Urteil des LAG Hamm vom 03.11.2009

LArbG Hamm (tarifvertrag, arbeitsverhältnis, arbeitsvertrag, bezug, arbeitgeber, gesellschaft mit beschränkter haftung, reform, bag, gewerkschaft, pacta sunt servanda)

Landesarbeitsgericht Hamm, 14 Sa 264/09
Datum:
03.11.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 Sa 264/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hagen, 4 Ca 916/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 144/10
Schlagworte:
Bezugnahme, Günstigkeitsprinzip, Tarifbindung, Tarifvertrag,
Tarifzsukzession, BT, TVöD
Normen:
§ 3 , § 4 TVG
Leitsätze:
1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung eines
Tarifwerks auf das Arbeitsverhältnis, an das der Arbeitgeber nicht
gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, und gilt später ein weiterer
Tarifvertrag kraft Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien, bestimmt
sich die Anwendbarkeit der jeweiligen tariflichen Regelungen nach dem
Günstigkeitsprinzip aufgrund eines sachgruppenbezogenen
Günstigkeitsvergleichs. Das Spezialitätsprinzip findet keine Anwendung.
2. Die Absicht des Arbeitgebers, durch Aufnahme einer kleinen
dynamischen Verweisungsklausel auf ein Tarifwerk, an das es nicht
gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, in einen Formulararbeitsvertrag
einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, rechtfertigt es nicht, diese
dahin auszulegen, dass im Falle des Abschlusses eines
Haustarifvertrages durch den Arbeitgeber nunmehr dieser Anwendung
findet.
3. Wird in einem Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Bundes-
Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden oder
ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwen-dung finden,
wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber dieses Tarifwerk nicht
im Wege der Tarifsukzession von dem Tarifwerk des Tarifvertrags für
den Öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen
vom 21. August 2008 (4 Ca 916/08) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 332,34 Euro brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.
April 2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND
1
Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein
Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 (TV Urlaubsgeld BAT).
2
Die Klägerin ist seit dem 1. Juni 1980 bei der Beklagten als Arzthelferin beschäftigt.
Grundlage ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 29. April 1980, dessen § 2 folgende
Bestimmung enthält:
3
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag
(BAT) vom 23. Februar 1991 und den diesen ergänzenden oder ändernden
Tarifverträgen.
4
Die Klägerin wurde zuletzt vergütet nach Vergütungsgruppe V c BAT bei einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Sie ist seit dem 1. Juli 2006 Mitglied der
Gewerkschaft ver.di.
5
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit
beschränkter Haftung den Blutspendedienst des D5 in Nordrhein-Westfalen. Die
Beklagte war nie tarifgebunden, insbesondere auch nicht an die von der
Bundestarifgemeinschaft des D5 abgeschlossenen Tarifverträge. Nachdem der BAT
durch den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst worden war, schloss
die Beklagte am 31. Oktober 2006 mit der DHV (Deutscher Handels- und
Industrieangestellten-Verband, jetziger Name: DHV-Die Berufsgewerkschaft) einen
Haustarifvertrag (im Folgenden: DHV-Haustarifvertrag) ab. Mit einem an alle
Beschäftigten gerichteten Schreiben vom 2. November 2006 teilte die Beklagte
Folgendes mit:
6
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
7
die Geschäftsführung des D5-Blutspendedienstes West hat einen
Tarifabschluss erwirkt, der zum einen die berechtigten Erwartungen aller Teile
der Belegschaft, die individuelle Existenzsicherung durch Tarifsicherheit ohne
Einkommensverluste garantiert und auf der anderen Seite die Möglichkeit
eröffnet, das Gesamtunternehmen und dessen Wettbewerbsfähigkeit auch unter
den sich rapide ändernden Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens
langfristig zu sichern.
8
9
Die vielen Vorteile des neuen Tarifsystems entnehmen Sie bitte der beigefügten
10
Broschüre, in der sie den Volltext aller Tarifvereinbarungen nebst Anlagen
abgedruckt finden.
Ihr tatsächliches künftiges Gehalt unter der Annahme der Anwendung dieses
Tarifwerks entnehmen Sie bitte der beigefügten MusterAbrechnung, die Ihnen
aufzeigen soll, wie sich Ihr künftiges Gehalt zusammensetzt, wenn Sie sich für
diesen Tarif entscheiden.
11
12
Zur Vorbereitung einer Informationsveranstaltung am 10. November 2006 übersandte
die Beklagte ihren Beschäftigten ein sogenanntes Informationspaket mit Schreiben vom
8. November 2006, wobei sie Folgendes mitteilte:
13
Sehr geehrte …,
14
da wir im Vorfeld der Informationsveranstaltung am 10. November in H3 nicht
mit 100%iger Sicherheit gewährleisten konnten, dass jeder Mitarbeiterin und
jedem Mitarbeiter das umfangreiche und persönliche Informationspaket auch
tatsächlich zugeht, möchten wir es Ihnen auf diesem postalischen Weg
nochmals zukommen lassen.
15
Bitte bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung, dass entgegen anders lautender
Mitteilungen selbstverständlich jede/r Mitarbeiter/in, unabhängig davon, ob
sie/er in einer Gewerkschaft organisiert ist und wenn ja in welcher, sie/er
selbstverständlich durch Unterschrift unter die beigefügte Vertragsergänzung
den Übertritt in das neue Tarifsystem erklären kann.
16
In der Folgezeit kam es zu Tarifverhandlungen der Beklagten mit der Gewerkschaft
ver.di wegen des Abschlusses eines weiteren Haustarifvertrages. In den Tarifkonflikt
wurde der Landesschlichter Nordrhein-Westfalen eingeschaltet. Mit Aushang vom 18.
Dezember 2006, der etwa drei bis vier Wochen am "Schwarzen Brett" hing, teilte die
Geschäftsführung ihren Beschäftigten zum Stand der Tarifauseinandersetzung
Folgendes mit:
17
Das Schlichtungsverfahren hat zu der Empfehlung des Schlichters geführt, zur
Beilegung der Tarifauseinandersetzung solle der Blutspendedienst dem D5-
Reformtarifvertrag beitreten.
18
Tarifvertragsparteien des D5-Reformtarifvertrages sind die D5-
Bundestarifgemeinschaft und Ver.di. Der D5-Reformtarif unterscheidet sich vom
TVöD in einer Reihe von Elementen. Beispiele sind in der Anlage aufgeführt.
19
Vorausgesetzt, die Gremien unseres Blutspendedienstes stimmen der
Schlichtungsempfehlung zu, gelten zukünftig der DHV-Haustarifvertrag und der
D5-Reformtarifvertrag nebeneinander.
20
Für die Beschäftigten im Blutspendedienst würde dies bedeuten:
21
22
Der DHV-Haustarifvertrag gilt automatisch nur für DHV-Mitglieder.
Der D5-Reformtarif gilt bei Annahme der Schlichtungsempfehlung automatisch nur
für Ver.di-Mitglieder.
Alle Beschäftigten, die nicht Mitglied im DHV oder bei Ver.di sind, können
sich für einen der beiden Tarifverträge entscheiden.
23
Wer sich bereits für den DHV-Haustarif entschieden und die
Änderungsvereinbarung schon unterzeichnet hat, für den gilt zukünftig der DHV-
Haustarif. Daran ändert die Existenz eines weiteren Tarifvertragswerks im
Blutspendedienst nichts.
24
Allen anderen Beschäftigten, die nicht einer der beiden Gewerkschaften
angehören, steht es frei, sich entweder für den DHV-Haustarif oder für den D5-
Reformtarif zu entscheiden.
25
Die nicht-organisierten Beschäftigten im Blutspendedienst haben damit eine
Wahlmöglichkeit
26
Die Entscheidung der Gremien des Blutspendedienstes über eine Annahme der
Schlichtungsempfehlung erwarten wir bis Ende dieser Woche.
27
Mit Schreiben vom "05.01.2006" (richtig: 5. Januar 2007) teilte die Beklagte ihren
Beschäftigten das Schlichtungsergebnis wie folgt mit:
28
Sehr geehrte/r …
29
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, übernimmt der D5-Blutspendedienst West die
Schlichtungsempfehlung des Landesschlichters. Sie haben ab sofort drei
Wahlmöglichkeiten:
30
- Verbleib im alten BAT
31
- dem DHV-Haustarifvertrag
32
- und dem D5-Reformtarifvertrag, ausgehandelt zwischen Ver.di und der D5-
Tarifgemeinschaft.
33
Nochmals möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, einen der oben
aufgeführten Tarifverträge zu wählen. Es können dann die jeweiligen
Bedingungen des Tarifvertrages für den Monat Januar 2007 noch Geltung
erlangen.
34
Ansonsten gehen wir davon aus, dass für Sie der bisherige Arbeitsvertrag
gemäß den BAT-Regeln weiterhin Bestand haben wird.
35
Der Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di (im
Folgenden: ver.di-Haustarifvertrag) wurde am 18. Januar 2007 abgeschlossen. Mit
36
Schreiben vom 27. März 2007 teilte die Klägerin der Beklagten folgendes mit:
Betrifft: Arbeitsverhältnis/Abrechnung gemäß ver.di Haustarifvertrag
37
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
38
ich erkläre, dass mein Arbeitsverhältnis tarifgerecht in den neuen ver.di.-
Haustarif übergeleitet und gemäß ver.di Haustarifvertrag abgerechnet werden
soll. Darüber hinaus bitte ich Sie, die im ver.di-Haustarifvertrag (D5
Reformtarifvertrag) festgelegten Einmalzahlungen mit der Abrechnung für den
Monat April 2007 auszuzahlen, jedoch abgabenrechtlich auf die Monate
Februar und April 2007 rückzurechnen, wie es im Unternehmen in solchen
Fällen auch sonst üblich ist.
39
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass vor dieser Erklärung der Klägerin ein
Vertragsentwurf über die Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen nicht übersandt
wurde. Einen solchen übersandte die Beklagte der Klägerin mit folgendem Schreiben
vom 4. April 2007:
40
Sehr geehrte Frau A2,
41
als Anlage übersenden wir Ihnen den Änderungsvertrag zum Ver.di
Haustarifvertrag mit der Bitte, diesen zu unterschreiben und an die
Personalabteilung zurückzugeben.
42
Durch diesen Änderungsvertrag wird der bestehende Arbeitsvertrag formell
korrekt auf das für Sie anzuwendende Tarifsystem umgestellt.
43
Der Änderungsvertrag nahm unmittelbar auf den D5-Reformtarifvertrag (D5-Reform-TV)
Bezug. Die Klägerin unterzeichnete diesen Vertrag nicht. Nachdem die Beklagte durch
die Gewerkschaft ver.di auf diesen Fehler im Änderungsvertrag hingewiesen worden
war, übersandte sie der Klägerin folgendes Schreiben vom 16. April 2007:
44
Sehr geehrte Frau A2,
45
als Anlage übersenden wir Ihnen den korrigierten Änderungsvertrag zum ver.di
Haustarifvertrag mit der Bitte, diesen zu unterschreiben und an die
Personalabteilung zurückzugeben.
46
Leider wurde irrtümlicherweise das falsche Formular verwendet. Wir bitten Sie,
das Versehen zu entschuldigen.
47
Durch diesen Änderungsvertrag wird der bestehende Arbeitsvertrag formell
korrekt auf das für Sie anzuwendende Tarifsystem umgestellt.
48
Der beigefügte Änderungsvertrag enthält folgende Bestimmungen:
49
§ 1 Verweisung auf den ver.di Haustarifvertrag
50
Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis auf Grund des
Arbeitsvertrages vom ________________.
51
Auf dieses Arbeitsverhältnis finden seit dem 01. Januar 2007 der zwischen der
Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der D5-Blutspendedienst
West gGmbH abgeschlossenen Tarifvertrag vom 18.01.2007 Anwendung.
52
Etwaige Verweisungen auf andere Tarifverträge werden damit aufgehoben,
soweit in dem o.g. Tarifvertrag keine anderen Regelungen getroffen wurden.
Dies gilt auch, soweit diese bislang stillschweigend auf das
Anstellungsverhältnis angewendet wurden.
53
§ 2 Fortgeltung des Vertrages im Übrigen
54
Im Übrigen gilt das zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsverhältnis
ansonsten unverändert fort.
55
Die Klägerin unterzeichnete diesen Änderungsvertrag nicht. Die Beklagte hat ein
weiteres Schreiben vom 8. Mai 2007 an Mitarbeiter, die sich wie die Klägerin über den
ver.di-Haustarifvertrag erklärt hatten, im Verfahren vorgelegt, dessen Erhalt die Klägerin
jedoch nicht bestätigt hat:
56
Sehr geehrte Mitarbeiterin, sehr geehrter Mitarbeiter,
57
Sie haben sich für den ver.di Haustarifvertrag entschieden.
58
Auf Basis dieses Tarifvertrages erhalten Sie die Gehaltsabrechnung
rückwirkend zum 01.01.2007.
59
Dieser Haustarifvertrag wird künftig für Sie Geltung haben.
60
Die Beklagte rechnete in der Folgezeit die Ansprüche der Klägerin aus dem
Arbeitsverhältnis nach dem ver.di-Haustarifvertrag ab. Urlaubsgeld gemäß TV
Urlaubsgeld BAT zahlte sie nicht. Mit Schreiben vom 20. September 2007 machte die
Klägerin unter anderem die Zahlung dieses Urlaubsgeldes für das Jahr 2007 unter
Berufung auf § 4 ver.di-Haustarifvertrag geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben
vom 28. September 2007 ab.
61
Mit ihrer am 25. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin
ihren Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgelds für das Jahr 2007 weiter verfolgt. Sie
hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Verweisungsklausel in § 2 Arbeitsvertrag
um eine eigenständige einzelvertragliche Regelung handele, die unter Beachtung der
Vertrauensschutzregelung des § 4 ver.di-Haustarifvertrag weiterhin Gültigkeit habe.
Mangels Tarifbindung der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Arbeitsvertrages sei § 2 Arbeitsvertrag nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen. Der
Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgeldes entfalle nicht durch die Geltung des ver.di-
Haustarifvertrages aufgrund beiderseitiger Tarifbindung. Dies folge aus dem
Günstigkeitsprinzip. Schließlich bestehe ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung,
weil die Beklagte über Jahre hinweg Urlaubsgeld nach dem BAT gezahlt habe.
62
Die Klägerin hat beantragt,
63
die Beklagte zu verurteilen, 332,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
64
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die
Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
65
die Klage abzuweisen.
66
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, wegen § 2 Abs. 1 und 2 ver.di-
Haustarifvertrag, wonach künftig auf die Arbeitsverhältnisse das Tarifrecht des D5-
Reform-TV Anwendung finden solle, besäßen die Regelungen des BAT keine Geltung
mehr, weil die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung bis dahin anwendbaren
Tarifverträge vollständig hätten ersetzt werden sollen. Die Anwendung des neuen
Tarifrechts sei zudem ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart worden. Den
schriftlichen Antrag der Klägerin vom 27. März 2007 habe die Beklagte durch die
Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach den neuen tariflichen Bedingungen ab 1.
Januar 2007 angenommen. § 4 ver.di-Haustarifvertrag gewähre keine
Besitzstandswahrung für pauschale Bezugnahmeregelungen, sondern nur für
vertragliche Ansprüche, welche den Arbeitnehmer in einzelnen Punkten im Vergleich zu
den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen besser stellen würden. Ein Anspruch aus
betrieblicher Übung bestehe nicht.
67
Das Arbeitsgericht hat durch die hier angefochtene Entscheidung die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Überleitung des
Arbeitsverhältnisses der Klägerin in den Anwendungsbereich des ver.di-
Haustarifvertrages unter gleichzeitiger Ablösung u. a. des TV Urlaubsgeld BAT aufgrund
einer einzelvertraglichen Vereinbarung erfolgt sei. Diese folge aus der Erklärung der
Klägerin im Schreiben vom 27. März 2007, welche die Beklagte durch die unstreitige
Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach diesen tariflichen Bedingungen
angenommen habe. Nach dem Inhalt der § 2 und § 3 ver.di-Haustarifvertrag stehe fest,
dass auf die Arbeitsverhältnisse der bei der Beklagten Beschäftigten einheitlich nur
noch die D5-Reformtarifverträge hätten Anwendung finden sollen. Eine
Besitzstandswahrung, wie sie in § 4 ver.di-Haustarifvertrag geregelt sei, begründe eine
Weitergeltung des TV Urlaubsgeld BAT nicht. Die Auffassung der Klägerin
widerspreche Wortlaut, Sinn und Zweck des ver.di-Haustarifvertrages. Wegen der
weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der
angefochtenen Entscheidung (S. 7 - 9 des Urteils) verwiesen.
68
Das Urteil erster Instanz wurde der Klägerin am 16. September 2008 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 14. Oktober 2008 eingelegte und mit dem nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Dezember 2008 an diesem
Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
69
Die Klägerin hält die Auslegung ihrer Erklärung im Schreiben vom 27. März 2007 für
unzutreffend. Es habe ausschließlich der Klärung der arbeitgeberseitigen Frage an alle
"Altbeschäftigten" gedient, welche Bedingungen im Arbeitsverhältnis zur Anwendung
kommen sollten, weil grundsätzlich in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zur
Gewerkschaft ver.di oder zum DHV die Tarifbindung zu beachten gewesen sei und weil
auch die nicht Tarifgebundenen hätten erklären sollen, welchem Tarif das
Arbeitsverhältnis zukünftig folgen solle. Eine die Gewerkschaftszugehörigkeit klärende
Aussage sei mit dem Schreiben beabsichtigt gewesen, nicht mehr. Es sei aus Sicht der
Klägerin lebensfremd und in ihrem Falle auch ausgeschlossen, dass sie sich durch
70
einen erstmals im Unternehmen der Beklagten abgeschlossenen und für sie gültigen
Tarifvertrag habe verschlechtern wollen. Es habe sich bei der Erklärung richtig
verstanden um einen Hinweis (Wissenserklärung) der Klägerin auf ihre Mitgliedschaft in
der Gewerkschaft ver.di und die dadurch hergestellte beiderseitige Tarifbindung
gehandelt. Die Beklagte habe aufgrund des Tarifabschlusses nur die Möglichkeit
gehabt, künftige Arbeitsverträge daran auszurichten, nicht aber in Altverträge
einzugreifen. Vor dem Hintergrund der vorher bestehenden, ausschließlich
individualvertraglich vereinbarten Regelungen könne der Wortlaut von § 4 ver.di-
Haustarifvertrag nicht dahin interpretiert werden, es seien nur die einzelne Arbeitnehmer
betreffenden Regelungen erfasst, nicht aber solche, die eine Vielzahl von
Arbeitnehmern aufgrund der Nutzung von identischen Bezugnahmeklauseln beträfen.
Soweit die Klägerin in ihrem Schreiben vom 27. März 2007 von "Überleitung" spreche,
sei dies der tariflichen Sprachregelung geschuldet, die auch im D5-Reform-TV von
Überleitungsregelungen spreche. Bei ihnen gehe es der Sache nach um die
Überleitung aus einem Vergütungssystem in ein anderes und nicht um einen Austausch
der gesamten Anspruchsgrundlage für das Arbeitsverhältnis. Eine Ausschließlichkeit
der neuen tariflichen Regelung sei vor dem Hintergrund des Günstigkeitsprinzips nicht
denkbar. Bei den anwendbaren BAT-Regelungen handele es sich nicht um
tarifvertragliche Regelungen, sondern um konstitutiv arbeitsvertragliche. Der Vorwurf
des "Rosinenpickens" treffe nicht zu. Im Geltungsbereich verschiedener
gleichgerichteter Anspruchsgrundlagen wie hier Arbeitsvertrag und Tarifvertrag gelte
das Günstigkeitsprinzip. Im Übrigen sei die Beklagte nicht davon ausgegangen, dass
schon das Schreiben der Klägerin vom 27. März 2007 ein Angebot darstelle. Dies
ergebe sich aus ihren Schreiben vom 4. und 16. April 2007. Selbst wenn die Äußerung
der Klägerin als Angebot zu verstehen gewesen wäre, habe die Beklagte dieses
Angebot durch die genannten Schreiben nicht angenommen, sondern ihrerseits ein
Angebot unterbreitet, mit der sie die vermutlich auch aus ihrer Sicht noch bestehende
Rückgriffsmöglichkeit auf den BAT habe beseitigen wollen. Dies zeige auch, dass sie
die tarifliche Besitzstandsklausel wie die Klägerin verstanden habe.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 21. August 2008 - 4 Ca 916/08 -
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 332,34 Euro brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
72
Die Beklagte beantragt,
73
die Berufung zurückzuweisen.
74
Die Beklagte rügt, die Klage sei nach wie vor unschlüssig, weil die Klägerin zur
Anwendung des TV Urlaubsgeld BAT auf ihr Arbeitsverhältnis nichts vorgetragen habe.
75
Zudem ergebe eine Auslegung der Verweisungsklausel in § 2 Arbeitsvertrag, dass es
nicht um eine Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Mitarbeiter
gehe. Die Bezugnahme auf den BAT sei ausschließlich aufgrund der Tatsache erfolgt,
dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe. Eine dauerhafte Bindung habe nicht
konstituiert werden sollen. Diese Grundkonstellation habe sich durch die
Nichtfortsetzung des BAT grundlegend geändert. Die bisherige einzelvertragliche
Verweisung habe nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober
76
2006, 3 Ca 1023/06) nicht dazu führen können, dass zukünftig, ohne den Mitarbeiter zu
beteiligen, einfach der TVöD habe angewendet werden können. Vor diesem
Hintergrund sei alleiniger Sinn und Zweck der Einführung eigener Tarifwerke die
Abkehr von der bisherigen Regelung und die Einführung eines unabhängigen neuen
Tarifwerks gewesen. Die bei der Beklagten neu abgeschlossenen Haustarifverträge
stellten im Vergleich zu den Regelungen des BAT eine speziell auf die Bedürfnisse der
Betriebe der Beklagten und deren Mitarbeitern zugeschnittene Regelung dar. Der Sinn
und Zweck der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sei nicht darauf gerichtet, diese
speziellen Regelungen durch eine Bezugnahme, welche zu einer Zeit vereinbart
worden seien, als betriebsbezogene Regelungen noch nicht bestanden hätten, auf ein
weiteres und in seinem Anwendungsbereich wesentlich allgemeineres Regelwerk zu
verwässern. Die Verweisungsklausel sei daher so auszulegen, dass anstelle des BAT
die Regelungen der beiden Haustarifverträge entsprechend dem den Mitarbeitern
eingeräumten Wahlrechts nunmehr das Arbeitsverhältnis bestimmen sollten. Dies
entspreche auch den Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien in § 2 ver.di-
Haustarifvertrag.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass das Schreiben der Klägerin vom 27.
März 2007 zu einer Änderung des Arbeitsvertrags geführt habe, wonach anstelle des
BAT der ver.di-Haustarifvertrag nunmehr Anwendung finde. Die Nichtfortführung des
BAT sei von den Mitarbeitern der Beklagten subjektiv akzeptiert worden, weil die
Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster hinsichtlich der Unanwendbarkeit des TVöD
nicht mit Rechtsmitteln angegriffen worden sei. Dies sei für die Beklagte Anlass für den
Abschluss von Haustarifverträgen gewesen. Vor dem Hintergrund des Bestehens
zweier parallel Anwendung findender Haustarifverträge sei die Erklärung der Klägerin
vom 27. März 2007 auszulegen und zu bewerten. Die Beklagte habe den Mitarbeitern
stets in Aushängen, Schreiben und auf Informationsveranstaltungen kommuniziert, dass
es ihr Ziel sei, das bisherige Tarifsystem abzulösen und durch ein neues zu ersetzen.
Durch den Aushang der Geschäftsführung vom 18. Dezember 2006 seien die Mitarbeiter
ausdrücklich zur Ausübung ihres Wahlrechts aufgefordert worden. Diese Aufforderung
stelle ein Angebot auf Abänderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel dar.
Das Schreiben der Klägerin vom 27. März 2007 sei die Antwort darauf. In ihrem
Schreiben habe die Klägerin nicht mitgeteilt, Mitglied der Gewerkschaft ver.di zu sein,
sondern erklärt, dass ihr Arbeitsverhältnis übergeleitet werden solle. Die Erklärung
enthalte keine Anhaltspunkte für eine zwingende und unmittelbare Anwendung des
Haustarifvertrages. Bei der Auslegung sei zudem zu berücksichtigen, dass die
Formulierung des Schreibens vom 27. März 2007 nicht von einem juristischen Laien
stamme, sondern diese Formulierung von der Gewerkschaft ver.di vorbereitet worden
sei. Der Inhalt des Schreibens erschöpfe sich daher nicht in einer bloßen
Wissenserklärung zur Tarifbindung, sondern beinhalte eine an die Beklagte gerichtete
Willenserklärung, das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer bestehenden
Gewerkschaftsmitgliedschaft auf den ver.di-Haustarifvertrag überzuleiten, also eine
entsprechende Vertragsänderung vorzunehmen. Es lägen mithin zwei
übereinstimmende Willenserklärungen vor, aufgrund deren die Bezugnahme auf den
ver.di-Haustarifvertrag in Abänderung der ursprünglichen Bezugnahme auf den BAT
vereinbart worden sei. Den Änderungsvertrag habe die Beklagte lediglich zur
Bestätigung übersandt, um aus formalen Gründen die Abänderung im Sinne des
Nachweisgesetzes niederzulegen. Es sei unbeachtlich, ob die Klägerin einen Verzicht
auf bisher bestehende günstigere vertragliche Ansprüche nicht habe erklären wollen.
Mögliche inhaltliche Konsequenzen einer Vertragsänderung seien zu keinem Zeitpunkt
Inhalt der Kommunikation der Parteien gewesen. Diese Auslegung entspreche sowohl
77
dem Wortlaut des Schreibens als auch Sinn und Zweck des ver.di-Haustarifvertrages.
Eine Besitzstandswahrung nach § 4 ver.di-Haustarifvertrag bestehe hinsichtlich der
Bezugnahmeklausel des § 2 Arbeitsvertrag nicht. Ihr stehe der Zweck des
Haustarifvertrages, sein Wortlaut und die Tatsache einer ungerechtfertigten Kumulation
von Vorteilen ebenso entgegen wie Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der
Günstigkeitsprüfung sowie die Beschränkung des § 4 ver.di-Haustarifvertrag auf
unmittelbare anspruchsbegründende Normen.
78
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen
in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzung des Arbeitsgerichts vom 27.
Mai 2008 und 21. August 2008 und des Landesarbeitsgerichts vom 21. April 2009, 12.
Mai 2009 und 3.November 2009 Bezug genommen.
79
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
80
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
81
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2007 ein Urlaubsgeld in Höhe von
332,34 Euro brutto gemäß dem TV Urlaubsgeld BAT zu zahlen. Dieser Tarifvertrag
findet gemäß § 2 Arbeitsvertrags auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
82
I. Gemäß § 2 Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den
diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Zu diesen den BAT ergänzenden
Tarifverträgen gehört der TV Urlaubsgeld BAT.
83
1. Gemäß § 1 TV Urlaubsgeld BAT erhält der Angestellte in jedem Kalenderjahr ein
Urlaubsgeld, wenn er am 1. Juli in einem Arbeitsverhältnis steht, seit dem 1. Januar
ununterbrochen als Angestellter im Öffentlichen Dienst gestanden hat sowie für
mindestens einen Teil des Monats Juli Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder
Krankenbezüge besitzt. Die Anspruchsvoraussetzung "im öffentlichen Dienst" ist im
vorliegenden Fall aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme als "im Dienst der
Beklagten" auszulegen. Die Klägerin stand am 1. Juli 2007 in einem Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten, befand sich seit 1. Januar 2007 ununterbrochen im Dienst der
Beklagten und hatte für einen Teil des Monats Juli 2007 Anspruch auf Vergütung.
84
Gemäß § 2 TV Urlaubsgeld BAT beträgt das Urlaubsgeld bei vollbeschäftigten
Angestellten, denen am 1. Juli eine Grundvergütung nach einer der Vergütungsgruppen
X bis V c BAT zusteht, insgesamt 332,34 Euro brutto. Der Klägerin steht das
Urlaubsgeld in dieser Höhe zu, weil sie zum fraglichen Zeitpunkt in Vergütungsgruppe V
c BAT eingruppiert war. Zudem war sie mit 38,5 Stunden in der Woche eine
vollbeschäftigte Angestellte.
85
2. Soweit die Beklagte den Vortrag der Klägerin zur Anwendbarkeit des TV Urlaubsgeld
BAT als unschlüssig bezeichnet, ist dies sachlich unzutreffend. Zwar ist der TV
Urlaubsgeld BAT in § 2 Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt, aber als ein den dort
ausdrücklich genannten BAT ergänzender Tarifvertrag mit erfasst. Die Beklagte hat in
ihrer Klageerwiderung vorgetragen, dass es sich bei dem TV Urlaubsgeld BAT um
einen den BAT ergänzenden Tarifvertrag handelt und sie diesen Tarifvertrag bis zum
Abschluss des ver.di-Haustarifvertrages zu Gunsten der Klägerin angewandt habe, weil
86
einzelvertraglich eine entsprechende Bezugnahme vereinbart worden sei. Soweit die
Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009 erneut die Unschlüssigkeit der Klage rügt,
weil die Klägerin zur Anwendung des TV Urlaubsgeld BAT auf ihr Arbeitsverhältnis
nichts vorgetragen habe, war dies aufgrund des Vortrags der Beklagten in ihrer
Klageerwiderung nicht erforderlich. Die Beklagte hat dann den Vortrag der Klägerin in
deren Schriftsatz vom 17. August 2009 nicht mehr bestritten, wonach die Beklagte bis
zum Jahr 2006 stets nicht nur den BAT, sondern auch die diesen ergänzenden oder
ändernden Tarifverträge angewendet und regelmäßig Urlaubsgeld entsprechend den
tariflichen Vorgaben gezahlt habe. Zudem ergibt sich der Urlaubsgeldanspruch aus der
vertraglichen Regelung in Verbindung mit der in Bezug genommenen tariflichen
Regelung. Der Urlaubsgeldanspruch für das Jahr 2007 ist nicht davon abhängig, dass
die Beklagte tatsächlich in den Vorjahren die entsprechenden Ansprüche erfüllt hat.
II. Der TV Urlaubsgeld BAT ist über den 31. Dezember 2006 hinaus auf das
Arbeitsverhältnis trotz Abschluss des ver.di-Haustarifvertrages anwendbar. Letzterer
führt nicht zur Ablösung des in § 2 Arbeitsvertrag in Bezug genommenen BAT und der
diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge.
87
1. Die nach Abschluss des ver.di-Haustarifvertrages aufgrund der Tarifbindung kraft
Mitgliedschaft auf Seiten der Klägerin einerseits, als Tarifvertragspartei auf Seiten der
Beklagten andererseits bestehende Bindung an dieses Tarifwerk führt nicht dazu, dass
der BAT einschließlich der diesen ergänzenden Tarifverträge wie der TV Urlaubsgeld
BAT durch den ver.di-Haustarifvertrag abgelöst wurden. Bestimmungen eines
individualrechtlich in Bezug genommenen Tarifwerks werden nicht im Wege der
Auflösung einer Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen
Spezialitätsprinzip von der kraft ein- oder beidseitiger Tarifbindung geltenden Regelung
verdrängt. Dies folgt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl.
BAG, 29. August 2007, 4 AZR 767/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61;
22. Oktober 2008, 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66), der
sich die erkennende Kammer anschließt, daraus, dass die individualvertragliche
Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung führt. Es
handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen.
Deshalb kann es aufgrund der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages
nicht zu einer Tarifkonkurrenz kommen, wenn zugleich kraft beiderseitiger Tarifbindung
ein anderer Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis normativ Anwendung findet. Es geht
nicht um Konkurrenz zweier Normenverträge. Im Verhältnis der normativ geltenden zur
vertraglich in Bezug genommenen Regelung gilt das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip
des § 4 Abs. 3 TVG. Bei fehlender Tarifbindung des Arbeitnehmers oder des
Arbeitgebers kann die Auflösung einer Tarifpluralität ebenso wenig dazu führen, dass
die Bestimmungen eines individualvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags
verdrängt werden.
88
Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall scheidet eine Ablösung der
individualrechtlich geltenden Bedingungen des BAT und des als ergänzenden Vertrag
anwendbaren TV Urlaubsgeld BAT durch den kraft Tarifbindung der beiden
Arbeitsvertragsparteien anwendbaren ver.di-Haustarifvertrag und den darin in Bezug
genommenen D5-Reform-TV aus. Vielmehr findet das Günstigkeitsprinzip im Verhältnis
dieser beiden Tarifregelungen Anwendung. Die Tarifvertragsparteien des ver.di-
Haustarifvertrages sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht rechtlich
nicht in der Lage, eine individualrechtlich vereinbarte Inbezugnahme des BAT-
Tarifrechts durch eine tarifvertragliche Vereinbarung zu beseitigen.
89
2. Die Geltung des ver.di-Haustarifvertrages lässt sich über die Bezugnahmeklausel in §
2 Arbeitsvertrag nicht begründen. Mangels Vorliegen einer großen dynamischen
Verweisungsklausel ist der ver.di-Haustarifvertrag nicht erfasst. § 2 Arbeitsvertrag
enthält lediglich eine kleine dynamische Verweisung auf den BAT und den diesen
ergänzenden und ändernden Tarifverträge. Dies schließt es aus, dass der ver.di-
Haustarifvertrag nunmehr Gegenstand der Bezugnahmeklausel ist.
90
a) Bei dem Arbeitsvertrag vom 29. April 1980 handelt es sich unstreitig um einen
Formulararbeitsvertrag. Nach § 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die
Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen
müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der
Parteien sind darüber hinaus die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände
einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (vgl. BAG, 18. April 2007, 4 AZR
652/05, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; 22. Oktober 2008, a.a.O.).
91
b) Eine sogenannte kleine dynamische Verweisung liegt vor, wenn in einem
Arbeitsvertrag auf einen oder mehrere Tarifverträge eines bestimmten fachlichen oder
betrieblichen Geltungsbereichs in der zeitlich jeweils geltenden Fassung verwiesen
wird. Eine sogenannte große dynamische Verweisungsklausel liegt dagegen vor, wenn
eine Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden
Tarifvertrag vereinbart worden ist. Eine Bezugnahmeklausel, die nach ihrem Wortlaut
lediglich eine kleine dynamische Verweisung darstellt, kann nur dann als große
dynamische Verweisungsklausel ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen
Umständen ergibt (vgl. BAG, 30. August 2000, 4 AZR 581/99, AP TVG § 1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 12; 25. September 2002, 4 AZR 294/01, AP TVG §1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 26; 18. April 2007, a.a.O.; 22. Oktober 2008, a.a.O.).
92
Im vorliegenden Fall nimmt § 2 Arbeitsvertrag nach seinem Wortlaut nur auf den BAT
und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Bezug. Dieser Wortlaut
schließt es aus, dass ein anderer Tarifvertrag Gegenstand der Bezugnahme sein kann.
Besondere Umstände, welche die Annahme einer großen dynamischen
Verweisungsklausel rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Soweit die Beklagte darauf
verweist, dass die Bezugnahme auf den BAT ausschließlich aufgrund der Tatsache
erfolgt sei, dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe, ergibt sich aus der Klausel
nicht, dass im Falle des Eingehens einer eigenen Tarifbindung durch die Beklagte eine
Ablösung durch das neue Tarifwerk stattfindet. Mangels anderer Anhaltspunkte kann
nicht angenommen werden, dass es der übereinstimmende, d.h. insbesondere auch von
der Klägerin als Arbeitnehmerin mit getragene Wille der Vertragsparteien gewesen ist,
die konkrete Bezugnahme auf ein bestimmtes Tarifwerk in dem Moment entfallen zu
lassen, in dem sich die Beklagte einseitig zum Eingehen einer Tarifbindung in welcher
Form auch immer entschloss. Das Einverständnis der Klägerin mit einem so weit
reichenden Austausch der vertraglich vereinbarten Grundlage für ihre
Arbeitsbedingungen ohne klare Anhaltspunkte im Wortlaut oder ohne für sie erkennbare
besondere Umstände bei Vertragsschluss kann nicht unterstellt werden.
93
c) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, im Rahmen der Auslegung sei
der bei konkurrierenden Tarifverträgen geltende Spezialitätsgrundsatz (vgl. dazu BAG,
20. März 1991, 4 AZR 455/90, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20, 22. Oktober 2008,
a.a.O.) heranzuziehen, kann dem nicht gefolgt werden. Dies entspricht nicht dem
94
Anwendungsbereich des Spezialitätsgrundsatzes. Er setzt das Bestehen einer
Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität voraus, welche aber bei einem Aufeinandertreffen
von arbeitsvertraglich kraft Bezugnahme geltenden Tarifregelungen einerseits, kraft
Tarifbindung geltenden Tarifnormen andererseits nicht vorliegt (vgl. BAG, 22. Oktober
2008, a.a.O.). Die Situation, dass ursprünglich der Arbeitgeber nicht tarifgebunden war,
deshalb zunächst durch die Verweisungsklausel "quasi-tarifliche" einheitliche
Arbeitsbedingungen schaffen wollte und dann später speziellere tarifliche Regelungen
vereinbart, wird vom Anwendungsbereich dieses Prinzips nicht erfasst. Das schließt es
aus, durch Heranziehung dieses Prinzips bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel
zu dem Ergebnis zu kommen, die Nennung des Tarifwerks eines bestimmten fachlichen
oder betrieblichen Geltungsbereichs meine stets die für den Arbeitgeber einschlägigen
speziellen Tarifregelungen. Eine solche Annahme würde den Unterschied zwischen der
kleinen und der großen dynamischen Verweisungsklausel beseitigen und bei jeder
Bezugnahme auf ein Tarifwerk dazu führen, dass immer die einschlägigen tariflichen
Bedingungen auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.
d) Dass seitens der Beklagten keine dauerhafte Bindung an das Tarifwerk des
öffentlichen Dienstes gewollt war, ist unerheblich. Soweit nicht konkrete zeitliche
Beschränkungen vereinbart worden sind, gelten die vertraglichen Vereinbarungen der
Parteien eines Dauerschuldverhältnisses solange, bis es zu einer einvernehmlichen
Abänderung dieser Bedingungen kommt. Eine dauerhafte Geltung ist aufgrund des
Charakters eines Dauerschuldverhältnisses seinen Vereinbarungen grundsätzlich
immanent. Dies gilt auch für Arbeitsverträge, insbesondere für Verweisungsklauseln, in
denen auf ein bestimmtes Tarifwerk Bezug genommen wird. Es gilt der allgemeine
Grundsatz "pacta sunt servanda". Die negative Koalitionsfreiheit der Beklagten (Art. 9
Abs. 3 GG) wird durch die von ihr selbst vorformulierten vertraglichen Vereinbarungen
nicht bzw. zumindest nicht unzulässig beeinträchtigt.
95
e) Eine Geltung des ver.di-Haustarifvertrages über die vereinbarte Bezugnahmeklausel
scheidet auch unter dem Gesichtspunkt der Tarifsukzession aus. Diese liegt im
Verhältnis von BAT und ver.di-Haustarifvertrag nicht vor. Eine Tarifsukzession wird
angenommen, wenn innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifwerks von
denselben Tarifvertragsparteien die Umstrukturierung eines in sich geschlossenen
Tarifsystems vereinbart wird. Liegt eine Tarifsukzession vor, ist eine
Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung der den konkret benannten
Tarifvertrag ersetzenden Tarifverträge vorsieht (vgl. BAG, 22. April 2009, 4 ABR 14/08,
NZA 2009, 1286). Abgesehen davon, dass die Bezugnahmeklausel in § 2 Arbeitsvertrag
keinen Verweis auf ersetzende Tarifverträge enthält, fehlt es schon an der erforderlichen
Identität der Tarifvertragsparteien hinsichtlich des BAT einerseits, des ver.di-
Haustarifvertrages andererseits, was eine Tarifsukzession ausschließt.
96
3. Eine einvernehmliche Änderung von § 2 Arbeitsvertrag dahin gehend, das nunmehr
anstelle des BAT und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge
ausschließlich der ver.di-Haustarifvertrag Anwendung findet, ist zwischen den Parteien
nicht zustande gekommen. Das Schreiben der Klägerin vom 27. März 2007 stellt weder
die Annahme eines Angebots der Beklagten auf eine Änderung des Gegenstandes der
tariflichen Bezugnahme dar, noch enthält es selber ein solches Angebot, welches von
der Beklagten angenommen worden ist.
97
a) Für die Auslegung von Willenserklärungen gelten gemäß §§ 133, 157 BGB dieselben
Grundsätze wie für die Vertragsauslegung. Es ist daher vom Wortlaut auszugehen,
98
wobei zur Ermittlung des wirklichen Willens des Erklärenden auch außerhalb der
Erklärung liegende Umstände einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den
Sinngehalt der Erklärung zulassen.
b) Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 27. März 2007 erklärt, "dass mein
Arbeitsverhältnis tarifgerecht in den neuen ver.di-Haustarifvertrag übergeleitet und
gemäß ver.di-Haustarifvertrag abgerechnet werden soll." Bereits der Wortlaut des
Schreibens spricht gegen die Annahme, dass damit die Bezugnahmeklausel in § 2
Arbeitsvertrages abgeändert werden und nur noch der ver.di-Haustarifvertrag sowie der
dort in Bezug genommene D5-Reform-TV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden
sollte. Die Klägerin spricht in diesem Schreiben von "Überleitung" und "Abrechnung".
Der Begriff "Überleitung" ist sowohl im Zusammenhang mit der Neuordnung der
Tarifverträge im Öffentlichen Dienst durch den TVöD als auch im Bereich des D5 durch
den D5-Reform-TV damit verbunden, dass die Beschäftigten aus ihren bisherigen
Vergütungsgruppen des BAT bzw. D5-TV a.F. den Entgeltgruppen des TVöD bzw. D5-
Reform-TV zugeordnet werden. Der Begriff "Überleitung" betrifft die künftige Vergütung
und Abrechnung nach den neuen Entgeltgruppen, nicht aber sämtliche
Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses. § 3 ver.di-Haustarifvertrag regelt
ebenfalls lediglich diese Überleitung. Die tariflich vereinbarte Bezugnahme auf den D5-
Reform-TV in § 2 ver.di-Haustarifvertrag ist davon zu unterscheiden. Dort findet sich
bezeichnenderweise der Begriff "Überleitung" nicht.
99
c) Auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände lässt sich das Schreiben der
Klägerin vom 27. März 2007 weder als Annahme eines Angebots der Beklagten noch
als Abgabe eines eigenen Angebots jeweils bezogen auf eine Änderung der
tarifvertraglichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses auslegen.
100
aa) Zwar hatte die Beklagte aufgrund der drei Tarifwerke, welche auf die einzelnen
Arbeitsverhältnisse Anwendung finden konnten, an einer Klärung in dem Sinne
Interesse, dass jedes Arbeitsverhältnis in Zukunft nur nach einer der tariflichen
Vereinbarungen abgewickelt wird. Dass sie dazu eine Änderung der bisherigen im
Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel anstrebte, ergibt sich aber aus dem
Schreiben vom 5. Januar 2007, welches dem Schreiben der Klägerin vom 27. März
2007 vorausging, nicht mit hinreichender Eindeutigkeit. Zwar lässt sich dem Schreiben
entnehmen, dass die Beklagte klären wollte, welches Tarifrecht auf das einzelne
Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte. Dass damit zugleich der Inhalt der
individualvertraglichen Bezugnahme im einzelnen Arbeitsvertrag abgeändert werden
sollte, hätte sie jedoch im Rahmen ihrer Anfrage aufgrund des zuvor von ihr
veröffentlichen Aushangs vom 18. Dezember 2006 klarstellen können und müssen.
101
In diesem Aushang ging die Beklagte davon aus, dass die Tarifverträge für die
Mitglieder des DHV und der Gewerkschaft ver.di automatisch zur Anwendung kommen
und - was sie durch Fettdruck hervorhob - lediglich die nicht organisierten Beschäftigten
sich für einen der beiden Tarifverträge entscheiden können. Eine Vereinbarung auf
Abänderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel war für organisierte
Beschäftigte nach dem Aushang nicht erforderlich. Dies ist vor dem Hintergrund der zum
damaligen Zeitpunkt für das Aufeinandertreffen von tariflichen Regelungen kraft
Tarifbindung einerseits, individualrechtlicher Inbezugnahme andererseits geltenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung nachvollziehbar. Denn das Bundesarbeitsgericht
hat erst in den Entscheidungen vom 29. August 2007 (4 AZR 767/06, a.a.O.) und 22.
Oktober 2008 (4 AZR 784/07, a.a.O.) seine vorherige gegenteilige Rechtsprechung (vgl.
102
BAG, 20.März 1991, 4 AZR 455/90 AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; 23.März 2005, 4
AZR 203/04, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 29) aufgeben. Danach bewirkte die
vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages letztlich nur als eine von mehreren
Arten die Bindung an einen Tarifvertrag. Die vertragliche Vereinbarung der Geltung
eines Tarifvertrages sollte deshalb zum Entstehen einer Tarifkonkurrenz bzw.
Tarifpluralität führen können, die nach dem Grundsatz der Spezialität zu lösen sei. Auf
den vorliegenden Fall angewandt hätte dies zur Folge gehabt, dass die für die
Mitglieder des DHV und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen tariflichen
Vereinbarungen mit der Beklagten als speziellere tarifliche Regelungen den BAT und
die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge verdrängt hätten. Insoweit
bedurfte es für diese Mitglieder nur der Klärung der Tarifbindung, nicht aber einer
vertraglichen Vereinbarung über eine Änderung des § 2 Arbeitsvertrag.
Unter diesen Umständen war die spätere Einräumung eines Wahlrechts nicht eindeutig.
Jedenfalls hat die Beklagte im Schreiben vom 5. Januar 2007 z. B. durch die
Übersendung eines Änderungsvertrags nicht klargestellt, dass sie nunmehr davon
ausging, für die Anwendbarkeit eines der neuen Tarifwerke sei eine Änderung von § 2
Arbeitsvertrag notwendig, was durch die Ausübung eines Wahlrechts geregelt werden
solle. Vielmehr konnte die Klägerin aufgrund der von der Beklagten durch den Aushang
vom 18. Dezember 2006 geschaffenen Unklarheit davon ausgehen, dass ohne Eingriff
in die arbeitsvertraglichen Grundlagen lediglich vor dem Hintergrund unterschiedlicher
tariflicher Vereinbarungen, welche die Beklagte abgeschlossen hatte, die normative
Tarifbindung kraft Gewerkschaftsmitgliedschaft abgeklärt werden sollte. Dies kommt in
der Antwort durch die den Begriffen "übergeleitet" und "abgerechnet" vorangestellte
Verwendung des Begriffs "tarifgerecht" hinreichend zum Ausdruck. Denn es war und ist
tarifgerecht, diese Überleitung in die Entgeltgruppen des nach dem ver.di-
Haustarifvertrag anwendbaren D5-Reform-TV aufgrund bestehender Tarifbindung
gemäß § 3 Abs. 1 TVG vorzunehmen.
103
bb) Weitere Umstände, die eine Auslegung des Schreibens vom 27. März 2007 dahin
gehend rechtfertigen könnten, dass die Klägerin - entgegen ihren erkennbaren
Interessen - eine Änderung von § 2 Arbeitsvertrag der Beklagten anbieten wollte, sind
nicht zu erkennen. Wie ausgeführt spricht das Anschreiben lediglich von der Überleitung
und erfasst damit die zutreffende Einordnung in die Entgeltgruppen des neuen
Tarifwerks im Verhältnis zur bisherigen Vergütungsgruppe. Weitergehende Äußerungen
zur anwendbaren tariflichen Grundlage für das Arbeitsverhältnis insgesamt enthält das
Schreiben nicht. Angesichts der unklaren Anfrage vom 5. Januar 2007 musste die
Beklagte unter Berücksichtigung ihres Aushangs vom 18. Dezember 2006 ins Kalkül
ziehen, dass die Arbeitnehmer mit einer solchen Mitteilung nur die für die Vergütung
aufgrund der Tarifbindung maßgebliche Überleitung und Abrechnung geltend machten,
nicht aber eine individualrechtlich verbindliche Umstellung auf ein neues Tarifwerk
erklären wollten.
104
cc) Dass ein eindeutiges Angebot auf Änderung der Bezugnahmeklausel seitens der
Klägerin von der Beklagten nicht in Betracht gezogen wurde, zeigt der nachfolgende
Schriftwechsel vom 4. und 16.April 2007, mit welchem die Beklagte eine
Änderungsvereinbarung anstrebte. Auch wenn es in dem Begleitschreiben heißt, dass
nur formell korrekt die Arbeitsvertragsgrundlage umgestellt werden solle, wird daraus
hinreichend deutlich, dass die Beklagte den Abschluss dieser Änderungsvereinbarung
als notwendig für die endgültige Umstellung des Arbeitsvertrages auf den ver.di-
Haustarifvertrag ansah. Diesen Änderungsvertrag hat die Klägerin jedoch nicht
105
unterzeichnet. Dies schließt eine Änderung der Bezugnahmeklausel in § 2
Arbeitsvertrag endgültig aus. Dem Schreiben der Beklagten vom 8. Mai 2007 kommt
dann keine eigenständige Bedeutung mehr zu.
4. Der TV Urlaubsgeld BAT findet im vorliegenden Fall Anwendung, weil der
Regelungskomplex Urlaub in den tariflichen Regelungen des BAT insgesamt günstiger
geregelt ist als im nach dem ver.di-Haustarifvertrag geltenden D5-Reform-TV.
106
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Verhältnis der kraft
arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen und der kraft
Tarifbindung geltenden Tarifnormen nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3
TVG) zu lösen. Es geht in diesem Fall nicht um die Konkurrenz zweier Normenverträge.
In einem solchen Fall wird das Verhältnis der arbeitsverträglichen Regelung zu der
normativ wirkenden tariflichen Regelung durch § 4 Abs. 3 TVG bestimmt (vgl. BAG, 29.
August 2007, a.a.O.; 22. Oktober 2008, a.a.O.).
107
b) Der Günstigkeitsvergleich wird bei Individualnormen (Inhalts-, Abschluss- und
Beendigungsnormen) bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis individuell
durchgeführt, weil das Günstigkeitsprinzip dem Schutz der Privatautonomie des
einzelnen Arbeitnehmers dient (ErfK/Franzen, 10. Auflage, 2009, § 4 TVG Rn. 35,
Kempen/Zachert, TVG, 4. Auflage 2006, § 4 Rn. 305; Löwisch/Rieble,
Tarifvertragsgesetz, 2. Auflage, 2004, § 4 TVG Rn. 291). Zu prüfen ist in diesem Fall, ob
die individuell aus dem Arbeitsvertrag abzuleitenden Ansprüche günstiger sind als die
aus den Tarifnormen sich ergebenden Ansprüche. Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich
findet dagegen bei Betriebsnormen statt, d. h. solchen Normen des Tarifvertrages,
welche der Belegschaft ein Recht zuwenden. In diesem Fall muss die andere
Abmachung, um sich durchzusetzen, die Belegschaft kollektiv günstiger stellen, es
kommt ausschließlich darauf an, ob die Belegschaft als ganzes besser gestellt ist (vgl.
ErfK/Franzen, a.a.O.; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rn. 293 f.; vgl. auch
HWK/Henssler, ArbeitsrechtKommentar, 3. Auflage 2008, § 4 TVG Rn. 35; ablehnend
Kempen/Zachert, § 4 TVG Rn.271).
108
Davon zu unterscheiden ist der sogenannte kollektive Günstigkeitsvergleich bei der
Ablösung von bislang auf der Basis einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung
gewährter Sozialleistungen durch eine Betriebsvereinbarung (vgl. BAG GS, 16.
September 1986, GS 1/82, AP BetrVG 1972, § 77 Nr. 17). Zwar hat die Beklagte
einheitlich in den von ihr gestellten Formulararbeitsverträgen die Anwendung des BAT
und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge vorgesehen, wenn auch je
nach Abschlussdatum mit Einschränkungen (vgl. insoweit die arbeitsvertragliche
Regelung im Parallelfall H4 ./. D5 Blutspendedienst NRW gGmbH, 14 Sa 265/09).
Deswegen werden die aus der Bezugnahmeklausel abzuleitenden individualrechtlichen
Ansprüche eines Arbeitnehmers jedoch nicht aufgrund einer betrieblichen
Einheitsregelung gewährt werden. Die Vereinbarung einer Verweisungsklausel über die
Anwendbarkeit tariflicher Regelungen ist keine z. B. mit der Gewährung von
Urlaubsgeld vergleichbare Sozialleistung des Arbeitgebers. Für den einzelnen
Arbeitnehmer liegt eine individuell mit ihm abgeschlossene Vereinbarung auch dann
vor, wenn er bei Vertragsschluss aufgrund des Formularcharakters des Arbeitsvertrags
erkennen konnte, dass mit ihm vereinbarte Arbeitsbedingungen allgemein im Betrieb
des Arbeitgebers gelten (vgl. LAG Hamm, 3. September 2009, 16 Sa 652/09, juris). Ein
kollektiver Günstigkeitsvergleich unter diesem Gesichtspunkt scheidet aus.
109
c) Für den Günstigkeitsvergleich ist nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auf
die in einem inneren Zusammenhang stehenden Regelungen des Arbeitsvertrags mit
den diesen sachlich entsprechenden Regelungen des Tarifvertrages abzustellen (sog.
Sachgruppenvergleich, vgl. BAG, 20. April 1999, 1 ABR 72/98, AP GG Art. 9 Nr. 89;
ErfK/Franzen, a.a.O. Rn.36; HWK/Henssler, a.a.O., § 4 TVG Rn. 30; Kempen/Zachert,
a.a.O., § 4 TVG Rn. 310; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rn. 299 ff.). Ein solcher
Sachgruppenvergleich ist auch dann durchzuführen, wenn der Anspruch auf einer
tariflichen Regelung beruht, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen wird. Der in
Bezug genommene Tarifvertrag findet nur im Wege des Günstigkeitsvergleichs
Anwendung, soweit einzelne Sachgruppen günstiger geregelt sind (vgl. BAG, 17. April
2002, 5 AZR 644/00, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40).
110
aa) Der in der Literatur teilweise für richtig gehaltene Gesamtvergleich zwischen dem in
Bezug genommenen und dem normativ für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag
(vgl. ErfK/Franzen, a.a.O., § 4 TVG Rn. 37; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rn. 265)
scheidet aus. Der Umstand, dass die zu vergleichenden Regelungen jeweils in einem
Tarifvertrag enthalten sind, ändert nichts daran, dass aus den jeweiligen tariflichen
Normen Sachgruppen gebildet werden können und wegen der individualrechtlichen
Geltung des einen Tarifwerks zu bilden sind. Es macht keinen Unterschied, ob der
Arbeitsvertrag den Wortlaut des in Bezug genommenen Tarifvertrages wiedergibt oder
lediglich durch eine Bezugnahmeklausel auf diesen verweist. Bei einer
wortlautgetreuen Wiedergabe des Inhalts eines Tarifwerks in einem Arbeitsvertrag kann
nicht mit dem Hinweis, dass es sich ja eigentlich um einen Tarifvertrag handelt, ein
Sachgruppenvergleich ausgeschlossen werden. Dies bei einer Verweisungsklausel
anders zu bewerten, ist mangels sachlicher Gründe nicht gerechtfertigt.
111
Dem kann nicht entgegengehalten werden, der für die Bezugnahmeklausel
maßgebliche Vertragswille gehe dahin, dass in Bezug genommene Tarifwerk insgesamt
und einheitlich zur Geltung zu bringen (so Löwisch/Rieble, a.a.O.). Dies ist zwar richtig.
Im Konfliktfall mit normativ wirkenden Regelungen wird dieser Wille in der Regel dahin
ergänzt, dass die Parteien eines Vertrags ihren Vereinbarungen jedenfalls soweit wie
möglich Geltung verschaffen wollen. Das Prinzip "Sekt oder Selters" ist eher die
Ausnahme als die Regel. Dies ergibt sich allgemein schon aus § 139, § 140 BGB, im
Bereich der Kollision von Tarifnormen mit individualrechtlichen Vereinbarungen aus
dem Günstigkeitsprinzip. Dann kann Letzteres durch einen in der Regel kaum
durchführbaren Gesamtvergleich nicht tendenziell ausgehöhlt werden (so zutreffend
ErfK/Franzen, a.a.O., Rn. 36).
112
bb) Die Frage, ob ein Sachgruppenvergleich schon deswegen Anwendung zu finden
hat, weil im konkreten Fall ein - auch aus Sicht der erkennenden Kammer - auf den
ersten Blick sachnäherer Tarifvertrag (D5-TV a.F.) nicht in Bezug genommen wurde,
sondern stattdessen der BAT (so LAG Hamm, 3. September 2009, a.a.O.), kann offen
bleiben.
113
d) Bei einem sachgruppenbezogenen Günstigkeitsvergleich besitzt die Klägerin einen
Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld nach dem TV Urlaubsgeld BAT.
114
aa) Sowohl nach § 31 Abs. 2 D5-Reform-TV als auch nach § 48 Abs. 1 BAT beläuft sich
der Urlaubsanspruch der Klägerin auf 30 Arbeitstage. Darüber hinaus hat sie nach BAT
Anspruch auf Zusatzurlaub nach den für Beamte geltenden Bestimmungen im Umfang
von maximal fünf Arbeitstagen. Als Urlaubsvergütung nach § 29 Abs. 1 D5-Reform-TV
115
wird lediglich das regelmäßige Entgelt gezahlt. Eine weitere Geldleistung gibt es
dagegen nicht. Demgegenüber wird nach § 1, § 2 TV Urlaubsgeld BAT ein zusätzliches
Urlaubsgeld gewährt. Insgesamt stellen die Regelungen des BAT einschließlich des TV
Urlaubsgeld BAT gegenüber den tarifrechtlichen Ansprüchen der Klägerin nach dem
ver.di-Haustarifvertrag eine günstigere Regelung der Sachgruppe "Urlaub" dar.
bb) Der Wegfall dieser Vergünstigung wird im D5-Reform-TV nicht anderweitig
kompensiert. Durch sein Inkrafttreten ist das regelmäßige Einkommen der Klägerin nicht
erhöht worden. Sie erhält vielmehr eine Vergütung in Höhe des Gehalts, das sie auch im
Jahre 2006 bezogen hat. Entsprechendes gilt für die in § 23 D5-Reform-TV
vorgesehene Jahressonderzahlung. Diese erreicht schon der Höhe nach nicht die
Summe aus Urlaubsgeld und Sonderzuwendung der bisherigen tariflichen Regelungen,
welche sie ersetzt.
116
Die Einmalzahlung nach § 3 Nr. 2 ver.di-Haustarifvertrag stellt keinen Ausgleich für den
Wegfall des zusätzlichen Urlaubsgeldes dar (vgl. LAG Hamm. 3. September 2009,
a.a.O.). Es handelt sich zum einen um eine Leistung, durch welche die im Jahre 2006
erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert wird. Sie ist lediglich erst mit Abschluss
des ver.di-Haustarifvertrages im Jahre 2007 entstanden und im April 2007 fällig
geworden. Auch wenn sie den Betrag des nach dem D5-Reform-TV weggefallenen
Urlaubsgeldes übersteigt, so kann die Zahlung doch nicht als Kompensation angesehen
werden. Dies ergibt sich des Weiteren daraus, dass sie lediglich im Jahre 2007 -
einmalig - gezahlt wird. Der vertragliche Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld besteht
aber auch für die Folgejahre.
117
III. Die Anwendbarkeit des TV-Urlaubsgeld BAT scheitert nicht daran, dass der BAT und
die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge durch den TVöD ersetzt worden
sind. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien führt nicht dazu, dass
nunmehr der TVöD Anwendung findet, welcher eine Urlaubsgeldzahlung nicht mehr
vorsieht.
118
1. Die Ablösung des durch einzelvertragliche Inbezugnahme anwendbaren BAT durch
den TVöD bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers ist noch nicht abschließend
geklärt und wird unterschiedlich beurteilt.
119
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (22. April 2009, a.a.O.) erfasst
eine Bezugnahmeklausel, wonach sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den
diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich
der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden
Fassung bestimmt, auch den den BAT-VKA ersetzenden TVöD-VKA. Betroffen war ein
Arbeitgeber, der vor Abschluss des TVöD-VKA seine Vollmitgliedschaft im
Kommunalen Arbeitgeberverband in eine Gastmitgliedschaft umgewandelt hatte. Nach
Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es für die Anwendbarkeit des TVöD nicht
einer Bezugnahmeklausel in Form einer Tarifwechselklausel oder großen dynamischen
Verweisungsklausel. Die Ersetzung des BAT durch den TVöD ist kein Tarifwechsel,
sondern eine von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb
des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrags. Beim Übergang vom BAT zum
TVöD handelt es sich bei Wahrung der Identität der Tarifvertragsparteien um eine
Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems des Öffentlichen Dienstes
unter gleichzeitiger Namensänderung (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 14. Januar 2009, 3
Sa 259/08, juris).
120
Ein Tarifwechsel liegt vor, wenn im Fall eines Verbandswechsels des Arbeitgebers, des
Abschlusses eines Firmentarifvertrags mit einer anderen Gewerkschaft oder bei
Veränderungen im Bereich des Unternehmens oder des Betriebes im Grundsatz der
Tarifvertrag einer anderen Branche einschlägig wird (vgl. BAG, 18. April 2007, a.a.O.;
22. Oktober 2008, a.a.O., 22. April 2009, a.a.O.). In einem solchen Fall ist eine
Tarifwechselklausel (große dynamische Verweisungsklausel) erforderlich, wenn dieser
Tarifvertrag - bei fehlender Tarifbindung einer der Parteien - auf das Arbeitsverhältnis
durch individualvertragliche Bezugnahme Anwendung finden soll. Liegt dagegen eine
Tarifsukzession vor, ist eine Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung
des ersetzten Tarifvertrags vorsieht (vgl. BAG, 22. April 2009, a.a.O.). Ob dies auch für
den Fall gilt, dass die Bezugnahmeklausel nicht die Formulierung "ersetzende
Tarifverträge" enthält, hat das Bundesarbeitsgericht nicht entschieden. Auf den Einwand
der beklagten Arbeitgeberin, der TVöD-VKA finde keine Anwendung, weil es an einer
Tarifwechselklausel fehle, hat es nur darauf hingewiesen, die hierfür von der
Arbeitgeberin herangezogene Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober
2006, 3 Ca 1023/06, NZA-RR 2007, 24) sowie Literaturmeinung (Hümmerich/Massen,
NZA 2005, 961) befassten sich mit einer Bezugnahmeklausel, deren Inhalt sich auf den
BAT "in seiner jeweils gültigen Fassung" beschränke, nicht aber auch die ersetzenden
Tarifverträge erfasse.
121
b) Eine Klausel, in der wie im vorliegenden Fall auf den BAT sowie die diesen
ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen Bezug genommen wird, wird bei einem
tarifgebundenen Arbeitgeber als ausreichend für eine Inbezugnahme des TVöD
angesehen (vgl. LAG Hamm, 18. Dezember 2008, 11 Sa 1356/08, juris; 26. März 2009,
11 Sa 1639/08, juris; 13. August 2009, 11 Sa 74/09, juris).
122
Auch bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber soll eine solche Klausel ausreichen
(vgl. LAG Schleswig-Holstein, 14. Januar 2009, 3 Sa 259/08, juris). Gegenteiliger
Auffassung ist das Arbeitsgericht Münster (24. Oktober 2006, a.a.O.), in dessen
Verfahren die an den BAT nicht tarifgebundene Beklagte Partei war.
123
c) Bei anderen Formulierungen der Verweisungsklausel gibt es eine zwar
überwiegende, aber keine einheitliche Meinung.
124
Zum einen wird eine Anwendbarkeit des TVöD bei einem nicht in einem
Arbeitgeberverband organisierten Arbeitgeber abgelehnt, wenn der Arbeitsvertrag die
Geltung des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge vorsieht (LAG Hessen 30.
Mai 2008, 3 Sa 1208/07, juris). Allgemeiner wird angenommen, der arbeitsvertragliche
Verweis auf einen Tarifvertrag, der seinerseits auf Tarifbestimmungen in ihrer jeweils
geltenden Fassung Bezug nimmt, könne die Anwendbarkeit der diese
Tarifbestimmungen ersetzenden Tarifverträge bei einem nicht tarifgebundenen
Arbeitgeber nicht begründen (vgl. LAG Hamm, 25. September 208, 8 Sa 687/08, juris)
125
Andere Entscheidungen lassen es für die Anwendbarkeit des TVöD dagegen
ausreichen, wenn mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber für die Vergütung als
Grundlage das Vertragswerk des öffentlichen Dienstes in der jeweils geltenden
Fassung (vgl. LAG Hamm, 3. Mai 2007, 11 Sa 2041/06, juris), die Geltung der
Bestimmungen BAT in der jeweils gültigen Fassung (vgl. LAG Niedersachsen, 15.
September 2008, 14 Sa 1731/07, juris) oder die Zahlung von Weihnachts- und
Urlaubsgeld in Anlehnung an die jeweils gültigen Bestimmungen des BAT (vgl. LAG
126
Schleswig-Holstein, 5. Juni 2008, 3 Sa 94/08, juris) vereinbart wurde. Ebenso soll die
Vereinbarung, dass ein Arbeitnehmer für seine Tätigkeit eine Vergütung in Anlehnung
an den BAT in der jeweils gültigen Fassung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe
erhält, bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber zur Anwendbarkeit des TV-L führen
(vgl. LAG Baden-Württemberg, 30. Juli 2009, 11 Sa 87/08, ArbuR 2009, 368; ebenso
LAG Niedersachsen, 27. März 2009, 10 Sa 1536/08; juris; 25. Juni 2009, 5 Sa 1804/08,
juris). Entsprechendes wird für die mit einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber
getroffene Vereinbarung, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem jeweils geltenden
BAT bestimmt, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen (vgl. LAG
Saarland, 24. Juni 2009, 2 Sa 134/08, juris). Die Vergütung in Analogie zum BAT in der
jeweils gültigen Fassung soll den TVöD erfassen (vgl. LAG Niedersachsen, 25. April
2009, 8 Sa 1834/08 für einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber). Ein Arbeitsvertrag, in
dem selektiv die Zahlung einer monatlichen Vergütung in Anlehnung an eine
Vergütungsgruppe des BAT auf der Basis der regelmäßigen Arbeitszeit des § 15 BAT
vereinbart ist und sich auf die Dauer des Erholungsurlaubs in Anlehnung an § 48 BAT
bemisst, soll bei einer nicht tarifgebundenen Kreishandwerkerschaft die Anwendbarkeit
des TVöD auch hinsichtlich der tarifvertraglich vorgesehenen Einmalzahlungen
begründen (vgl. LAG Hamm, 5. März 2009, 17 Sa 1093/08).
d) Allgemein wird angenommen, dass durch Bezugnahmeklauseln, die auf Tarifverträge
in ihrer jeweiligen Fassung verweisen, nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung
auch alle Tarifverträge in Bezug genommen werden, die funktionsgleich an die Stelle
der ausdrücklich angeführten Tarifverträge getreten sind (vgl. LAG Schleswig Holstein,
13. Mai 2009, 6 Sa 390/08, juris für die Tarifverträge der Deutschen Bundespost
einerseits, der Deutschen Telekom AG andererseits). Auch in der Literatur wird
überwiegend vertreten, dass selbst dann, wenn nicht ausdrücklich in einer
Bezugnahmeklausel auch auf ersetzende Tarifverträge Bezug genommen wird, im Falle
der Ablösung des BAT durch den TVöD letzterer Anwendung findet, und zwar auch bei
nicht tarifgebundenen Arbeitgebern (vgl. Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382 <1385
f.>; zuletzt Greiner, NZA 2009, 877 <879>).
127
2. Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist jedenfalls in den Fällen, in denen wie
im vorliegenden Fall die Bezugnahmeklausel neben dem konkret benannten
Tarifvertrag nicht auf "ersetzende" Tarifverträge verweist, bei einem nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber eine Erstreckung der Bezugnahmeklausel auf solche
wegen einer Tarifsukzession das bisherige Tarifwerk ersetzende Tarifverträge nicht
möglich. Weder im Wege der Auslegung der Klausel noch einer ergänzenden
Vertragsauslegung ist es in einem Fall wie dem vorliegenden möglich, den TVöD an die
Stelle des bislang vereinbarten BAT treten zu lassen.
128
a) Die Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag kann nicht ohne Weiteres in eine
Bezugnahme auf den ihn ersetzenden Tarifvertrag bei einem nicht tarifgebundenen
Arbeitgeber umgedeutet werden. Bei einer wortgetreuen Auslegung erfasst die
Verweisung auf bestimmte Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung nachfolgende
Neuregelungen nur insoweit, als die Tarifparteien selbst von einer Neufassung oder
Änderung des Tarifvertrages ausgehen. Soll demgegenüber das bisherige Tarifrecht
entfallen und der neu abgeschlossene Tarifvertrag die bisher geltenden Tarifverträge
ersetzen, handelt es sich erklärtermaßen nicht um eine bloße Änderung oder
Neufassung der bisherigen Tarifregelung (vgl. LAG Hamm, 25. September 2008, 8 Sa
687/08, juris). Auch eine Ergänzung des bisherigen Tarifvertrags liegt in einem solchen
Fall nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn zu einem bestehenden Tarifwerk zusätzliche
129
tarifliche Vereinbarungen von den Tarifvertragsparteien abgeschlossen werden. Darum
handelt es sich aber im Verhältnis BAT und TVöD nicht. Der BAT wird durch den TVöD
weder geändert noch ergänzt, sondern ausschließlich im Wege der Tarifsukzession
ersetzt.
b) Aus der Zukunftsgerichtetheit einer Bezugnahmeklausel folgt nichts anderes. Sie
rechtfertigt keine uneingeschränkte Öffnung des Arbeitsvertrages für jede
Tarifentwicklung (vgl. LAG Hessen, 30. Mai 2008, a.a.O.). Es liegt zwar im Interesse der
Arbeitsvertragsparteien, dem laufenden Anpassungs- und Änderungsbedürfnis durch
Bezugnahme auf Tarifverträge Rechnung zu tragen. Eine weitgehende Öffnung des
Arbeitsvertrages unter Aufgabe der eigenen Einflussmöglichkeiten auf die künftige
Vertragsgestaltung kann aber nicht unterstellt werden. Bereits die fehlende Tarifbindung
einer der Vertragsparteien, insbesondere des Arbeitgebers, verdeutlicht, dass es nicht
ihrem Willen entspricht, jeder Tarifentwicklung ohne nähere Prüfung uneingeschränkt
Raum zu geben (vgl. LAG Hessen, 30. Mai 2008, a.a.O.). Es ist kein Grund erkennbar,
aus welchem Grunde ein Arbeitgeber sich bei Abschluss des Arbeitsvertrages einer
weitergehenden Bindung an die künftige Tarifentwicklung - einschließlich ersetzender
Tarifverträge - unterwerfen sollte, an welche er tarifrechtlich nicht gebunden sein will,
weil er gerade nicht Mitglied der tarifvertragsschließenden Partei ist (vgl. LAG Hamm,
25. September 2008, a.a.O.).
130
c) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Beklagten ursprünglich das Ziel verfolgte,
mit der Bezugnahmeklausel und deren Verweis auf den BAT einheitliche
Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten zu schaffen. In diesem Zusammenhang
sollten ergänzende oder ändernde Vereinbarungen ebenfalls erfasst werden. Die
Beklagte hat aber die Formulierung "ersetzende" Tarifverträge gerade nicht in ihrem
Formulararbeitsvertrag vorgesehen. Vor dem Hintergrund, dass sie die an und für sich
trotz ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur Tarifgemeinschaft - jedenfalls auf den ersten
Blick - grundsätzlich sachnäheren Tarifverträge der Bundestarifgemeinschaft des D5 R1
K3 gerade nicht zum Gegenstand der Bezugnahmeklausel gemacht hat, lag es bei
grundlegenden Umstrukturierungen des Tarifwerks des öffentlichen Dienstes, wie sie
mit dem TVöD vorgenommen worden sind (vgl. dazu im Einzelnen LAG Hessen, 30. Mai
2008, a.a.O.) im Interesse der Beklagten, diese nur nachzuvollziehen, wenn sie ihren
spezifischen Bedürfnissen gerecht wird (vgl. LAG Hamm, 3. September 2009, a.a.O.).
Insoweit gilt es allgemein den Umstand zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber schon
durch sein Fernbleiben vom tarifschließenden Verband dokumentiert hat, sich an
künftige tarifliche Regelungen, soweit sie über eine Aktualisierung und Ergänzung
hinausgehen, im Zweifel arbeitsvertraglich nicht binden zu wollen (vgl. LAG Hamm, 25.
September 2008, a.a.O.). Genau diese Freiheit hat die Beklagte auch genutzt. Sie hat
die Ablösung des BAT durch den TVöD gerade zum Anlass genommen, nunmehr für ihr
Unternehmen spezifische Tarifwerke abzuschließen. Sie hat tatsächlich nachvollzogen,
was durch den Verzicht auf die Inbezugnahme auch der "ersetzenden Tarifverträge" ihr
möglich war. Dies spricht im konkretem Fall als auch allgemein bei einem nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber dagegen, eine bloße Jeweiligkeitsklausel oder Klauseln,
die neben einem Tarifvertrag nur die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge
in Bezug nehmen, ausreichen zu lassen, um die kraft Tarifsukzession ersetzenden
Tarifwerke anzuwenden.
131
d) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet mangels Regelungslücke aus (vgl.
LAG Hessen, 30. Mai 2008, a.a.O.; LAG Hamm, 3. September 2009, a.a.O.). Zum einen
besteht durch die statische Fortgeltung weiterhin eine umfassende Regelung der
132
Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer. Darüber hinaus steht einer ergänzenden
Vertragsauslegung entscheidend entgegen, dass die Beklagte gerade nicht Mitglied im
tarifvertragschließenden Verband ist. Mit der konkret formulierten Verweisungsklausel
wird von ihr hinreichend dokumentiert, dass sie sich nicht jeglicher Tarifvereinbarung,
und zwar insbesondere auch nicht einer solchen durch ersetzende Tarifverträge
unterwerfen will. Dann kann dies erst recht nicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung erreicht werden. Dies gilt umso mehr, wenn sich wie hier der
abweichende Wille der Beklagten durch den Abschluss eigener tariflicher
Vereinbarungen dokumentiert hat und eine Anwendung der Regelung des TVöD in
ihrem Betrieb nicht stattfindet. Der Verlust der ehemaligen Dynamik der Verweisung
führt nicht zu einer lückenhaften Regelung der vertraglichen Bezugnahme. Die
Arbeitsvertragsparteien mögen bei Vertragsschluss von der über viele Jahre auch
zutreffenden Vorstellung ausgegangen sein, dass eine stetige Weiterentwicklung des
BAT und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge erfolgen wird. Diese
Vorstellung ist aber lediglich Motiv, jedoch kein Gegenstand der vertraglichen
Regelungen. Im Übrigen ergibt sich aus dem Wortlaut, dass lediglich eine Bindung an
den BAT und an die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge gewollt war. Im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist aber ein Ergebnis im Widerspruch zu
dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen nicht möglich. Nichts anderes würde es aber
bedeuten, wenn man auf dem Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu einer
Bezugnahme auf den TVöD käme (vgl. LAG Hessen, 30. Mai 2008, a.a.O.).
IV. Der Zinsanspruch für den danach bestehenden Anspruch auf Urlaubsgeld folgt aus §
291, 288, 247 BGB.
133
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
134
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG
zuzulassen.
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