem Grund wird aber ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung
nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat Vereinfachungsgesichtspunkten zu Lasten der
Prozesskostenhilfe begehrenden Partei an verschiedenen Stellen des
Prozesskostenhilfeverfahrens Rechnung getragen. So besteht bei der erstmaligen
Antragstellung der Zwang zur Benutzung des amtlichen Vordrucks (§ 117 Abs. 4 ZPO).
Zur Vermeidung einer teilweisen oder vollständigen Zurückweisung der beantragten
Prozesskostenhilfe muss die Partei die ihr gerichtlich gesetzten Fristen für die Erfüllung
ihrer Mitwirkungspflicht vor der erstmaligen Bewilligung einhalten (§ 118 Abs. 2 Satz 4
ZPO). Wenn der Gesetzgeber zur Verfahrensvereinfachung Vorschriften schafft, welche
die bedürftige Partei zu einem bestimmten Verhalten zwingen und ihr im Falle der
Nichterfüllung dieser Pflichten trotz Bedürftigkeit Prozesskostenhilfe vorenthalten,
leuchtet es nicht ein, dass die Beurteilung einer Änderung der persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen
Formularzwang unterliegen soll (a.A. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn.
400).
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Das gilt auch im Hinblick auf weitere Vorschriften, welche den Aufwand der
Prozesskostenhilfe vermindern. Trotz Erfüllung der wirtschaftlichen Voraussetzungen
wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung vier
Monatsraten und die aus dem Vermögen zu zahlenden Beträge nicht übersteigen (§ 115
Abs. 4 ZPO). Hier wird zwar nicht der Aufwand für die Überprüfung, wohl aber für die
Einziehung der Raten minimiert. Darüber hinaus scheidet eine nachträgliche
Abänderung der angeordneten Ratenzahlungen wegen einer Erhöhung der Freibeträge
17
nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b, Nr. 2 ZPO aus, wenn die Erhöhung dieser Freibeträge
nicht zum Wegfall jeglicher Ratenzahlungsverpflichtung führt (§ 120 Abs. 4 Satz 1
Halbsatz 2 ZPO). Hier wird der Aufwand sowohl für die Überprüfung als Einziehung
reduziert, indem eine jährliche Anpassung der Raten wegen der Neufestsetzung der
Freibeträge nicht erforderlich ist.
Angesichts der genannten Regelungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber das
Bewilligungs- und Überprüfungsverfahren zwar auch zulasten der bedürftigen Partei zur
Minderung des bürokratischen Aufwands geregelt hat, aber eben nur an bestimmten
Stellen. Von einer lückenhaften Regelung kann nicht die Rede sein. Das verbietet den
Entzug eines bereits bewilligten Anspruchs durch lediglich gerichtlich geschaffene
Formzwänge, die sich aus dem Gesetz nicht ableiten lassen.
18
(2) Im Übrigen hält sich der größere Aufwand bei der Überprüfung der persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf eine Änderung in Grenzen. Die Bewilligung
der Prozesskostenhilfe ist aufgrund einer vollständigen Klärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen erfolgt. Gibt die Partei auf Aufforderung
des Gerichts eine Erklärung, wenn auch nicht auf dem Vordruck ab, besteht ohne
Weiteres die Möglichkeit, durch einen Abgleich mit den Daten der ursprünglichen
Erklärung eventuelle Widersprüche durch Auflagen aufzuklären. Ebenso wenig ist das
Gericht gezwungen, eine pauschale Erklärung über eine Nichtänderung der
Verhältnisse hinzunehmen, wenn schon allein aufgrund des Zeitablaufes oder aufgrund
der mit der früheren Erklärung vorhandenen Angaben sich Änderungen wie z.B. der
Wegfall einer Ratenverbindlichkeit aufdrängen. Es ist zuzugestehen, dass ein
Mehraufwand für die Prüfung entsteht, wenn nicht anhand des amtlichen Vordrucks die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgearbeitet werden können. Dieser ist
im Hinblick auf die gesetzliche Ausgestaltung des verfassungsrechtlich gewährleisteten
Anspruchs auf Prozesskostenhilfe hinzunehmen.
19
c) Im Ergebnis rechtfertigt die unterbliebene Verwendung des amtlichen Vordrucks nach
§ 117 Abs. 3 ZPO für die Erklärung über eine Änderung der persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht die Aufhebung der
bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO. Die Partei kann - so wie es
im automationsgestützten Verfahren seitens der Gerichtskasse geschieht - lediglich zu
einer Erklärung über eine Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
aufgefordert werden. Der amtliche Vordruck darf lediglich zur freiwilligen Verwendung
als Hilfestellung für die Abgabe der Erklärung beigefügt werden. Eine Aufforderung,
diesen zur Vermeidung einer Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe auszufüllen,
kann nicht wirksam ergehen.
20
Soweit eine Partei Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
macht und hierzu Belege vorlegt, welche die Überprüfung einer Änderung ermöglichen,
ist diese auch ohne Verwendung des amtlichen Formulars vorzunehmen. Lediglich eine
völlig unterbliebene Mitwirkung führt zur Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung.
Dasselbe gilt für eine so unvollständige Erklärung im Rahmen des
Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO, dass dadurch die Prüfung einer
Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich ist.
21
Es kann offen bleiben, ob die Aufhebung der Bewilligung in einem solchen Fall nicht
gerechtfertigt ist, wenn das Gericht unter Übersendung des amtlichen Vordrucks nach §
117 Abs. 3 ZPO lediglich zur Abgabe dieser formularmäßigen Erklärung über die
22
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert bzw. erinnert hat (vgl. dazu
näher Zöller/Geimer, a.a.O., § 124 Rn. 10a m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der Kläger
in seiner Eingabe vom 17. Juni 2009 die Angaben getätigt, die für die Überprüfung einer
Veränderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich sind.
4. Die Darlegungen des Klägers in seiner Eingabe waren gemäß § 571 Abs. 2 ZPO im
Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Im Verfahren der Beschwerde gegen die
Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung kann die Partei eine nach § 120 Abs. 4
Satz 2 ZPO geforderte Erklärung auch dann nachholen, wenn sie die Frist für die
Erklärung schuldhaft versäumt hat. Bei der zuletzt genannten Regelung handelt es sich
nicht um eine Ausschlussfrist (vgl. BAG, 18. November 2003, 5 AZB 46/03, NZA 2004,
1062 unter Aufhebung der anderslautenden Entscheidung des LAG Hamm, 14. Juli
2003, a.a.O.).
23
5. Eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, welche zur
Anordnung einer Ratenzahlung aus dem Einkommen des Klägers oder einer
Einmalzahlung aus seinem Vermögen führen könnte, liegt nicht vor.
24
a) Einzusetzendes Vermögen ist nicht vorhanden. Das vorhandene Grundvermögen
(Reihenhaus) ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 8
SGB XII als angemessenes Hausgrundstück nicht dem verwertbaren Vermögen
zuzurechnen. Andere Vermögensgegenstände sind nicht vorhanden.
25
b) Ebenso wenig besteht die Möglichkeit einer Ratenzahlungsanordnung aus einem
einzusetzenden Einkommen gemäß § 115 Abs. 1 und 2 ZPO.
26
aa) Der Kläger erhält eine monatliche Rente von 1.437,69 €, welche unter
Berücksichtigung der Rentenzahlung an seine Ehefrau in Höhe von 826,90 € einen
Anteil von 63,5 % am Gesamteinkommen der Eheleute hat. Die Höhe der
Rentenzahlungen ergibt sich aus dem der Eingabe vom 17. Juni 2009 beigefügten
Kontoauszug.
27
bb) Es bestehen gemeinsame Belastungen der Eheleute, die entsprechend dem Anteil
des Klägers am Gesamteinkommen von ihm zu tragen sind.
28
(1) Der für das Hausgrundstück aufgenommene Kredit bei der E1-H3-AG beträgt
unverändert 665,06 €.
29
(2) Das Gleiche gilt für die Ratenzahlungsverbindlichkeit "K6" in Höhe von 150,00 €.
Diese wurde bereits bei der Überprüfung nach § 120 Abs. 4 ZPO Anfang 2008 vom
Arbeitsgericht akzeptiert. Ob diese Verbindlichkeit erst nachträglich eingegangen wurde
und deshalb überhaupt berücksichtigungsfähig war, kann im Hinblick auf den
geschaffenen Vertrauenstatbestand im jetzigen Überprüfungsverfahren nicht mehr
anders bewertet werden (vgl. allgemein BAG, 25. November 2008, 3 AZB 55/08, NZA-
RR 2009, 158).
30
(3) Die Verbindlichkeit gegenüber der Investitionsbank S5-H4, welche ebenfalls der
Finanzierung des Hauses dient, beträgt nach den durch Vorlage des Schreibens der
Bank vom 23. Februar 2009 glaubhaft gemachten Angaben des Klägers 104,80 €.
31
(4) Dagegen hat sich die Kreditverbindlichkeit gegenüber der H5 Sparkasse von 450,00
32
€ auf 606,00 € ausweislich des vorgelegten Kontoauszugs vom 6. Mai 2009 erhöht.
Diese Erhöhung hat Berücksichtigung zu finden. Ihr steht nicht entgegen, dass sie erst
nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe vereinbart wurde. Darlehensschulden und
Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bereits entstandener oder
bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die in Ansehung des
Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen wurden, sind in der Regel nicht
als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen.
Die Partei hat sich in ihrer Lebensführung grundsätzlich darauf einzustellen, dass sie
entstehende oder entstandene Prozesskosten zu tragen hat. Ausnahmsweise sind
solche Verbindlichkeiten jedoch berücksichtigungsfähig bei sogenannten
lebenswichtigen oder lebensnotwendigen Schulden, wozu auch Verbindlichkeiten
zählen, die aufgrund einer sittlichen Verpflichtung (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-
Sachs, a.a.O., Rn. 294; Zöller/Geimer, a.a.O., § 115 Rn. 38, 40) oder zumindest auch
aufgrund beruflicher Notwendigkeit entstanden sind (vgl. LAG Hamm, 23. März 2009, 14
Ta 586/08, n.v.). Es ist darauf abzustellen, ob es sich um für den persönlichen oder
beruflichen Bedarf notwendige Verpflichtungen handelt, die nicht aufschiebbar sind.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem im Rahmen der Überprüfung im Jahr 2008
vorgelegten Schreiben der H5 Sparkasse vom 22. November 2007, dass die
monatlichen Zahlungen von damals 450,00 € Teilzahlungen auf einen von der
Sparkasse bereits gekündigten Kredit waren. Die Teilzahlungsvereinbarung war
befristet bis zum 15. Mai 2008, eine rechtzeitige Anschlussvereinbarung vor Ablauf der
Frist wurde in diesem Schreiben angemahnt. Es ist bei dieser Sachlage davon
auszugehen, dass die durch die vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge belegte
Abzahlung in Höhe von nunmehr 606,00 € auf dieser Anschlussvereinbarung beruht
und von ihm im Hinblick auf die Bedienung eines bereits gekündigten Kredits zwingend
in dieser Höhe vorzunehmen war. Dies führt zu ihrer Berücksichtigung.
33
(5) Darüber hinaus hat der Kläger in seiner Eingabe vom 17. Juni 2009 Nebenkosten für
Strom, Heizung und Abgaben an die Stadt von insgesamt 190,00 € monatlich zwar
geltend gemacht, jedoch nicht aktuell belegt. Allerdings ergibt sich aus den der
Überprüfung im Jahr 2008 beigefügten Unterlagen, dass Grundbesitzabgaben in Höhe
von 90,00 € einschließlich Niederschlags- und Schmutzwassergebühren zu leisten
waren. Ausweislich der Rechnung der Fa. E2 vom 1. August 2005 betrug der Abschlag
für Gas bereits 59,00 €. Beide Ausgabepositionen dürften angesichts der
Preisentwicklung gerade bei Gas nicht niedriger liegen, so dass die wiederholte
Erklärung des Klägers, an seiner finanziellen Lage habe sich nichts geändert, auch in
diesem Punkt plausibel ist. Die Summe aus Grundbesitzabgaben pp. und Gas in Höhe
von 149,00 € liegt unterhalb des nunmehr geltend gemachten Betrags und kann in
dieser Höhe bei den Gesamtverbindlichkeiten berücksichtigt werden.
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cc) Insgesamt ergeben sich Belastungen von 1.674,96 €, von denen der Kläger
entsprechend seinem Anteil am Gesamteinkommen 63,5 %, d. h. 1.063,60 € zu tragen
hat. Unter Berücksichtigung seines persönlichen Freibetrags gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1b ZPO in Höhe von 395,00 € ergeben sich insgesamt Abzüge von 1.458,60 €. Bei
einem Einkommen von 1.437,69 € liegen die Belastungen insgesamt rund 21,00 €
darüber. Die Anordnung einer Ratenzahlung scheidet danach aus.
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5. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Kläger ist
nicht beschwert, eben so wenig die beklagte Partei, die am Prozesskostenhilfeverfahren
ohnehin nicht beteiligt ist. Die Staatskasse ist nicht beschwerdeberechtigt, weil sie am
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Aufhebungsverfahren nicht beteiligt ist und die Voraussetzungen des § 127 Abs. 3 ZPO
nicht erfüllt sind, unter denen sie trotz mangelnder Beteiligung Beschwerde einlegen
kann. § 127 Abs. 3 ZPO sieht lediglich im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ein
Beschwerderecht der Staatskasse vor.