Urteil des LAG Hamm vom 07.06.2005

LArbG Hamm: falsche auskunft, beendigung, aufhebungsvertrag, arbeitsgericht, kaufmännischer angestellter, einmalige abfindung, feststellungsklage, beratung, anfang, vermögensschaden

Landesarbeitsgericht Hamm, 19 (2) Sa 30/05
Datum:
07.06.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 (2) Sa 30/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 3 Ca 1233/04
Schlagworte:
Verletzung von Aufklärungspflichten und Auskünfte des Arbeitgebers
beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, Anspruch auf
Schadensersatz bei Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld,
Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB
Normen:
§ 241 Abs. 2 BGB, § 254 BGB, § 256 ZPO
Leitsätze:
1. Ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Vermögensschaden wegen
Verletzung aus-nahmsweise bestehender Aufklärungspflichten des
Arbeitgebers beim Abschluss
eines Aufhebungsvertrages oder wegen Erteilung falscher Auskünfte
liegt noch nicht vor, wenn der Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für
Arbeit von dem Arbeitneh-mer angegriffen worden ist und noch keine
rechtskräftige Entscheidung vorliegt (so auch LAG Niedersachsen, Urteil
vom 28.03.2003 - 16 Sa 19/03, NZA-RR 2004, 46).
2. Macht der Arbeitnehmer in einem solchen Fall
Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber wegen Verletzung
von Aufklärungspflichten oder Erteilung falscher Auskünfte geltend, ist
nicht die Zahlungs-, sondern die Feststellungsklage nach § 256 ZPO die
richtige Klageart (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1992 - IX ZR 54/92, NJW
1993, 1137).
3. Zum Ausschluss des Schadensersatzanspruchs im Einzelfall wegen
überwiegenden Mitverschuldens des Arbeitsnehmers nach § 254 BGB.
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster
vom 18.11.2004 - 3 Ca 589/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der
zurückgenommenen Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.350,00 € festgesetzt
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über das Bestehen einer Schadensersatzpflicht der Beklagten.
2
Der Kläger war seit dem 01.07.2001 als kaufmännischer Angestellter bei der Beklagten
zu 1) auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.07.2001 zu einem
monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 1.763,00 € beschäftigt.
3
Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die persönlich haftende Gesellschafterin der
Beklagten zu 1). Deren Mitinhaberin ist die als Zeugin vernommene Schwester des
Klägers d1 C1xxx P1xxx, die zugleich auch Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten
zu 2) ist.
4
Nachdem Ende 2002/Anfang 2003 wirtschaftliche Schwierigkeiten bei der Beklagten zu
1) aufgetreten waren, entschied sie sich nach Beratung durch ihren Steuerberater R3xx-
S3xxxxxxxx dazu, das Personal im Verwaltungsbereich zu reduzieren. Im Zuge der
beschlossenen Personalreduzierung war auch beabsichtigt, den Arbeitsplatz des
Klägers zu streichen.
5
Wegen der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wurden
mit ihm Ende Oktober/Anfang November 2003 mehrere Gespräche geführt, in denen die
wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten zu 1) und die Auswirkungen der
beabsichtigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Zahlung auf Leistungen der
Bundesagentur für Arbeit erörtert wurden. Anfang November 2003 fand zwischen dem
Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) ein Gespräch über die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses statt, in dem nochmals die Auswirkungen einer
einvernehmlichen Beendigung auf Bezug von Arbeitslosengeld Gesprächsthema
waren. Welchen Inhalt genau dieses Gespräch hatte, an dem auch die Mitarbeiterin des
Steuerberaterbüros R3xx-S3xxxxxxxx, die Zeugin S4xx, sowie die Mitinhaberin der
Beklagten zu 1) und Schwester des Klägers da C1xxx P1xxx teilnahmen, ist zwischen
den Parteien streitig.
6
Am 30.11.2003 unterzeichnete der Kläger einen von der Zeugin S4xx vorbereiteten
Aufhebungsvertrag, der u.a. folgenden Wortlaut hat:
7
"§ 1 Beendigung
8
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das seit dem 01.07.2001 bestehende
Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung
vom 30.11.2003 zum 31.12.2003 endet.
9
§ 2 Abfindung
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Anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung
gemäß §§ 9, 10 KSchG, §§ 3 Nr. 9, 24, 34 EStG in Höhe von € 2.100,00. Der
vorbenannte Abfindungsbetrag ist in 12 Monatsraten a € 175,00 an den
Arbeitnehmer ab dem 31.01.2004 auszuzahlen."
11
In der Folgezeit verhängte die Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf den
abgeschlossenen Aufhebungsvertrag mit Bescheid vom 19.01.2004 (Bl. 14 der PKH-
Akte) eine Sperrzeit mit der Folge, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01. bis zum
24.03.2004 keine Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhielt. Ab dem 25.03.2004
bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 162,75 € netto pro Woche basierend auf
einem Bemessungsentgelt von 410,-- € pro Woche.
12
Gegen den Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 19.01.2004 erhob der
Kläger nach einem erfolgslosen Widerspruchsverfahren eine Klage beim Sozialgericht
Münster (Az.: S 1 AL 129/04). Das sozialgerichtliche Verfahren ist noch nicht
abgeschlossen.
13
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.03.2004 (Bl. 12 bis 14 d. GA)
erklärte der Kläger die Anfechtung des Aufhebungsvertrages vom 30.11.2003.
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Nachdem die Beklagte zu 1) die in dem Schreiben vom 30.03.2004 unter Berufung auf
die erklärte Anfechtung begehrte Weiterbeschäftigung des Klägers ablehnte, hat der
Kläger unter dem 30.04.2004 eine Klage erhoben, die in erster Linie auf die Feststellung
des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und seine Weiterbeschäftigung gerichtet
war, und mit der er nur hilfsweise Schadensersatzansprüche im Wege der Leistungs-
sowie einer Feststellungsklage geltend gemacht hat. In der mündlichen Verhandlung
vor dem Arbeitsgericht am 18.11.2004 hat der Kläger die auf Feststellung des
Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses sowie auf seine Weiterbeschäftigung gerichtete
Klage zurückgenommen und nur noch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten
verfolgt.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten seien ihm gegenüber zum Schadensersatz
verpflichtet, weil er von der Beklagten zu 1) falsch über die Folgen des
abgeschlossenen Aufhebungsvertrages aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus sei er
auch davon abgehalten worden, selbst Erkundigungen bei der Bundesagentur für Arbeit
einzuholen.
16
Er behauptet, dass er mehrfach betont habe, dass er den Aufhebungsvertrag nur dann
abschließen werde, wenn er unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld erhalten werde. Den Aufhebungsvertrag habe er
erst unterschrieben, nachdem ihm die Zeugin S4xx in einem Gespräch erklärt habe,
dass Alles seine Ordnung habe und er bedenkenlos unterschreiben könne, weil er nach
der beim Arbeitsamt eingeholten Auskunft Arbeitslosengeld bekommen würde. Darüber
hinaus behauptet der Kläger, seine Schwester d1 C1xxx P1xxx, die Mitinhaberin der
Beklagten zu 1) , und die Zeugin S3xxxxxxxx hätten ihm am 30.11.2003 nochmals unter
Berufung auf einen vergleichbaren Fall zugesagt, dass ihm beim Bezug von
Arbeitslosengeld keine Nachteile entstünden, und ihn zur Unterschrift des
Aufhebungsvertrages gedrängt.
17
Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 4.920,00 € brutto
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent-punkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 09.04.2004 zu zahlen, und
19
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver-pflichtet sind,
20
ihm sämtlichen Schaden anlässlich des Auf-hebungsvertrages vom
30.11.2003 zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22
Die Beklagten haben behauptet, dem Kläger sei weder eine falsche Auskunft über die
Fol-gen des Aufhebungsvertrages erteilt noch sei der Kläger davon abgehalten worden,
selbst Erkundigungen bei der Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Die Zeugin S4xx
habe gegen-über dem Kläger lediglich erklärt, dass sie davon ausgehe, dass keine
Sperrzeit verhängt werde. Darüber hinaus habe sie dem Kläger geraten, selbst
Rücksprache mit der Bundes-agentur für Arbeit zu nehmen.
23
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen
S4xx und S3xxxxxx sowie eine Vernehmung der Mitinhaberin der Beklagten zu 1) da
C1xxx P1xxx als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 18.11.2004 (Bl. 56 bis 60 d. GA.) Bezug
genommen.
24
Durch Urteil vom 18.11.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte zu 1) habe im
Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages keine bestehende
Aufklärungsfrist verletzt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme durch
Vernehmung der Zeuginnen S4xx, S3xxxxxxxx und da C1xxx P1xxx könne auch nicht
davon ausgegangen werden, dass dem Kläger zugesichert bzw. die falsche Auskunft
erteilt worden sei, dass er keine Sperrzeit er-halten werde. Denn für den Kläger sei aus
dem Hinweis auf den vergleichbaren Fall, in dem keine Sperrzeit verhängt worden sei,
erkennbar gewesen, dass bezogen auf seinen Einzel-fall keine verbindliche Auskunft
erteilt werde.
25
Der Kläger hat gegen das ihm am 10.12.2004 zugestellte Urteil am 07.01.2005 Berufung
eingelegt und sie am 07.01.2005 begründet.
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Der Kläger vertritt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die
An-sicht, dass die Beklagte zu 1) ihm eine falsche Auskunft hinsichtlich der
sozialrechtlichen Auswirkungen des Aufhebungsvertrages erteilt habe. Darüber hinaus
ist der Kläger der Ansicht, die Beklagte zu 1) hätte aufgrund der Tatsache, dass der
Abschluss des Aufhebungsvertrages im betrieblichen Interesse erfolgt sei, und sie
zudem den Eindruck erweckt habe, sie werde bei der vorzeitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses auch seine Interessen wahren, erhöhte Hinweis- bzw.
Aufklärungspflichten. Diese erhöhten Hinweis- und Aufklärungspflichten habe sie
verletzt, indem sie durch den Hinweis auf einen vergleichbaren Fall den Eindruck
erweckt habe, auch er werde bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages keine
Sperrzeit erhalten. Da er im Vertrauen auf diese Erklärung den Aufhebungsvertrag
unterzeichnet habe, seien die Beklagten auch beim Fehlen eines Beratungsfehlers
bereits aufgrund der Verletzung der gesteigerten Hinweis- und Aufklärungspflichten zum
Schadensersatz verpflichtet.
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Der Kläger beantragt,
28
unter Rücknahme der Berufung im Übrigen
29
1. die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) wie ein Gesamtschuldner neben
der Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn 1.953,-- € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2004 zu zahlen,
und
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2. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) sowie die Beklagte zu 2) wie ein
Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1) ver-
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pflichtet sind, ihm sämtlichen Schaden des Aufhebungsver-
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trages vom 30.11.2003 zu ersetzen.
33
Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
35
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil
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Wegen des Parteienvorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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I.
40
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde
auch form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64
Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
41
II.
42
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht im Ergebnis
zu Recht die Klage abgewiesen hat.
43
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe von 1.953,-- € aus § 280 Abs. 1 BGB zu, für den die Beklagte
zu 2) als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) nach § 128 Abs. 1
HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB einzustehen hätte.
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Ob der Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit dem Abschluss des
Aufhebungsvertrages eine nach § 278 BGB zurechenbare schuldhafte Pflichtverletzung
vorzuwerfen ist, kann für die Entscheidung der Zahlungsklage offen bleiben. Denn die
auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage ist jedenfalls deswegen unbegründet,
weil nicht feststeht, ob dem Kläger aufgrund des Abschlusses des Aufhebungsvertrages
ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Vermögensschaden entstanden ist.
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a. Ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Vermögensschaden besteht ausgehend von
46
a. Ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Vermögensschaden besteht ausgehend von
der sog. Differenzhypothese nur dann, wenn der gegenwärtige tatsächliche Wert des
Vermögens des Geschädigten geringer ist, als der Wert, den das Vermögen ohne das
die Schadensersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (BVerfG, Beschluss vom
12.11.1997 – 1 BvR 479/92, NJW 1998, 519; BAG, Urteil vom 05.03.1985 – 1 AZR
468/83, NJW 1985, 2545; BGH, Urteil vom 10.07.2001 – VI ZR 206/00, BB 2001, 1704;
Palandt/Heinrichs, 64. Auflage, Vorbem. V. § 249 BGB Rdnr. 8 f.; jeweils m.w.N.). Nach
diesen Grundsätzen ist dem Kläger bisher kein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger
Schaden entstanden.
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b. Der Kläger hat gegen den Sperrzeitbescheid der Bundesagentur für Arbeit nach
einem erfolgslosen Widerspruchsverfahren Klage beim Sozialgericht Münster mit dem
Ziel der Aufhebung der Sperrzeit eingelegt. Der Sperrzeitbescheid der Bundesagentur
für Arbeit vom 19.01.2004 ist damit noch nicht rechtskräftig, so dass noch nicht feststeht,
ob und gegebenenfalls inwieweit dem Kläger ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger
Schaden tatsächlich entstehen wird. Denn derjenige, der einen behördlichen Bescheid
mit einem Rechtsbehelf bekämpft, bringt selbst zum Ausdruck, dass er die Aufhebung
des belastenden Bescheides und damit die Vermeidung des Vermögensnachteils noch
für möglich hält. Solange der Kläger gegen den Sperrzeitbescheid vorgeht, hat er
folglich auch kein berechtigtes Interesse daran, von der Beklagen zu 1) als der
vermeintlichen Schuldnerin des Schadensersatzanspruchs bereits Zahlung zu erhalten.
Dementsprechend entsteht ein nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Schaden in Höhe des
aufgrund der verhängten Sperrzeit nicht gezahlten Arbeitslosengeldes erst dann, wenn
endgültig feststeht, dass eine Zahlung durch die Bundesagentur für Arbeit nicht erfolgen
wird. Die auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage ist daher mangels eines
ersatzfähigen Schadens unbegründet (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1992 – IX ZR 54/92,
NJW 1993, 1137; LAG Niedersachsen, Urteil vom 28.03.2003 – 16 Sa 19/03, NZA-RR
2004, 46). Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Beklagte zum Ersatz eines
Schadens verurteilt werden könnte, der letztlich dem Kläger bei einem obsiegenden
Urteil in dem sozialgerichtlichen Verfahren gar nicht entstanden ist.
47
2. Die Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten ist zwar
zulässig, aber unbegründet.
48
a. Die Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO ist zulässig. Insbesondere liegt das
nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Denn dieses besteht bei der
Klage auf Feststellung einer bestehenden Schadensersatzpflicht bereits dann, wenn
eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts besteht (BAG, Urteil vom
12.12.2002 – 8 AZR 497/01, ZTR 2003, 243; BGH, Urteil vom 16.01.2001 – VI ZR
381/99, NJW 2001, 1431). Die für die Annahme des Feststellungsinteresses nach § 256
ZPO erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts ist jedenfalls dann gegeben,
wenn von einer Behörde bereits ein nachteiliger Bescheid erlassen worden ist, der den
Vermögensnachteil begründet, dessen Ersatz geltend gemacht wird. Denn die
Feststellungsklage ist in einem solchen Fall die Klage, mit der der Anspruchssteller
mangels feststehenden Schadens seine berechtigten Interessen durchsetzten kann (vgl.
BGH, Urteil vom 10.12.1992 – IX ZR 54/92, NJW 1983, 1137).
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b. Die Feststellungsklage ist aber unbegründet, weil das Arbeitsgericht im Ergebnis zu
Recht festgestellt hat, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht besteht.
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a. Voraussetzung für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten nach §
280 Abs. 1 BGB ist zunächst, dass eine der Beklagten zu 1) zurechenbare schuldhafte
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Vertragspflichtverletzung vorliegt, die für den aufgrund der Verhängung der Sperrzeit
durch die Bundesagentur für Arbeit möglichen Vermögensschaden des Klägers
ursächlich ist.
aa) Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass nach dem Ergebnis der
durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen ist, dass die Zeugin S4xx dem Kläger
im Rahmen der Gespräche über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugesichert
hat, dass er bedenkenlos den Aufhebungsvertrag unterschreiben könne, weil sie sich
zuvor bei der Bundesagentur für Arbeit erkundigt und die Auskunft erhalten habe, der
Kläger werde Arbeitslosengeld erhalten. Denn diese Behauptung des Klägers ist von
den Zeuginnen S4xx und S3xxxxxxxx sowie der als Zeugin vernommenen Mitinhaberin
der Beklagten d1 C1xxx P1xxx nicht bestätigt worden. Die insoweit überzeugenden
Feststellungen des Arbeitsgerichts werden in der Berufungsinstanz von dem Kläger
auch nicht angegriffen, so dass mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen ist, dass eine
Zusicherung, die eine Schadensersatzpflicht der Beklagten begründen würde, bezüglich
der Gewährung von Arbeitslosengeld bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages
nicht vorlag.
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bb) Ebenfalls zu Recht hat das Arbeitsgericht nach dem Ergebnis der durchgeführten
Beweisaufnahme festgestellt, dass die Zeugin S4xx als Erfüllungsgehilfin der Beklagten
zu 1) keine fehlerhafte Beratung des Klägers hinsichtlich der
sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages vorgenommen hat, für
die die Beklagte zu 1) nach § 278 BGB einzustehen hätte. Denn die Zeugin hat dem
Kläger nur mitgeteilt, dass die Bundesagentur in einem vergleichbaren Fall keine
Sperrzeit verhängt hat, so dass sie davon ausgeht, dass auch der Kläger keine Sperrzeit
bekommt. Für den Kläger war deshalb nach dem Inhalt der Erklärung der Zeugin S4xx
und den Gesamtumständen erkennbar, dass die Zeugin S4xx nur eine Erwartung
bezogen auf einen vergleichbaren Fall geäußert und keine Beratung des Klägers
übernommen bzw. keine verbindliche Auskunft hinsichtlich der
sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen des Abschlusses des
Aufhebungsvertrages erteilt hat. Diese Feststellungen des Arbeitsgerichts werden vom
Kläger in der Berufungsinstanz ebenfalls nicht angegriffen.
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bb. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz geltend macht, die Beklagte zu 1) sei
auch beim Fehlen einer Beratung bzw. einer Zusicherung der Gewährung von
Arbeitslosengeld zum Schadensersatz aufgrund der gesteigerten Hinweis- und
Aufklärungspflichten beim Ab-schluss des auf ihren Wunsch und ausschließlich in ihrem
Interesse zustande gekommenen Aufhebungsvertrages verpflichtet, so rechtfertigt auch
dieses Vorbringen des Klägers nicht die Annahme einer Schadensersatzpflicht der
Beklagten zu 1).
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cc) Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz geltend macht, die Beklagte zu 1) sei
auch beim Fehlen einer Beratung bzw. einer Zusicherung der Gewährung von
Arbeitslosengeld zum Schadensersatz aufgrund der gesteigerten Hinweis- und
Aufklärungspflichten beim Abschluss des auf ihren Wunsch und ausschließlich in ihrem
Interesse zustande gekommenen Aufhebungsvertrages verpflichtet, so rechtfertigt auch
dieses Vorbringen des Klägers nicht die Annahme einer Schadensersatzpflicht der
Beklagten zu 1).
55
(1) Den Arbeitgeber können zwar beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der
ausschließlich auf Wunsch des Arbeitgebers und im betrieblichen Interesse
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abgeschlossen wird, erhöhte Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen (BAG, Urteil vom
12.12.2002 – 8 AZR 497/01, ZTR 2003, 243; Urteil vom 21.02.2002 – 2 AZR 749/00, BB
2003, 2335). Dies ändert aber nichts daran, dass der Arbeitnehmer sich grundsätzlich
selbst über die Folgen eines Aufhebungsvertrages informieren muss, so dass die
erhöhten Aufklärungspflichten des Arbeitgebers beim Abschluss des
Aufhebungsvertrages nur dann in Betracht kommen, wenn er den Eindruck erweckt, er
werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende
Aufklärung erheblichen Risiken aussetzten (BAG, Urteil vom 22.04.2004 – 8 AZR
281/03, BAGReport 2004, 324; Urteil vom 21.02.2002 – 2 AZR 749/00, BB 2003, 2335).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt keine schadensersatzbe-gründende
Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) vor.
(2) Der Kläger hat zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass er den Aufhebungsvertrag,
der auf Wunsch und ausschließlich im Interesse der Beklagten zu 1) abgeschlossen
worden ist, nur unterschreiben wird, wenn er keine Probleme beim Bezug von
Arbeitslosengeld bekommt. Gleichwohl kann nach den Umständen des Einzelfalls auch
unter Berücksichtigung der Erklärungen im Rahmen der Gespräche über die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgegangen werden, dass die
Beklagte wegen Verletzung einer erhöhten Aufklärungspflicht schadensersatzpflichtig
ist.
57
(a) Die gesteigerten Hinweis- und Aufklärungspflichten, die aufgrund der Fürsorgepflicht
des Arbeitgebers bestehen, haben den Sinn, den Arbeitnehmer vor nachteiligen Folgen
ei-nes Aufhebungsvertrages zu bewahren, die dem Arbeitnehmer nicht bekannt sind.
Vorlie-gend war dem Kläger bekannt, zumindest aber hat er damit gerechnet, dass der
von der Beklagten gewünschte Abschluss des Aufhebungsvertrages möglicherweise
Folgen beim Bezug von Arbeitslosengeld auslösen kann, weil anderenfalls der Hinweis
darauf, dass er den Aufhebungsvertrag nur unterschreiben werde, wenn er keine
Probleme beim Bezug von Arbeitslosengeld bekomme, nicht verständlich wäre.
Dementsprechend bedurfte der Kläger auch keiner Aufklärung über die möglichen
nachteiligen Folgen des Aufhebungsvertrages, sondern einer verbindlichen Auskunft
darüber, ob die konkret beabsichtigte Aufhebung des Arbeitsvertrages eine Sperrzeit
beim Bezug von Arbeitslosengeld auslösen wird. Dass die Zeuginnen bzw. die
Mitinhaberin der Beklagten zu 1) eine solche zuverlässige Auskunft dem Kläger nicht
erteilen konnten, war für den Kläger auch erkennbar, weil nach dem Ergebnis der
durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass dem Kläger lediglich mitgeteilt worden
ist, dass in einem vergleichbaren Fall keine Sperrzeit verhängt worden ist. Nach dem
Inhalt der geführten Gespräche waren also dem Kläger die möglichen Nachteile
bekannt, die der Abschluss des Aufhebungsvertrages zur Folge haben kann, so dass
der Kläger auch nach der Erklärung der Zeugin S4xx, er werde keine Sperrzeit
bekommen, weil in einem vergleichbaren Fall auch keine Sperrzeit verhängt worden
sei, nicht davon ausgehen konnte, dass er sich selbst nicht mehr über die möglichen
Folgen des beabsichtigten Abschlusses des Aufhebungsvertrages informieren muss.
Vielmehr war für ihn ohne weiteres erkennbar, dass die Zeugin S4xx insoweit nur eine
Erwartung bzw. eine persönliche Annahme aufgrund des vergleichbaren Falles
geäußert hat, die ihn von der grundsätzlichen eigenen Verpflichtung zur Erkundigung
über die möglichen Nachteile des Aufhebungsvertrages nicht entbunden hat.
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(b) Hinzu kommt, dass dem Kläger selbst bereits längere Zeit vor Abschluss des Aufhe-
bungsvertrages die Möglichkeit der Sperrfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
be-kannt war. Auch wenn die Beklagte zu 1) nach dem Inhalt der Gespräche über die
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Beendi-gung des Arbeitsverhältnisses bei dem Kläger den Eindruck erweckt hat, es
werde keine Sperrzeit verhängt, war der Kläger nicht davon entbunden, im eigenen
Interesse eine zuver-lässige Auskunft über die möglichen Folgen des
Aufhebungsvertrages einzuholen (BGH, Urteil vom 22.09.1981 – VI ZR 144/79, NJW
1982, 168; LAG Hamm, Urteil vom 02.12.2003 – 19 Sa 1014/03, LAGReport 2004, 224;
jeweils m.w.N.). Dies gilt vorliegend insbesondere auch deshalb, weil der Kläger bereits
Ende Oktober 2003/Anfang November 2003 darauf hingewiesen worden ist, dass mit
ihm der Abschluss des Aufhebungsvertrages beabsichtigt ist und bereits zu diesem
Zeitpunkt die Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld Ge-sprächsthema war, der
Aufhebungsvertrag selbst aber erst am 30.11.2003 abgeschlossen wurde. Hat aber der
Kläger eigene Erkundigungen bei rechtskundigen Personen oder bei der
Bundesagentur für Arbeit unterlassen, obwohl er mit dem Risiko der Sperrzeit beim Ab-
schluss des Aufhebungsvertrages auch nach der erkennbar unverbindlichen Mitteilung
der Zeugin S4xx rechnen musste und dafür auch vier Wochen Zeit hatte, so hat er damit
auch einen groben Verstoß gegen die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegenden
Sorgfaltspflich-
ten begangen, so dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) jedenfalls
aufgrund des überwiegenden eigenen Verschuldens nach § 254 BGB ausgeschlossen
ist. Denn derjenige, der trotz erkennbaren Risiken nichts unternimmt und damit die
Sorgfalt völlig außer Acht lässt, die im Einzelfall erforderlich ist, um sich vor möglichen
Schäden zu bewahren, muss aufgrund des überwiegenden Eigenverschuldens mit
einem Ausschluss des Schadensersatzanspruchs rechnen (BGH, Urteil vom 22.09.1981
– VI ZR 144/79, NJW 1982, 168; LAG Hamm, Urteil vom 02.12.2003 – 19 Sa 1014/03,
LAGReport 2004, 224; jeweils m.w.N.).
60
Aus alldem folgt, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) aus § 280 Abs. 1
BGB, für die die Beklagte zu 2) wie eine Gesamtschuldnerin nach § 128 Abs. 1 HGB
i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB einzustehen hätte, ausscheidet. Die Feststellungsklage ist
daher ebenfalls unbegründet ist.
61
III
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
63
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG
nicht vorliegen
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Marschollek
Prof. Dr. Remmel
Dau
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