Urteil des LAG Hamm vom 23.08.2007

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Landesarbeitsgericht Hamm, 6 Ta 444/07
Datum:
23.08.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Ta 444/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 4 Ca 641/07
Leitsätze:
1. Der Streitwert einer Klage auf Abschluss einer Altersteilzeit-
Vereinbarung richtet sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei an der
Begründung des Altersteilzeitverhältnisses.
2. Geht es in der Altersteilzeit-Vereinbarung lediglich um die Änderung
der
Arbeitszeit- und Vergütungsbedingungen für die Zeit bis zum
unstreitigen Ende des Arbeitsverhältnisses, ist die Klage auf Abschluss
dieser Vereinbarung nach den Grundsätzen der Bewertung einer
Änderungsschutzklage zu bewerten, damit regelmäßig mit zwei
Monatsentgelte.
3. Zielt eine Altersteilzeit-Vereinbarung jedoch nicht nur auf die
Änderung der
Arbeitszeit- und die Vergütungsbedingungen, sondern zugleich auf die
vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, muss der Streitwert
dem einer Bestandsschutzklage (Vierteljahresentgelt) entsprechen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird
unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des
Arbeitsgerichts Münster vom 05.07.2007 - 4 Ca 641/07 - teilweise
abgeändert.
Der Streitwert wird für das Verfahren auf 6.262,20 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
1
I.
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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Bewertung einer Klage auf "Gewährung"
von Altersteilzeit für fünf Jahre mit sofortiger Wirkung. Das Arbeitsgericht hat den
Streitwert mit 2 Monatsentgelten bemessen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
meinen, der Streitwert sei in Anlehnung an § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG in Höhe des
dreijährigen Unterschiedsbetrags (36 x 993,93 = 35.781,48 EUR) festzusetzen. Wegen
des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
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II.
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Die Beschwerde ist an sich statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) sowie in gesetzlicher
Form und Frist eingelegt (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 5 Sätze 1 u. 4 GKG) und nach
Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Nichtabhilfe dem Beschwerdegericht
vorgelegt worden (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG). Sie hat in der Sache zum Teil
Erfolg.
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1. Die Parteien stritten um den Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeit-
Vereinbarung. Die Klage zielte auf Abgabe einer Willenserklärung, nämlich die
Annahme des Antrags der Klägerin auf Abschluss einer konkreten Altersteilzeit-
Vereinbarung durch die beklagte Partei.
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2. Der Streitwert einer Klage auf Abschluss einer Altersteilzeit-Vereinbarung richtet sich
nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm. § 3 ZPO. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse
der klagenden Partei an der Begründung des Altersteilzeitverhältnisses. Der Streitwert
für dieses Interesse kann nicht den Streitwert für das Interesse an dem Fortbestand des
mit seinem Inhalt unveränderten Arbeitsverhältnisses überschreiten. Der Streitwert für
das Interesse am unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wird normativ
begrenzt durch § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG. Diese gesetzliche Wertung ist für die
Bemessung des Streitwerts einer auf Feststellung des Fortbestands der bisherigen
Arbeitsbedingungen gerichteten Klage zu beachten.
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Für die Änderungsschutzklage hat die für Streitwertbeschwerden zuständige Kammer
des erkennenden Gerichts darauf erkannt, dass dem Rechtsstreit über den Bestand
eines Arbeitsverhältnisses kein geringerer Wert zukommt als einem Rechtsstreit über
einzelne Arbeitsbedingungen (LAG Hamm 26.04.2005 - 9 Ta 540/04; LAG Hamm
Beschl. v. 24.03.2006 - 9 Ta 718/05; LAG Hamm Beschl. v. 16.06.2005 - 9 Ta 493/04;
LAG Hamm Beschl. v. 22.03.1999 - 9 Ta 720/98; LAG Hamm Beschl. v. 15.03.1999 - 9
Ta 736/98; LAG Hamm Beschl. v. 08.01.2004 - 9 Ta 169/03; LAG Hamm Beschl. v.
20.07.2005 - 9 Ta 137/05). Dabei hat die Beschwerdekammer nicht danach differenziert,
ob die Änderung der Arbeitsbedingungen einseitig durch den Arbeitgeber oder durch
eine Änderungskündigung, in deren Folge das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt
der sozialen Rechtfertigung angenommen wurde, bewirkt werden sollte (LAG Hamm
Beschl. v. 26.04.2005 - 9 Ta 540/04; LAG Hamm Beschl. v. 08.01.2004 - 9 Ta 169/03). In
ständiger Rechtsprechung ist der Streitwert für eine die Änderung von
Arbeitsbedingungen betreffende Klage auf höchstens zwei Monatsentgelte für
angemessen gehalten (LAG Hamm v. 16.06.2005 - 9 Ta 493/04). Auch den Streitwert für
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den Anspruch auf Arbeitszeitverringerung durch Änderungsvertrag hat die
Beschwerdekammer in Höhe von zwei Monatsvergütungen festgesetzt (Beschl. v.
26.04.2005 - 9 Ta 540/04; Beschl. v. 16.06.2005 - 9 Ta 493/04; Beschl. v. 22.06.2005 - 9
Ta 764/04; Beschl. v. 28.06.2005 - 9 Ta 846/04).
In Anlehnung an diese Rechtsprechung ist auch die Klage auf Abschluss einer
Altersteilzeit-Vereinbarung unter Berücksichtigung des Höchstwertes nach § 42 Abs. 4
Satz 1 GKG zu bewerten. Bei der Altersteilzeit-Vereinbarung handelt es sich um einen
Änderungsvertrag. Die Arbeitszeit- und die Vergütungsbedingungen des
Arbeitsverhältnisses werden für eine befristete Zeit einvernehmlich geändert. Zugleich
kann eine Altersteilzeit-Vereinbarung auf eine vorzeitige Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zielen. In diesem Fall werden in der Altersteilzeit-Vereinbarung
Elemente eines Änderungsvertrags mit denen eines Auflösungsvertrags verbunden.
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Geht es in der Altersteilzeit-Vereinbarung lediglich um die Änderung für die Zeit bis zum
unstreitigen Ende des Arbeitsverhältnisses, ist die Klage auf Abschluss dieser
Vereinbarung nach den Grundsätzen der Bewertung einer Änderungsschutzklage zu
bewerten. Mit beiden Klagen verfolgt die klagende Partei ein vergleichbares
wirtschaftliches Interesse. Während es bei der Änderungsschutzklage um die Abwehr
der vom Arbeitgeber angetragenen Änderung des Arbeitsverhältnisses geht, zielt die
Klage auf Abschluss der Altersteilzeit-Vereinbarung auf Durchsetzung der von der
klagenden Partei gewünschten Änderung des Arbeitsverhältnisses. Es verbietet sich in
diesem Zusammenhang, im Wesentlichen gleiche Tatbestände ungleich zu behandeln
(Art. 3 GG). Die Gleichstellung vermeidet den ansonsten bestehenden
Wertungswiderspruch, der bestünde, wenn die Klage auf Abwehr höher bewertet würde
als die Klage auf Durchsetzung einer Änderung von Arbeitsbedingungen. Daher ist
sowohl der Streit um die Wirksamkeit von Vertragsänderungen nach den für das
Änderungsschutzverfahren geltenden Grundsätzen zu bewerten (LAG Hamm
15.08.2007 - 6 Ta 454/07; LAG Berlin 20.02.2002 - 17 Ta 6018/02; LAG Nürnberg
19.12.2005 - 9 Ta 247/05; GK-ArbGG-Wenzel, § 12 Rn. 338) wie auch der Streit um den
Abschluss einer Änderungsvereinbarung (zur Altersteilzeit-Vereinbarung: LAG
Düsseldorf 15.09.2004 – 17 Ta 495/04; LAG Berlin 26.09.2005 - 17 Ta 6059/05 (Kost);
LAG Berlin 03.04.2001 – 17 Ta 6051/01 (Kosten); LAG Köln 25.07.2003 – 6 Ta 183/03).
Der Streitwert für eine lediglich die Änderung von Arbeitsbedingungen betreffende
Klage ist auf höchstens zwei Monatsentgelte festzusetzen (LAG Hamm v. 16.06.2005 - 9
Ta 493/04).
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Zielt eine Altersteilzeit-Vereinbarung jedoch nicht nur auf die Änderung der Arbeitszeit-
und die Vergütungsbedingungen, sondern zugleich auf die vorzeitige Beendigung des
Arbeitsverhältnisses, muss der Streitwert dem einer Bestandsschutzklage entsprechen.
Das Interesse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses entspricht regelmäßig dem
Interesse an der Abwehr einer Auflösung, das wiederum normativ durch § 42 Abs. 4
Satz 1 GKG mit dem Höchstwert des Vierteljahresentgelts bewertet wird.
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3. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zur Bewertung der Klage mit dem
Vierteljahresentgelt. Die Klage war auf eine Altersteilzeit-Vereinbarung mit einem
vorzeitigen Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet.
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4. Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen die Bemessung des Streitwerts
vermögen nicht zu überzeugen. Sie meinen, die Sache sei vergleichbar mit einer
Eingruppierungsstreitigkeit, weshalb eine Bewertung entsprechend § 42 Abs. 4 Satz 2
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GKG mit dem dreijährigen Unterschiedsbetrag vorzunehmen sei. Dem kann nicht gefolgt
werden. Die klagende Partei hat weder eine Klage auf konkrete wiederkehrende
Leistungen, spezifiziert nach Zeitraum und Höhe, noch eine Klage auf Feststellung
solcher Leistungen erhoben. Auch die Eingruppierung der Arbeitsleistung der Klägerin
war nicht im Streit. Im Streit befand sich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den
bisherigen Arbeitsbedingungen.
Hamm, den 17.08.2007
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Der Vorsitzende der
15
- 6. Kammer -
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Ziemann
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Vorsitzender Richter am
18
Landesarbeitsgericht
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