Urteil des LAG Hamm vom 04.10.2005
LArbG Hamm: aufhebungsvertrag, ergänzung, unklarheitenregel, arbeitsgericht, initiative, beratungspflicht, abtretungsvertrag, wiederholung, bindungswirkung, willenserklärung
Landesarbeitsgericht Hamm, 6 Sa 2398/04
Datum:
04.10.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 2398/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 3 Ca 3733/03
Schlagworte:
Schadenersatz bei Aufklärungsverschulden
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum
vom 18.11.2004 - 3 Ca 3733/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um Aufstockungszahlungen im Zusammenhang mit einer
Vorruhestandsvereinbarung.
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Der am 03.04.1945 geborene Kläger war vom 18.01.1971 bis zum 31.03.2001 als
Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von
50. Unter dem 14.02.2001 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Abl. Bl. 47
d.A.), eine Ergänzung zum Aufhebungsvertrag (Abl. Bl. 48-54 d.A.) und einen
Abtretungsvertrag (Abl. Bl. 14 d.A.). Nach dem Aufhebungsvertrag wurde das
Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Beklagten im gegenseitigen Einvernehmen
unter den Bedingungen der Betriebsvereinbarung Nr. 251 vom 19.03.1989 (Abl. Bl. 55-
66 d.A.; Änderungsvereinbarung zur Betriebsvereinbarung Abl. Bl. 67 f. d.A.) zum
31.03.2001 beendet.
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Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 80% seines letzten
Nettoarbeitsentgelts abzüglich des Beitrags zur Krankenkasse und der tatsächlich
erfolgten Leistungen für die Zeit von Juni 2003 bis April 2005. Wegen der Berechnung
wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.04.2004 und 25.10.2004 verwiesen.
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Der Kläger hat vorgetragen:
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In Gegenwart des Mitarbeiters H3xxx S2xxxxx habe ihm die Beklagte durch Herrn
I1xxxxx, ebenso wie mehreren anderen Arbeitnehmern in gleicher Lage, zugesichert,
den Betrag von 80 % des letzten Nettoarbeitsentgelts bis zum frühestmöglichen
Renteneintritt auch tatsächlich als Nettobetrag auszuzahlen. Er habe bei Herrn I1xxxxx
genau nachgefragt, ob denn tatsächlich bis zu seiner Berentung die 1.405,75 € gezahlt
würden, da dies für ihn besonders wichtig sei, da er darauf seine zukünftige finanzielle
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Planung aufbaue. Herr I1xxxxx habe ausdrücklich betont, dass er garantieren könne,
dass die 1.405,75 € bis zur Berentung weiter gezahlt würden.
Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Initiative zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags
auf Initiative des Arbeitgebers zurückgehe, träfen diesen gesteigerte
Informationspflichten. Er sei mangelhaft aufgeklärt worden. Hierdurch sei ihm ein
Schaden entstanden.
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Herr I1xxxxx sei sowohl für ihn als auch für sämtliche anderen Arbeitskollegen alleiniger
Ansprechpartner in Personalfragen gewesen. Beispielsweise sei Herr I1xxxxx
abmahnungsberechtigt gewesen und habe sämtliche Personalgespräche im Hinblick
auf erhöhte Fehlzeiten oder erhöhten krankheitsbedingten Ausfall geführt. Auf
Nachfrage habe Herr I1xxxxx sowohl ihm gegenüber wie auch gegenüber den Herren
S2xxxxx, K3xxxxx, W2xxxx, S3xxxxxxxx und M2xxxx anlässlich der Verhandlungen
über deren Aufhebungsverträge, jeweils auf das Wort "Bruttozahlung" angesprochen,
erklärt, dass dieses Wort lediglich deswegen gewählt worden sei, da 4,60 € für die BKK-
Zusatzkasse abgezogen würden, er im Übrigen im Namen der Beklagten erklären
könne, dass der dann noch verbleibende Nettobetrag bis zur Berentung ausgezahlt
werde. Auch habe Herr I1xxxxx ihm mitgeteilt, der Vertrag könne nach Unterschrift durch
den Kläger nicht mitgenommen werden, da Herr L1xxxx noch gegenzeichnen müsse.
Der Vertrag werde dann zugeschickt.
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Bis einschließlich Mai 2003 seien ihm tatsächlich 1.405,75 € monatlich ausgezahlt
worden. Ab Juni 2003 sei eine Reduzierung um 207,19 €, zusammengesetzt aus 121,16
€ Lohnsteuer, 1,90 € Solidaritätszuschlag, 4,60 € für die BKK-Zusatzkasse und aus
79,53 € Steuern für Kranken- und Pflegeversicherung, erfolgt. Dabei müsse er
selbstverständlich die 4,60 € zahlen, da er Mitglied der Zusatzkasse sei. Der
weitergehende Abzug sei im Hinblick auf den Aufhebungsvertrag und die durch Herrn
I1xxxxx gegebenen Zusicherungen nicht berechtigt. Die Beklagte habe vor
Unterzeichnung des Vertrages und auch im Vertrag selbst explizit darauf hinweisen
müssen, dass die Zahlungen an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer als Abfindungen i.
S. v. § 3 Nr. 9 EStG behandelt würden und dass mithin nach Ausschöpfen des
Freibetrages eine Versteuerung erfolgen werde. Darüber finde sich in dem
Ergänzungsvertrag zum Aufhebungsvertrag nichts. Der Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG
sei mit dem Monat Mai 2003 aufgebraucht gewesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.060,18 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz aus jeweils 123,06 € seit dem 05.06., 05.07,
05.08., 05.09., 05.11. sowie 05.12.2003 sowie 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz aus 282,12 € seit dem 05.10.2003 sowie aus 100,29 € seit
dem 05.01. und 05.02.2004 sowie aus 104,89 € seit dem 05.03., 05.04.,
05.05., 05.06., 05.07., 05.08., 05.09. sowie 05.10.2004 zu zahlen.
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
entsprechend der Ergänzung zum Aufhebungsvertrag vom 14.02.2001,
beginnend mit dem Monat November 2004 bis einschließlich zum Monat
April 2005, monatlich jeweils am Letzten des Monats einen Betrag in
Höhe von 1.401,15 € netto zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen:
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Nach dem Aufhebungsvertrag, der Ergänzung zu dem Aufhebungsvertrag und nach der
Betriebsvereinbarung Nr. 251 habe der Kläger lediglich Anspruch auf Zahlung eines
Ausgleichs bis zur Erreichung des Betrages von 80 % seines nach Maßgabe der
Betriebsvereinbarung Nr. 251 berechneten Nettoentgelts. Diese Ausgleichzahlung sei
als Bruttozahlung vereinbart.
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Ihr Mitarbeiter I1xxxxx habe dem Kläger nicht zugesagt, dass der Betrag in Höhe von
1.405,75 € bis zur Verrentung monatlich netto gezahlt werde. Auch habe Herr I1xxxxx
weder dem Kläger noch anderen ehemaligen Arbeitnehmern zugesagt, dass von den 80
% des letzten Nettoentgelts lediglich der Krankenkassenzuschuss abgezogen und
ansonsten der sich nach Abzug dieses Betrages ergebende Betrag bis zum
Renteneintritt garantiert werde. Herr I1xxxxx sei nicht abmahnungsberechtigt und auch
kein rechtsgeschäftlicher Vertreter von ihr gewesen. Er habe keine Befugnis gehabt, für
sie rechtsverbindliche Zusagen gegenüber Beschäftigten zu machen, insbesondere
dann nicht, wenn diese Zusagen über die schriftlichen vertraglichen Regelungen zum
vorzeitigen Altersaustritt hinausgingen. Herr I1xxxxx sei auch nicht über seine Funktion
als Personalsachbearbeiter hinausgehend als Personalleiter aufgetreten. Sie sei
berechtigt gewesen, nach Verbrauch des steuerlichen Freibetrages nach § 3 Nr. 9 EStG
mit dem Monat Mai 2003 die an den Kläger geleistete Aufstockungszahlung mit den
vorgenommenen Abzügen zu belegen.
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Das Arbeitsgericht Bochum hat die Klage mit Urteil vom 18.11.2004 – 3 Ca 3733/03 –
abgewiesen. Es hat ausgeführt, aus den zwischen den Parteien getroffenen
Vereinbarungen zum Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis und aus der
einschlägigen Betriebsvereinbarung ergebe sich eindeutig, dass die Beklagte
Bruttoleistungen schulde. Für rechtsgeschäftliche Erklärungen von Herrn I1xxxxx müsse
die Beklagte nicht eintreten. Herr I1xxxxx habe keine Vertretungsmacht gehabt. Eine
Zurechnung der angeblichen Äußerungen von Herrn erfolge auch nicht über eine
Duldungs- oder Anscheinsvollmacht. Die Klageforderung lasse sich auch nicht als
Schadensersatzanspruch darstellen. Die Beklagte habe keine Aufklärungs- oder
Hinweispflichten verletzt. Die Texte der Vereinbarungen seien insoweit hinreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und
Entscheidungsgründe verwiesen.
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Das Urteil ist dem Kläger am 08.12.2004 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die
am 21.12.2004 eingelegte und mit dem am 13.01.2005 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
19
Der Kläger wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil.
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Der Kläger beantragt,
21
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bochum vom 18.11.2004
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.060,18 € nebst 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 123,06 € seit dem
05.06., 05.07, 05.08., 05.09., 05.11. sowie 05.12.2003 sowie 5
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus 282,12 € seit dem 05.10.2003
sowie aus 100,29 € seit dem 05.01. und 05.02.2004 sowie aus 104,89 €
seit dem 05.03., 05.04., 05.05., 05.06., 05.07., 05.08., 05.09. sowie
05.10.2004 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
entsprechend der Ergänzung zum Aufhebungsvertrag vom 14.02.2001,
beginnend mit dem Monat November 2004 bis einschließlich zum Monat
April 2005, monatlich jeweils am Letzten des Monats einen Betrag in
Höhe von 1.401,15 € netto zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen
in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher
Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§
520 Abs. 3 iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie hat in der Sache keinen
Erfolg. Zu Recht und mit
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zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Kammer
folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht insoweit von der Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Berufungsbegründung gibt zu
folgenden Ergänzungen Anlass:
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I. Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein vertraglicher Anspruch auf die monatlichen
Leistungen nach Nr. 1 der Ergänzung zum Aufhebungsvertrag vom 14.02.2001 als
Nettoleistungen zu. Es besteht auch kein entsprechender Anspruch aus dem
Gesichtspunkt des Schadensersatzes.
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1. Die Auslegung von Nr. 1 der Ergänzung zum Aufhebungsvertrag vom 14.02.2001 i. V.
m. dem Abtretungsvertrag und der Betriebsvereinbarung Nr. 251 ergibt eindeutig, dass
die Beklagte die monatlichen Aufstockungszahlungen nur als Bruttoleistungen schuldet.
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1.1. Bei den einzelnen Regelungen der Ausscheidensvereinbarungen der Parteien
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handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB.
Solche Regelungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich
nicht vorgebildeten Durchschnittsarbeitnehmers einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen des
Arbeitgebers und der Arbeitnehmer verstanden werden. Verbleiben nicht behebbare
Zweifel und sind mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar, so ist von der für die
Arbeitnehmer günstigeren Auslegung der Klausel auszugehen. Es ist Sache des
Klauselverwenders, sich klar und unmissverständlich auszudrücken (BAG 26.01.2005 –
10 AZR 215/04). Auf die Unklarheitenregel ist daher nur dann zurückzugreifen, wenn die
objektive Auslegung zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Klausel nach dem Wortlaut
unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinnes und
Zwecks objektiv mehrdeutig ist und die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden kann. Es
müssen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden
erhebliche Zweifel und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar
bleiben (BGH 04. Juli 1990 – VIII ZR 288/89).
1.2. Die Auslegung nach dieser Maßgabe führt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass
lediglich Nettoleistungen geschuldet sind. Insoweit bedürfen die ausführlichen und
überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts keiner Ergänzung.
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1.3. Die dem Mitarbeiter I1xxxxx zugeschriebenen Äußerungen rechtfertigen keine vom
Wortsinn abweichende Auslegung. Bei diesen Äußerungen handelte es sich lediglich
um sog. Wissensmitteilungen ohne rechtsgeschäftliche Bindungswirkung.
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1.3.1. Während die Willenserklärung, von der Warte des Empfängers aus betrachtet, auf
einen Rechtserfolg gerichtet ist, der, weil er gewollt ist, in dem Sinn, in dem er gewollt
ist, eintritt, richtet sich die Vorstellungs- und Willensmitteilung ("Wissenserklärung") nicht
in diesem Sinn final auf die Rechtsfolgen, welche aufgrund der Mitteilungen eintreten.
Wissenserklärungen haben keinen rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen
Charakter (BAG Urt. v. 20.10.1982, 4 AZR 1152/79; BGH Urt. v. 25.09.1985, IVa ZR
237/832). Ob eine rechtsgeschäftliche Willens- oder nur eine tatsächliche
Wissenserklärung vorliegt, ist nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen (BGH
25.09.1985, IVa ZR 237/83).
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1.3.2. Im Streitfall konnte der Kläger die dem Mitarbeiter I1xxxxx zugeschriebenen
Äußerungen nur als – ggf. fehlerhafte - Wissenserklärungen verstehen. Die
vorformulierten umfassenden Regelungen zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis lassen erkennen, dass die Beklagte damit eine abschließende
Regelung anstrebte. Die Regelungen dienten der Umsetzung der einschlägigen
Betriebsvereinbarung. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf den Willen der
Beklagten zu von den vorformulierten Regelungen abweichenden Vereinbarungen
schließen ließen. Die Gespräche zwischen dem Mitarbeiter I1xxxxx und den
Arbeitnehmern diente lediglich der Erläuterung der vorgegebenen Texte der
Vereinbarungen, nicht dem Aushandeln von individuellen
Ausscheidensvereinbarungen.
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1.3.3. Eine Anwendung der Unklarheitenregel scheidet im Streitfall aus. Die
Unklarheitenregel ist nur anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht
kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und
mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BAG 08.09.1998 – 9 AZR
255/97). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
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2. Dem Kläger stehen die Klageforderungen auch nicht aus dem Gesichtspunkt des
Schadensersatzes zu.
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2.1. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung,
wenn die Beklagte ihre arbeitsvertraglichen Informationspflichten beim Abschluss der
Ausscheidensvereinbarungen durch ein ihr zuzurechnendes, schuldhaftes Verhalten
ihrer Mitarbeiter verletzte.
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2.2. Selbst wenn die Verletzung eines Auskunftsanspruchs oder einer Aufklärungs- und
Beratungspflicht unterstellt wird, kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass diese
Pflichtverletzung kausal einen Schaden verursachte.
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2.2.1. Ursächlich ist das Unterbleiben einer hinreichenden Belehrung dann, wenn diese
nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass auch das schädigende Verhalten entfällt
(BAG 18.12.1984 – 3 AZR 168/82; BAG 15.10.1985 – 3 AZR 612/83). Insoweit wird in
der höchst-richterlichen Rechtsprechung regelmäßig unterstellt, dass jedermann bei
ausreichender Information sein Eigeninteresse in vernünftiger Weise wahrt (Vermutung
beratungsgerechten oder aufklärungsrichtigen Verhaltens: vgl. BAG 15.10.1985 – 3
AZR 612/83; BGH 05.07.1973 – VII ZR 12/73; BGH 30.09.1981 – IV a 288/80; BGH
16.11.1993 – XI ZR 214/92). Nach dieser Rechtsprechung muss derjenige, der eine
Aufklärungs- und Beratungspflicht verletzt, darlegen und ggf. beweisen, dass sich der
andere Teil auch bei ordnungsgemäßer Information oder Beratung ebenso wie
tatsächlich geschehen verhalten hätte und dem Rat zu seinem Schaden nicht gefolgt
wäre (BAG 17.10.2000 – 3 AZR 605/99). Voraussetzung für diesen Grundsatz ist
jedoch, dass vernünftigerweise nur eine einzige Reaktion des anderen Teils auf die
ordnungsgemäße Beratung in Betracht kommt. Hingegen ist kein Raum für die
Heranziehung dieser Regel, wenn der andere Teil mehrere sinnvolle
Handlungsalternativen hatte, da dann offen ist, wie er sich auf eine ordnungsgemäße
Beratung hin verhalten hätte (BAG 15.10.1985 – 3 AZR 612/83).
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2.2.2. Im Streitfall hilft die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht weiter. Es
bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ohne die dem
Mitarbeiter I1xxxxx zugeschriebenen Erklärungen die von der Beklagten vorformulierten
Ausscheidensvereinbarungen nicht akzeptiert hätte. Der Kläger hatte durchaus
verschiedene vernünftige Verhaltensmöglichkeiten. Er konnte das angemessen dotierte
Ausscheidensangebot annehmen, wie dies eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer
machten. Er konnte es auch allein wegen der Auswirkungen der Steuerpflicht ablehnen,
weil unter Berücksichtigung der zu erwartenden steuerlichen Abzüge das vorzeitige
Ausscheiden für ihn nicht genügend interessant war. Und er konnte versuchen, eine
individuelle Nachbesserung bei der Beklagten auszuhandeln, was aber wegen der eine
Gleichbehandlung garantierenden Regelung in der Betriebsvereinbarung nicht sehr
wahrscheinlich war. Gegen die Annahme, dass der Kläger ein vorzeitiges Ausscheiden
abgelehnt hätte bei Kenntnis der konkreten Steuerlast spricht nicht zuletzt, dass der
Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Lösung von der Ausscheidensvereinbarung und damit
eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den ursprünglichen Bedingungen
anstrebte. Es ging dem Kläger ersichtlich allein um die Vorteile der
Ausscheidensvereinbarung unter Ausschluss von jeglichen üblicherweise den
Arbeitnehmer treffenden steuerlichen Lasten.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO i. V. m. § 97 ZPO.
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III. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das
Berufungsgericht ist der aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Dem
Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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Ziemann
Schreiber
Bögershausen
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Hei
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