Urteil des LAG Hamm vom 18.03.2004

LArbG Hamm: kommission, ark, vergütung, treu und glauben, kirche, outsourcing, mvg, gewerkschaft, diskriminierung, zusammensetzung

Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 1069/03
Datum:
18.03.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 1069/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 3 Ca 3358/02
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 427/04 Revision zurückgewiesen
08.06.2005
Schlagworte:
führende Parallelsache
Leitsätze:
führende Parallelsache
Die Einführung des BA-Vergütungsgruppenplans zum BAT-KF für
kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis sich
nach dem BAT-KF richtet, durch die zuständige Arbeitsrechtliche
Kommission ist nicht offenbar unbillig i. S. d. § 319 BGB. Hierdurch sollte
der Dienstgeberseite der Anreiz genommen werden, die erfassten
Hilfsfunktionen fremd zu vergeben. Dieser Zweck gibt einen sachlichen
Grund für die Schlechterstellung der betroffenen Arbeitnehmer im
Vergleich zu anderen Arbeitnehmergruppen ab und vermag eine even-
tuelle größere nachteilige Betroffenheit von Frauen objektiv zu
rechtfertigen
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bielefeld vom 30.04.2003 - 3 Ca 3358/02 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um den für die Klägerin maßgeblichen Vergütungsgruppenplan.
2
Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die zu den von Bodelschwinghschen
Anstalten Bethel, Sarepta und Nazareth gehört. Diese sind Stiftungen privaten Rechts,
3
die sich zu einem Anstaltsbund zusammengeschlossen haben und dem Diakonischen
Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen angehören. Bei der Beklagten ist eine
eigene Mitarbeitervertretung gebildet.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin
als ungelernte Mitarbeiterin in der Hauswirtschaft in Teilzeit (50 %) beschäftigt. Dem
Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30.09.1993 (Bl. 7 – 9 d. A.) zu
Grunde. Dieser enthält in § 1 Abs. 4 die folgende Regelung:
4
"Für das Arbeitsverhältnis gelten:
5
a) Die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages in der für die
Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen jeweils
geltenden Fassung (BAT-KF).
6
b) Die sonstigen für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von
Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wie sie auf
Grund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der
Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrecht-
Regelungsgesetz – ARRG) vom
7
25. Oktober 1979 (KAB l. S.230) und seinen Änderungen geregelt sind.
8
..."
9
Nach § 3 Abs. 1 ist die Klägerin in die Vergütungsgruppe IX BAT-KF eingruppiert. Die
Fallgruppe 3 im Vergütungsgruppenplan 4.5 Hauswirtschaft lautet:
10
"Mitarbeiterinnen ohne Ausbildung im Haus-, Wäscherei- und Küchendienst mit
schwieriger Tätigkeit (zum Beispiel Annahme und Ausgabe der Wäsche,
Portionierung und Ausgabe der Kaltverpflegung, Ausgabe von Textilien,
Hausrat oder Wirtschaftsbedarf) sofern sie im Angestelltenverhältnis beschäftigt
werden."
11
Seit dem 01.10.1995 befindet sich die Klägerin nach erfolgreichem Bewährungsaufstieg
(Fallgruppe 4) in der Vergütungsgruppe IX a BAT-KF und bezieht ein Gehalt von zuletzt
936,36 €. Den zum 01.10.2000 zunächst nicht vollzogenen weiteren
Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe VIII (Fallgruppe 6) hat die Beklagte im
Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits anerkannt. Der Klägerin stehen außerdem
Ansprüche auf eine Zusatzversorgung zu.
12
Die am 22.03.1955 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte
Kinder.
13
Der BAT-KF ist eine im Rahmen des sogenannten Dritten Wegs beschlossene
kirchliche Arbeitsrechtsregelung. Zuständig für die Beklagte ist die rheinisch-
westfälischlippische Arbeitsrechtliche Kommission (ARK-RWL). Zusammensetzung,
Organisation und Aufgabenstellung sowie Wirkung der Beschlüsse sind im
Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter
im kirchlichen Dienst vom 25.10.1979 (Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG) geregelt.
Der ARK-RWL gehören je neun Vertreter der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sowie der
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Dienstgeberseite an. Nach Einführung des sogenannten Verbandsprinzips werden die
Mitarbeitervertreter durch die Vereinigungen entsandt, in denen mindestens 3.000
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst des Zuständigkeitsbereichs zusammengeschlossen
sind (§ 6 ARRG). Zuvor waren die Mitarbeitervertreter über die Mitarbeitervertretungen in
die ARK-RWL entsandt worden.
Zu den Vereinigungen, die zu einer Mitarbeit in der ARK-RWL eingeladen worden sind,
gehört die Gewerkschaft ÖTV. Diese arbeitet jedoch in den arbeitsrechtlichen
Kommissionen nicht mit, da der Gewerkschaftstag der damaligen Gewerkschaft ÖTV im
Jahre 1988 beschlossen hatte, sich nicht an den arbeitsrechtlichen Kommissionen im
kirchlichen und dia-
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konischen Bereich zu beteiligen. Der Aufforderung des Vorsitzenden der ARK-RWL
vom 30.04.1999 (Bl. 182 – 183 d. A.), für die ab dem 01.01.2000 beginnende Amtszeit
Vertreter zu benennen, kamen weder die Gewerkschaft ÖTV noch die damals ebenfalls
eingeladene Deutsche Angestelltengewerkschaft nach. In der seit dem 01.01.2000
amtierenden ARK-RWL waren damit lediglich die Vereinigung kirchlicher Mitarbeiter –
VKM – mit sieben Personen, unter denen sich ein Personalleiter befand, und der
Marburger Bund mit zwei Personen – beides Oberärzte – vertreten. Organisation,
Aufgabenstellung und Selbstverständnis des VKM sind der bei der Akte befindlichen
Satzung (Bl. 100 – 123 d. A.) zu entnehmen.
16
Am 05.10.2001 beschloss die ARK-RWL eine Arbeitsrechtsregelung für die Vergütung
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in besonderen Arbeitsbereichen und eine
Änderung der Alterteilzeitverordnung, die am 21.12.2001 im Kirchlichen Amtsblatt der
Evangelischen Kirche von Westfalen veröffentlicht wurde. Danach wurden unter
anderem die bisherigen Fallgruppen 1 bis 4 und 6 der Berufsgruppe 4.5 gestrichen und
als Anlage 1c ein Vergütungsgruppenplan zum BAT-KF für Angestellte in besonderen
Arbeitsbereichen (BA-Vergütungsgruppenplan zum BAT-KF) eingefügt (vergleiche
Abschnitt I § 3). Dieser lautet wie folgt:
17
"Vorbemerkungen
18
1. Der BA-Vergütungsgruppenplan gilt nicht für Angestellten in gleichen
Tätigkeiten, die unter ein Tätigkeitsmerkmal des allgemeinen
Vergütungsgruppenplans fallen.
19
2. Die Vorbemerkung 1.2.4 bis 9. 11 und 12 des allgemeinen
Vergütungsgruppenplans zum BAT-KF gelten entsprechend.
20
Berufsgruppe
21
1. Mitarbeiter in handwerklichen, landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen
Hilfstätigkeiten
22
Fallgruppe Tätigkeitsmerkmal Verg.Gr.
23
1 Mitarbeiter mit einfacher Tätigkeit, für die
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eine kurze Einweisung nötig ist (z.B. einfache
25
Küchenhilfsarbeiten wie Gemüse putzen, Geschirr
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spülen – ausgenommen an Maschinen -, einfache
27
Reinigungsarbeiten) BA 1
28
2 Mitarbeiter mit einer Tätigkeit, für die eine ein-
29
gehende Einarbeitung nötig ist (z.B. nicht einfache
30
hauswirtschaftliche Arbeiten wie Zubereiten von
31
Kaltverpflegung oder Arbeiten an Maschinen wie
32
Kartoffelschälmaschinen, Gemüseputzmaschinen,
33
Geschirrspülmaschinen) BA 2"
34
Die Vergütung der diesem Vergütungsgruppenplan unterfallenden Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter wurde dahingehend geändert, dass sie nur noch eine Grundvergütung
erhielten, die ab dem 01.01.2002 für die Vergütungsgruppe BA 1 1.308,91 € und für die
Vergütungsgruppe BA 2 1.492,15 € betrug, zu denen der ehegatten- und
kinderbezogene Anteil des Ortszuschlags hinzukommt. Weitere bislang gezahlte
Zulagen entfielen (Abschnitt 1 § 5). Im Vergleich zur Vergütungsgruppe X des BAT-KF
ergab sich im Jahre 2001 ohne Berücksichtigung der familienbezogenen Anteile eine
Differenz von 102,-- €. Beim Endgehalt der Vergütungsgruppe X lag die Differenz sogar
bei 294,78 €. Da es innerhalb der BA-Gruppen keinen Zeitaufstieg mehr gibt, beträgt die
Differenz der erreichbaren Endgehälter der Vergütungsgruppen BA 2 und VIII BAT-KF
sogar 304,85 €. Beschäftigte, die in die BA-Gruppen eingruppiert werden, erhalten
gegenüber langjährig Beschäftigten, die dem allgemeinen Vergütungsplan des BAT-KF
unterliegen, dort in die Vergütungsgruppe X eingruppiert sind und somit eine
geringerwertige Tätigkeit als in der Gruppe BA 2 ausüben, jedoch die Endstufe erreicht
haben, eine um 111,54 € niedrigere Vergütung. Für Angestellte, die, wie die Klägerin,
am 31.12.2001 in einem Arbeitsverhältnis standen, das am 01.01.2001 fortbestand,
wurde jedoch die Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zur bisherigen
Vergütung vereinbart (Abschnitt 1 § 9 Abs. 1). Bei zukünftigen allgemeinen
Vergütungserhöhungen wird sich die Ausgleichszulage allerdings um 1/3 vermindern
(Abschnitt 1 § 9 Abs. 2). Für die von diesen Änderungen betroffenen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter wurde zugleich vereinbart, dass ihnen im Fall einer Ausgliederung ihres
Arbeitsbereichs bis zum 31.01.2007 nicht betriebsbedingt gekündigt werden darf
(Abschnitt 1 § 9 Abs. 3). Nach einer weiteren, am 28.06.2002 im Kirchlichen Amtsblatt
der Evangelischen Kirche von Westfalen veröffentlichten Änderung der
Übergangsbestimmungen zur Einführung der BA-Vergütungsregelungen werden
Angestellte, die bis 31.12.2001 nach einem Tätigkeitsmerkmal, das durch § 2 der
Arbeitsrechtsregelung gestrichen ist, und die in Vergütungsgruppe X BAT-KF bzw. in
die Vergütungsgruppe IX, IX a oder VIII BAT-KF eingruppiert waren, ab 01.01.2002 in
die Vergütungsgruppe BA 1 bzw. BA 2 BAT-KF eingruppiert.
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Dem Beschluss der ARK-RWL vom 05.10.2001 waren Diskussionen vorausgegangen,
die zu einer Koppelung der bis dahin getrennten Arbeitsrechtsregelungen zur
Einführung einer neuen Vergütungsordnung für besondere Arbeitsbereiche und zur
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Änderung der Altersteil-eitordnung führten. Gegenüber den ursprünglichen
Vorstellungen der VKM-Vertreter von einem unbefristeten Kündigungsverbot für die von
der BA-Vergütung Betroffenen wurde der Kompromiss einer Fünf-Jahres-Frist für das
Kündigungsverbot möglich, weil für die Diakonischen Werke und zwei Landeskirchen
die Zustimmung zu der beantragten Anhebung des Prozentsatzes für die Bemessung
des Aufstockungsbetrages in der Altersteilzeitordnung
auf 83 % signalisiert worden war. Gegen eine zuvor bereits beschlossene Regelung, in
der für ältere bzw. langjährig Beschäftigte ein unbefristeter Kündigungsschutz und für
die übrigen Mitarbeiter Kündigungsschutz bis zum 31.08.2001 vorgesehen worden war,
waren Einwendungen erhoben worden. Zur Darstellung der Einzelheiten der insoweit
geführten Diskussionen wird auf die Vorlage vom 17.09.2001 für die Sitzung der ARK-
RWL am 05.10.2001 verwiesen (Bl. 124 – 126 d.A.).
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Nachdem die Klägerin den Gehaltsmitteilungen für die Monate Januar und Februar
2002 entnommen hatte, dass sie den sogenannten BA-Gruppen zugeordnet worden war
und ihr hiergegen gerichteter Widerspruch wie auch das durchgeführte
Schlichtungsverfahren ohne Erfolg geblieben war, reichte sie am 20.09.2002 beim
Arbeitsgericht Klage mit dem Antrag ein, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
ihr rückwirkend vom 01.08.2001 Vergütung nach der Vergütungsgruppe 8 BAT-KF zu
zahlen. Hilfsweise strebt sie die Feststellung an, dass die von der Beklagten
vorgenommene Umgruppierung in die BA-Gruppen des BAT-KF unwirksam ist.
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Durch Urteil vom 30.04.2003 hat das Arbeitsgericht nach dem Hauptantrag entschieden.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2001
ergebe sich bereits aus dem Anerkenntnis der Beklagten. Ab dem 01.01.2002 stehe der
Klägerin ihr frühere Vergütung weiter zu, weil der Vergütungsgruppenplan zum BAT-KF
für Angestellte in besonderen Arbeitsbereichen für sie nicht gelte, da sie nicht in die
neue BA-Vergütungsgruppe wirksam überführt worden sei. Bei der ARK-RWL handele
es sich nicht um einen als zur Leistungsbestimmung berechtigten Dritten im Sinne des §
317 Abs. 1 BGB, dessen Leistungsbestimmung nur dann nicht verbindlich sei, wenn sie
offenbar unbillig sei, § 319 BGB. Die ARK-RWL sei nämlich keine unabhängige,
paritätisch besetzte Kommission, wie sie § 9 ARRG vorschreibe. Die Zusammensetzung
nach § 5 ARRG sei nur formal paritätisch. Zum einen seien seit der Umstellung auf das
Verbandsprinzip die Interessen aller in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten
Arbeitnehmer nicht mehr repräsentativ vertreten. Unabhängig davon hätte durch eine
entsprechende Bestimmung im ARRG nach der Umstellung auf das Verbandsprinzip
dafür Sorge getragen werden müssen, dass sogenannte Leitende Mitarbeiter, die zwar
formal einen Arbeitnehmerstatus besäßen, jedoch nach § 4 MVG in
Mitarbeitervertretungen Arbeitnehmer nicht vertreten dürften, auch nicht als
Arbeitnehmervertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission zugelassen würden. Die
Historie der Schaffung von besonderen Arbeitsbereichen in Koppelung mit den
Bezügen nach dem Altersteilzeitgesetz mache deutlich, dass Leitende Mitarbeiter nicht
objektiv die Interessen aller im kirchlichen Bereich beschäftigten Arbeitnehmer vertreten
könnten. Es sei nicht
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vorstellbar, dass ein Personalleiter, der bei Ausübung seiner Funktion im Betrieb
Interessen des Arbeitgebers wahrnehmen müsse, als Kommissionsmitglied der
Mitarbeiterseite angehören könne. Damit könne Maßstab für die Wirksamkeit der
geschaffenen Regelung nicht § 319 BGB, sondern allein § 315 BGB sein, wonach eine
Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu treffen sei. Für die materielle
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Ungleichbehandlung der Klägerin, die auf lange Sicht von der Einkommensentwicklung
der übrigen bei der Beklagten in den Vergütungsgruppen VIII bis X BAT-KF
beschäftigten Arbeitnehmern abgekoppelt werde, fehle es an einem sachlichen Grund.
Es sei weder ersichtlich, dass der Kreis der von "Outsourcingbedrohten" Arbeitnehmer
durch die Eingrenzung auf Mitarbeiter in handwerklichen, landwirtschaftlichen und
hauswirtschaftlichen Tätigkeiten hinreichend eingegrenzt sei, noch weshalb Mitarbeiter
die keine "Hilfstätigkeiten" ausübten, nicht oder nicht so stark vom "Outsourcing"
betroffen seien, noch dass die getroffene Maßnahme auf das "mildeste Mittel"
beschränkt sei. Die Schaffung der "besonderen Arbeitsbereiche" stelle vielmehr ein
"Sonderopfer" einer bestimmten Personengruppe dar, während die übrigen
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im kirchlichen Bereich trotz Kostendrucks nicht zu
finanziellen Abstrichen herangezogen würden.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen
Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, und das der Beklagten am 26.06.2003
zugestellt worden ist, hat diese am 10.07.2003 Berufung eingelegt. Die
Berufungsbegründung ist nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
15.09.2003 am 11.09.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
41
Die Beklagte, die ihre Berufung auf den Zeitraum ab dem 01.01.2002 beschränkt, rügt,
dass das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen habe, bei der ARK-RWL handele es
sich nicht um eine unabhängige, paritätisch besetzte Kommission. Die Arbeitgeberseite
könne auf die Entsendung der Vertreter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
kirchlichen Dienstes durch die Arbeitnehmervereinigungen keinen Einfluss nehmen.
Zweifel daran, ob durch die Umstellung auf das Verbandsprinzip die Interessen der in
kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer repräsentativ vertreten würden,
seien unberechtigt. Hierdurch habe sich an der paritätischen Besetzung der
Kommission nichts geändert, die zahlenmäßige Gleichheit der Besetzung der
Kommission sei nicht tangiert. Dies habe mit der Frage, ob die Besetzung der
Dienstnehmerseite repräsentativ sei, nichts zu tun. Durch eine bewusste
Verweigerungshandlung einer Mitarbeitervereinigung könne das Verbandsprinzip nicht
ausgehebelt werden. Dann hinge es vom Verhalten einer Mitarbeitervereinigung ab, ob
die Regelung in § 6 ARRG wirksam sei oder nicht, was ein rechtlich unvertretbares
Ergebnis sei. Auch müsse der Maßstab der Wahlvorschriften zur MAV nicht auf die
Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission übertragen werden. Auch Leitende
Mitarbeiter seien Arbeitnehmer und hätten deshalb Arbeitnehmerinteressen, die sie
ausschließlich in der Arbeitsrechtlichen Kommission wahrnehmen könnten. Die
getroffene Regelung verstoße nicht gegen den aus § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB
herzuleitenden Maßstab der offenbaren Unbilligkeit. Durch die Bildung der BA-Gruppen
habe das Outsourcing verhindert und hätten die Arbeitsbereiche im BAT-KF
einschließlich der Zusatzversorgung gehalten werden sollen. In Praxi seien
Hilfstätigkeiten besonders outsourcing gefährdet. Durch die Ausgleichszulage, die
zeitlich nicht beschränkt sei, und durch das Verbot betriebsbedingter Kündigungen bis
zum 31.01.2007 seien die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zudem
besonders geschützt. Es stelle auch keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar, wenn
allein die Vergütung der ungelernten Hilfskräfte von der allgemeinen
Vergütungsentwicklung abgekoppelt würde, weil deren Tätigkeit in besonderem Maße
gefährdet sei, an branchenfremde Unternehmen vergeben zu werden. Es reiche aus,
dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes oder anerkennenswertes
sozialpolitisches Ziel verfolgt werde. Der Wille, Outsourcing aus den kirchlichen
diakonischen Einrichtungen zu vermeiden, sei auch ein ausreichender
42
Rechtfertigungsgrund für eine eventuelle mittelbare Ungleichbehandlung der
Geschlechter.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.04.2003 abzuändern und die
Klage abzuweisen, soweit sie verpflichtet wurde, an die Klägerin für die Zeit ab
dem 01.01.2002 Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII BAT-KF zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
46
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der überproportionale Anteil von
Personalleitern und sonstigen Mitarbeitern in Arbeitgeberfunktion lasse es an sozialer
Ausgewogenheit bei den getroffenen Regelungen fehlen. Fast ausschließlich die
Mitarbeiter der unteren Vergütungsgruppen seien von Einschnitten betroffen, während
die Mitarbeiter der oberen Vergütungsgruppen unbehelligt blieben. Es würde sowohl der
arbeitsrechtliche
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Gleichbehandlungsgrundsatz als auch der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt. Das
Ausgliederungsproblem betreffe nicht nur die in Frage stehenden Bereiche, sondern
auch die höheren Vergütungsgruppen, ohne dass hierfür entsprechende Regelungen
getroffen worden wären. Außerdem liege ein Verstoß gegen das Verbot der
Lohndiskriminierung nach § 612 Abs. 3 BGB vor. Von der Lohnsenkung der BA-
Gruppen würden deutlich mehr Frauen als Männer betroffen – in den Einrichtungen der
Beklagten seien mehr als 90 % der betroffenen Mitarbeiter Frauen -.
48
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen
ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
49
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
50
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
51
Die Feststellungsklage ist mit dem Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.
52
I
53
Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des
öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts keinen prozessrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BAG vom
06.08.1997 – 4 AZR 195/96 – NZA 1998, 263 ff. m.w.N.).
54
II
55
Die Klägerin kann jedoch nicht verlangen, weiterhin nach der Vergütungsgruppe VIII
BAT-KF vergütet zu werden. Aufgrund der Arbeitsrechtsregelungen vom 05.10.2001 ist
sie vielmehr ab dem 01.01.2002 nach der Vergütungsgruppe BA 1 der Berufsgruppe 1
"Mitarbeiter in handwerklichen, landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen
Hilfstätigkeiten" des BAT-KF zu vergüten, weil diese Vergütungsänderung
56
rechtswirksam ist.
1) Der Rechtswirksamkeit der Vergütungsänderung steht nicht entgegen, dass die
Umgruppierung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung vorgenommen worden ist.
Nach § 42 c MVG steht der Mitarbeitervertretung zwar ein eingeschränktes
Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen einschließlich der Festlegung der
Fallgruppe, des Wechsels der Fallgruppe und der Umgruppierung zu. Jedoch erwächst
der Klägerin aus der eventuellen Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts kein
individual-rechtlicher Anspruch.
57
Für die Rechtsfolgen unterbliebener Mitbestimmung ist nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zwischen der kollektiv-rechtlichen Seite und den Rechtsfolgen im
Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu differenzieren. Es ist zu
fragen, ob aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten sich ein individual-rechtlicher
Anspruch ergeben kann. Ein solcher ist für das hier in Frage stehende
Mitbestimmungsrecht jedoch zu verneinen, da es keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt
dafür gibt, wie sich aus der Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts ein vertraglicher
Erfüllungsanspruch eines Arbeitnehmers ergeben soll. Demnach ist die Verletzung des
Mitbestimmungsrechts für den Vergütungsanspruch unerheblich. Bei
Eingruppierungsentscheidungen des Arbeitgebers ergibt sich dies schon daraus, dass
dem betrieblichen Vertretungsorgan lediglich ein Mitbeurteilungsrecht zusteht. Ein nach
den vertraglichen Bestimmungen nicht gegebener Vergütungsanspruch kann deshalb
nicht durch eine etwaige Verletzung des Mitbestimmungsrechts begründet werden (vgl.
BAG vom 06.08.1997, aaO., m.w.N.). Damit kommt es für die vorliegende Fallgestaltung
nicht darauf an, ob der im Kirchlichen Amtsblatt vom 28.06.2002 bekannt gegebenen
Änderung der Übergangsbestimmung des § 9 der Arbeitsrechtsregelung für die
Vergütung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in besonderen Arbeitsbereichen
Rückwirkung zukommt. Nach dieser Vorschrift sind die betroffenen Mitarbeiter ab dem
01.01.2002 in die entsprechenden Vergütungsgruppen eingruppiert, womit kein Raum
mehr für das Mitbeurteilungsrecht der Mitarbeitervertretung bliebe.
58
2) Durch die Bezugnahme in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages vom 30.09.1993 hat sich
die Klägerin dem Bestimmungsrecht der Arbeitsrechtlichen Kommission über den
jeweiligen Inhalt des BAT-KF und der sonstigen von der Kommission beschlossenen
arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterworfen. Nach dieser arbeitsvertraglichen Klausel
findet der BAT-KF in der jeweils geltenden Fassung und finden die sonstigen für die
Angestellten im Be- reich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen
arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das
Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst
geregelt sind, Anwendung. Damit ist zum einen eine vom Normgeber der
Arbeitsrechtsregelung nach Maßgabe des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes
beschlossene Regelung in Bezug genommen (vgl. BAG vom 19.02.2003 – 4 AZR 11/02
– NZA 2004, 54). Zum anderen steht dem nicht entgegen, dass die Parteien in § 3 des
Arbeitsvertrages die Vergütung der Klägerin nach der Vergütungsgruppe IX BAT-KF,
Fallgruppe 3, vereinbart haben. Mit der Bezugnahmeklausel in § 1 Abs. 4 des
Arbeitsvertrages haben sie nämlich erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche
Arbeitsrechtsregelungen der Arbeitsrechtlichen Kommission für ihr Arbeitsverhältnis
maßgebend sein sollen und hierbei stets die aktuelle Fassung anzuwenden sei. Wenn
dann im Anschluss an eine solche Vereinbarung die Vergütung nach einer bestimmten
Vergütungsgruppe festgesetzt wird, ist ohne anderweitige Anhaltspunkte davon
auszugehen, dass die Parteien nur zum Ausdruck bringen wollten, welche
59
Vergütungsgruppe derzeit zutreffend ist (vgl. BAG vom 06.08.1997, aaO.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Vergütungsgruppe der Klägerin individuell vereinbart
worden ist, sind nicht ersichtlich.
3) Die Änderung der Vergütungsgruppenregelung durch die Arbeitsrechtliche
Kommission vom 05.10.2001 ist wirksam.
60
a) Sie wurde nämlich durch das zuständige Organ getroffen, dessen Entscheidung sich
die Klägerin durch die Bezugnahme in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages unterworfen
hatte. Nach § 2 Abs. 2 ARRG ist es Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission, die
kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung geltenden Arbeitsrechtsregelungen zu
beschließen. Die ARK-RWL ist im Verhältnis zu den Parteien nicht Vertreterin des
Dienstgebers, sondern Dritter im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB, weil sie eine paritätisch
zusammengesetzte von den Vertragsparteien unabhängige Kommission ist (BAG vom
15.11.2001 – 6 AZR 88/01 – NZA 2002, 1055; vom 17.04.1996 – 10 AZR 558/95 – NZA
1997, 55).
61
Die Änderung der Vergütung ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Bei dieser Prüfung ist §
319 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwenden, weil die Parteien das Leistungsbestimmungsrecht
eines Dritten vereinbart haben. Offenbar unbillig ist die Leistungsbestimmung eines
Dritten erst dann, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich
dies bei unbefangener Prüfung sofort aufdrängt (BAG vom 17.04.1996, aaO.).
62
aa) Für den – gegenüber sonstigen arbeitsvertraglichen Einheitsregeln
zurückgenommenen – Überprüfungsmaßstab des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB für
Arbeitsverträge, deren Inhalt durch die im sogenannten Dritten Weg zustande
gekommenen Arbeitsrechtsregelungen
63
bestimmt wird, ist die paritätische Zusammensetzung und Unabhängigkeit der
Arbeitsrechtlichen Kommission von ausschlaggebender Bedeutung. Damit können die
Interessen der Arbeitnehmerseite bei der Regelung der Arbeitsbedingungen zur Geltung
gebracht werden, sodass gegenüber vom Arbeitgeber einseitig bestimmte
Arbeitsvertragsbedingungen eine erhöhte materielle Richtigkeitsgewähr besteht (vgl.
hierzu Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl., § 15).
64
Die ARK-RWL ist ein paritätisch besetztes Gremium. Ihr gehören neun Vertreter der
Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sowie neun Vertreter der Dienstgeberseite an. Die
damit formal bestehende Parität beider Seiten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass
ihr bei der Beschlussfassung über die Einführung der BA-Gruppen ein Personalleiter
angehörte. Dieser mag zwar aufgrund seiner beruflichen Position erhöhtes Verständnis
für die Belange des kirchlichen Arbeitgebers aufbringen, zugleich ist er jedoch selbst
Arbeitnehmer und als solcher von den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission
persönlich betroffen. Dies steht der Annahme entgegen, als Mitglied der
Arbeitsrechtlichen Kommission werde er sich in einer Weise mit den Interessen der
Dienstgeberseite identifizieren, dass eine Störung der Parität anzunehmen sei. Die
Besetzung der ARK-RWL mit einem Personalleiter mag zwar durch das sogenannte
Verbandsprinzip (§ 1 Abs. 1 ARRG), wonach die Vertreter der Mitarbeiter im kirchlichen
Dienst durch Vereinigungen entsandt werden, denen mindestens 3000 Mitarbeiter
angehören, begünstigt worden sein, da lediglich der Verband kirchlicher Mitarbeiter
sowie der Marburger Bund Vertreter in die Arbeitsrechtliche Kommission entsandt
haben, nicht aber die Gewerkschaft ÖTV und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft.
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Der VKM und der Marburger Bund repräsentieren eher Mitarbeiter in gehobenen
Positionen, die auch, wie die Zusammensetzung der ARK-RWL zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung beweist, die Mehrzahl der Mitarbeitervertreter ausgemacht haben.
Durch eine Bezugnahme im ARRG auf das MVG hätte dem jedoch nicht
entgegengewirkt werden können. Denn nach § 4 MVG werden nur wenige Mitarbeiter
nicht vom MVG erfasst. Dies sind nach Abs. 2 zum einen die mit der Geschäftsführung
einer Dienststelle beauftragten Personen und ihre ständigen Vertreter und
Vertreterinnen, zum anderen die Personen, die allein oder gemeinsam mit anderen
Personen zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt sind, die nach dem MVG der
Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Allein die Tätigkeit als Personalleiter
bedeutet nicht, dass ein Mitarbeiter diesem Personenkreis zuzurechnen ist. Die
mangelnde Repräsentanz aller Beschäftigtengruppen im kirchlichen Dienst hat
demgegenüber seinen Grund darin, dass die Gewerkschaft ÖTV im Jahre 1988
beschlossen hatte, sich nicht an den Arbeitsrechtlichen Kommissionen im kirchlichen
und diakonischen Bereich zu beteiligen. Anhaltspunkte dafür, dass dies bei der
Einführung des Verbandsprinzips eine Rolle gespielt hätte, liegen nicht vor. Auch wenn
die Möglichkeit besteht, durch eine Bestimmung der Vertreter der Arbeitnehmerseite
über die Mitarbeitervertretungen zu einer angemesseneren Repräsentation der
verschiedenen Beschäftigtengruppen zu gelangen, so hat das bestehende Verfahren
keine Störung der Parität zur Folge. Eine andere Frage ist, ob die unausgeglichene
Besetzung der ARK-RWL im Einzelfall den Inhalt einer Arbeitsrechtsregelung so
beeinflussen kann, dass diese offenbar unbillig im Sinne des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB
ist.
An der Unabhängigkeit der ARK-RWL bestehen demgegenüber keine Zweifel. Nach § 9
ARRG ist die persönliche Rechtsstellung der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen
Kommission bis hin zum weitgehenden Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts
abgesichert.
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bb) Die offenbare Unbilligkeit der Vergütungsregelung für die von den BA-Gruppen
erfassten Arbeitnehmer ergibt sich nicht aus der Streichung des Altersstufen- und
Bewährungsaufstiegs. Die Mitarbeiter erhalten zunächst aufgrund der getroffenen
Übergangsregelung ihr bisheriges Gehalt weiter, die Ausgleichszulage wird erst
zukünftig um jeweils 1/3 einer etwaigen Gehaltserhöhung verringert. Da die betroffenen
Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütungserhöhung haben, wirkt die
Vergütungsänderung nicht in unzulässiger Weise zurück. Da zudem im Arbeitsvertrag
die Geltung der Arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung
vereinbart worden ist, war das Vertrauen darauf, dass weitere Gehaltssteigerungen
durch Bewährungs- oder Altersstufenaufstieg eintreten, nicht begründet. Darüber hinaus
hat die Klägerin bereits am Bewährungsaufstieg teilgenommen.
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Die Interessen der Klägerin sind auch in besonderem Maße dadurch gewahrt worden,
dass für ihre Berufsgruppe betriebsbedingte Kündigungen in der Zeit vom 01.01.2002
bis 31.01.2007 ausgeschlossen worden sind. Käme es nämlich zu einer Auslagerung
der Tätigkeit der Klägerin, so wäre es keinesfalls zwingend, dass zumindest ein
Betriebsteilübergang vorläge mit der Folge, dass nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB die
bisherigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen fortgelten würden. Vielmehr könnte die
Beklagte die unternehmerische Entscheidung treffen, Aufträge fremd zu vergeben und
sodann wirksame betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, sodass die Klägerin
ihren Arbeitsplatz verlieren würde. Da die Ausgleichszulage bei Vergütungserhöhungen
jeweils nur zu 1/3 aufgezehrt wird, steht sich die Klägerin nach ihrer jetzigen
68
arbeitsvertraglichen Situation besser. Zudem ist von erheblichem Gewicht, dass die
Klägerin in der kirchlichen Zusatzversorgung verbleibt.
cc) Die Koppelung der Arbeitsrechtsregelung zur Einführung der BA-Gruppen mit der
Änderung der Altersteilzeitordnung, bei der es um die Anhebung des
Aufstockungsbetrages auf 83 % ging, hat gleichfalls die offensichtliche Unbilligkeit der
getroffenen Regelung nicht zur Folge. Durch diese Koppelung ist eine Änderung des bis
dahin diskutierten Kündigungsverbots zustande gekommen: Es wurde das nunmehr
geltende Kündigungsverbot für fünf Jahre zugunsten aller betroffenen Arbeitnehmer
vereinbart, gegenüber einer bis dahin diskutierten Fassung, die ein unbefristetes
Kündigungsverbot für ältere bzw. länger beschäftigte und ein auf drei Jahre befristetes
Kündigungsverbot für die übrigen Arbeitnehmer vorsah. Auch wenn die Anhebung des
Aufstockungsbetrages für Altersteilzeit im vorrangigen Interesse der in der ARK-RWL
überrepräsentierten Arbeitnehmer in gehobenen Positionen liegen dürfte, so stellt die
getroffene Vereinbarung eines uneingeschränkten, aber auf fünf Jahre befristeten
Kündigungsschutzes bei Anhebung des Aufstockungsbetrages für Altersteilzeit auf 83 %
zugunsten aller Arbeitnehmer keine offenbar unbillige Regelung dar. Der Vorlage für die
Sitzung der ARK-RWL am 05.10.2001 ist zu entnehmen, dass das ursprünglich ins
Auge gefasste Kündigungsverbot an Einwendungen gescheitert war. Unter diesen
Umständen ist nicht davon auszugehen, dass es in dieser Form verabschiedet worden
wäre. Die Koppelung mit der Änderung der Altersteilzeitordnung mag damit zwar auf
das Ergebnis Einfluss gehabt haben, in Form eines auf fünf Jahre befristeten
Kündigungsverbots für alle betroffenen Arbeitnehmer stellt diese Regelung jedoch
weiterhin einen angemessenen Ausgleich für die vergütungsmäßigen Nachteile dar.
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dd) Von offenbarer Unbilligkeit der Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission
kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil diese zunächst nur die
Vergütungsgruppen des Niedriglohnbereichs geändert hat, obwohl andere
Beschäftigungsgruppen, wie von Klägerseite vorgetragen wird, auch vom Outsourcing
bedroht sind. Die arbeitsrechtliche Kommission war nicht gehalten, unter diesen
Gesichtspunkt von einer Veränderung der Niedriglohngruppen abzusehen. Die
Hilfsfunktionen sind im besonderen Maße und mit besonderer Aktualität dem Risiko der
Auslagerung und der Fremdvergabe ausgesetzt, eine Umsetzung von
Auslagerungsplänen ist in der Regel ohne besondere Schwierigkeiten möglich, was für
andere Bereiche nicht ohne weiteres gilt. Eine Arbeitsrechtsregelung, durch die den
Dienstgebern der Anreiz genommen werden soll, solche Hilfesfunktionen fremd zu
vergeben, ist nicht offenbar unbillig.
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b) Die mögliche Vermeidung der Fremdvergabe und die erhöhte Arbeitsplatzsicherheit
der Klägerin schließt nicht nur eine offensichtliche Unbilligkeit der getroffenen Regelung
im Sinne
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des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB aus, sondern vermag darüber hinaus einen sachlichen
Grund für eine Ungleichbehandlung abzugeben.
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Die Klägerin wird zwar durch die Umgruppierung in die BA-Gruppen zum einen
gegenüber Arbeitnehmern in ähnlichen Hilfsfunktionen, die jedoch in anderen
Arbeitsbereichen tätig sind, zum anderen gegenüber Arbeitnehmern in höheren
Vergütungsgruppen, die auch von Ausgliederungen betroffen sein können, schlechter
behandelt. In beiden Fällen ist dies jedoch durch den mit der Schaffung der
Vergütungsgruppen verfolgten Zweck gerechtfertigt. Bei Vorliegen eines sachlichen
73
Grundes ist eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern auch im Entgeltbereich zulässig
(ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG vom 11.12.2003 – 6 AZR 64/03 – AuR 2004,
196 LS ).
aa) Gegenüber anderen Arbeitnehmern in Hilfsfunktionen ist die Differenzierung
gerechtfertigt, weil gerade nicht erkennbar ist, dass die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer in
gleicher Weise von Ausgliederung und Fremdvergabe bedroht ist. Soweit solche
Tätigkeiten, z. B. im Pflegebereichen, auf die von Klägerseite verwiesen wird, oder
Einrichtungen für Behinderte ausgeübt werden, sind sie in der Regel in Arbeitsabläufe
integriert, die eine isolierte Ausgliederung oder Fremdvergabe nicht zulassen. Anders ist
es jedoch für die von der Änderung der Vergütungsgruppen erfassten Hilfstätigkeiten:
Handwerkliche Hilfsarbeiten können regelmäßig an selbständige Betriebe vergeben
werden. Auch für landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten ist die Beauftragung von
Lohnunternehmen ohne weiteres möglich. Hauswirtschaftliche Hilfstätigkeiten sind in
vielen Einrichtungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des kirchlichen Bereichs
bereits fremd vergeben, wie dem Gericht aus zahlreichen Rechtsstreitigkeiten bekannt
ist. Dabei werden keineswegs nur organisatorisch abgrenzbare Einheiten ausgegliedert,
sondern auch einzelne Tätigkeiten, wie z.B. in Frage stehenden Küchenhilfsarbeiten,
fremd vergeben, während höherwertige Aufgaben, z.B. die eines Kochs, weiterhin von
eigenem Personal verrichtet werden. Der getroffenen Maßnahme kann die Eignung,
Fremdvergaben und Ausgliederungen zu vermeiden, nicht abgesprochen werden. Bei
Schonung der bereits beschäftigten Arbeitsnehmer durch die Ausgleichszulage
ermöglicht die Schaffung eines eigenen Vergütungsgruppenplans es, neu eintretenden
Arbeitnehmern eine geringere Vergütung zu zahlen und damit einem Kostenwettbewerb
mit privaten Anbietern Stand zu halten.
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bb) Soweit vom Outsourcing potentiell weitere Bereiche kirchlicher Einrichtungen, z.B.
Diagnostik in Krankenhäusern, Fahrdienste und anderes betroffen sein könnten (vgl.
Appel, Mittelbare Diskriminierung durch Lohngruppenbildung in
Kirchenarbeitsrechtlichen Entgeltsystemen, S. 53) steht dies der vorgenommenen
Differenzierung nicht entgegen. Damit ist nicht gesagt, dass sich für diese Bereiche die
Frage der Fremdvergabe mit gleicher Dringlichkeit stellt wie für die angesprochenen
Hilfstätigkeiten. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass es für solche
Beschäftigtengruppen zur Abwehr von Fremdvergaben ebenfalls zu Sonderregelungen
kommt. Ein Sonderopfer der mit Hilfstätigkeiten betrauten Mitarbeiter zugunsten anderer
Beschäftigtengruppen ist bei diesen Gegebenheiten nicht erkennbar.
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cc) Aus den dargestellten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB vor.
§ 612 Abs. 3 BGB begründet für eine Arbeitnehmerin, die wegen ihres Geschlechts eine
geringere Vergütung erhält, Anspruch auf eine höhere Vergütung. Art. 141 EGV und die
Lohngleichheitsrichtlinie 75/117 EWG sowie Art. 3 Abs. 3 GG gewährleisten die
Lohngleichheit. Sie stehen allen Vorschriften, Regelungen und Maßnahmen entgegen,
die eine im Ergebnis unterschiedlich hohe Vergütung von männlichen und weiblichen
Arbeitnehmern bewirken, sofern sich die unterschiedliche Behandlung nicht mit objektiv
gerechtfertigen Faktoren erklären lässt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts zu tun haben. Liegt eine solche Diskriminierung vor, so hat der
Angehörige des unzulässig benachteiligten Geschlechts Anspruch auf die ihm
vorenthaltene Leistung (vgl. beispielsweise BAG vom 20.08.2002 – 9 AZR 700/00 –
NZA 2003, 510).
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Im Streitfall dürften von der Maßnahme selbst – Zuordnung der Arbeitnehmer in den in
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Frage stehenden Berufsgruppen in einen neu geschaffenen Vergütungsgruppenplan –
zwar wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen sein. Trotz der geschlechtsneutralen
Umschreibung der Berufungsgruppe als "Mitarbeiter in handwerklichen,
landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Hilfstätigkeiten" weisen schon die
aufgeführten Beispielsfälle – Küchenhilfsarbeiten wie Gemüse putzen, Geschirr spülen,
Zubereiten von Kaltverpflegung oder Arbeiten an Kartoffelschälmaschinen,
Gemüseputzmaschinen, Geschirrspülmaschinen – auf Tätigkeiten hin, die eher von
Frauen als von Männern ausgeführt werden. Jedoch ist die mögliche größere
Betroffenheit von Frauen durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer
Diskriminierung zu tun haben.
Eine mögliche diskriminierende Wirkung beurteilt sich nach dem Zweck, den der
Arbeitgeber mit seiner Leistung verfolgt (vgl. BAG vom 20.08.2002, aaO, und die
dortigen Nachweise). Mit der Sonderregelung für die Vergütung von Angehörigen der
betroffenen Berufsgruppen soll deren Schutz vor den negativen Auswirkungen einer
Ausgliederung oder Fremdvergabe der von ihnen ausgeübten Tätigkeiten bewirkt
werden. Wenn Frauen von den damit einhergehenden Nachteilen stärker betroffen sind
als Männer so kommen sie jedoch zugleich auch verstärkt in den Genuss des mit der
Regelung verfolgten Schutzes.
78
III
79
Soweit in der Rechtsprechung abweichend von den angewandten Grundsätzen für die
Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien die für Tarifverträge
heranzuziehenden Maßstäbe angewendet werden (vgl. BAG vom 06.11.1996 – 5 AZR
334/95 – NZA 1997, 778), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die bei Tarifverträgen
anzuwendenden Grundsätze der Inhaltskontrolle sind auf die Überprüfung, ob ein
Verfassungsverstoß vorliegt, sie gegen höherrangiges Recht oder die guten Sitten
verstoßen, beschränkt. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass dieser weite
Prüfungsrahmen nicht überschritten worden ist.
80
IV
81
Aus den vorstehenden Gründen ist auch der Hilfsantrag der Klägerin in der Sache
unbegründet.
82
V
83
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
84
Das Gericht hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
85
Hackmann
Brüninghaus
Konkel /Spo./Br./je
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