Urteil des LAG Hamm vom 15.03.2007

LArbG Hamm: mehrarbeit, treu und glauben, normale arbeitszeit, vergütung, allgemeine geschäftsbedingungen, arbeitsgericht, datum, genehmigung, beamtenrecht, kopie

Landesarbeitsgericht Hamm, 11 Sa 1469/06
Datum:
15.03.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1469/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Paderborn, 2 Ca 226/06
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 359/07 Revision zurückgewiesen
08.05.2008
Normen:
SR 2 l I BAT
Leitsätze:
Nach Nr. 3 SR 2 l I BAT i.V.m. RdErl. des Kultusministeriums NW vom
11.06.1979 können angestellte Lehrer des Landes Nordrhein-Westfalen
ebenso wie verbeamtete Lehrer keine Mehrarbeitsvergütung für Arbeiten
verlangen, die keine Unterrichtstätigkeit darstellen.
Vergütbare Mehrarbeit liegt nur bei einer Mehrbeanspruchung durch
Unterrichtstätigkeit vor.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Paderborn vom 11.08.2006 - 2 Ca 226/06 - wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin fordert im Berufungsrechtszug Mehrarbeitsvergütungen für 100,49 Stunden
des Zeitraums September 2004 bis Juni 2006; in der ersten Instanz hatte sie Vergütung
für mindestens 250 Mehrarbeitsstunden aus dem Zeitraum September 2004 bis Januar
2006 beansprucht.
2
Die 1958 geborene Klägerin ist seit 1994 als angestellte Lehrkraft bei dem beklagten
Land beschäftigt. Sie ist am Berufskolleg S7xxxx N2xxxxx tätig. Seit dem 09.12.2002
nimmt die Klägerin die Aufgaben einer "Studiendirektorin zur Koordinierung
schulfachlicher Aufgaben" wahr (weitere Einzelheiten: Schreiben der Bezirksregierung
D2xxxxx v. 09.12.2002 "Besetzung der Stelle einer Studiendirektorin - als Fachleiterin
zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben - am Berufskolleg S7xxxx N2xxxxx in
P1xxxxxxx (A 15 BBesO oder I a BAT)": Bl. 33, 34 GA). Seit dem 09.09.2003 ist die
3
P1xxxxxxx (A 15 BBesO oder I a BAT)": Bl. 33, 34 GA). Seit dem 09.09.2003 ist die
Klägerin in die Vergütungsgruppe I a BAT eingruppiert. Das aktuelle Monatsentgelt
betrug bei Klageerhebung 5.335,94 € brutto. Seit dem 12.02.2003 fehlte die
Studiendirektorin M4xxx W2xxx wegen Mutterschutz und anschließendem
Erziehungsurlaub. Die Klägerin übernahm zusätzliche Aufgaben. In dem Schreiben des
Schulleiters des Berufskollegs S7xxxx N2xxxxx, Oberstudiendirektor W3xxxxxxxxxx,
vom 06.03.2005 findet sich die Situation wie folgt beschrieben (Kopie Bl. 17, 18 GA):
"....
4
Die Besetzungssituation bei den Stellen der pädagogischen Fachleitern ist
durch personelle Veränderungen seit 2003 von umfangreichen
Mehrbelastungen gekennzeichnet. So ist Frau StD M4xxx W2xxx zum
12.02.2003 in den Mutterschutz bzw. Erziehungsurlaub gegangen. Anders als
vorab angekündigt hat sie zu Beginn des Kalenderjahres 2005 nochmals eine
Verlängerung um ein Jahr beantragt. Herr StD Z1xxxxxx wurde zu Beginn des
Schuljahres 2004/05 als schulfachlicher Dezernent zur Bezirksregierung voll
abgeordnet und Frau StD K3xxxxxxxx hat die Leitung des Seminars in
P1xxxxxxx ebenfalls im Rahmen einer Vollabordnung übernommen. Dadurch
wurde die Übernahme von Aufgaben bei den verbleibenden pädagogischen
Fachleiter/innen extrem verdichtet. Die Neubesetzung der ausgeschriebenen
zwei Fachleiterstellen wird nicht vor dem Herbst 2005 erfolgen können.
5
Von Frau M3xxx wurden folgende Aufgaben
zusätzlich
Aufgabenbereich kommissarisch übernommen:
6
Betreuung der Bildungsgänge "Arzthelferinnen", "Zahnmedizinische
Fachangestellte" und "Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte"
Gespräche mit den Ausbildungsbetrieben und Beratung von Schülerinnen des
Gesundheitswesens
Vorbereitung und Durchführung der Bildungsgangkonferenzen in allen
Gesundheitsberufen
Hausinterne Organisation der Prüfungen der Gesundheitsberufe
Umsetzung der grundlegenden Veränderungen der Lehrpläne auf Lernfelder
Organisation von entspr. schulinternen Lehrerfortbildungen
7
8
Ebenfalls wurde die Übernahme der Fachleitung für das Fach
"Deutsch/Kommunikation" erforderlich, was durch die Umschichtung der
Betreuung des Faches "Politik/Gesellschaftslehre" nur z. T. kompensiert werden
konnte, da das Fach Deutsch gleichzeitig Prüfungsfach ist.
9
Daneben wurde Frau M3xxx mit der Leitung einer Steuergruppe der
Korrespondenzschule betraut. Das bringt neben der Teilnahmepflicht an den
einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen auch die Übernahme von
Koordinationsaufgaben und Motivationsgesprächen im Kollegium.
10
Es dürfte unstreitig sein, dass die durch die o. g. Personalsituation entstandenen
Mehrbelastungen den Rahmen der Zumutbarkeit deutlich überschreiten.
11
..."
12
Mit Schreiben an die Bezirksregierung vom 02.03.2005 forderte die Klägerin einen
finanziellen Ausgleich nach § 17 Abs. 5 BAT für nicht durch Freizeitausgleich
kompensierte Überstunden (Kopie Bl. 6 GA). Mit weiteren Schreiben vom 04.07.2005
und vom 15.12.2005 machte die Gewerkschaft v1x.d5 namens der Klägerin
Ausgleichsansprüche für Mehrarbeit/Überstunden geltend. Wegen der weiteren
Einzelheiten der diesbezüglichen Korrespondenz wird auf die zur Akte gereichten
Kopien Bezug genommen (v1x.d5 v. 15.12.2005: Bl. 5, 5 R GA; Bezirksregierung
D2xxxxx v. 19.12.2005: Bl. 4, 4 R GA; Bezirksregierung D2xxxxx v. 28.12.2005: Bl. 21,
22 GA).
13
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünde eine Überstundenvergütung für
mindestens 250 geleistete Überstunden in Höhe von 6.920,00 € brutto zu. Sie habe im
Jahre 2004 in insgesamt 14 Wochen jeweils mindestens fünf Überstunden geleistet. Im
Jahre 2005 habe sie zudem in weiteren 30 Wochen jeweils mindestens fünf
Überstunden und in weiteren zehn Wochen mindestens jeweils drei Überstunden pro
Woche geleistet. Den ihr übertragenen erheblichen Zusatzaufgaben habe - insoweit
unstreitig - keine Reduzierung bei der Unterrichtsstundenzahl gegenübergestanden. Bei
einem entsprechenden Konflikt zwischen zwei Schülerinnen und der Fachlehrerin
hätten sich z.B. erhebliche zeitliche Mehraufwendungen ergeben (Einzelheiten Bl. 29,
30 GA). Auch habe sie an Dienstbesprechungen, Konferenzen und
Implementierungsveranstaltungen teilgenommen (Einzelheiten Bl. 30 GA). Darüber
hinaus habe sie weitere Konferenzen, Dienstbesprechungen und schulinterne
Lehrerfortbildungen durchführen müssen (Einzelheiten Bl. 31 GA). Der Runderlass des
Kultusministeriums vom 11.06.1979 verstoße gegen höherrangiges Recht.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.920,00 € brutto nebst 5 % Zinsen
über den Basiszinssatz ab dem 21.01.2006 zu zahlen.
16
Das beklagte Land hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Das beklagte Land hat gemeint, in Bezug auf Überstunden sei nur Unterrichtstätigkeit zu
vergüten. § 17 Abs. 5 BAT käme wegen der für angestellte Lehrkräfte geltenden
Sonderreglung SR 2 l I BAT nicht zur Anwendung.
19
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 11.08.2006 insgesamt abgewiesen.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Nach dem Vortrag der Klägerin sei es der
Kammer nicht möglich zu beurteilen, für welche konkreten Stunden die
Überstundenvergütung geltend gemacht werde und ob es sich bei den fraglichen
Stunden auch um zu vergütende Überstunden handele. Soweit die Klägerin die
behaupteten Überstunden der Lage nach nicht weiter konkretisiere (Datum, Uhrzeit etc.),
sei der Anspruch unschlüssig. Soweit die Klägerin vereinzelt Daten oder
Minutenzeiträume angebe, erschließe sich nicht, ob es sich bei den angegebenen
20
Zeiträumen um reguläre Arbeitzeit im Rahmen regulärer Arbeitsaufgaben oder um
zusätzliche, außerhalb der Arbeitszeit liegende Überstunden handele.
Das Urteil ist der Klägerin am 23.08.2006 zugestellt worden. Die Klägerin hat am
07.09.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis
zum 23.11.2006 am 23.11.2006 begründet.
21
Die Klägerin wendet ein, dem Arbeitsgericht sei zu widersprechen, weil die
Besonderheit der Lehrerarbeitszeit nicht berücksichtigt worden sei. "Reguläre
Arbeitszeiten" seien in diesem Berufsfeld nur insofern bekannt, als der Stundenplan
einzuhalten sei, der aber nur einen Teil der Arbeitszeit erfasse. Eine scharfe
Abgrenzung von Regelarbeitszeit und Mehrarbeit sei nur über den Umfang der Tätigkeit,
nicht über die Lage der Arbeitszeit möglich. Bereits aus dem unstreitigen Tatbestands
des arbeitsgerichtlichen Urteils gehe hervor, dass sie zusätzliche Aufgaben
übernommen habe, die ihr zugeordnet worden seien. Damit sei nur schwer vereinbar,
wenn das Arbeitsgericht die Anordnung der Mehrarbeit als nicht belegt ansehe. Die von
ihr wahrgenommenen zusätzlichen Aufgaben seien notwendig mit der übertragenen
Aufgabe verbunden gewesen. Soweit infolge von Mehrarbeit "Pflichtstunden"
ausgefallen seien, berücksichtige sie dies jeweils bei ihrer Vergütungsforderung.
22
Die Klägerin beschränkt ihre Forderung im Berufungsverfahren auf 67,23 Stunden
Mehrarbeit aus dem Zeitraum September 2004 bis Januar 2006 und beansprucht
daneben - erstmals im Berufungsverfahren - Mehrarbeitsvergütung für 33,26 Stunden
aus dem Zeitraum Februar 2006 bis Juni 2006. Die Klägerin hat für die beiden
Zeiträume Mehrarbeitsaufstellungen vorgelegt, in denen sie jeweils die verrichtete
Arbeit, das Datum und die erforderliche Zeitdauer ausgewiesen hat. Wegen der
Aufstellung der Mehrarbeit September 2004 bis Januar 2006 wird auf Blatt 69 - 71 GA
Bezug genommen, wegen der Mehrarbeit Februar 2006 bis Juni 2006 auf Blatt 72, 73
GA. Es handelt sich dort um nachstehende Arbeitsaufgaben:
23
Kontrolle von Klassenbüchern, Fortbildung Arzthelferinnen, Bildungsgang
Konferenz Arzthelferinnen, Bildungsgang Konferenz zahnmedizinische
Fachangestellte, Überprüfung der Prüfungslisten der Ärztekammer mit
Recherche, Zeugnisse, schulinterne Lehrerfortbildung unter Leitung der
Klägerin, diverse Dienstbesprechungen, Einsatzplanung, Gespräche mit
Schülern, Besprechung mit den Kollegen GRA, MEN, BGZ, Organisation der
Einschulung inklusive vorläufiger Klasseneinteilung der Unterstufen AH, ZH,
Bildungsgang Konferenz, Abgleich der Auszubildendenliste der Ärztekammer
mit Schuldaten aller Auszubildenden des Bildungsgangs, Studium der neuen
Pläne medizinische Fachangestellte, Implementierungsveranstaltung der
Lehrpläne medizinische Fachangestallte in S6xxx, Schlichtung zwischen einer
AH-Klasse und ihrer Fachlehrerin, Gespräch Klassenlehrer und Fachleiterin
M3xxx und Schulleiter und Fachleiterin M3xxx, Beratungsgespräch mit der
Quereinsteigerin, Frau G1xx, Informationsveranstaltung der Ärztekammer,
vorläufige Stundenplanung und Einsatzplanung nach den neuen Lehrplänen
der medizinischen Fachangestellten, Regionalkonferenz für den Bildungsgang
medizinische Fachangestellte, Stundenplanung mit dem zuständigen
pädagogischen Fachleiter, Vorbereitung der Rede für die Abschlussfeier unter
Berücksichtigung der Verabschiedung der Fachlehrerin, Frau D3. G2xx,
Abschlussfeier Arzthelferinnen.
24
Wegen der Erläuterungen der Klägerin zu den Mehrarbeitszeiten, die mit
Zeugniskonferenzen, Zeugnisüberprüfungen und Zeugniskorrekturen
zusammenhängen, wird Seite 4 - 6 der Berufungsbegründung verwiesen (Bl. 60 - 62
GA). Wegen der Erläuterungen zur Überprüfung von Klassenbüchern und zu
Mehrarbeiten im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Kolleginnen oder
Kollegen wird auf Seite 6 der Berufungsbegründung Bezug genommen (Bl. 62 GA).
25
Insgesamt seien 100,49 Mehrarbeitsstunden zu vergüten, und zwar mit einem
Stundensatz von 25,83 € gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4 MVergV. Es errechne sich ein Betrag
in Höhe von 2.595,65 €, davon 1.736,55 € für die Zeit bis Januar 2006 und 859,10 € für
die Monate Februar bis Juni 2006. Dass zwischenzeitlich das Land den Versuch einer
gerechteren Zumessung bzw. Bewertung von Zusatzaufgaben durch Entlastung bei
dem Stundendeputat im Rahmen von Modellvorhaben auch im Raum O1xxxxxxxxxx
unternommen habe, zeige, dass das beklagte Land die Problematik erkannt habe und
für Abhilfe sorgen wolle. Auch wenn für Lehrer und Lehrerinnen im
Angestelltenverhältnis die Regelungen des BAT entsprechend den Bestimmungen in
der Sonderregelung nicht vollständig zur Anwendung kämen, bedeute dies doch nicht,
dass der Arbeitgeber von dem Grundsatz beliebig abweichen dürfe, nachdem eine
Vergütung geschuldet werde, wenn eine Arbeitsleistung üblicherweise nur gegen
Bezahlung erwartet werden könne (§ 612 BGB). Die nach dem Rechtsstandpunkt des
beklagten Landes ungleiche Behandlung unterrichtender Tätigkeit auf der einen Seite
und beispielsweise koordinierender Tätigkeit auf der anderen Seite sei sachlich nicht
gerechtfertigt und daher auch nicht verhältnismäßig. Der Hilfsantrag trage der im
Beamtenrecht vorgesehenen Möglichkeit des Ausgleichs von Mehrarbeit durch
Freizeitgewährung Rechnung.
26
Die Klägerin beantragt,
27
das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.08.2006 - 2 Ca 226/06 -
abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 2.595,65 €
brutto für 100,49 Stunden Mehrarbeit nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,
28
hilfsweise,
29
das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin Freizeitausgleich im Umfang von
100,49 Stunden zu gewähren.
30
Das beklagte Land beantragt,
31
die Berufung zurückzuweisen.
32
Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Klägerin stehe für die
von ihr beschriebenen dienstlichen Leistungen keine Mehrarbeitsvergütung zu. Gemäß
Nr. 3 SR 2 l I BAT sei unter anderem § 17 BAT, der die Vergütung von Überstunden
regele auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Statt dessen seien die
Bestimmungen für die entsprechenden Beamten anzuwenden. Die Vergütung von
Mehrarbeit für Beamte sei geregelt in der Verordnung über die Gewährung von
Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV). Gemäß §§ 4 Abs. 3, 5 Abs. 2 MVergV
erhielten Lehrer eine Vergütung nur für zusätzlich geleistete Unterrichtsstunden, nicht
aber für sonstige Tätigkeiten. Auf dieser Grundlage fuße der Runderlass des
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Kultusministeriums NW vom 11.06.1979. Der Runderlass stelle in Nr. 2.2 ausdrücklich
noch einmal klar, dass vergütbare Mehrarbeit nur bei einer Mehrbeanspruchung durch
Unterrichtstätigkeit vorliege und dass sonstige dienstliche Leistungen keine vergütbare
Mehrarbeit darstellten. Nr. 2.2.3 enthalte dann noch eine beispielhafte Aufzählung
solcher Tätigkeiten, die nicht als Mehrarbeit vergütet werden könnten. Die in der
Berufungsbegründung und in den Anlagen aufgeführten Leistungen seien daher schon
begrifflich nicht als vergütbare Mehrarbeit zu qualifizieren. Es komme nicht darauf an, ob
diese Dienstleistungen schriftlich angeordnet bzw. genehmigt oder notwendig und
geduldet gewesen seien.
MVergV und Runderlass vom 11.06.1979 verstießen nicht gegen höherrangiges Recht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die tarifvertragliche
Verweisung auf das Beamtenrecht grundsätzlich zulässig. Die Verweisung erfasse auch
einschlägige Verwaltungsvorschriften (BAG 15.12.2005 - 6 AZR 227/05 - u. BAG
12.09.2006 - 9 AZR 675/05 -).
34
Selbst wenn entgegen der vorstehenden Auffassung dem Grunde nach ein Anspruch
auf Vergütung bestehen sollte, scheitere die Klage daran, dass die Klägerin nach wie
vor nicht die Voraussetzungen für die verlangte Mehrarbeitsvergütung dargelegt habe.
Die Klägerin habe mit ihrer Aufstellung nicht dargelegt, dass und in welchem Umfang
sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet haben wolle. Für die jeweiligen
Monate hätte sie im Einzelnen detailliert beschreiben müssen, welche Arbeiten mit
welchem Zeitaufwand sie an welchen Tagen zu welcher Zeit geleistet habe. Nur dann
lasse sich nachvollziehen, ob tatsächlich Mehrarbeit angefallen sei. Der Vortrag der
Klägerin impliziere allenfalls die pauschale Behauptung, sie habe an allen in ihrer
Aufstellung genannten Tagen ihre "normale" Arbeitszeit verrichtet und zusätzlich die
aufgeführten weiteren Arbeiten. Diese Behauptung, so sie denn aufgestellt sei, werde
vorsorglich bestritten. Äußerst vorsorglich werde der Umfang der Mehrarbeit bestritten.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass gemäß Nr. 5.1 des Runderlasses vom
11.06.1979 die behauptete Mehrarbeit für einige Stunden ohnehin nicht zu vergüten sei,
weil die erforderliche Schwelle von fünf Stunden im Monat nicht erreicht werde.
35
In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Prozessvertreter des
beklagten Landes erklärt, gegen die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz
bestünden aus Sicht des beklagten Landes keine Bedenken.
36
Entscheidungsgründe
37
Die Berufung ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft und zulässig. Die
Berufung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist jedoch in der
Sache unbegründet. Die Klägerin kann weder einen Geldausgleich noch einen
Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit im Klagezeitraum beanspruchen. Das
zulässige Klagebegehren ist mit seinem Haupt- und mit seinem Hilfsantrag
unbegründet.
38
1.
Bezug genommenen beiden Aufstellungen sind die Mehrarbeiten, die zusätzlich
vergütet werden sollen, hinreichend individualisiert. Die Klägerin hat die
streitgegenständlichen Mehrarbeiten durch Angabe des Datums, des Gegenstandes
und der Dauer der jeweiligen Verrichtung unverwechselbar bezeichnet. Damit ist dem
39
Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Genüge getan. Es ist klar, über
welche Lebenssachverhalte im vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig entschieden wird.
Zulässig ist es auch, dass die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Zahlungsantrag auf
weitere Monate reklamierter Mehrarbeit erstreckt hat. Nach § 533 ZPO ist eine
Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder
das Gericht es für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die
das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin
nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das beklagte Land hat der Klageänderung in
der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zugestimmt. Die
Klageerweiterung auf weitere Monate wird auf Tatsachen gestützt, die das
Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin
zugrunde zu legen hat.
2.
Mehrarbeitsvergütung noch Freizeitausgleich beanspruchen. Dem stehen die hier
unstreitig anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen der SR 2 l I BAT in
Verbindung mit dem Runderlass des Kultusministeriums NW vom 11.06.1979
"Mehrarbeit und nebenamtlicher Unterricht im Schuldienst" entgegen ( fortan RdErl.
1979; Kopie Bl. 12 – 15 GA - GABl. NW S. 296, BASS 21-22 Nr. 21).
40
a)
und Unterabs. 2, 35 BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte an allgemeinbildenden
Schulen und berufsbildenden Schulen beschäftigt sind. Damit können die Regelungen
der §§ 15 - 17 BAT zur Arbeitszeit und die Regeln des § 35 BAT zu Zeitzuschlägen und
zur Überstundenvergütung im Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung finden.
An ihrer Stelle gelten nach Nr. 3 S. 2 SR 2 l I BAT die Bestimmungen für die
entsprechenden Beamten. Das Tatbestandsmerkmal "Bestimmungen" umfasst mangels
anderweitiger Begrenzung alle einschlägigen abstrakten Regelungen für Beamte. Damit
wird nicht nur auf Gesetze und Rechtsverordnungen für Beamte Bezug genommen,
sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsanordnungen und Erlasse (BAG
15.12.2005 AP BAT § 2 SR 2 l I BAT Rz. 17; explizit zur Problematik
Mehrarbeitsvergütung bei angestellten Lehrern: BAG 28.01.2004 – 5 AZR 32/03 – ZTR
2004,364 = EzBAT SR 2 l I Nr.3 Nr.18). In dieser Verweisung liegt keine unzulässige
Delegation der Rechtsetzungsbefugnis. Die äußeren Arbeitsbedingungen der
beamteten und angestellten Lehrer sind weitgehend gleich. Der Staat ist gegenüber
seinen Beamten zur Fürsorge verpflichtet. Demgemäß hat er die Bedingungen, unter
denen die Beamten ihre Dienste zu erbringen haben, sachgerecht zu regeln. Dazu
gehören auch Bestimmungen zur Arbeitszeit. Die Tarifvertragsparteien dürfen daher
davon ausgehen, dass die sachgerechten beamtenrechtlichen Regelungen auch für die
angestellten Lehrer sachgerecht sind (BAG aaO Rz. 17). Die tarifliche Verweisung in Nr.
3 SR 2 l I BAT und das durch sie eröffnete einseitige Leistungsbestimmungsrecht des
Arbeitgebers unterliegen keiner Inhaltskontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine
Geschäftsbedingungen (§§ 305 - 310 BGB). Diese Vorschriften finden gemäß § 310
Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Tarifverträge (BAG aaO Rz. 18).
41
b)
Nach 2.1 RdErl. 1979 ist der Lehrer gemäß § 78 a LBG verpflichtet, über seine
individuelle Pflichtstundenzahl hinaus Mehrarbeit zu leisten, wenn zwingende
dienstliche Verhältnisse es erfordern. Die Verpflichtung des Lehrers zur Übernahme von
Mehrarbeit erstreckt sich auf regelmäßige und gelegentliche Mehrarbeit im Schuldienst.
Geleistete Mehrarbeit ist grundsätzlich durch Freizeitausgleich abzugelten. Da dieser im
42
Schuldienst in der Regel aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, wird
Mehrarbeit im Schuldienst anstelle eines Freizeitausgleichs vergütet (Ausnahmen:
Verrechnungen mit ausgefallenen Pflichtstunden nach Nr. 4.2 RdErl. 1979,
Blockunterricht an Berufskollegs RdErl. 1979 Nr. 4.6). Vergütbare Mehrarbeit im
Schuldienst ist nach 2.2 RdErl. 1979 nur die von einem Lehrer im Rahmen der
hauptamtlichen oder hauptberuflichen Unterrichtstätigkeit auf Anordnung oder mit
Genehmigung über die individuelle Pflichtstundenzahl hinaus an der eigenen Schule
oder an einer anderen Schule derselben Schulform zu leistende Unterrichtstätigkeit.
Vergütbare Mehrarbeit liegt, so regelt 2.2.2 RdErl. 1979, nur bei einer
Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit vor. Dienstliche Leistungen, die keine
Unterrichtstätigkeit darstellen, sind daher keine vergütbare Mehrarbeit. In 2.2.3 RdErl.
1979 sind exemplarisch Fälle aufgeführt, die keine vergütbare Mehrarbeit darstellen, so
etwa die Teilnahme an Konferenzen, Dienstbesprechungen und Prüfungen aller Art,
Teilnahme und Aufsicht bei Berufsberatungen oder die Erledigung von
Verwaltungsarbeit. Nach 3.2.1 RdErl. 1979 bedürfen Anordnung, Genehmigung und
Widerruf der Mehrarbeit der Schriftform. Bei regelmäßiger Mehrarbeit ist der Vordruck
STD 424 der Schulaufsichtsbehörde vorzulegen. Gelegentliche Mehrarbeit ist vor der
Leistung formlos anzuordnen oder zu genehmigen. Es sind jedoch das Datum, der
Name, die Klasse, die Stunde und (gegebenenfalls nachträglich) das Unterrichtsfach
anzugeben. Eine Durchschrift der Genehmigung oder Anordnung ist der
Schulaufsichtsbehörde zuzuleiten. Nach 5.1 RdErl. 1979 ist Mehrarbeitsunterricht nicht
vergütbar, wenn die Zahl der Unterrichtsstunden im Kalendermonat weniger als vier und
soweit sie mehr als 288 im Kalenderjahr beträgt. Erteilt ein Lehrer im Monat mindest vier
Mehrarbeitsstunden, so wird der Mehrarbeitsunterricht von der ersten Stunden an
vergütet. Nach 3.10 des RdErl. des Kultusministeriums vom 22.08.1980 beträgt die
Vergütung gemäß § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von
Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) für Lehrkräfte an Berufskollegs mit
abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule 25,83 € pro Stunde
(RdErl. des Kultusministeriums v. 22.08.1980 "Vergütung der Mehrarbeit und des
nebenamtlichen Unterrichts im Schuldienst; Vergütungssätze", GABl. NW, S. 507,
BASS 21-22 Nr. 22). Die tarifvertraglich vorgeschriebene Beachtung dieses Erlasses
führt im zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin zur
Grundlage der Mehrarbeitsausgleichsforderung genommenen Arbeiten keine vergütbare
Mehrarbeit darstellten, da es sich nicht
c)
gemachten 100,49 Stunden ausgeschlossen ist, kommt es nicht entscheidungserheblich
darauf an, ob das Verfahren zur Anordnung von Mehrarbeit nach der MVergV / Nr. 3
RdErl. 1979 beachtet ist. Insbesondere musste nicht entschieden werden, ob eine
schriftliche Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1
MVergV vorgeschrieben notwendige Anspruchsvoraussetzung für den geforderten
Ausgleich ist und ob diesem Erfordernis möglicherweise durch das Schreiben des
Schulleiters vom 06.03.2005 genügt ist. Auch muss keine Entscheidung zu dem
Einwand des beklagten Landes ergehen, die Klage sei deshalb nicht schlüssig
begründet, weil die Klägerin nicht ihre gesamte Arbeitsleistung in den
streitgegenständlichen Monaten aufgezeigt hat, sondern nur die über ihr "normales"
Arbeitspensum hinausgehenden zusätzlichen Arbeiten benannt hat.
43
3.
geleistete 100,49 Mehrarbeitsstunden hat nicht aus anderen rechtlichen Gründen Erfolg.
Die Kammer teilt die Auffassung der Verwaltungsrechtsprechung, dass in besonders
44
gelagerten Fällen der öffentliche Dienstherr einem Beamten auch unabhängig von den
originären Voraussetzungen des beamtenrechtlichen Mehrarbeitsausgleichsanspruches
nach MVergV und RdErl. 1979 nach dem auch im Beamtenrecht geltenden Gebot der
Leistungserbringung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu einem Ausgleich für
geleistete zusätzliche Dienste verpflichtet sein kann (BVerwG 28.05.2003 – 2 C 28/02 –
ZBR 2003, 383 = ZTR 2003, 639= AuR 2003,266 –LS- ). Eine ohne jeden Ausgleich
bleibende Mehrbeanspruchung des Beamten über einen langen Zeitraum würde
Grundwertungen widersprechen, die in den Vorschriften des beamtenrechtlichen
Arbeitszeitrechts zum Ausdruck kommen (BVerwG aaO). Davon ausgehend hat das
Oberverwaltungsgericht NRW in seinem Urteil vom 11.01.2006 einer
Grundschullehrerin wegen Zuvielarbeit als Fachleiterin eine bezahlte Dienstbefreiung
für die Dauer von sieben Monaten und zwei Tagen zuerkannt (OVG NRW 11.01.2006 -
6 A 4767/03 -). Aufgrund der im dortigen Fall gegebenen Gesamtumstände hat es das
Oberverwaltungsgericht NRW als grob unbillig und der Klägerin nicht zumutbar
angesehen, ohne Ausgleich zu bleiben, nachdem das beklagte Land gravierende
organisatorische Defizite in der Lehrerausbildung über Jahre sehenden Auges in Kauf
genommen hatte (OVG NRW aaO Rz. 54 ff., insbesondere Rz. 61 - 63).
So liegen die Gesamtumstände hier nicht. Es handelt sich hier um ein auf die Schule
beschränktes organisatorisches Problem, hervorgerufen insbesondere durch den
Erziehungsurlaub einer Einzelperson, der Studiendirektorin W2xxx. Die von der
Klägerin ihrer Darstellung im Berufungsrechtszug zufolge geleistete Mehrarbeit bewegt
sich während der 17 Monate in einem Schwankungsbereich zwischen minimal 1,00 bis
maximal 10,58 Stunden im Monat und bei einem Monatsdurchschnitt von 5,911
Stunden. Damit sind weder die organisatorischen Defizite des beklagten Landes so
gravierend noch der zeitliche Umfang der reklamierten Mehrbeanspruchung der
Klägerin so umfangreich, dass es grob unbillig und für die Klägerin nicht zumutbar wäre,
wenn sie ohne finanziellen oder zeitlichen Ausgleich bliebe. Es verbleibt bei dem zu 2.
begründeten Ergebnis, dass die Klägerin einen Ausgleich nicht beanspruchen kann,
weil es an einer Mehrbeanspruchung durch Unterrichtstätigkeit und damit nach den
einschlägigen Regelungen an vergütbarer Mehrarbeit fehlt.
45
4.
Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher
Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.
46
Limberg
Sprenger
Steffen
47
Landesarbeitsgericht Hamm
48
Beschluss
49
In Sachen
50
wird das Urteil vom 15.03.2007 auf S. 10 der Entscheidungsgründe wie folgt berichtigt:
51
Im Anschluss an die Worte "..Mehrarbeit darstellten, da es sich nicht" in der 13.
und 12. Textzeile von unten und vor dem Gliederungspunkt
c)
52
Textzeile von unten wird eingefügt:
"um Unterrichtstätigkeit handelte."
53
G r ü n d e :
54
Die Berichtigung erfolgt wegen offensichtlicher Unrichtigkeit in dem Urteil durch
Beschluss des Vorsitzenden im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 319 ZPO, 64 VI, 53
ArbGG. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 78 S.2, 72 II
ArbGG bestehen nicht. Gegen den Beschluss ist mangels Zulassung der
Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel nicht gegeben (vgl. Schwab/Weth, Kommentar
ArbGG, 2004, § 78 Rz. 6 (Schwab); ErfK-Koch, 7.Aufl. 2007, § 78 ArbGG Rz. 1).
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Hamm, den 24.05.2007
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Der Vorsitzende der 11. Kammer
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Limberg
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Vorsitzender Richter am
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Landesarbeitsgericht
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