Urteil des LAG Hamm vom 06.03.2006

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Landesarbeitsgericht Hamm, 8 (10) Sa 1932/04
Datum:
06.03.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 (10) Sa 1932/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 2 Ca 3822/03
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 502/06 Vergleich 25.04.2007
Schlagworte:
Verzugslohn / Annahmeverzug / Leistungsunvermögen / Krankheit /
wirksames Arbeitsangebot / Schwerbehinderung / Zuweisung eines
leidensgerechten Arbeitsplatzes
Normen:
BGB §§ 297, 615; BGB § 315; SGB IX § 81
Leitsätze:
Kein wirksames Angebot der Arbeitsleistung bei fehlender
Leistungsfähigkeit.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 06.07.2004 - 2 Ca 3822/03 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Mit seiner Klage macht der im Jahre 11xx geborene und mit einem GdB von 90
schwerbehinderte Kläger Ansprüche auf Arbeitsvergütung für den Zeitraum vom
25.10.2002 bis zum 31.12.2003 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges
geltend.
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Der Kläger ist als gelernter Elektroinstallateur seit dem Jahre 1977 im
Montageunternehmen der Beklagten auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx
(vormals M1xxxxx) beschäftigt, wurde sodann im Jahre 1988 als Obermonteur in das
Angestelltenverhältnis übernommen wurde und war in den Jahren 1994 bis 1997
zusätzlich als Vertreter des Baustellenleiters eingesetzt. Nachdem der Kläger zuletzt
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seit August 2001 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und nach Auffassung der
Beklagten aus gesundheitlichen Gründen betrieblich nicht mehr einsatzfähig war,
beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, nahm
diesen Antrag jedoch später zurück. Hierauf bot der Kläger - nach seiner Behauptung
auch bereits in der Kündigungsverhandlung bei der örtlichen Fürsorgestelle mit Wirkung
ab dem 25.10.2002 - wiederholt seine Arbeitsleistung an.
Der Kläger ist der Auffassung, unter diesen Umständen stehe ihm die
arbeitsvertragsgemäße Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu.
Sowohl mit Rücksicht auf die vorliegende Schwerbehinderung als auch unter dem
Gesichtspunkt der Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen die Beklagte
zur Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verpflichtet. Seine Asthma-
Erkrankung führe allein dazu, dass er keine reine Monteurstätigkeit ausüben könne,
seine Aufgaben als technischer Angestellter mit Aufsichtsaufgaben könne er hingegen
ohne weiteres vertragsgerecht erledigen.
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Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, weder habe der Kläger zum genannten
Zeitpunkt seine Arbeitsleistung angeboten, noch sei der Kläger wegen der
fortbestehenden Erkrankung zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben in der
Lage, so dass ohnehin ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot ausscheide. Wie das
medizinische Gutachten des BAD vom 05.08.2002 (Bl. 20 f. d.A.) belege, seien dem
Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten möglich. Eine Beschäftigung des Klägers
mit reinen Aufsichtsaufgaben scheide jedoch nach der bestehenden Arbeitsorganisation
auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx aus, vielmehr müsse der Kläger – wie aus
der Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 (Bl. 42 d.A.) ersichtlich – bei den
laufenden Umbau- und Montagetätigkeiten auf der Baustelle selbst mitarbeiten, wobei
die aufgeführten Belastungsfaktoren wie Nässe, Kälte, Hitze, Zugluft und
Staubentwicklung mit der bestehenden Asthma-Erkrankung nicht vereinbar seien.
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Durch Urteil vom 06.07.2004 (Bl. 51 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren
erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die
Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von 46.802,51 €
brutto abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 14.843,24 € netto nebst
Zinsen verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der
zuerkannte Anspruch rechtfertige sich aus der Vorschrift des § 615 BGB. Schon durch
die Tatsache, dass die Beklagte im September 2001 beim Landschaftsverband einen
Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers wegen fehlender Leistungsfähigkeit
gestellt, diesen Antrag sodann aber im Anschluss an die Kündigungsverhandlung vom
04.09.2002 zurückgenommen habe, habe sie deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sei,
die zur Arbeitsleistung erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen.
Dementsprechend sei ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers als entbehrlich
anzusehen. In der Tatsache, dass die Beklagte einerseits von ihrer Kündigungsabsicht
abgerückt sei, ohne andererseits dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz
anzubieten, liege zugleich ein widersprüchliches Verhalten. Da die Beklagte den Kläger
ohnehin nicht habe beschäftigen wollen, komme es auf die Frage gesundheitlicher
Leistungseinschränkungen innerhalb des Verzugszeitraums nicht an.
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Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält die Beklagte den
Ausführungen des Arbeitsgerichts entgegen, die Beklagte habe sich im
Anspruchszeitraum nicht im Annahmeverzug befunden. Zu Unrecht habe das
Arbeitsgericht die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger aus
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gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage gewesen sei, die vertraglich
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Tatsächlich sei der Kläger auch über den
25.10.2002 hinaus arbeitsunfähig krank gewesen und auch auf Dauer außerstande, den
bestehenden Arbeitsplatzanforderungen zu genügen. Die arbeitsvertragliche Tätigkeit
des Klägers beschränke sich nämlich nicht auf eine aufsichtsführende Bauleitertätigkeit
im Sinne reiner Büroarbeit, im Vordergrund stehe vielmehr die Mitarbeit als
Obermonteur, wohingegen die Leitung der Baustelle – unstreitig – beim Baustellenleiter
G1xxxxxxx liege. Welche Tätigkeiten der Kläger zuletzt erledigt habe, ergebe sich aus
der Auswertung der vom Kläger selbst erstellten Aufzeichnungen aus dem Zeitraum
Januar bis August 2001 (Bl. 137 ff. d.A.). Danach seien Aufsichts- und
Überwachungstätigkeiten allein in einer Größenordnung von 10% angefallen. Eine
Umorganisation der Arbeit im Sinne einer leidensgerechten Beschäftigung des Klägers
ohne gesundheitsbelastende körperliche Tätigkeiten scheide nach den maßgeblichen
betrieblichen Anforderungen aus. Auch auf der Grundlage des § 315 BGB und des § 81
SGB IX könne der Kläger nur eine Beschäftigung im Rahmen der vorhandenen
Möglichkeiten, nicht hingegen die Einrichtung oder Freikündigung eines
leidensgerechten Arbeitsplatzes verlangen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.07.2004 – 2 Ca 3822/03
– aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis als zutreffend, wiederholt
sein Vorbringen zum Angebot seiner Arbeitsleistung und tritt insbesondere der
Behauptung der Beklagten entgegen, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur
vertragsgemäßen Arbeitsleistung nicht in der Lage gewesen. Richtig sei zwar, dass er
an einer Asthma-Erkrankung leide, welche in der Vergangenheit zu gesundheitlichen
Einschränkungen und zuletzt zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Eine
Leistungsunmöglichkeit liege gleichwohl nicht vor, vielmehr ergebe sich aus dem
Gutachten des BAD vom 05.08.2002 allein, dass bei einem Einsatz des Klägers als
Monteur von hohen Ausfallzeiten, nicht hingegen von einem fehlenden
Leistungsvermögen auszugehen sei. Im Übrigen seien gesundheitliche Bedenken allein
gegen die Ausübung einer reinen Monteurstätigkeit zu erheben. Aufsichtsaufgaben
seien nicht allein vom Baustellenleiter G1xxxxxxx zu verrichten, welchem die
Oberbauleitung zustehe, vielmehr habe auch der Kläger als aufsichtführender
Obermonteur überwiegend geistige Tätigkeiten erledigt. Sämtliche körperlich
schwierigen Aufgaben würden demgegenüber von den gewerblichen Monteuren
erledigt.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.04.2005 hat der Kläger weiter
behauptet, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten beiden Jahren deutlich
verbessert, so dass gegen die Fortführung der Arbeit keine gesundheitlich begründeten
Bedenken bestünden. Auch aus dem vom Landesarbeitsgericht eingeholten
Sachverständigengutachten folge nichts anderes. Entgegen den Ausführungen im
Sachverständigengutachten (Bl. 157 ff. d.A.) seien die Arbeitsunfähigkeitszeiten des
Klägers seit dem Jahre 1999 keineswegs ausschließlich auf die Asthma-Erkrankung
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zurückzuführen, im Gegenteil sei zu berücksichtigen, dass im Jahre 2003 eine
Arbeitsunfähigkeit allein für den Zeitraum vom 22. bis 28.10.2003 attestiert worden sei.
Seine Schlussfolgerung, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen zur Ausübung
der ihm übertragenen Tätigkeit außerstande, stütze der Sachverständige im Übrigen
wesentlich auf die vorangehenden ärztlichen Beurteilungen vom 12.11.2001 und
10.07.2002, welche den tatsächlich verbesserten Gesundheitszustand des Klägers im
Anspruchszeitraum nicht berücksichtigten. Überdies habe der Gutachter die
maßgeblichen Arbeitsbedingungen allein nach Aktenlage und ohne Besichtigung des
Arbeitsplatzes beurteilt, weshalb das Gutachten insgesamt als wenig aussagekräftig
und nicht verwertbar angesehen werden müsse. Auch die mündliche Erläuterung des
Gutachtens gemäß dem Terminsprotokoll vom 06.03.2006 sei nicht geeignet, ohne
jeden Zweifel die von der Beklagten aufgestellte Behauptung zu belegen, der Kläger
könne die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ohne Gefährdung seiner
Gesundheit ausüben. Nach der bestehenden Beweislastverteilung seien damit die
Voraussetzungen für die Zahlung von Verzugslohn gegeben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung des
arbeitsgerichtlichen Urteils zur Abweisung des vom Kläger verfolgten
Zahlungsbegehrens.
15
I
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Der Kläger kann den verfolgten Zahlungsanspruch nicht auf die Grundsätze des
Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB stützen.
17
Dabei kann offen bleiben, ob der Standpunkt des Arbeitsgerichts zutrifft, schon der
Antrag der Beklagten beim Integrationsamt auf Zustimmung zu einer beabsichtigten
Kündigung mache das in § 615 BGB geforderte Arbeitsangebot des Arbeitnehmers
entbehrlich, weil der Arbeitgeber bereits hiermit – und nicht erst durch den tatsächlichen
Ausspruch der Kündigung – zum Ausdruck bringe, er wolle die erforderliche
Mitwirkungshandlung, nämlich die Bereitstellung einer vertragsgemäßen
Beschäftigungsmöglichkeit, endgültig verweigern. Offen bleiben kann ferner, ob der
Kläger bereits in der Kündigungsverhandlung beim Integrationsamt oder im
Zusammenhang mit dem Abholen der Arbeitsbescheinigung gegenüber der Beklagten
seine Arbeitsleistung angeboten hat oder ob erst das Schreiben des Klägervertreters
vom 23.12.2002 als wörtliches Angebot der Arbeitsleistung anzusehen ist, welches die
Beklagte alsdann mit Schreiben vom 15.01.2003 ausdrücklich abgelehnt hat.
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Abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils scheitert der verfolgte
Anspruch aus Annahmeverzug jedenfalls an dem Erfordernis, dass der Kläger im
Anspruchszeitraum zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung gesundheitlich
außerstande war (§ 297 BGB). Dies gilt zum einen in Bezug auf die in der
Vergangenheit ausgeübten Tätigkeiten nach Maßgabe der vorliegenden
Arbeitsplatzbeschreibung (1). Auch soweit der Kläger zum anderen
Verzugslohnansprüche daraus herleiten will, dass die Beklagte verpflichtet gewesen
sei, ihm – insbesondere unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung – auf der
Grundlage des Direktionsrechts gemäß § 315 BGB eine leidensgerechte Beschäftigung
anzubieten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis (2).
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1. Nach dem Ergebnis der im zweiten Rechtszuge durchgeführten Beweisaufnahme
steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die ihm zuvor
zugewiesene und von ihm zuletzt – bis zu seiner durchgehenden Erkrankung ab dem
16.08.2001 – ausgeübte Tätigkeit nicht ohne die Gefahr einer Leidensverschlimmerung
ausüben kann.
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a) Die vom Kläger zuletzt ausgeübte vertragliche Tätigkeit umfasst neben der
Erledigung von Aufsichtstätigkeiten auch die Mitarbeit auf der Baustelle. Nicht hingegen
kann von einer reinen Leitungsaufgabe des Klägers ausgegangen werden.
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(1) Auf der Grundlage des schriftlichen Einstellungsbogens vom 17.01.1977 war der
Kläger als gelernter Elektroinstallateur zunächst als Monteur tätig, wurde sodann mit
Wirkung ab dem 01.01.1988 als Obermonteur in das Angestelltenverhältnis
übernommen, übernahm ab dem 06.06.1994 die Verantwortung als Vertreter des
Baustellenleiters und war dementsprechend gemäß dem Schreiben vom 12.02.1997,
betreffend die Beendigung dieser Vertretungsaufgabe, vertraglich wiederum in der
Funktion des Obermonteurs beschäftigt. Wie sich aus der arbeitgeberseitig erstellten
Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 ergibt, umfasste diese Tätigkeit sowohl
überwachende Tätigkeiten als auch die Mitarbeit auf der Baustelle mit körperlichem
Einsatz, wobei unstreitig die Oberbauleitung auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx
beim Baustellenleiter und Vorgesetzten G1xxxxxxx lag.
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Auch wenn auf dieser Grundlage davon auszugehen ist, dass der Kläger keineswegs
"reine Monteurstätigkeiten" auszuüben und insbesondere nach seiner Beförderung zum
Angestellten und Obermonteur auch Aufsichtsaufgaben zu erledigen hatte, kann hieraus
weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gefolgert werden, die
Aufgabenstellung des Klägers habe sich ganz überwiegend auf Überwachungs- oder
Büro-Tätigkeiten beschränkt. Der Kläger selbst hat die von der Beklagten unter dem
15.10.2001 erstellte Arbeitsplatzbeschreibung eingereicht, in welcher es heißt, dass der
Kläger als Elektroinstallateur "als Bauleiter mit körperlichem Einsatz ..." beschäftigt sei.
Auch die Auswertung der vom Kläger selbst erstellten Tätigkeitsberichte aus dem
Zeitraum Januar bis August 2001 belegt, dass neben organisatorischen und
kontrollierenden Tätigkeiten die Mitwirkung bei Monteurstätigkeiten den Arbeitsalltag
des Klägers geprägt hat. Dementsprechend ist die vertragliche Aufgabenstellung des
Klägers durch das Zusammentreffen geistiger (überwachender) und körperlicher
Arbeitsanforderungen gekennzeichnet.
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(2) Wie sich aus der – in ihrer Richtigkeit nicht oder jedenfalls nicht wirksam bestrittenen
– Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 weiter ergibt, ist die Tätigkeit des Klägers,
soweit sie nicht im Bürocontainer im Sinne einer Schreibtätigkeit erledigt wird, durch die
aufgeführten Belastungsfaktoren gekennzeichnet, wobei im vorliegenden
Zusammenhang insbesondere Zugluft und starke Staubentwicklung zu nennen sind.
Wie die Beklagte unwidersprochen ausgeführt hat, fallen bei der Arbeit auf der
Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx, bei welcher laufend die Produktionsanlagen
einzurichten, zu verändern und zu unterhalten sind, immer wieder derartige belastende
Arbeitsumstände an. Auch wenn der Kläger selbst etwa nicht auf Leitern steigen oder
durch Tunnel kriechen muss, ändert dies auch für seine Arbeitsleistung vor Ort nichts
daran, dass die Umgebungsbedingungen zum Teil durch extreme Hitze oder Kälte
gekennzeichnet sind. Ferner zu erwähnen ist die im Schriftsatz der Beklagten vom
02.02.2004 aufgeführte Staubbelastung. Auch auf der Grundlage des Klägervortrages
kann nicht davon ausgegangen werden, die Tätigkeit des Klägers finde ausschließlich
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oder ganz überwiegend im Bürocontainer – ohne die genannten äußeren
Belastungsfaktoren – statt. Dies gilt selbst bei einer beaufsichtigenden Tätigkeit, soweit
die Arbeit unter staubigen Verhältnissen oder bei Hitze oder Kälte zu erledigen ist.
(3) Unter diesen Umständen geht auch der Einwand des Klägers gegen die vom
gerichtlich bestellten Sachverständigen getroffenen Feststellungen fehl, der Gutachter
habe die am Arbeitsplatz auftretenden Belastungsfaktoren ohne
Arbeitsplatzbesichtigung beurteilt. Dass der Kläger keine verwaltende Bürotätigkeit
auszuüben, sondern jedenfalls in ganz erheblichem Umfang auch auf der Baustelle
mitzuarbeiten hat, ist aus den dargestellten Gründen als unstreitig anzusehen. Eine
exakte Erfassung der Zeitanteile erscheint unter den vorliegenden Umständen als
entbehrlich und wäre ohnehin nicht als Aufgabe des Sachverständigen anzusehen.
Ebenso muss als unstreitig angesehen werden, dass in der Arbeitsplatzbeschreibung
vom 15.10.2001 die maßgeblichen äußeren Einflüsse und Belastungsfaktoren
zutreffend wiedergegeben sind. Auch wenn nicht verkannt wird, dass hieraus auf eine
bestimmte Häufigkeit und Intensität der Belastungsfaktoren nicht geschlossen werden
kann, muss mangels anderweitigen Parteivortrages jedenfalls doch davon
ausgegangen werden, dass es sich keineswegs um vollkommen untypische oder gar
beliebig vermeidbare Belastungsfaktoren handelt. Die genannten Umstände betreffen
auch nicht etwa einen abgrenzbaren Arbeitsbereich, so dass etwa durch
organisatorische Maßnahmen vermieden werden könnte, dass der Kläger
entsprechenden Belastungen ausgesetzt ist. Dagegen, dass es sich bei den genannten
Belastungsfaktoren um untypische und für die Arbeit nicht kennzeichnende Umstände
handelt, spricht schließlich auch die Tatsache, dass der Kläger,
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ohne dass Anhaltspunkte für eine Veränderung der Arbeitsbedingungen erkennbar sind,
in der Vergangenheit immer wieder wegen seiner Asthma-Erkrankung ausgefallen und
auch aus der Rehabilitationsmaßnahme im Jahre 2002 als weiter arbeitsunfähig
entlassen worden ist. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern durch die
vom Kläger vermisste Arbeitsplatzbesichtigung sich eine andere, für den Kläger
günstigere Beurteilung seiner gesundheitlichen Situation und Leistungsfähigkeit
ergeben hätte. Für eine entsprechende Ergänzung des Sachverständigengutachtens
besteht unter diesen Umständen keine prozessuale Grundlage.
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b) Bezogen auf die vorstehend dargestellten Arbeitsplatzverhältnisse muss in
Übereinstimmung mit dem eingeholten Sachverständigengutachten davon
ausgegangen werden, dass der Kläger die ihm zugewiesene und von ihm zuletzt
ausgeübte Tätigkeit nicht ohne Gefährdung seiner Gesundheit ausüben kann.
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(1) Unstreitig besteht beim Kläger eine Asthma-Erkrankung, welche auch keineswegs
als ausgeheilt angesehen werden kann. Soweit der Kläger zuletzt behauptet hat, das
Krankheitsbild habe sich zuletzt wesentlich verbessert, fehlt es hierfür an greibaren und
objektivierbaren Anhaltspunkten. Weder hat der Kläger von veränderten
Behandlungsmethoden, neueren medizinischen Erkenntnissen o.ä. berichtet, welche –
anders als die ärztlichen Beurteilungen der Vergangenheit – auf eine positive
Veränderung des Leistungsvermögens schließen lassen, noch kommt der Tatsache,
dass zuletzt Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr aufgetreten sind, unter den
vorliegenden Umständen eine entsprechende Indizwirkung zu. In Anbetracht der
Tatsache, dass nicht die Asthma-Erkrankung als solche die Einsatzfähigkeit des
Klägers beeinträchtigt, vielmehr erst durch die Schadstoffexposition am Arbeitsplatz
entsprechende Atemnot-Anfälle ausgelöst werden, muss nämlich davon ausgegangen
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werden, dass es zu konkreten Gesundheitsstörungen nicht mehr bzw. in deutlich
geringerem Maß gekommen ist, seit der Kläger den Belastungen des Arbeitsplatzes
nicht mehr ausgesetzt war. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dann,
wenn er seine Arbeit unter den bisherigen Bedingungen fortführen würde, ohne
entsprechende Gesundheitsbeschwerden arbeiten könnte, weil sich der
Gesundheitszustand dauerhaft geändert hätte, sind weder dargetan noch sonst
ersichtlich. Dementsprechend kann die Aussagekraft des Sachverständigengutachtens
nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, der Gutachter habe veraltete
Fremdbefunde berücksichtigt und selbst keine Anzeichen für eine fortbestehende
Asthma-Erkrankung festgestellt.
(2) Richtig ist allerdings, dass – wie der Sachverständige ausgeführt hat – bereits das
Entstehen eines Atemnotanfalls in der Regel durch den rechtzeitigen Einsatz geeigneter
Medikamente – zum Beispiel des verordneten Sprays – unterdrückt werden kann.
Dementsprechend käme theoretisch die Möglichkeit in Betracht, dass der Kläger seine
Tätigkeit auf der Baustelle trotz der bestehenden Belastungsfaktoren fortführt und
jeweils bei ersten Anzeichen für einen Asthmaanfall das verordnete Medikament
einsetzt. Auf die Frage, ob ein solches Vorgehen als gesundheitlich unbedenklich
angesehen werden könnte, hat der Sachverständige jedoch ausdrücklich erklärt, dies
erscheine aus ärztlicher Sicht nicht als vertretbar, da für diesen Fall eine weitergehende
ernsthafte Gesundheitsschädigung in Form eines Lungenemphysems nicht
auszuschließen sei. Unter Berücksichtigung des Präventionsgedankens müsse aus
ärztlicher Sicht vielmehr die Exposition von Schadstoffen von vornherein vermieden
werden.
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Geht man also davon aus, dass beim Kläger unverändert eine nicht ausgeheilte
Asthma-Erkrankung vorliegt, so kann eine angemessene Lösung der
Krankheitsproblematik nicht darin gesehen werden, dass die Krankheitssymptome über
das medizinisch indizierte Maß hinaus medikamentös unter Inkaufnahme nachteiliger
Folgen unterdrückt werden. Dementsprechend fehlt es dem Arbeitnehmer nicht erst
dann an der gesundheitlichen Eignung, wenn er die übertragene Aufgabe gar nicht
mehr erledigen kann, vielmehr begründet auch bereits die Gefahr, dass bei Fortführung
der Arbeit die Gesundheit geschädigt wird, die mangelnde gesundheitliche Eignung des
Arbeitnehmers für die fragliche Tätigkeit. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer
möglicherweise bereit ist, eine solche Gefahr hinzunehmen, um seinen Arbeitsplatz zu
erhalten, vermag den rechtlichen Beurteilungsmaßstab nicht zu verändern. Unter
rechtlichen Gesichtspunkten ist es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, sehenden Auges
hinzunehmen, dass der Arbeitnehmer trotz entgegenstehender medizinischer Bedenken
eine für ihn gesundheitlich ungeeignete und damit schädliche oder jedenfalls ernsthaft
gesundheitsgefährdende Tätigkeit fortführt und so seine Gesundheit "ruiniert".
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c) Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass in Bezug auf die bislang vom Kläger
ausgeübte Tätigkeit von einem Leistungsunvermögen des Klägers auszugehen ist.
31
2. Soweit der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung und die Vorschrift des
§ 315 BGB geltend macht, die Beklagte sei gegebenenfalls verpflichtet gewesen, die
Arbeitsbedingungen seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit anzupassen und so
eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit zu eröffnen, scheitert diese
Überlegung jedenfalls daran, dass im Rahmen der arbeitsvertraglichen Tätigkeit als
angestellter Obermonteur für eine reine Aufsichtstätigkeit unter Ausschluss der
aufgeführten Belastungsfaktoren kein Raum ist. Vorliegend geht es nicht um rein
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organisatorische Maßnahmen mit dem Ziel, einzelne, krankheitsauslösende Tätigkeiten
aus der Aufgabenstellung des Klägers herauszunehmen, vielmehr wäre zu einer
leidensgerechten Beschäftigung eine grundlegende Änderung der Arbeitsaufgabe
erforderlich, indem der Kläger – neben dem Bauleiter G1xxxxxxx – nur noch für
Aufsichtstätigkeiten ohne körperliche Mitarbeit bei den konkreten Arbeitseinsätzen auf
der Baustelle bzw. zu reinen Bürotätigkeiten verpflichtet wäre. Eine Verpflichtung zur
Vertragsänderung kann jedoch aus der Vorschrift des § 315 BGB nicht hergeleitet
werden (BAG, Urteil vom 06.12.2001 – 2 AZR 422/00; BAG, Urteil vom 23.01.2001 – 9
AZR 287/99 – AP Nr. 1 zu § 81 SGB IX).
3. Nach alledem scheitert der verfolgte Verzugslohnanspruch jedenfalls daran, dass der
Kläger aus gesundheitlichen Gründen weder die ihm konkret zugewiesene noch eine
auf der Grundlage des Direktionsrechts zu ändernde Arbeitsleistung erbringen konnte.
33
II
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Dem Kläger steht der verfolgte Zahlungsanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt
des Schadensersatzes zu.
35
1. Zwar ist der Arbeitgeber nach § 81 SGB IX verpflichtet, den schwerbehinderten
Arbeitnehmer behinderungsgerecht zu beschäftigen. Soweit dies nicht auf der
Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags erfolgen kann, umfasst die Verpflichtung
des Arbeitgebers aus § 81 SGB IX gegebenenfalls auch eine entsprechende
Anpassung der Arbeitsvertragsbedingungen durch Vertragsänderung. Verstößt der
Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung, kann sich hieraus zu Gunsten des
Arbeitnehmers ein entsprechender Schadensersatzanspruch ergeben, welcher auch
entgangene Vergütungsansprüche umfasst (BAG, Urteil vom 04.10.2005 – 9 AZR
632/04 – bisl. n. v.; BAG, Urteil vom 03.12.2002 – 9 AZR 481/01 – AP Nr. 2 zu § 81 SGB
IX; BAG, Urteil vom 23.01.2001 – 9 AZR 287/99 – AP Nr. 1 zu §81 SGB IX).
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2. Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch können vorliegend
jedoch nicht festgestellt werden. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass bei der Beklagten
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ein freier Arbeitsplatz vorhanden sei, auf welchem er gegebenenfalls zu geänderten
Vertragsbedingungen eingesetzt werden könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass
allein durch eine mögliche und der Beklagten zumutbare Änderung der bestehenden
Arbeitsvertragsbedingungen eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den
Kläger geschaffen werden könnte. Für eine zusätzliche Aufsichtskraft auf der Baustelle
besteht ersichtlich kein Bedarf. Diejenigen Tätigkeiten, bei welchen der Kläger den
gesundheitsschädlichen Belastungsfaktoren ausgesetzt ist, lassen sich auch weder von
gesundheitlich unbedenklichen Aufgaben abgrenzen, noch fallen die
gesundheitsbelastenden Tätigkeiten nur in so geringem Maße an, dass eine
leidensgerechte Beschäftigung etwa durch vereinbarte Teilzeitarbeit – unter
Beschränkung auf Organisations- und Aufsichtstätigkeiten – ermöglicht werden könnte.
Dann scheidet aber auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen, welche
sich für den Arbeitgeber aus der Verpflichtung zur leidensgerechten Beschäftigung
schwerbehinderter Arbeitnehmer und der Notwendigkeit der Durchführung von
Maßnahmen gem. § 84 SGB IX ergeben, die Feststellung aus, die Beklagte habe eine
vorhandene Möglichkeit, dem langjährig beschäftigten Kläger sein Arbeitsverhältnis zu
erhalten, vorwerfbar versäumt.
38
III
39
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist.
40
IV
41
Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
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Dr. Dudenbostel
Reese
Knoke
43
/Woi.
44