Urteil des LAG Hamm vom 05.02.2009
LArbG Hamm: eigenes verschulden, fristlose kündigung, arbeitsgericht, unterschlagung, beendigung, aufbewahrung, vertragsklausel, ausgabe, rückzahlung, leiter
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Nachinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 1665/08
05.02.2009
Landesarbeitsgericht Hamm
8. Kammer
Urteil
8 Sa 1665/08
Arbeitsgericht Gelsenkirchen, 2 Ca 1068/08
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 324/09
Gratifikation / Sonderzahlung / Rückzahlungsklausel / Inhaltskontrolle /
Auslegung / Rückzahlungsverpflichtung bei vom Arbeitnehmer
verschuldeter Vertragsbeendigung
BGB § 307, BGB § 611
Zur Auslegung und Inhaltskontrolle einer arbeitsvertraglichen
Rückzahlungsklausel
Die in einem Formular-Arbeitsvertrag enthaltene Klausel, nach welcher
der Arbeitnehmer die im Vorjahr erhaltene Sonderzahlung u.a.
zurückzuzahlen hat, wenn er aus dem Arbeitsverhältnis „aus eigenem
Verschulden“ ausscheidet, setzt erkennbar einen Kausalzusammenhang
zwischen Vertragsbeendigung und Eigenverschulden und damit voraus,
dass die vom Arbeitgeber genannten Kündigungsgründe der
gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätten. In dieser Auslegung
kann die Klausel weder als intransparent angesehen werden, noch liegt
eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor. Ob eine
Rückzahlungsklausel der Inhaltskontrolle standhalten würde, welche
ausdrücklich von der Kündigungsrelevanz des Eigenverschuldens
absieht, erscheint zweifelhaft, war aber nicht zu entscheiden.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Gelsenkirchen vom 03.09.2008 - 2 Ca 1068/08 - wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als früheren Arbeitnehmer nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose Kündigung auf Rückzahlung einer
gewährten Sonderzahlung für das Jahr 2007 in Anspruch: Hierzu verweist sie auf die im
Arbeitsvertrag enthaltene Klausel, nach welcher das im November gezahlte 13.
Monatsentgelt zurückzuzahlen ist, wenn "der Mitarbeiter bis einschließlich 31.03. des
Folgejahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch" ausscheidet, und
behauptet in der Sache, der Beklagte habe in seiner Funktion als Service-Leiter in dem von
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der Klägerin betriebenen Seniorenstift in erheblicher Weise gegen seine Vertragspflichten
verstoßen, indem er u.a. in seiner Kellnerbörse neben vereinnahmten Beträgen auch
privates Geld aufbewahrt und so Anlass zu Zweifeln an seiner Redlichkeit begründet habe.
Darüber hinaus treffe den Kläger der Vorwurf einer Unterschlagung, da er vereinnahmte
Beträge nicht korrekt abgeführt habe. Für die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe spreche
im Übrigen bereits der Umstand, dass der Kläger seine gegen die fristlose Kündigung vom
04.01.2008 gerichtete Klage zurückgenommen und einer Einstellung des Strafverfahrens
gegen Zahlung einer Geldbuße zugestimmt habe.
Demgegenüber weist der Beklagte weist die erhobenen Vorwürfe als unberechtigt zurück
und vertritt in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel
sei intransparent, zu weit gefasst und damit unwirksam. Nachdem er zeitnah eine neue
Beschäftigung gefunden und damit das Interesse an der Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses verloren habe, könne aus der Hinnahme der Kündigung kein
Anhaltspunkt für die Berechtigung der erhoben Vorwürfe hergeleitet werden.
Entsprechendes gelte für die Zahlung der Geldbuße, mit welcher es ihm darum gegangen
sei, die Angelegenheit zügig zum Abschluss zu bringen.
Durch Urteil vom 03.09.2008 (Bl. 57 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren
erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und des Klageantrages Bezug genommen
wird, hat das Arbeitsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin
1.455,44 € – dies ist der dem Beklagten zugeflossene Nettobetrag – nebst Zinsen
zurückzuzahlen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, gegen die
Wirksamkeit der vereinbarten Rückzahlungsklausel bestünden keine Bedenken. Wie die
Auslegung der Klausel ergebe, seien hiermit alle Fallgestaltungen erfasst, bei welchen der
Grund für das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in der Sphäre des Arbeitnehmers
liege. Da die Rechtsprechung eine Rückzahlungsverpflichtung selbst im Falle der
betriebsbedingten Kündigung billige, könne auch die hier verwendete Klausel nicht
beanstandet werden, ohne dass es darauf ankomme, ob die erhobenen Vorwürfe der
Überprüfung in einem Kündigungsschutzverfahren standhielten. In der Sache stelle schon
die Tatsache, dass der Beklagte durch die gemeinsame Aufbewahrung vereinnahmter
Gelder, Trinkgelder und privaten Geldes in seiner Kellnerbörse den Eindruck unkorrekten
Verhaltens erweckt habe, ein eigenes Verschulden im Sinne der vereinbarten
Rückzahlungsklausel dar.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der Beklagte an seiner
Auffassung fest, die verwendete Vertragsklausel halte einer Inhaltskontrolle nach § 307
BGB nicht stand. Selbst wenn die Klausel in der vom Arbeitsgericht vorgenommenen
Auslegung als ausreichend transparent angesehen werde – was nach wie vor bezweifelt
werden müsse – stelle es jedenfalls eine unangemessene Benachteiligung des
Arbeitnehmers dar, wenn jedwede schuldhafte Pflichtverletzung ohne Rücksicht auf ihre
Kündigungsrelevanz den Arbeitgeber zur Rückforderung der gewährten Sonderzahlung
berechtige. Im Übrigen fehle es jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht an einer schuldhaften
Pflichtverletzung. Allein die gelegentliche Aufbewahrung privaten Geldes in einem
separaten Fach der Kellnerbörse könne hierfür nicht genügen, zumal dies im Betrieb der
Klägerin wie auch im Gastronomiebereich überhaupt nicht unüblich sei. Auch der von der
Klägerin nur allgemein vorgetragene Verdacht unkorrekter Abrechnungen könne einer
festgestellten schuldhaften Pflichtverletzung nicht gleichgestellt werden. Soweit es
schließlich den konkreten Vorwurf betreffe, er – der Beklagte – habe wiederholt im Monat
Dezember 2007 bei Gästen des Hauses, welche ihren Verzehr in bar bezahlten, den
vereinnahmten Betrag nicht in die Kasse gegeben, sei dies durch keinerlei
Abrechnungsunterlagen belegt. Selbst bei Vorliegen eines Mankos im Einzelfall könne ein
Versehen nicht ausgeschlossen werden. Damit erweise sich aber der gesamte Vortrag der
Klägerin als haltlose Verdächtigung.
Der Beklagte beantragt:
1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom
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03.08.2008 – 2 Ca 1068/08 – wird die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres
Vorbringens als zutreffend. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil erfasse
die vereinbarte Rückzahlungsklausel sämtliche Fälle, welche zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aus eigenem Verschulden des Arbeitnehmers führten, ohne dass es
letztlich auf die Kündigungsrelevanz ankomme. Zu Recht habe das Arbeitsgericht
demgemäß schon die Vermengung von betrieblichen und privaten Geldern in der
Kellnerbörse als ausreichend angesehen, um die vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung
auszulösen. Darüber hinaus sei dem Kläger aber auch konkret eine Unterschlagung
vereinnahmter Gelder vorzuwerfen. So habe der Kläger bei einem Gast – der als Zeugin
vernommenen Frau B3 – den empfangenen Barbetrag ohne Bon kassiert und nicht in die
Kasse gegeben. Letzteres entspreche auch dem erstellten Kellnerbericht, welcher im
Monat Dezember 2007 keinerlei Bareinnahmen ausweise.
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben zum Vorwurf der Unterschlagung
vereinnahmter Gelder durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen B3 und S3. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2009
(Bl. 112 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.
In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil ist der Beklagte verpflichtet, den
Nettobetrag der im Monat November 2007 empfangenen Sonderzahlung an die Klägerin
zurückzuzahlen.
I
Der Klägerin steht der begehrte Zahlungsbetrag auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen
Rückzahlungsvereinbarung zu.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehen gegen die Wirksamkeit der
Rückzahlungsklausel keine Bedenken. Bei zutreffender Auslegung der Klausel liegt weder
die vom Beklagten geltend gemachte Intransparenz vor, noch kann auf dieser Grundlage
eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers angenommen werden.
a) Der Inhaltskontrolle einer allgemeinen Arbeitsbedingung hat zunächst deren Auslegung
voranzugehen. Ergibt die verständige Auslegung mit hinreichender Klarheit einen
zulässigen Inhalt, scheidet eine Unwirksamkeit der Klausel nach den Vorschriften der §§
305 ff. BGB aus.
b) Das Arbeitsgericht hat die vertragliche Rückzahlungsklausel dahingehend ausgelegt,
diese umfasse sämtliche aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammenden Gründe, welche
zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führten, ohne dass es darauf ankomme, ob diese
einer Überprüfung im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses standgehalten hätten. Dem-
entsprechend sei ein Verstoß gegen das Transparentgebot des § 307 BGB zu verneinen.
Da eine Rückzahlungsklausel selbst im Falle einer betriebsbedingten Kündigung für
zulässig erachtet werde, könne auch nicht von einer unangemessenen Benachteiligung
des Arbeitnehmers ausgegangen werden.
Letzterer Gesichtspunkt erscheint allerdings nicht unzweifelhaft. Die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zum Verlust von Ansprüchen auf Sonderzahlungen im Falle
betriebsbedingter Kündigung bezieht sich allein auf Stichtagsregelungen, welche das
Entstehen des Anspruchs bei Vertragsbeendigung vor Ablauf des Bezugszeitraums
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Entstehen des Anspruchs bei Vertragsbeendigung vor Ablauf des Bezugszeitraums
ausschließen. Die Frage, ob diese Grundsätze entsprechend auf die Rückgewähr von
Sonderzahlungen anzuwenden sind, welche nach Erreichen des Stichtages bzw. Ablauf
des Bezugszeitraums ausgezahlt worden sind, wie dies in der Vergangenheit ganz
überwiegend angenommen worden ist, ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht
entschieden worden. Insbesondere nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wird
dementsprechend im Schrifttum die Frage der Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln bei
betriebsbedingter Kündigung kritisch beurteilt (Preis/Lindemann, Der Arbeitsvertrag, 3.
Aufl., II S 40 Rn 101). In Anbetracht der Tatsache, dass durch eine Rückzahlungsklausel –
weitergehend als durch eine Stichtagsklausel – dem Arbeitnehmer die bereits gewährte
Gegenleistung für die im abgelaufenen Bezugszeitraum geleistete Betriebstreue
genommen wird, sprechen gute Gründe für eine Beschränkung der
Rückzahlungsvoraussetzungen jedenfalls unter Ausschluss betriebsbedingter
Kündigungen. Auch die vom Arbeitsgericht als unbedenklich erachtete Orientierung der
Rückzahlungsvoraussetzungen an der Zuordnung des Kündigungsgrundes zur "Sphäre"
des Arbeitnehmers stößt jedenfalls für Fallgestaltungen auf Bedenken, in denen der
Rückzahlungsanspruch an Verhaltensweisen ohne Kündigungsrelevanz anknüpft. Allein
die Tatsache, dass der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung
nicht angreift und es deshalb zur wirksamen Vertragsbeendigung als Voraussetzung der
Rückzahlungsverpflichtung kommt, rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer nicht, vom
Erfordernis einer kündigungsrelevanten Pflichtverletzung des Arbeitnehmers abzusehen,
wenn die Klausel der Angemessenheitskontrolle standhalten soll.
c) Wie die verständige Auslegung der hier verwendeten Klausel indessen ergibt, knüpft die
vorgesehene Rückzahlungsverpflichtung nicht allein an ein – noch so geringfügiges –
eigenes Verschulden des Arbeitnehmers an, vielmehr folgt schon aus dem allgemeinem
grammatikalisch gestützten Sprachverständnis, dass zwischen Vertragsbeendigung und
den zugrundeliegenden Umständen (dem Eigenenverschulden des Arbeitnehmers) ein
kausaler Zusammenhang bestehen muss. Maßgeblich ist danach nicht, dass ein irgendwie
schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber Anlass für den Ausspruch
einer Kündigung gegeben hat, ebenso wenig genügt die Hinnahme der Kündigung durch
den Arbeitnehmer, vielmehr ergibt sich unter Berücksichtigung des genannten
Kausalitätserfordernisses aus der Klausel selbst, dass die Rückzahlungsverpflichtung an
das Vorliegen eines schuldhaften Pflichtverstoßes anknüpft, welcher die vom Arbeitgeber
ausgesprochene Kündigung – gleich ob sie angegriffen wird oder nicht – in der Sache trägt.
Damit sind aber die vom Beklagten erhobenen rechtlichen Bedenken gegen die
Wirksamkeit der Klausel unter den Gesichtspunkten mangelnder Transparenz und
unangemessener Benachteiligung ausgeräumt. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem
Umstand, dass die Klägerin wie auch das Arbeitsgericht die hier verwendete Klausel in
einem weitergehenden Sinne verstanden haben. Allein der Umstand, dass im Prozess
unterschiedliche Standpunkte aufeinandertreffen, begründet noch keine Intransparenz der
zugrundeliegenden Vertragsklausel. Eine solche ist vielmehr allein für den Fall
anzunehmen, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten gleichermaßen in Betracht zu
ziehen sind und sich auch unter Berücksichtigung sämtlicher Auslegungsgesichtspunkte
kein eindeutiges Ergebnis finden lässt. Dies trifft aus den dargestellten Gründen hier nicht
zu.
2. Auf der Grundlage der so ausgelegten Rückzahlungsklausel kann dem Standpunkt nicht
gefolgt werden, schon die Vermengung privater und betrieblicher Gelder in der
Kellnerbörse löse die Verpflichtung zur Rückzahlung der empfangenen Sonderzahlung
aus. Insoweit fehlt es jedenfalls an einer entsprechenden Abmahnung. Entsprechendes gilt,
soweit die Klägerin hieraus sowie aus weiteren Umständen einen dringenden Verdacht der
Unterschlagung herleiten will. Kennzeichnend für die Verdachtskündigung ist die
Beeinträchtigung der Vertrauensbeziehung infolge eines dringenden, nicht
auszuräumenden Verdachts mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer gleichsam die Eignung
zur Fortführung seiner vertraglich übernommenen Tätigkeit fehlt. Allein die schuldhafte
Veranlassung des Verdachts durch den Arbeitnehmer selbst genügt demgegenüber zur
Rechtfertigung einer Kündigung nicht.
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Rechtfertigung einer Kündigung nicht.
3. Im Ergebnis steht aber auf der Grundlage der im zweiten Rechtszuge cht durchgeführten
Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte – wie von
der Klägerin vorgetragen – zumindest in einem Fall vereinnahmte Gelder nicht der Kasse
zugeführt hat. Wie im Folgenden auszuführen ist, scheidet insofern ein bloßes Versehen
aus, vielmehr muss von einem vorsätzlichen Handeln des Beklagten ausgegangen
werden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Voraussetzungen der
vertraglichen Rückzahlungsklausel erfüllt.
a) Wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2009 ergeben haben,
erfolgt zwar die Ausgabe von Essen an Gäste (gleich ob diese gegen Rechnung oder in
bar zahlen) nicht wie in der Gastronomie üblich auf der Grundlage eines schon bei der
Essensbestellung erstellten Bons – was einen Abgleich der Anzahl ausgegebener Essen
und der vom Kellner abzuführenden Einnahmen erlaubt –, vielmehr erfolgt die
Essensausgabe für Bewohner und Gäste einheitlich ohne Belegerstellung. Erst zur
Vorbereitung des Zahlvorgangs wird ein entsprechender Bon erstellt und dem Gast beim
Kassiervorgang vorgelegt. Wird – abweichend von dieser Vorgehensweise – im Einzelfall
beim Gast kassiert, ohne dass ein entsprechender Bon an der Kasse erstellt worden ist, so
ist dies aus den erstellten Abrechnungsunterlagen nicht zu erkennen.
b) Wie die Zeugin S3 bei ihrer Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht ausgesagt hat,
hat sie an einem Tag im Monat Dezember 2007 selbst beobachtet, dass der Beklagte bei
einem Gast – nämlich der ebenfalls als Zeugin vernommenen Frau B3 – den Verzehr in bar
kassiert hat, ohne zuvor einen Bon zu erstellen. Nach ihrer Aussage ist die Zeugin zufällig
auf den Vorgang aufmerksam geworden, weil sie – die Zeugin – in der Anrichteküche tätig
war und sich Frau B3 in ihrem Sichtbereich befand. Auch die Aussage der Zeugin B3 fügt
sich in diese Darstellung ein. Danach hat die Zeugin erst im letzten Jahr – nach
Ausscheiden des Beklagten – im Zusammenhang mit der Bezahlung des Verzehrs stets
einen Bon o.ä. erhalten, demgegenüber ist ihr aus der früheren Zeit derartiges nicht
erinnerlich, wobei sie nach ihrer Aussage auch bei anderen Gästen eine Abrechnung
gegen Beleg nicht beobachtet hat. Auch wenn die Zeugin B3 erklärtermaßen damals auf
derartige Dinge nicht geachtet hat und dementsprechend allein auf der Grundlage ihrer
Aussage keinesfalls als bewiesen erachtet werden könnte, dass der Beklagte ohne Bon
kassiert hat, fügt sich doch ihre Aussage in die Beobachtungen der Zeugin S3 ein.
Tatsächlich enthielt – wie die Zeugin S3 des Weiteren ausgesagt hat – der Kellnerbericht
des Beklagten vom fraglichen Tage keine Verzeichnung von Bareinnahmen. Ob dies
tatsächlich für sämtliche Tage des Monats Dezember 2007 zutrifft, an denen der Beklagte
tätig war, lässt sich zwar aus der Aussage der Zeugin S3 nicht mit Sicherheit entnehmen,
da die entsprechende Kontrolle nicht von ihr selbst durchgeführt worden ist.
Demgegenüber hat die Zeugin in Bezug auf den Kellnerbericht vom fraglichen Tage, auf
welchen sich ihre geschilderte Beobachtung bezieht, ihre Angaben aus eigener
Anschauung gemacht.
An der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin S3 hat die Kammer keine Zweifel. Die
Aussage der Zeugin lässt keinerlei Belastungstendenz erkennen, vielmehr hat die Zeugin
ausdrücklich zwischen eigenen Beobachtungen und anderweitig getroffenen
Feststellungen unterschieden. Aus welchem Grunde die Zeugin den Beklagten zu Unrecht
belasten sollte, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
c) Auf dieser Grundlage muss aber zu Lasten des Beklagten davon ausgegangen werden,
dass er jedenfalls in einem Falle ohne Erstellung eines Bons kassiert und den
vereinnahmten Betrag nicht der Kasse zugeführt hat. Unter den vorliegenden Umständen
hält die Kammer ein bloßes Versehen des Beklagten für ausgeschlossen. Auch wenn
berücksichtigt wird, dass grundsätzlich im Zusammenhang mit der Ausgabe von
Mittagessen ein verstärkter Arbeitsandrang herrscht und deshalb Fehlleistungen nicht
generell auszuschließen sind, ist zu beachten, dass es vorliegend nicht um ein nicht
aufklärbares Manko oder eine Nichtberechnung herausgegebenen, irrtümlich nicht
bonierten und dem Gast nicht in Rechnung gestellten Verzehrs geht. Unter
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Berücksichtigung des praktizierten Abrechnungssystems muss es vielmehr als vollkommen
ungewöhnlich angesehen werden, beim Gast ohne zuvor erstellten Bon zu kassieren. In
Bezug auf einen langjährig mit entsprechender Aufgabenstellung befassten Arbeitnehmer –
immerhin war der Beklagte als Service-Leiter tätig – ist davon auszugehen, dass ihm
derartige Vorgänge "in Fleisch und Blut" übergegangen sind und er selbst in Zeiten
vermehrten Arbeitsandrangs nicht von dem Grundsatz abweicht, dass beim Gast nicht ohne
Bon kassiert werden kann.
4. Damit stehen zu Lasten des Beklagten die Voraussetzungen für den vertraglichen
Rückzahlungsanspruch der Klägerin fest. Gegen die Berechnung der Klageforderung sind
aus den zutreffenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils keine Bedenken zu
erkennen.
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Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Beklagte zu tragen.
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Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG zugelassen.