Urteil des LAG Hamm vom 15.10.2010

LArbG Hamm (betriebsrat, arbeitgeber, bag, einleitung des verfahrens, höhe, seminar, teilnahme, unterkunft und verpflegung, verpflegungskosten, einleitung)

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 37/10
Datum:
15.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 37/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herne, 2 BV 74/09
Schlagworte:
Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung; Freistellungsanspruch
des Betriebsrats; Wiederholungs- ,Vertiefungsschulung; aktueller
betriebsbezogener Anlass; Berücksichtigung bereits erworbener
Kenntnisse und Erfahrungen; Höhe der Kosten; Anrechnung ersparter
Haushaltsaufwendungen; ordnungsgemäße Beschlussfassung des
Betriebsrats für Einleitung des Verfahrens und für Entsendung des
Betriebsratsmitglieds; zeitweilige Verhinderung bei Mutterschutz und
Elternzeit.
Normen:
§§ 25 Abs. 1, 29, 30, 33 Abs. 1 und 2, 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG
Leitsätze:
Auch wenn ein Betriebsratsmitglied während der Zeit des
Mutterschutzes oder der Elternzeit berechtigt ist, an
Betriebsratssitzungen teilzunehmen, liegt eine zeitweilige Verhinderung
im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG jedenfalls dann vor, wenn das
wegen Mutterschutz oder Elternzeit abwesende Betriebsratsmitglied
dem Betriebsratsvorsitzenden positiv angezeigt hat, dass es während
dieser Zeit keine Betriebsratstätigkeit durchführen möchte (im Anschluss
an BAG 25.05.2005 – 7 ABR 45/04 – AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 13).
Tenor:
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Herne vom 09.03.2010 – 2 BV 74/09 – unter
Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, den Betriebsrat von den
Seminarkosten in Höhe von 572,10 € für das Seminar Nr. 1411-810 161,
Titel "Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrats", gegenüber ver.di b + b
freizustellen.
Im Übrigen wird der Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
A
2
Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer
Schulungsveranstaltung.
3
Der Arbeitgeber betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Aufgrund eines
Anerkennungstarifvertrages finden im Betrieb des Arbeitgebers die Tarifverträge des
Einzelhandels Anwendung. Die einzelnen Verkaufsstellen sind organisatorisch
bestimmten Bezirken zugeordnet, die ihrerseits vier in der Bundesrepublik Deutschland
gebildeten Vertriebsbüros untergeordnet sind.
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Für den Bezirk H2/R1 ist der antragstellende Betriebsrat, der ursprünglich aus sieben
Mitgliedern, seit der Betriebsratswahl 2010 noch aus fünf Mitgliedern besteht, gewählt.
Die Beteiligte zu 3. ist seit 2003 Betriebsratsvorsitzende. Der im Bezirk H2/R1 gewählte
Betriebsrat ist derzeit für ca. 19 Verkaufsstellen zuständig, in denen insgesamt etwa 90
Mitarbeiter/innen tätig sind.
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In der Vergangenheit besuchte die Betriebsratsvorsitzende Grundlagenseminare zum
Betriebsverfassungsgesetz. So nahm sie vom 02.02. bis 06.02.2004 an dem Seminar
"Mensch geht vor!" über personelle Angelegenheiten (BR II) teil. Am dritten Seminartag
wurden nach dem Seminarplan als einer von sechs Punkten auch die
Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats nach § 101 BetrVG behandelt.
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Vom 15.03. bis 19.03.2004 nahm die Beteiligte zu 3. an einer weiteren
betriebsverfassungsrechtlichen Schulungsveranstaltung "Agieren statt reagieren" über
soziale Angelegenheiten (BR III) teil. Am dritten Seminartag wurden nach dem
Seminarplan als einer von sieben Punkten auch die Durchsetzungsmöglichkeiten des
Betriebsrats und der Unterlassungsanspruch behandelt. In der vorangegangenen
Wahlperiode besuchte die Betriebsratsvorsitzende ferner das
betriebsverfassungsrechtliche Grundlagenseminar BR IV. Ferner nahm sie an weiteren
Seminaren von insgesamt drei bis vier Tagen zu den Themen Arbeitszeit und
Eingruppierung teil.
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In seiner Sitzung vom 07.10.2008 beschloss der Betriebsrat, die Beteiligte zu 3. zu dem
von ver.di b + b in H3 veranstalteten Seminar "Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrats"
vom 16./17.10.2008 zu entsenden. Auf den Seminarplan dieses Seminars (Bl. 4, 32 f. d.
A.) wird Bezug genommen.
8
Zu der Betriebsratssitzung vom 07.10.2008 war schriftlich eingeladen worden. Auf diese
Einladung (Bl. 86 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der Betriebsratssitzung vom
07.10.2008 (Bl. 88 f. d. A.) wird Bezug genommen. Ob der Beschluss des Betriebsrats
vom 07.10.2008 ordnungsgemäß zustande gekommen ist, weil zwei in Mutterschutz
befindliche Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder nicht geladen wurden, ist zwischen den
Beteiligten streitig.
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Mit Schreiben vom 07.10.2008 (Bl. 90 f. d. A.) teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber die
beabsichtigte Entsendung der Betriebsratsvorsitzenden zu dem Seminar vom
16./17.10.2008 mit und fügte dem Schreiben den Themenplan und eine
Kostenaufstellung bei.
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Der Arbeitgeber verweigerte gegenüber dem Betriebsrat eine Kostenübernahme mit der
Begründung, die Seminarteilnahme sei nicht erforderlich.
11
Dennoch nahm die Beteiligte zu 3. an dem am 16./17.10.2008 in H3 stattfindenden
Seminar teil.
12
Der Seminarveranstalter ver.di b + b übersandte am 07.10.2008 an die Beteiligte zu 3.
unter der Adresse: "S1 Drogeriemarkt, V1, K3 25, 43 D1" eine Rechnung über die
Seminargebühren in Höhe von 380,00 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer (Bl. 95 d. A.).
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Mit dem an die Beteiligte zu 3. unter der gleichen Adresse gerichteten Schreiben vom
21.10.2008 teilte der Seminarveranstalter ferner mit, dass ihm die Rechnung des
Seminarhotels vom 18.10.2008 für Übernachtung und Verpflegung vorliege und er
gegenüber dem Seminarhotel mit einem Betrag in Höhe von 175,00 € in Vorlage
getreten sei. Insoweit wurde ebenfalls um Überweisung gebeten (Bl. 96, 97 d. A.).
14
Wem die Rechnungen vom 07.10.2008 und vom 21.10.2008 tatsächlich zugegangen
sind, ist zwischen den Beteiligten streitig.
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Da der Arbeitgeber die Seminargebühren und die Kosten für Übernachtung und
Verpflegung nicht zahlte, fasste der Betriebsrat auf seiner Sitzung vom 07.08.2009
folgenden Beschluss:
16
"TOP 8
17
Der Betriebsrat beschließt, wegen der Nichtbezahlung des Seminars
"Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrats" vom 16.10.-17.10.2008 in H3 von Frau
B3, beschließt der Betriebsrat mit der Wahrung seiner Interessen die Kanzlei K2
und M1, H4. 22 – 23 in 42 G1 zu beauftragen.
18
Dafür Dagegen Enthaltungen"
19
5 0 0
20
Im Beschwerdeverfahren legte der Betriebsrat ferner die Einladung zur
Betriebsratssitzung vom 07.08.2009 (Bl. 92 f. d. A.) vor. Ob der Betriebsratsbeschluss
vom 07.08.2009 (Bl. 94 d. A.) wegen fehlender Einladung an das in Mutterschutz
befindliche Betriebsratsmitglied K8 ordnungsgemäß gefasst worden ist, ist zwischen
den Beteiligten streitig.
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Mit dem am 10.09.2009 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte
der Betriebsrat daraufhin die Freistellung der Beteiligten zu 3. von den entstandenen
Kosten geltend.
22
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an
dem streitigen Seminar für die Betriebsratsarbeit erforderlich gewesen sei. Auf die
Teilnahme an in den vorangegangenen Wahlperioden stattgefundenen
Grundlagenseminaren könne der Arbeitgeber sich nicht berufen. Dort seien die
gesetzlichen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich grundlegend
vermittelt worden. Bei dem Seminar vom 16./17.10.2008 handele es sich um eine
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Konkretisierung der Möglichkeiten betriebsverfassungsrechtlicher Tätigkeit. Die
Teilnahme sei insbesondere wegen des ansonsten gerichtsbekannten Verhaltens des
Arbeitgebers erforderlich.
Der Betriebsrat hat beantragt,
24
dem Arbeitgeber aufzugeben, den Betriebsrat von den Seminarkosten in Höhe
von 581,60 € für das Seminar Nr. 1411-810161, Titel Sanktionsmöglichkeiten des
Betriebsrats, gegenüber der ver.di b + b freizustellen.
25
Der Arbeitgeber hat beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Er hat die Auffassung vertreten, die Seminarteilnahme sei nicht erforderlich gewesen.
Die Betriebsratsvorsitzende habe zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme bereits
zahlreiche Grundlagenseminare besucht. Auch durch ihre langjährige Tätigkeit im
Betriebsrat habe sie Erfahrungswissen erworben. Außerdem könne von einem
Betriebsratsmitglied erwartet werden, dass es sich durch Lektüre von Gesetzestexten
und zur Verfügung stehenden Kommentaren und Fachzeitschriften weiterbilde. Eine
konkrete Darlegung eines betriebsbezogenen Anlasses für den Erwerb weiterer
Kenntnisse sei nicht erfolgt.
28
Im Übrigen hat der Arbeitgeber das Vorliegen eines wirksamen Beschlusses des
Betriebsrats zur Entsendung der Betriebsratsvorsitzenden zu dem streitigen Seminar
sowie die Fassung eines wirksamen Beschlusses zur Durchführung des vorliegenden
Beschlussverfahrens bestritten.
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Hilfsweise hat der Arbeitgeber den Abzug von 20 % von den Verpflegungskosten für
ersparte Eigenaufwendungen geltend gemacht.
30
Durch Beschluss vom 09.03.2010 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats
stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Seminarteilnahme der Beteiligten zu
3. sei erforderlich gewesen. Das Verhalten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sei
schwer belastet. Seit dem 01.01.2008 seien bis zum Kammertermin am 09.03.2010 54
Beschlussverfahren zwischen dem Arbeitgeber und seinen im Gerichtsbezirk
vertretenen Betriebsräten beim Arbeitsgericht Herne anhängig gemacht worden. Dabei
sei gerichtsbekannt, dass der Arbeitgeber zumindest in einigen dieser Fälle seinen
gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Auch Zwangs-
vollstreckungsverfahren gegen den Arbeitgeber hätten eingeleitet werden müssen. Dem
Anspruch lasse sich auch nicht die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an
Grundlagenseminaren sowie ein etwaiges Erfahrungswissen entgegen halten. Das
Bestreiten des Arbeitgebers über ordnungsgemäße Beschlussfassungen des
Betriebsrats sei ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt. Auch die Höhe der verursachten
Kosten sei nicht unverhältnismäßig, ein Anlass für eine pauschale Kürzung der
Verpflegungskosten um 20 % wegen ersparter Eigenaufwendungen bestehe nicht.
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Gegen den dem Arbeitgeber am 10.04.2010 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 23.04.2010 Beschwerde
zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 30.04.2010 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
32
Der Arbeitgeber ist nach wie vor der Auffassung, die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an
dem Seminar vom 16./10.10.2008 sei nicht erforderlich gewesen. Dass das Verhalten
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat schwer belastet sei, sei nicht nachzuvollziehen.
Die insoweit gemachten Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen
Beschluss seien unverständlich. Ein konkreter betriebsbezogener Anlass, die Beteiligte
zu 3. zu dem streitigen Seminar zu entsenden, habe nicht bestanden.
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Darüber hinaus sei der geltend gemachte Freistellungsanspruch schon deshalb
unbegründet, weil es an einer Inanspruchnahme des Betriebsrats durch den
Seminarveranstalter fehle. Eine Rechnung des Seminarveranstalters, von der dieser
freigestellt solle, sei nicht vorgelegt worden.
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Der Auffassung des Arbeitsgerichts, es bestehe kein Anlass für eine pauschale Kürzung
der Verpflegungskosten um 20 % wegen ersparter Eigenaufwendungen der Beteiligten
zu 3., sei unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei unter
Rückgriff auf die Lohnsteuerrichtlinien ein Abzug von 20 % der Haushaltsersparnis
vorzunehmen.
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Schließlich müsse nach wie vor mit Nichtwissen bestritten werden, dass der Betriebsrat
in einer ordnungsgemäß anberaumten Betriebsratssitzung vom 07.10.2008 einen
ordnungsgemäßen Beschluss gefasst habe, die Beteiligte zu 3. zu dem streitigen
Seminar zu entsenden. Bestritten werde auch, dass ein ordnungsgemäßer
Betriebsratsbeschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens bestehe.
Insbesondere müsse bestritten werden, dass die Betriebsratsmitglieder S5 und K8 sich
zu den Zeitpunkten der jeweiligen Betriebsratssitzung in Mutterschutz befunden hätten
und dass sie während der Zeit des Mutterschutzes und der sich anschließenden
Elternzeit nicht an Betriebsratssitzungen hätten teilnehmen wollen.
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Der Arbeitgeber beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 09.03.2010 – 2 BV 74/09 –
abzuändern und den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
40
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, die
Seminarteilnahme sei erforderlich gewesen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht darauf
verwiesen, dass es insbesondere seit dem Jahre 2008 vielfältige gerichtliche
Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten gegeben habe. Insoweit verweist der
Betriebsrat im Einzelnen auf 11 zwischen den Beteiligten anhängige bzw. anhängig
gewesene Beschlussverfahren, die er im Einzelnen bezeichnet.
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Der Arbeitgeber könne auch nicht auf eine fehlende Rechnung an den Betriebsrat
verweisen. Zwar seien die Rechnungen vom 07.10.2008 und 21.10.2008 direkt an das
S1 Vertriebsbüro in D1 gesandt worden. Diese Rechnungen seien aber auch der
Beteiligten zu 3. übersandt worden. In jedem Fall habe der Veranstalter seine
Forderungen geltend machen wollen. Die Rechnungen habe auch der Betriebsrat
erhalten. Die Betriebsratsvorsitzende selbst habe diese Rechnungen an das
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Verkaufsbüro in D1 weitergeleitet. Schließlich habe der Veranstalter ver.di b + b mit
Schreiben vom 10.08.2010 (Bl. 134 d. A.) ausdrücklich gegenüber dem Betriebsrat die
Bezahlung der Rechnungen vom 07.10.2008 und vom 21.10.2008 geltend gemacht. Auf
das - unstreitige - Schreiben des Veranstalters vom 10.08.2010 (Bl. 134 d. A.) wird
Bezug genommen.
Der Betriebsrat müsse sich auch nicht einen Abzug von den Verpflegungskosten in
Höhe von 20 % der Haushaltsersparnis entgegenhalten lassen. Für die Berechnung der
Haushaltsersparnis sei allenfalls die Sozialversicherungsentgeltordnung
heranzuziehen, wonach für Mittag- und Abendessen ein Betrag von 2,67 € in Ansatz
gebracht werden könne. Eine weitere Anrechnung habe nicht zu erfolgen.
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Die Beschlüsse des Betriebsrats vom 07.10.2008 und 07.08.2009 seien
ordnungsgemäß zustande gekommen. Zum Zeitpunkt der Betriebsratssitzung vom
07.10.2008 hätten sich die Betriebsratsmitglieder S5 und K8 in Mutterschutz befunden.
Mit ihnen sei abgesprochen gewesen, dass sie während der Zeit des Mutterschutzes
und der sich anschließenden Elternzeit nicht an Betriebsratssitzungen hätten
teilnehmen wollen. Frau K9 M2 (vormals S5) habe mit Schreiben vom 18.10.2006 (Bl.
143 d. A.) ausdrücklich mitgeteilt:
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"Mit diesem Schreiben möchte ich euch mitteilen, das ich während meines
Mutterschutzes (vom 20.10.2006 bis 26.01.2007) und anschließend während
meiner Elternzeit, die voraussichtlich im November 2008 endet, an den
Betriebsratssitzungen, sofern ich geladen werden sollte, nicht teilnehmen
werde."
45
Auch Frau D2 K8 habe seinerzeit eine schriftliche Erklärung abgegeben, die zurzeit
aber nicht mehr auffindbar sei. Deshalb habe sie mit Schreiben vom 16.09.2010 (Bl. 166
d. A.) folgendes bestätigt:
46
"Ich bestätige hiermit, dass ich dem Betriebsrat Bezirk 204 zu Beginn des
Jahres 2008 schriftlich mitgeteilt habe, dass ich aufgrund von Schwangerschaft
und Erziehungsurlaub von März 2008 bis mindestens Ende August 2009 nicht
an den Sitzungen teilnehmen werde."
47
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
48
B
49
Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist im Wesentlichen unbegründet. Lediglich
der Höhe nach ist sie zu einem Teil begründet.
50
I.
51
Der vom Betriebsrat gestellte Freistellungsantrag ist zulässig.
52
1. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§
2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine
betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Sie streiten nämlich um einen auf
die §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf Freistellung von Kosten, die
53
durch die Schulung von Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG 15.01.1992 – 7
ABR 23/90 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41).
2. Das Arbeitsgericht hat neben dem antragstellenden Betriebsrat und dem Arbeitgeber
auch zu Recht das an der streitigen Schulungsveranstaltung teilnehmende
Betriebsratsmitglied, die Beteiligte zu 3., am vorliegenden Verfahren beteiligt. Aus § 83
Abs. 3 ArbGG ergibt sich, dass sich die Beteiligungsbefugnis nach materiellem
Betriebsverfassungsrecht bestimmt. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist daher,
wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen
Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Die einzelnen
Betriebsratsmitglieder, die an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen, sind
grundsätzlich aus abgeleitetem Recht beteiligungsbefugt, selbst wenn der Betriebsrat
von seinem Recht Gebrauch macht, den Arbeitgeber auf Kostenerstattung an das
einzelne Betriebsratsmitglied in Anspruch zu nehmen (BAG 15.01.1992 – 7 ABR 23/90
– AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG 30.03.1994 – 7 ABR 45/93 – AP BetrVG 1972 § 40
Nr. 42; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 83 Rn. 60 m.w.N.).
Die Beteiligte zu 3. am vorliegenden Verfahren zu beteiligen, war umso mehr
erforderlich, als sie durch Rechnungen des Seminarveranstalters vom 07.10.2008 und
vom 21.10.2008 direkt in Anspruch genommen worden ist. Auch die Hotelrechnung vom
18.10.2008 ist direkt an die Beteiligte zu 3. gerichtet worden.
54
3. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers ist der Antrag des Betriebsrats
nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats zur
Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des
vorliegenden Beschlussverfahrens unzulässig.
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a) Der Arbeitgeber hat nicht bestritten, dass dem Verfahrensvertreter eine Vollmacht im
Sinne der §§ 80, 81 ZPO zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens erteilt
worden ist. Gemäß § 88 Abs. 2 ZPO war danach ein entsprechender Nachweis nicht zu
erbringen. Darüber hinaus liegt eine ausdrückliche Vollmacht der Beteiligten zu 3. vom
16.06.2010 (Bl. 102 d. A.) vor.
56
b) Der Betriebsrat hat die Einleitung des Beschlussverfahrens und die
Vollmachtserteilung an seine Verfahrensvertreter wirksam beschlossen.
57
Ein solcher Beschluss ist sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen
Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich (BAG 05.04.2000 – 7 ABR 6/99 – AP
BetrVG 1972 § 78 a Nr. 33; BAG 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 – AP BetrVG 1972 § 77
Betriebsvereinbarung Nr. 11; BAG 20.04.2005 – 7 ABR 44/04 – AP BetrVG 1972 § 38
Nr. 30; BAG 30.09.2008 – 1 ABR 54/07 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 71 m.w.N.). Fehlt es
daran, ist der Betriebsrat gerichtlich nicht wirksam vertreten, ein Prozessrechtsverhältnis
kommt nicht zustande. Für den Betriebsrat gestellte Anträge wären unbeachtlich und als
unzulässig abzuweisen.
58
Zwar hat der Arbeitgeber erst– und zweitinstanzlich ausdrücklich bestritten, dass der
Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ein wirksamer Beschluss des
Betriebsrats zugrunde gelegen habe. Im Streitfall ist aber davon auszugehen, dass der
Betriebsrat die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung seiner
Verfahrensbevollmächtigten wirksam beschlossen hat. Der am 07.08.2009 gefasste
Betriebsratsbeschluss ist nicht nichtig.
59
Ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss erfordert, dass der Beschluss nach § 33
Abs. 1 BetrVG mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder erfasst wird.
Ein Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der
Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG.
Betriebsratsbeschlüsse können auch grundsätzlich auch nur auf einer
ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats gefasst werden. Die Beschlussfassung
setzt insoweit eine ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung
der Tagesordnung voraus, § 29 Abs. 2 und 3 BetrVG.
60
Die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und die Beauftragung der
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind durch den wirksamen Beschluss des
Betriebsrats vom 07.08.2009 gedeckt. Der Betriebsrat hat auf seiner Sitzung vom
07.08.2009 mit fünf Stimmen den Beschluss gefasst, wegen der Nichtbezahlung des
Seminars vom 16./17.10.2008 ein Beschlussverfahren einzuleiten und hiermit seine
Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen. Das ergibt sich aus dem Protokoll vom
07.08.2009 (Bl. 94 d. A.).
61
Gegen die Wirksamkeit des Beschlusses vom 07.08.2009 kann auch nicht eingewandt
werden, dass zu dieser Sitzung nicht ordnungsgemäß unter Mitteilung der
Tagesordnung eingeladen worden wäre. Zu dieser Sitzung sind zwar nur sechs
Betriebsratsmitglieder eingeladen worden. Ein Betriebsratsmitglied, die Beteiligte zu 3.,
war zum Zeitpunkt der Betriebsratssitzung am 07.08.2009 erkrankt, ein weiteres
Betriebsratsmitglied befand sich zu diesem Zeitpunkt in Mutterschutz. Im
Beschwerdeverfahren hat sich jedoch durch das Schreiben des Betriebsratsmitglieds
K8 vom 16.09.2010 als unstreitig herausgestellt, dass dieses Betriebsratsmitglied
bereits zu Beginn des Jahres 2008 gegenüber dem Betriebsrat schriftlich mitgeteilt hat,
dass es aufgrund von Schwangerschaft und Erziehungsurlaub von März 2008 bis
mindestens Ende August 2009 nicht an Sitzungen teilnehmen werde. Auch der
Arbeitgeber hat diese Erklärung des Betriebsratsmitglieds K8 aufgrund seiner
Erklärungen zu Protokoll des Anhörungstermins vom 15.10.2010 nicht mehr bestritten.
62
Aus dieser Erklärung des Betriebsratsmitglieds K8 vom 16.09.2010 ergibt sich, dass die
Ladung des Betriebsratsmitglieds K8 zu der Betriebsratssitzung vom 07.08.2009
entbehrlich war. Das Betriebsratsmitglied K8 war nämlich zum Zeitpunkt der
Betriebsratssitzung am 07.08.2009 an der Ausübung seines Betriebsratsamts nach § 25
Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeitweilig verhindert.
63
Dass das Betriebsratsmitglied K8 zum Zeitpunkt der Betriebsratssitzung vom
07.08.2009 sich in Mutterschutz bzw. Erziehungsurlaub/Elternzeit befunden hat, ist
zwischen den Beteiligten unstreitig. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass
ein Betriebsratsmitglied während der Zeit des Mutterschutzes und der Elternzeit nicht
automatisch an der Ausübung seines Betriebsratsamtes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz
2 BetrVG zeitweilig verhindert ist (BAG 25.05.2005 – 7 ABR 45/04 – AP BetrVG 1972 §
24 Nr. 13). Ebenso wie im Erholungsurlaub ist ein Betriebsratsmitglied auch während
der Zeit des Mutterschutzes oder der Elternzeit berechtigt, an Betriebsratssitzungen
teilzunehmen. Eine Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG liegt jedoch
jedenfalls dann vor, wenn das wegen Erholungsurlaub, Mutterschutz oder Elternzeit
abwesende Betriebsratsmitglied dem Betriebsratsvorsitzenden nicht positiv angezeigt
hat, dass es ungeachtet der Abwesenheitssituation seine Betriebsratstätigkeit
durchführen möchte (LAG Berlin 01.03.2005 – 7 TaBV 2220/04 – NZA-RR 2006, 32;
LAG Düsseldorf 26.04.2010 – 16 Sa 59/10 – NZA-RR 2010, 419;
64
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl., § 25 Rn. 17; GK-
BetrVG/Oetker, 9. Aufl., § 25 Rn. 20; Däubler/Kittner/Klebe/Buschmann, BetrVG, 11.
Aufl., § 25 Rn. 17; Richardi/Thüsing, BetrVG, 12. Aufl., § 25 Rn. 8; Düwell, BetrVG, 3.
Aufl., § 25 Rn. 8, 9; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Aufl., § 25 Rn. 10).
Die Ladung des Betriebsratsmitglieds K8 zu der Betriebsratssitzung vom 07.08.2009 ist
damit jedenfalls aufgrund der ausdrücklichen Mitteilung des Betriebsratsmitgliedes K8,
während der Elternzeit keine Betriebsarbeit ausüben zu wollen, zu Recht unterblieben.
Wegen der unterlassenen Ladung des Betriebsratsmitglieds K8 ist der
Betriebsratsbeschluss vom 07.08.2009 nicht unwirksam.
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Soweit der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über
die Einleitung des vorliegenden Verfahrens zweitinstanzlich weiter bestritten hat, ist
dieses Bestreiten unsubstantiiert. Legt der Betriebsrat die Einhaltung der
Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss des Gremiums über die Einleitung
des Gerichtsverfahrens im Einzelnen und unter Beifügung von Unterlagen dar, ist ein
pauschales Bestreiten mit Nichtwissen durch den Arbeitgeber unbeachtlich. Der
Arbeitgeber hätte nach den Darlegungen des Betriebsrates im vorliegenden Verfahren
weiter vortragen müssen, in welchen einzelnen Punkten und weshalb die
Behauptungen des Betriebsrates nicht als wahr zu erachten seien (BAG 09.12.2003 – 1
ABR 44/02 – AP BetrVG 1972 § 33 Nr. 1; BAG 30.09.2008 – 1 ABR 54/07 – AP BetrVG
1972 § 80 Nr. 71). Mit Ausnahme der unterlassenen Ladung des Betriebsratsmitglieds
K8 ist dies nicht geschehen. Insbesondere nach den Erörterungen im Anhörungstermin
vom 15.10.2010 ist die Wirksamkeit der Beschlussfassung des Betriebsrates vom
07.08.2009 vom Arbeitgeber nicht mehr in Frage gestellt worden.
66
II.
67
Der Antrag des Betriebsrates auf Freistellung von Kosten für die streitige
Schulungsveranstaltung ist im Wesentlichen begründet.
68
Lediglich hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Freistellungsanspruchs war ein
Abzug in Höhe von 9,50 € vorzunehmen. Insoweit erweist sich der Antrag des
Betriebsrates als unbegründet.
69
Der Arbeitgeber ist zur Tragung der Schulungskosten für die Teilnahme der Beteiligten
zu 3. an der Schulungsmaßnahme vom 16./17.10.2008 nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37
Abs. 6 BetrVG in Höhe von 572,10 € verpflichtet.
70
1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach
§ 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrates im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG
gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind
(BAG 15.01.1992 – 7 ABR 23/90 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG 28.06.1995 – 7
ABR 55/94 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fitting, a.a.O., § 40 Rn. 66; ErfK/Koch, 10.
Aufl., § 40 BetrVG Rn. 9 m.w.N.).
71
Da der Betriebsrat grundsätzlich selbst nicht vermögensfähig ist, geht bei Streitigkeiten
über die Kosten des Betriebsrates sein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf
Übernahme der Kosten oder für den Fall, dass eine Verbindlichkeit gegründet worden
ist, auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit. Soweit der Betriebsrat wegen der
72
Schulungskosten selbst in Anspruch genommen wird, hat er einen entsprechenden
Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Wird dagegen das
Betriebsratsmitglied selbst in Anspruch genommen, kann auch dem einzelnen
Betriebsratsmitglied ein Freistellungsanspruch zustehen. Daneben kann auch der
Betriebsrat den Freistellungsanspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds geltend
machen (BAG 27.03.1979 – 6 ABR 15/77 – AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 7; BAG 04.06.2003
– 7 ABR 42/02 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 136; Fitting, a.a.O., § 40 Rn. 92 f. m.w.N.). Ein
Freistellungsanspruch des Betriebsrates ist aber dann unbegründet, wenn der
Betriebsrat wegen etwaiger Schulungskosten bisher überhaupt noch nicht in Anspruch
genommen worden ist (BAG 04.06.2003 – 7 ABR 42/02 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
136).
Ob der Betriebsrat des vorliegenden Verfahrens jedoch mit Schreiben des
Schulungsveranstalters vom 07.10.2008 und 21.10.2008 (Bl. 95, 96 f. d.A.) überhaupt in
Anspruch genommen worden ist, ob sich diese Rechnungen an die Beteiligte zu 3. als
Betriebsratsvorsitzende richteten, obgleich sie an die Adresse des Vertriebsbüros des
Arbeitgebers gerichtet waren, konnte im vorliegenden Fall offen bleiben. In jedem Fall
hat der Schulungsveranstalter inzwischen im Laufe des Beschwerdeverfahrens den
Betriebsrat mit Schreiben vom 10.08.2010 (Bl. 152 d.A.) unter Beifügung der
ursprünglichen Rechnungen vom 07.10.2008 und 21.10.2008 ausdrücklich in Anspruch
genommen. Dies ist vom Arbeitgeber im Laufe des Beschwerdeverfahrens nicht mehr
bestritten worden.
73
2. Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Seminarkosten ist
nicht schon deshalb unbegründet, weil es an einem ordnungsgemäßen
Betriebsratsbeschluss hinsichtlich der Entsendung der Beteiligten zu 3., der
Betriebsratsvorsitzenden, zu der streitigen Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008
gefehlt hat.
74
Zwar setzt eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für entstandene
Schulungskosten in formeller Hinsicht zunächst voraus, dass der Betriebsrat die
Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der von ihm besuchten Schulungsveranstaltung
vorher ordnungsgemäß beschlossen hat. Ohne einen entsprechenden
ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss ist der Arbeitgeber weder zur Kostentragung
noch zur Freistellung entsprechenden Kosten verpflichtet (BAG 07.06.1989 – 7 ABR
26/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG 08.03.2000 – 7 ABR 11/98 – AP BetrVG
1972 § 40 Nr. 68; Fitting, a.a.O., § 40 Rn. 71; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rn. 124 f.
m.w.N.).
75
Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers lag der Entsendung der Beteiligten zu 3. zu
der Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008 jedoch ein wirksamer
Betriebsratsbeschluss vom 07.10.2008 zugrunde. Der Arbeitgeber kann, nachdem der
Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz das Protokoll der Betriebsratssitzung vom
07.10.2008 sowie die Einladung zu dieser Betriebsratssitzung einschließlich der
einzelnen Tagesordnungspunkte vorgelegt hat (Bl. 86 f. d.A.) die ordnungsgemäße
Beschlussfassung des Betriebsrates nicht länger bestreiten. Der Betriebsratsbeschluss
vom 07.10.2008 ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil Einladungen der
Betriebsratsmitglieder K8 und M2 (vormals S5), die sich seinerzeit in
Mutterschutz/Elternzeit befunden haben, unterblieben sind. Der Betriebsrat hat im
Beschwerdeverfahren ein Schreiben des Betriebsratsmitglieds M2 (vormals S5) vom
18.10.2006 (Bl. 143 d.A.) vorgelegt, wonach Frau M2 mitgeteilt hat, dass sie während
76
ihrer Elternzeit, die voraussichtlich im November 2008 endete, an Betriebsratssitzungen
nicht mehr teilnehmen wollte. Das gleiche gilt für das Betriebsratsmitglied K8, wozu
bereits oben zur ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung und Beschlussfassung vom
07.08.2009 Ausführungen gemacht worden sind. Auf diese Ausführungen kann auch
hinsichtlich der Betriebsratssitzung vom 07.10.2008 Bezug genommen werden. Danach
muss von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung in der Sitzung vom 07.10.2008
ausgegangen werden. Der Arbeitgeber kann die Richtigkeit des
Betriebsratsbeschlusses vom 07.10.2008, nachdem in der Beschwerdeinstanz der
Betriebsrat die entsprechenden Unterlagen vorgelegt hat, auch nicht länger pauschal
mit Nichtwissen bestreiten.
3. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich zur Tragung der Schulungskosten für die Beteiligte
zu 3. für deren Teilnahme an der Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008
verpflichtet.
77
Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss im Grundsatz davon
ausgegangen, dass auf der Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008 Kenntnisse
vermittelt worden sind, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich waren.
78
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung
von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die
Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der
konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst
anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig
der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können,
dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in
naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der
Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG
09.10.1973 – 1 ABR 6/73 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4; BAG 06.11.1973 – 1 ABR 26/73
– AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6; BAG 27.09.1974 – 1 ABR 71/73 – AP BetrVG 1972 § 37
Nr. 18; BAG 06.07.1989 – 7 ABR 26/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG 15.02.1995
– 7 AZR 670/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; BAG 19.07.1995 – 7 ABR 49/94 – AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 110; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 140, 14 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37
Rn. 92 f.; GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 156 f.; ErfK/Koch, a.a.O., § 37 BetrVG Rn.
14; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 37 Rn. 86 m.j.w.N.). Für die Frage, ob eine sachgerechte
Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der
Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf
abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen
anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des
Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats
und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung
gerade dieses Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.
79
Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf
es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im
Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes
Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der
gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrats sind ebenso wie Kenntnisse
im allgemeinen Arbeitsrecht unabdingbar Voraussetzung für eine ordnungsgemäße
Betriebsratsarbeit (BAG 21.11.1978 – 6 ABR 10/77 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG
16.10.1986 – 6 ABR 14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, 07.06.1989 – 7 ABR
80
26/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG 20.12.1995 – 7 ABR 14/95 – AP BetrVG
1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 143 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rn. 95 f.,
GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 164 f.; ErfK/Koch, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 15
m.w.N.). Die Vermittlung von Grund-kenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets,
ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im
Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG 15.05.1986 – 6 ABR 74/83 – AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG 16.10.1986 – 6 ABR 14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
58; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 144; GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 166; DKK/Wedde;
a.a.O., § 37 Rn. 96; ErfK/Koch, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 15).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer
Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten
Rechtsbegriffs, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt.
Das gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG
15.05.1986 – 6 ABR 74/83 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG 16.10.1986 – 6 ABR
14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG 07.06.1989 – 7 ABR 26/88 – AP BetrVG
1972 § 37 Nr. 67; BAG 15.01.1997 – 7 ABR 14/96 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118;
Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 174; GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 195; DKK/Wedde,
a.a.O., § 37 Rn. 127; ErfK/Koch, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 13).
81
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war davon auszugehen, dass die
Teilnahme der Beteiligten zu 3. an dem streitigen Seminar vom 16./17.10.2008
erforderlich gewesen ist.
82
aa) Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers geht die Beschwerdekammer
davon aus, dass auch eine vertiefende Schulung der Beteiligten zu 3. über
"Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrates", wie sie auf dem Seminar vom
16./17.10.2008 behandelt worden sind, dem Grunde nach erforderlich sein kann, auch
wenn die Beteiligte zu 3. aufgrund ihrer vorherigen Teilnahme an
Grundlagenschulungen im Betriebsverfassungsgesetz über entsprechende
Grundkenntnisse verfügte. Auch Wiederholungs- und Vertiefungsschulungen über
betriebsverfassungsrechtliche Fragen können zur Auffrischung und Erweiterung der
bisherigen Kenntnisse bei einem konkreten, aktuellen betriebsbezogenen Anlass
erforderlich sein (LAG Hamm 10.03.2006 – 10 TaBV 154/05 -; BVerwG 11.07.2006 – 6
BP 8.06 – AP BPersVG 46 Nr. 27; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 145, 156; DKK/Wedde, a.a.O.,
§ 37 Rn. 106; GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 194, 175 m.w.N.).
83
bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers liegt auch ein konkreter, aktueller
betriebsbezogener Anlass vor, die Betriebsratsvorsitzende, die Beteiligte zu 3., zu der
Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008 zu entsenden. Der Betriebsrat hat
unwidersprochen vorgetragen, dass zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung über die Entsendung der Beteiligten zu 3. zu der streitigen
Schulungsveranstaltung zahlreiche arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren anhängig
gewesen sind, weil der Arbeitgeber – jedenfalls nach Auffassung des Betriebsrates –
seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen
ist. Die seinerzeit anhängigen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hat der
Betriebsrat im Beschwerdeverfahren im Einzelnen konkret bezeichnet und auch
mitgeteilt, welcher Streitgegenstand dem jeweiligen Verfahren zugrunde lag. Hiernach
kann es nicht beanstandet werden, wenn der Betriebsrat in der konkreten Situation im
Oktober 2008 seine Betriebsratsvorsitzende, die Beteiligte zu 3., zu einer vertiefenden
Schulung über etwaige Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrates gegenüber dem
84
Arbeitgeber entsenden wollte.
cc) Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers kann die Erforderlichkeit der Teilnahme
der Beteiligten zu 3. an der streitigen Schulungsveranstaltung vom 16./17.10.2008 auch
nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil die Beteiligte zu 3. in der Vergangenheit
an Grundlagenschulungen im Betriebsverfassungsrecht teilgenommen hat und aufgrund
ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat seit 2003 über entsprechendes Erfahrungswissen
verfügt. Zwar darf ein Betriebsrat trotz des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums bei
der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern zu Schulungsveranstaltungen die
bisherigen vom jeweiligen Betriebsratsmitglied erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse
und Erfahrungen grundsätzlich nicht außer Acht lassen (BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07
– EzB BetrVG § 37 Nr. 17 = AuR 2008, 362; LAG Hamm 10.12.2008 – 10 TaBV 125/08
– AuA 2009, 303; ErfK/Koch, a.a.O., § 37 Rn. 15). Auch wenn die Beteiligte zu 3. an
Grundlagenschulungen zum Betriebsverfassungsrecht teilgenommen hat, auf denen
u.a. die Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrates gemäß § 101 BetrVG sowie die
Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrates bei der Mitbestimmung in sozialen
Angelegenheiten einschließlich des Unterlassungsanspruchs behandelt wurden, kann
nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Grundlagenschulungen der Beteiligten zu 3.
zum Zeitpunkt des Entsendebeschlusses des Betriebsrates und der Seminarteilnahme
der Beteiligten zu 3. bereits mehr als vier Jahre zurücklagen. Darüber hinaus war zu
berücksichtigen, dass die auf dem Seminar vom 16./17.10.2008 behandelten Themen
ausführlicher und intensiver besprochen worden sind, als dies auf
Grundlagenschulungen möglich ist. Die auf dem Seminar vom 16./17.10.2008
behandelten Themen nahmen immerhin einen Zeitraum von zwei Tagen ein, während
die gleichen Themen in den Grundlagenschulungen, an denen die Beteiligte zu 3. im
Jahr Anfang 2004 teilgenommen hatte, lediglich jeweils an einem Tag als ein Punkt von
mehreren Punkten behandelt wurden. Darüber hinaus war die die Grundkenntnisse der
Beteiligten zu 3. vertiefende Schulung insbesondere unter Berücksichtigung der
konkreten Verhältnisse des Betriebes des Arbeitgebers notwendig. Bereits das
Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber
und des antragstellenden Betriebsrates mindestens seit zwei Jahren aufgrund
zahlreicher seit dem 01.01.2008 stattgefundenen Beschlussverfahren schwer belastet
ist. Im Beschwerdeverfahren hat der Betriebsrat dieses Vorbringen näher konkretisiert
und die seit 2008 anhängigen Beschlussverfahren unter näherer Bezeichnung des
jeweiligen Streitgegenstandes im Einzelnen konkret aufgeführt. Das Arbeitsgericht hat
ferner bereits darauf hingewiesen, dass in einem Verfahren die Zwangsvollstreckung
eingeleitet werden musste, weil der Arbeitgeber seinen in einem gerichtlichen Vergleich
niedergelegten Auskunftspflichten nicht nachgekommen ist. Wenn der Betriebsrat unter
diesen Voraussetzungen eine vertiefende Schulung seiner Betriebsratsvorsitzenden
über Sanktionsmöglichkeiten gegen den Arbeitgeber für erforderlich hält, kann dies nicht
beanstandet werden. Gerade aufgrund der konkreten Streitigkeiten zwischen den
Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bestand weitergehender, über die
Grundlagenschulung hinausgehender Schulungsbedarf.
85
4. Der Betriebsrat hat die erstattungsfähigen Kosten für die streitige
Schulungsveranstaltung auch ausreichend nachgewiesen.
86
Hierzu hat er die Rechnung des Schulungsveranstalters ver.di b + b vom 07.10.2008
sowie die Hotelrechnung vom 18.10.2008 vorgelegt. Hieraus ergeben sich
Seminarkosten in Höhe von 380,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer sowie Übernachtungs-
und Verpflegungskosten in Höhe von 175,-- €, die der Schulungsveranstalter für die
87
Beteiligte zu 3. vorgelegt hat.
Die sich insoweit ergebenden Kosten in Höhe von 581,60 € hat der Arbeitgeber aber
nicht in voller Höhe zu tragen. Die Beschwerde des Arbeitgebers ist insoweit begründet,
als der Betriebsrat die Freistellung von mehr als 572,10 € verlangt. In Höhe von 9,50 €
war der entsprechende Antrag des Betriebsrates abzuweisen.
88
Dass der Arbeitgeber im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme der
Beteiligten zu 3. den Betriebsrat auch von den übernommenen Übernachtungs- und
Verpflegungskosten freistellen muss, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
Der Betriebsrat muss sich jedoch Aufwendungen für Übernachtungs- und
Verpflegungskosten anrechnen lassen, die die Beteiligte zu 3. wegen der
Schulungsteilnahme zu Hause erspart hat.
89
a) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass der Arbeitgeber
berechtigt ist, von den Verpflegungskosten ersparte Eigenaufwendungen der
Schulungsteilnehmer abzuziehen. Erfahrungsgemäß wird nämlich eine
Haushaltsersparnis gegeben sein, wenn ein Angehöriger eines Familienhaushaltes für
mehrere Tage die häusliche Verpflegung nicht in Anspruch nimmt. Bei der Anrechnung
dieser Haushaltsersparnis konnte der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts nach den früher geltenden Lohnsteuerrichtlinien verfahren (vgl.
BAG 29.01.1974 – 1 ABR 34/73 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 8; BAG 30.03.1994 – 7 ABR
45/93 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 42, unter B. II. 2. b) der Gründe; BAG 28.06.1995 – 7
ABR 55/94 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 48, unter B. II. 4. a) der Gründe; Fitting, a.a.O., §
40 Rn. 59; GKK-Wedde, a.a.O., § 40 Rn. 64, 83; GK-BetrVG/Weber, a.a.O., § 40 Rn. 44
m.w.N.). Mit dieser Regelung wird der Erfahrungstatsache Rechnung getragen, dass die
Nichtinanspruchnahme häuslicher oder Kantinenverpflegung während einer Dienstreise
jedenfalls in der Regel zu Einsparungen führt, die sich der betreffende Arbeitnehmer
anrechnen lassen muss. Eine solche Anrechnung der Haushaltsersparnis steht bei
Betriebsratsmitgliedern auch in Einklang mit § 40 Abs. 1 BetrVG. Bei den danach vom
Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit kann es sich nur um die
tatsächlich entstehenden bzw. entstandenen Kosten handeln, die sich hier aus den
entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung abzüglich der
Einsparungen in Folge nicht in Anspruch genommener häuslicher oder
Kantinenverpflegung errechnen. Die Berücksichtigung dieser Haushaltsersparnis ist
auch wegen des Begünstigungsverbotes des § 78 Satz 2 BetrVG geboten; ohne den
Abzug der Haushaltsersparnis würden Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit
finanzielle Vorteile erlagen, die sie sonst nicht hätten.
90
b) Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers konnte im vorliegenden Fall die
Anrechnung ersparter Verpflegungskosten jedoch nicht in Höhe von 20 % der
tatsächlich entstandenen Verpflegungsaufwendungen erfolgen.
91
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht nach seiner früheren Rechtsprechung (a.a.O.) einen
Abzug für Haushaltsersparnis in Höhe von 20 % nach den früher geltenden
Lohnsteuerrichtlinien für angemessen erachtet. Die von 1990 bis 1995 geltenden
Lohnsteuerrichtlinien stellen jedoch für das Jahr 2008, das Jahr, in dem die
Schulungsveranstaltung stattfand, für die Bemessung der Haushaltsersparnis keinen
geeigneten Anhaltspunkt mehr dar (LAG Baden-Württemberg 06.02.2003 – 19 TaBV
3/02 – n.v.; LAG Nürnberg 25.02.2003 – 2 TaBV 24/02 – LAGRep 2003, 243 = ARSt
2003, 244; LAG Hamm 13.01.2006 – 10 TaBV 65/05 – NZA-RR 2006, 249; LAG Köln
92
25.04.2008 – 11 TaBV 10/08 – AE 2009, 135 = EzB BetrVG § 37 Nr. 9). Vielmehr ist
nach Auffassung der Beschwerdekammer inzwischen die
Sozialversicherungsentgeltverordnung in der bis zum 31.12.2008 gültigen Fassung ein
geeigneter Anhaltspunkt, um die Haushaltsersparnis für den vorliegenden Fall
festzustellen. Die Sozialversicherungsentgeltverordnung stellt eine generelle, auf
Durchschnittswerte abgestimmte Bestimmungsgröße dar und wird jährlich angepasst.
Sie ist damit ein realitätsnaher Wert der Verköstigung und deshalb ein geeigneter
Maßstab für die Haushaltsersparnis auch bei der Teilnahme an
Schulungsveranstaltungen.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beteiligten zu 3. anlässlich der
Anhörung vor der Beschwerdekammer vom 23.07.2010 war der Arbeitgeber danach
lediglich berechtigt, die anlässlich der Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. vom
16./17.10.2008 entstandenen Verpflegungskosten in Höhe von insgesamt 55,-- € um
9,50 € zu kürzen. Dieser Betrag errechnet sich, da die Beteiligte zu 3. zwei Mittagessen,
ein Abendessen und ein Frühstück in Anspruch genommen hat. Der amtliche Wert für
ein Frühstück betrug nach §§ 2 Abs. 1 und 6 der bis zum 31.12.2008 geltenden
Sozialversicherungsentgeltverordnung 1,50 €, für ein Mittag- und Abendessen jeweils
2,66 €. Bei der Inanspruchnahme eines Frühstücks, zwei Mittagessen und einem
Abendessen errechnet sich insoweit ein Betrag von 9,50 €, der als Haushaltsersparnis
in Abzug zu bringen war.
93
III.
94
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine
Veranlassung, §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2. ArbGG.
95