Urteil des LAG Hamm vom 10.12.2004

LArbG Hamm: unternehmen, freiwillige leistung, eisen, kündigung, arbeitsgericht, firma, tarifvertrag, form, vergleich, vogel

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 1308/04
10.12.2004
Landesarbeitsgericht Hamm
15. Kammer
Urteil
15 Sa 1308/04
Arbeitsgericht Iserlohn, 3 Ca 149/04 O
Geltung eines Firmentarifvertrages
§§ 3 und 4 TVG
Die Revision wird nicht zugelassen
Parallelsache zu 15 Sa 958/04
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Arnsberg vom 18.05.2004 - 3 Ca 149/04 0 wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr
2003.
Die Beklagte führt ein Unternehmen, welches grundsätzlich dem fachlichen
Geltungsbereich der Tarifverträge für die Eisen-, Metall-, Elektro- und
Zentralheizungsindustrie unterfällt. Sie ist nicht Mitglied des Verbandes der Metall- und
Elektroindustrie NRW e.V.. Sie hat ihren Hauptsitz in A1xxxx und unterhält zudem einen
Betrieb in W3xxxxxxxx, in dem der Kläger tätig ist. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall.
Sowohl im Betrieb in W3xxxxxxxx als auch im Betrieb in A1xxxx ist jeweils ein Betriebsrat
gewählt.
Der Kläger ist seit dem 15.10.2002 bei der Beklagten als Presser beschäftigt. Grundlage
des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag, der unter anderem
folgende Bestimmungen enthält:
"§ 9 Urlaubs-/Weihnachtsgeld
Der Arbeitnehmer erhält gemäß den tariflichen Bestimmungen ein Urlaubs- und
Weihnachtsgeld.
Das Urteilsgeld wird im Monat des Urlaubs ausgezahlt.
Zusammen mit dem Novemberlohn erhält der Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld.
Für den Fall, dass ein Weihnachtsgeld gezahlt wird, das über den tarifli-chen
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Anspruch hinausgeht, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Teil des Weihnachtsgeldes
zurückzuzahlen, der den Tarifanspruch über-steigt, wenn er aufgrund eigener Kündigung
oder aufgrund ordentlicher oder verhaltensbedingter Kündigung der Firma aus einem von
ihm zu vertretenen Grunde bis zum 31.03. des auf die Zahlung folgenden Kalenderjahres
ausscheidet. Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entspre-chend, wenn das
Arbeitsverhältnis innerhalb des folgenden Zeitraumes durch Aufhebungsvertrag beendet
wird und Anlass des Aufhebungsver-trages ein Recht zur außerordentlichen oder
verhaltensbedingten Kündigung der Firma oder ein Aufhebungsbegehren des
Arbeitnehmers ist.
Die Firma ist berechtigt, mit ihrer Rückzahlungsforderung gegen die rückständigen
oder nach der Kündigung fällig werdenden Vergütungs-ansprüche unter Beachtung der
Pfändungsschutzbestimmungen aufzu-rechnen.
Der Arbeitnehmer erkennt an, dass das Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt wird und
hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.
...
§ 15 Nebenabreden
Für das Arbeitsverhältnis gelten in erster Linie die gesetzlichen Bestim-mungen,
hilfsweise die Bestimmungen des Tarifvertrages.
Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrages sowie Nebenabre-den bedürfen
zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Vereinbarung der Ver-tragsparteien.
Sollten gegenwärtige oder künftige Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder
teilweise nicht rechtswirksam sein oder ihre Rechtswirksamkeit ver-lieren, so bleiben die
übrigen Vertragsbestimmungen hiervon unberührt. Die Parteien sind in einem solchen Fall
verpflichtet, die nicht rechtswirk-same Bestimmung durch eine neue zu ersetzen, die dem
wirtschaftlichen Zweck der nicht rechtswirksamen Bestimmung am nächsten kommt."
Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 22 ff. d.A.
Bezug genommen.
Bereits unter dem 15.08.1997 hatte die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall, Be-
zirksleitung NRW, einen sogenannten Anerkennungstarifvertrag geschlossen, der unter an-
derem die Geltung des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13.
Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 in der
jeweils gültigen Fassung im Unternehmen der Beklagten vorsah. Wegen der Einzelheiten
des Anerkennungstarifvertrages nebst Anlage wird auf Bl. 40 ff. der Akte 15 Sa 982/04 –
LAG Hamm – verwiesen. Zwischen den Parteien ist zweitinstanzlich unstreitig geworden,
dass der Zeuge K2xxxxxxx bevollmächtigt war, im Namen der IG Metall Bezirksleitung
NRW den Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 abzuschließen.
Die Beklagte zahlte dem Kläger im Jahre 2003 kein anteiliges 13. Monatseinkommen ent-
sprechend den Regelungen des genannten Tarifvertrages. Nach erfolgloser außergerichtli-
cher Geltendmachung verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch im
vorliegenden Verfahren weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm ein anteiliges 13.
Monatseinkommen zu zahlen. Dieser Anspruch ergebe sich bereits aus den Regelungen
des schriftlichen Arbeitsvertrages. Er folge aber auch aus dem Anerkennungstarifvertrag
vom 15.08.1997 in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW. Der
Anerkennungstarifvertrag sei erst zum Jahresende 2003 gekündigt worden. Seinem
Wortlaut nach gelte der Anerkennungstarifvertrag nicht nur für den Betrieb der Beklagten in
A1xxxx, sondern für das ganze Unternehmen der Beklagten einschließlich des Betriebes in
W3xxxxxxxx.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 1.109,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2003 an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatsein-
kommens ergebe sich nicht aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien, in welchem
das Weihnachtsgeld ausdrücklich als freiwillige Leistung eingestuft worden sei. Ein
dahinge-hender Anspruch des Klägers folge auch nicht aus dem genannten
Anerkennungstarifver-trag, der nur für den Betrieb in A1xxxx, nicht aber für den Betrieb in
W3xxxxxxx geschlossen worden sei. Im übrigen sei die IG Metall hinsichtlich des
Abschlusses des Anerkennungsta-rifvertrages nicht tariffähig gewesen. Lediglich ca. 1/5
der Mitarbeiter in ihrem Unternehmen seien gewerkschaftlich bei der IG Metall organisiert
gewesen, so dass die Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall bestritten werde.
Durch Urteil vom 18.05.2004, das der Beklagten am 16.06.2004 zugestellt worden ist, hat
das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.109,65 EUR brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2003 zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Hiergegen richtet sich die
Berufung der Beklagten, die am 12.07.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und
am 13.08.2004 begründet worden ist.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung
eines anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003. Soweit der Kläger sich auf den
genannten Anerkennungstarifvertrag beziehe, gelte dieser keinesfalls für ihren Betrieb in
W3xxxxxxxx. Bestritten werde weiter auch die Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall als
Vertragspartner des genannten Anerkennungstarifvertrages.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers könne allenfalls der schriftliche
Arbeitsvertrag sein, der allerdings in § 9 Abs. 4 eine Freiwilligkeitsklausel im Hinblick auf
das Weihnachtsgeld enthalte.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des ArbG Arnsberg vom 18.05.2004 – 3 Ca 149/04
0 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, die Beklagte sei zur Zahlung des 13.
Monatseinkommens nach dem genannten Anerkennungstarifvertrag verpflichtet. Die
Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen der IG Metall sei satzungsgemäß zum Abschluss des
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
entsprechenden Tarifvertrages berechtigt gewesen. Sie sei durch den 1. Bevollmächtigten
der IG Metall – Verwaltungsstelle Werdohl-Iserlohn –, den Zeugen D3xxxx K2xxxxxxx
vertreten worden. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 gelte nicht nur für den
Betrieb der Beklagten in A1xxxx, sondern auch für den Betrieb in W3xxxxxxxx.
Die Gegenmächtigkeit der IG Metall auch im Unternehmen der Beklagten könne nicht
ernsthaft bestritten werden. Der Organisationsgrad im Betrieb W3xxxxxxxx liege bei über
90 %, im Betrieb A1xxxx bei ca. 50 %.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden.
II.
Der Sache nach bleibt die Berufung erfolglos. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend
erkannt, dass der Kläger Anspruch auf Zahlung des anteiligen 13. Monatseinkommens für
das Jahr 2003 in zuerkannter Höhe hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus den
Bestimmungen des Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997 in Verbindung mit dem
Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in
der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996.
1. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 gilt gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 des
Tarifvertragsgesetzes unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien dieses
Rechtsstreits. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die den Anerkennungstarifvertrag vom
15.08.1997 mit der Beklagten geschlossen hat. Als Mitglied der IG Metall ist der Kläger
gemäß § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes tarifgebunden. Die Beklagte, die gemäß § 2
Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes tariffähig ist, ist ebenfalls gemäß § 3 Abs. 1 des
Tarifvertragsgesetzes tarifgebunden.
2. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 ist nicht gemäß § 177 BGB unwirksam.
Denn der Zeuge K2xxxxxxx, der den genannten Anerkennungstarifvertrag im Namen der
Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung NRW, abgeschlossen hat, war hierzu
bevollmächtigt. Die Beklagte hat ihr dahingehendes Bestreiten im Termin vom 10.12.2004
ausdrücklich aufgegeben.
3. Die Wirksamkeit des genannten Anerkennungstarifvertrages kann nicht unter Hinweis
auf die angeblich fehlende Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall in Zweifel gezogen
werden. Selbst wenn lediglich 1/5 der Mitarbeiter der Beklagten in der IG Metall organisiert
sein sollten, wie die Beklagte behauptet, steht dies der Annahme der
Durchsetzungsfähigkeit und Mächtigkeit der IG Metall auch im Hinblick auf das
Unternehmen der Beklagten nicht entgegen. Für die Mächtigkeit der IG Metall im
Unternehmen der Beklagten spricht bereits der Umstand, dass sie den Abschluss des
Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997 der Beklagten gegenüber durchsetzen konnte
und damit erreicht hat, dass das wesentliche Tarifwerk, welches die IG Metall mit den
Arbeitgeberverbänden der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW vereinbart hat, auch im
Unternehmen der Beklagten zur Anwendung kommt, obwohl die Beklagte nicht Mitglied
eines Arbeitgeberverbandes ist.
44
45
46
47
48
49
50
51
4. Der Anerkennungstarifvertrag vom 15.08.1997 erstreckt seine Wirkungen auch auf die
Beschäftigten der Beklagten in ihrem Betrieb in W3xxxxxxxx. Dies hat das Arbeitsgericht
zu-treffend erkannt. § 1 des Anerkennungstarifvertrages bestimmt ausdrücklich, dass der
Tarif-vertrag räumlich für das Unternehmen der Beklagten gilt. Anhaltspunkte dafür, dass
dieser Tarifvertrag nur für den Betrieb der Beklagten in A1xxxx, und nicht für den Betrieb in
W3xxx-xxxxx gelten sollte, lasse sich den Bestimmungen des Tarifvertrages an keiner
Stelle ent-nehmen. Der eventuelle Wille der Tarifvertragsparteien, den
Anerkennungstarifvertrag nur für die Beschäftigten eines bestimmten Betriebes der
Beklagten abzuschließen, hat daher im Wortlaut des Tarifvertrages in keiner Weise, nicht
einmal unvollkommen, Niederschlag ge-funden. Tarifvertragswortlaut und auch
Gesamtumstände sprechen vielmehr dafür, dass auch die Arbeitnehmer in W3xxxxxxx vom
räumlichen Geltungsbereich des Anerkennungsta-rifvertrages erfasst werden. Die
erkennende Kammer folgt insoweit in den überzeugenden Gründen der angefochtenen
Entscheidung und sieht deshalb gemäß § 69 Abs. 2 von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab.
5. Gelten danach gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 des Tarifvertragsgesetzes zwischen den Parteien
des Rechtsstreits die Rechtsnormen des Anerkennungstarifvertrages vom 15.08.1997
unmittelbar und zwingend, so hat der Kläger Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13.
Monatseinkommens. Dieser Anspruch folgt aus den Bestimmungen des Tarifvertrages über
die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-
und Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996, der gem. § 2 Abs. 2 des genannten
Anerkennungstarifvertrages Teil dieses Tarifvertrages ist. Hieran kann der zwischen den
Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag nichts ändern. Ein Verzicht auf tarifliche Rechte ist
gemäß § 4 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes nur in einem von den Tarifvertragsparteien
gebilligten Vergleich zulässig, der unstreitig nicht gegeben ist.
6. Die Höhe des nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die tarifliche
Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie NRW vom 11.12.1996 zu berechnenden Anspruchs des Klägers auf
anteiliges 13. Monatseinkommen für das Jahr 2003 ist zwischen den Parteien nicht weiter
streitig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Dr. Wendling
Vollenbröker
Vogel /WR.