Urteil des LAG Hamm vom 22.05.2006

LArbG Hamm: baustelle, irland, arbeitsgericht, abreise, wohnwagen, mehrarbeit, pause, bezahlung, datum, sonntag

Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 1593/05
Datum:
22.05.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 1593/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 5 Ca 3290/04
Schlagworte:
Überstundenvergütung
Normen:
§ 287 II ZPO
Leitsätze:
Steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Arbeitnehmer
erheblich Überstunden geleistet hat, so kann die Höhe des Anspruchs
auf der Grundlage des § 287 Abs. 2 ZPO durch Schätzung ermittelt
werden
Rechtskraft:
Gegen dieses Urteil ist für beide Parteien mangels ausdrücklicher
Zulassung die Revision nicht statthaft
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 20.04.2005 - 5 Ca 3290/04 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, Überstundenvergütung in Höhe von
3.459,37 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 11.12.2004 zu zahlen, auszahlbar an die
Bundesagentur für Arbeit.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 6/5, der
Kläger zu 1/6.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Bezahlung von Überstunden.
2
Der 55-Jährige Kläger, der Meister im Heizungs- und Sanitärhandwerk ist, war seit dem
17.05.2004 bei der Beklagten als Heizungs-Sanitär-Monteur zu einem Stundenlohn von
12,50 € brutto in Vollzeit (38-Stunden-Woche) beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt
der schriftliche Arbeitsvertrag vom 14.05.2004 (Bl. 6 - 8 d. A.) zugrunde. Die Zahlung
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einer Auslösung, die zwischen den Parteien vereinbart worden ist, deren Höhe aber
zwischen ihnen streitig ist, ist dort nicht geregelt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig
mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der Kläger war zunächst auf Baustellen in Deutschland tätig. Über seine Tätigkeit
erstellte er Stundennachweise, auf deren Grundlage die Beklagte abrechnete. Seine
Lohnabrechnung für Juli 2004 weist 12,5 Überstunden sowie die Zahlung eines
Überstundenzuschlags in Höhe von 25 % aus. Außerdem erhielt er eine Auslösung für
neun Tage in Höhe von 40,-- € pro Arbeitstag. Ab dem 22.07.2004 war der Kläger auf
einer Baustelle in Irland eingesetzt. Für einen privaten Bauherrn war dort der Umbau
eines Hauses durchzuführen. Neben dem Kläger waren in der Zeit vom 24. bis 27.07.
der Ehemann der Geschäftsführerin, der Zeuge B2xxxx, sowie ein Bauhelfer mit
Vornamen J1xx tätig. Nach Abreise des Herrn B2xxxx arbeitete der Kläger mit dem
Bauhelfer J1xx allein weiter, der jedoch am 29.07.2004 die Baustelle verließ. In der Zeit
vom 30.07.2004 bis 05.08.2004 war der Kläger alleine auf der Baustelle. Vom 06.08. bis
19.08.2004 arbeitete er zusammen mit zwei Bauhelfern, den Herren C2xxxxx und
C1xxxxxxxx, die jedoch auch die Baustelle plötzlich verließen. In der Zeit vom 20.08. bis
28.08.2004 war der Kläger alleine auf der Baustelle. Am 30.08.2004 nahm der Zeuge
M1xx H3xxxxxxxx seine Arbeit auf, am 13.09.2004 kam der Zeuge A3xxxxx S3xxxxxx
hinzu. Am 02.10.2004 verließ der Zeuge H3xxxxxxxx die Baustelle. In der Zeit vom 17.
bis 19.10.2004 war der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten erneut auf der
Baustelle anwesend. Außerdem wurde der Zeuge S4xxxx zusätzlich eingesetzt. Am
22.10.2004 kehrte der Kläger von seinem Arbeitsort in Irland nach Deutschland zurück,
um hier seinen Urlaub zu verbringen. Am 26.10.2004 überreichte er der Beklagten
handschriftliche Stundenzettel für den Zeitraum ab Juli 2004 (Bl. 27 ff. d. A.). In der Zeit
seiner Beschäftigung in Irland erhielt der Kläger Lohn auf der Grundlage seiner
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Außerdem wurde ihm Auslösung in Höhe von
40,-- € arbeitstäglich gezahlt.
4
Mit Schreiben vom 26.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos,
hilfsweise fristgerecht u. a. wegen Arbeitsverweigerung und unerlaubter Benutzung
eines Firmenhandys. Unter dem 09.11.2004 kündigte sie vorsorglich nochmals fristlos
wegen der Abgabe falscher Stundennachweise. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit
seiner am 16.11.2004 bei Gericht eingegangenen Klage. Gleichzeitig macht er einen
offenen Vergütungsanspruch für den Zeitraum Juli bis Oktober 2004 in Höhe von
4.663,92 € geltend, den er wie folgt berechnet:
5
Offener Vergütungsanspruch für Juli 2004 in Höhe von 377,79 € brutto:
6
1672,20 Stunden à 12,50 EURO 2.090,00 €
7
Auslöse für 9 Tage Ausland à 44,00 € 396,00 €
8
44,60 Überstunden à 15,63 € 697,10 €
9
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten 3.183,10 €
10
Ausstehende Differenz 377,79 € brutto
11
Offener Vergütungsanspruch für August 2004 in Höhe von 1.706,40 € brutto:
12
159,60 Stunden à 12,50 EURO 1.995,00 €
13
Auslöse für 31 Tage Ausland à 44,00 € 1.364,00 €
14
105,40 Überstunden à 15,63 € 1.647,40 €
15
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten 3.300,00 €
16
Ausstehende Differenz 1.706,40 €
17
Offener Vergütungsanspruch für September 2004 in Höhe von 1.973,-- € brutto
18
167,20 Stunden à 12,50 EURO 2.090,00 €
19
Auslöse für 301 Tage Ausland à 44,00 € 1.320,00 €
20
121,80 Überstunden à 15,63 € 1.903,73 €
21
Bruttovergütung abgerechnet von der Beklagten 5.313,73 €
22
Ausstehende Differenz 1.973,73 €
23
Offene Vergütung für Oktober 2004 in Höhe von 3.592,18 € brutto:
24
159,60 Stunden à 12,50 EURO 1,995,00 €
25
Auslöse für 19 Tage Ausland à 44,00 € 836,00 €
26
48,7 Überstunden à 15,63 € 761,18 €
27
Den Anspruch für Oktober 2004 hat der Kläger, nachdem die Beklagte einen Betrag in
Höhe von 3.285,-- € gezahlt hatte, um diesen Betrag reduziert.
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Durch Teil-Urteil vom 20.04.2005 hat das Arbeitsgericht die auf Bezahlung der
Überstundenvergütung sowie restlicher Auslösung gerichtete Klage in Höhe von
4.365,10 € brutto abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zu seiner
Behauptung, eine Auslösung in Höhe von 44,-- € arbeitstäglich vereinbart zu haben,
habe der Kläger nicht ordnungsgemäß Beweis angetreten. Im Übrigen habe er
akzeptiert, dass ihm seit Juli 2004 eine Auslöse in Höhe von lediglich 40,-- € gezahlt
worden sei. Den Anspruch auf Überstundenvergütung habe der Kläger nicht schlüssig
dargelegt. Er habe lediglich auf beigefügte handschriftliche Stundenzettel Bezug
genommen, die Gesamtzahl der geleisteten Stunden aber nicht nach Daten geordnet.
Unter Berücksichtigung der Stundenübersichten sei nicht erkennbar, für welche nach
Datum und Tageszeit bestimmten Arbeitsstunden der Kläger konkret
Überstundenvergütung begehre. Auch die Anordnung von Überstunden habe er nicht
schlüssig dargelegt.
29
Das Teilurteil ist dem Kläger am 15.07.2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am
11.08.2005 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
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Der Kläger behauptet, anlässlich eines gemeinsamen Essens, das circa 2 Wochen vor
31
der Abreise nach Irland stattgefunden habe, habe die Geschäftsführerin in Anwesenheit
ihres Ehemanns, des Zeugen B2xxxx, sowie seiner Ehefrau erklärt, dass "so viel wie
möglich"
Überstunden gegen Mehrvergütung von 25 % geleistet werden sollten. Er legt eine
Aufstellung vor, die Angaben zur Arbeitszeit, zur Pause, zu den verrichteten Tätigkeiten,
zu Normalstunden und Überstunden sowie zu den jeweils gleichzeitig eingesetzten
weiteren Beschäftigten enthält. Zum Inhalt dieser Aufstellung im Einzelnen wird auf Blatt
150 – 161 der Akte verwiesen. Außerdem bezieht sich der Kläger auf Fotos, um den
Baufortschritt im Einzelnen zu dokumentieren. Insoweit wird auf Blatt 166 – 197 Bezug
genommen.
32
Im Verlauf des Berufungsverfahrens ist der Antrag der Beklagten auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 08.12.2005
mangels Masse abgewiesen worden. Der Kläger hat Antrag auf die Zahlung von
Insolvenzgeld gestellt.
33
Der Kläger beantragt,
34
unter teilweiser Abänderung des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Bochum vom
20.04.2005 – 5 Ca 3290/04 – die Überstundenvergütung in Höhe von 4.188,84
€ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 16.11.2004 an die Bundesagentur für Arbeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
36
die Berufung zurückzuweisen.
37
Sie ist der Ansicht, der Sachvortrag des Klägers im Berufungsverfahren genüge
weiterhin nicht den an die Schlüssigkeit der Klage zu stellenden Anforderungen und
verweist darauf, dass es sich bei dem vorgelegten Stundenzettel nicht um zeitnah
geführte Aufzeichnungen handele. Im Übrigen seien die Angaben unzutreffend.
Arbeitsbeginn des Klägers sei regelmäßig nicht vor 8:00 Uhr gewesen. In der Zeit von
11:00 – 12:00 Uhr habe der Kläger sein Baguette benötigt, in dieser Zeit hätte die Arbeit
geruht. Diese Pause hätte circa 45 Minuten gedauert. Sei kein Baguette vorhanden
gewesen, sei der Kläger in den nächsten Ort gefahren, um welches zu holen, wofür circa
2 Stunden aufgewandt worden seien. Es sei auch an keinem Tag eine Mittagspause
zwischen 12:00 und 12:30 Uhr gemacht worden. An einzelnen Tagen, die die Beklagte
im Einzelnen aufführt, habe der Kläger zudem die Baustelle verlassen. Dies bestätige
auch eine Erklärung des Zeugen S3xxxxxx, die dieser ihr gegenüber abgegeben habe.
Im Übrigen sei nicht erklärt worden, dass in Irland so viel wie möglich habe gearbeitet
werden solle. Es habe vielmehr die regelmäßige Arbeitszeit von 38 Stunden
eingehalten werden sollen.
38
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen
H3xxxxxxxx, S3xxxxxx, B2xxxx und L1xxxxx. Zum Inhalt der Beweisaufnahme im
Einzelnen wird auf das Terminsprotokoll vom 22.05.2006, zum weiteren Sachvortrag der
Parteien auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
39
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
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Der Kläger hat, wie auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung
des Berufungsgerichts feststeht, in seiner Zeit in Irland in einem erheblichen Umfang
Überstunden geleistet, deren Bezahlung er nach § 611 BGB einschließlich eines
vereinbarten Überstundenzuschlags von 25 % verlangen kann. Nicht bewiesen hat der
Kläger jedoch, dass für die ihm geschuldete Auflösung ein Satz von 44,-- € vereinbart
war.
42
I
43
1. Das Arbeitsgericht hat die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für eine
gerichtliche Durchsetzung von Überstundenansprüchen zutreffend dargestellt. Auf diese
Ausführungen wird zunächst Bezug genommen. Diesen Anforderungen genügt der
klägerische Sachvortrag.
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Der Kläger hat vorgetragen, dass anlässlich eines Abendessens, das etwa zwei
Wochen vor der Abreise nach Irland stattgefunden hat, mit der Geschäftsführerin der
Beklagten gesprochen worden sei, dass Überstunden "so viel wie möglich" gegen
Mehrvergütung von 25 % geleistet werden sollten. Er hat des weiteren dargelegt, an
welchen Tagen er wie viele Stunden gearbeitet hat, welches hiervon Normal- und
welches hiervon Überstunden waren. Er hat sowohl die Anfangs- als auch die
Endzeiten angegeben. Außerdem enthält die Aufstellung des Klägers für jeden
Arbeitstag eine Angabe zu den an diesem Tag durchgeführten Tätigkeiten. Im
Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Sachvortrag darüber hinaus dadurch
substanziiert, dass er Fotos über die durchgeführten Bauarbeiten vorgelegt hat, durch
die der Baufortschritt dokumentiert worden ist. Soweit der Kläger für den Monat Oktober
2004 keine Anfangs- bzw. Endzeiten seines täglichen Arbeitseinsatzes angegeben hat,
steht dies der Schlüssigkeit seines Sachvortrags unter den gegebenen Umständen nicht
entgegen. Betriebsübliche bzw. übliche Arbeitszeiten waren nach den vom Kläger
vorgetragenen Absprachen auf der Baustelle in Irland nicht vorgesehen, er sollte
vielmehr "so viel wie möglich" arbeiten. Damit war die Arbeitszeit des Klägers nicht auf
bestimmte Anfangs- und Endzeiten festgelegt. Für den Monat Oktober 2004 hat der
Kläger der Beklagten seine Aufstellung auch zeitnah am 26.10.2004 vorgelegt.
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2. Die Ableistung von Überstunden in einem erheblichen Umfang auf der Baustelle in
Irland steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest. So hat der Zeuge
H3xxxxxxxx, der vom 29.08. bis 03.10. auf der Baustelle war, ausgesagt, dass er die
ganze Zeit mit dem Kläger zusammen gearbeitet habe. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft
waren eine Reihe von Arbeiten bereits durchgeführt, es war die Garage gemauert, eine
Platte gegossen, auf die der Anbau für das Wohnzimmer kommen sollte. Der
Außenanbau des Treppenhauses war halb fertig, außerdem war das Haus selbst
ausgeräumt und waren die Wände durchgebrochen. In der Zeit, in der der Zeuge auf der
Baustelle anwesend war, wurden als Haupttätigkeiten der Abriss des Daches und der
Neuaufbau ausgeführt. Allerdings hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger nicht die
selbe Arbeitszeit wie er selbst erbracht hat, weil er zum einen morgens nicht pünktlich
angefangen habe, teilweise mittags 2 bis 3 Stunden im Wohnwagen gewesen sei und
an zwei oder sogar drei Tagen mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei. Unabhängig
von diesen Angaben ist festzuhalten, dass der Kläger auch nach der Aussage des
Zeugen H3xxxxxxxx in den ersten ein bis zwei Wochen von dessen Anwesenheitszeit
wie dieser im erheblichen Umfang Arbeitsleistung erbracht hat. Die verspätete
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Arbeitsaufnahme wäre erst nach etwa ein bis zwei Wochen aufgetreten. Zu den
Motorradtouren an Arbeitstagen hat der Zeuge zwar keine präzisen zeitlichen Angaben
machen können, nach dem Gesamtzusammenhang seiner Aussage hätten sie etwa drei
Wochen nach seinem Eintreffen stattgefunden.
Die Aussage des Zeugen H3xxxxxxxx, wonach der Kläger nicht immer pünktlich
angefangen, Motorradfahrten an Arbeitstagen gemacht und sich zeitweilig im
Wohnwagen aufgehalten habe, steht jedoch im Widerspruch zur Aussage des Zeugen
S3xxxxxx, der ab dem 13.09.2004 auf der Baustelle gearbeitet hat. Dieser hat erklärt,
dass der Kläger morgens immer pünktlich um 7.00 Uhr angefangen hat und, anders als
vom Zeugen H3xxxxxxxx geschildert, dieser vom Kläger bzw. vom Zeugen S3xxxxxx
geweckt worden sei. Der Kläger hätte danach einen Wecker im Wohnwagen gehabt und
sei immer pünktlich aufgestanden. Er sei auch nicht an Arbeitstagen mit dem Motorrad
weggefahren, sondern hätte an zwei Sonntagen eine Motorradtour unternommen. Dies
mag zwar im Gegensatz zu einer vom Zeugen unterschriebenen, durch den Zeugen
B2xxxx vorformulierten Erklärung stehen. Dies hat der aus Russland stammende Zeuge
damit erklärt, dass er das Schriftstück selbst nicht habe lesen können. Seine Angabe sei
lediglich dahin gegangen, dass der Kläger eine Motorradtour am Wochenende
unternommen habe, womit der Zeuge den Sonntag und nicht Samstag und Sonntag
gemeint habe. Diese Erläuterung erscheint dem Gericht nachvollziehbar, das auch des
weiteren einen glaubwürdigen Eindruck von dem Zeugen gewonnen hat. Seine
Darstellung der Abläufe war überzeugend und nachvollziehbar. Der Zeuge war präzise,
er tätigte seine Aussage bestimmt und mit großer Sicherheit. Die von der Beklagten
behaupteten Einkäufe während der Arbeitszeit hat der Zeuge nicht bestätigt, sondern
überzeugend dargestellt, auf welche Art und Weise die Beschäftigten der Baustelle ihre
Einkäufe getätigt haben.
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Den pünktlichen Arbeitsbeginn des Klägers hat auch der Zeuge B2xxxx für die Zeit
seiner Anwesenheit angegeben. In dieser Zeit hat der Kläger auch keine Motorradtouren
an Arbeitstagen unternommen. Allerdings hat der Zeuge B2xxxx auch erklärt, dass ihm
an der Aufstellung des Klägers Ungereimtheiten aufgefallen seien, die er deshalb
festgestellt haben will, weil die vom Kläger angegebenen Zeiten nicht mit denen
übereingestimmt hätten, die er in einem Buch aufgeschrieben hatte. Diese Aufstellung,
auf die sich die Beklagte schriftsätzlich berufen hatte, hat sie aber nicht vorgelegt. Der
Zeuge ist der auch an ihn ergangenen Aufforderung des Gerichts, vorhandene
schriftliche Unterlagen mitzubringen, nicht nachgekommen. Soweit der Zeuge B2xxxx
mit der Arbeitsleistung des Klägers unzufrieden war, bezog sich dies auf den vom
Kläger am 22.10.2004 angetretenen Urlaub. Das hat jedoch nichts mit der Frage zu tun,
in welchem Umfang der Kläger zuvor Überstunden abgeleistet hat.
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Zusammenfassend lassen sich folgende Feststellungen treffen (§ 286 ZPO).
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Auf der Baustelle in Irland ist in einem erheblichen Umfang Mehrarbeit geleistet worden.
Dies gilt auch für den Kläger. Dieser hat jedenfalls in den ersten ein bis zwei Wochen
der Anwesenheit des Zeugen H3xxxxxxxx und während der Anwesenheit des Zeugen
B2xxxx, des Ehemanns der Geschäftsführerin der Beklagten, wie diese beiden Zeugen
morgens um 7.00 Uhr mit der Arbeit angefangen. Für den Zeitraum von etwa Mitte
September bis zu dessen Abreise am 03.10.2004 hat der Zeuge H3xxxxxxxx zwar einen
späteren Arbeitsbeginn des Klägers bekundet, dies steht aber im Gegensatz zur
Aussage des Zeugen S3xxxxxx, der auch für diese Zeit den pünktlichen Arbeitsbeginn
des Klägers bestätigt hat. Dem folgt das Gericht. Es ist nicht ohne weiteres
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nachvollziehbar, aus welchem Grund der Kläger in der vom Zeugen H3xxxxxxxx
angegebenen Zeit ein anderes Arbeitsverhalten als zuvor und – auch bestätigt durch
den Zeugen B2xxxx – hinterher an den Tag gelegt haben sollte. Soweit der Zeuge
H3xxxxxxxx ausgesagt hat, der Kläger habe seine Arbeit an einzelnen Tagen verlassen,
fehlt es an konkreten Angaben des Zeugen, sodass das Gericht auch in diesem Punkt
der Aussage des Zeugen S3xxxxxx folgt, zumal auch der Zeuge B2xxxx eine solche
Verhaltensweise des Klägers während seiner Anwesenheit nicht festgestellt hat.
Zur Überzeugungsbildung des Gerichts beigetragen haben die vom Kläger
eingereichten Fotos. Der Zeuge H3xxxxxxxx hat ausgesagt, dass ihm diese Fotos
bekannt seien, er selber habe sie vom Kläger erhalten. Der Zeuge konnte auch
angeben, welche Arbeiten in der Zeit, in der er selber auf der Baustelle war,
durchgeführt worden sind. Diesen Fotos ist ein erheblicher Baufortschritt für die gesamte
Zeit des Aufenthalts des Klägers zu entnehmen. Wird die unbestrittene Besetzung der
Baustelle zeitweise mit dem Kläger allein, zeitweise mit ein bis zwei zusätzlichen
Helfern berücksichtigt, so ist ein solcher Baufortschritt nur mit einem erheblichen
Zeiteinsatz zu erreichen. In etwa drei Monaten ist danach nicht nur ein vorhandener
Dachstuhl abgetragen und ein neuer Dachstuhl errichtet worden, es ist außerdem ein
Ausbau des Hauses, ein Treppenhausneubau sowie der Bau einer Doppelgarage mit
Wirtschaftsraum vorgenommen worden. Außerdem ist das Haus ausgeräumt, sind
vorhandene Wände durchbrochen worden. Darüber hinaus hat die Beklagte selbst
zugestanden, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 13.09.2004 bis 21.10.2004
tatsächlich Mehrarbeit geleistet habe, die gegebenenfalls sogar als Überstunden zu
vergüten wäre. Für diesen Zeitraum hat sie lediglich gerügt, dass die Aufzeichnungen
des Klägers derart mangelhaft seien, dass auf der Grundlage dieser Aufzeichnungen
keine Abrechnung erfolgen könne.
51
3. Die danach geleistete Mehrarbeit ist auch von der Beklagten im Sinne der in der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze angeordnet worden. Alle Zeugen haben
ausgesagt, dass ihnen erklärt worden sei, dass auf der Baustelle so viel wie möglich
gearbeitet werden solle. Dies hat der Zeuge H3xxxxxxxx als Absprache mit der
Geschäftsführerin der Beklagten und deren Ehemann angegeben, der Zeuge S3xxxxxx
hat ausgesagt, dass der Ehemann der Geschäftsführerin ihm erklärt habe, dass er
mindestens 10 Stunden arbeiten solle. Die Aussagen der Zeugen entsprechen damit
dem Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der von ihm mit der Geschäftsführerin der
Beklagten getroffenen Absprache. Diese ist von der als Zeugin vernommenen Ehefrau
des Klägers auch bestätigt worden. Die Zeugin hat ausgesagt, dass bei dem
Abendessen, bei dem der Einsatz des Klägers in Irland besprochen worden ist, gesagt
worden sei, dass so viele Zeiten wie möglich habe gearbeitet werden sollen. Der hierzu
gegenbeweislich vernommene Zeuge B2xxxx hat demgegenüber den Sachvortrag der
Beklagten, dass beim gemeinsamen Abendessen gesagt worden sei, dass nicht mehr
als zehn Stunden gearbeitet werden sollten, nicht bestätigt. Unabhängig hiervon
erscheint eine Tätigkeit im Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38
Stunden bei dem in Frage stehenden Baustelleneinsatz in Irland kaum sinnvoll. Es hätte
weder dem Interesse der Beklagten entsprochen, dass der Kläger, dem ja eine
Auslösung gezahlt wurde, lediglich im Umfang von 38 Wochenstunden gearbeitet hätte,
noch hätte im Interesse des Klägers gelegen, der in Irland weder ein Familienleben
hätte führen, noch soziale Beziehungen hätte pflegen können, in einem solchem
Umfang Freizeit zu haben.
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4. Hat der Kläger demnach in der Zeit seines Einsatzes in Irland auf Anordnung der
53
Beklagten in erheblichem Umfang Überstunden geleistet, so steht ihm ein
entsprechender Zahlungsanspruch zu. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht
fest, dass der Kläger in einem zeitlichen Umfang gearbeitet hat, der mit dem des Zeugen
H3xxxxxxxx vergleichbar ist. Diesem hat die Beklagte aber Überstunden bezahlt. Unter
diesen Umständen ist der Umfang der Überstunden gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu
schätzen.
§ 287 Abs. 2 ZPO erlaubt in vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter den im Gesetz
genannten Voraussetzungen auch die Schätzung des Umfangs von
Erfüllungsansprüchen und wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei
der Geltendmachung von Überstundenvergütung angewandt (vgl. BAG vom 21.05.1980
– 5 AZR 194/78 – zit. nach JURIS; BAG vom 11.03.1981 – 5 AZR 878/78 – zit. nach
JURIS; BAG vom 18.09.2001 – 9 AZR 307/90 – NZA 2002, 268). Der Bundesgerichtshof
lässt in ständiger Rechtsprechung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
nach § 89 b Abs. 1 HGB wegen bei Massengeschäften bestehenden tatsächlichen
Schwierigkeiten eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zur Erleichterung sowohl der
Darlegungslast als auch der Beweisführung zu und billigt sogar die Verwendung
statistischen Materials als Grundlage einer Schätzung (vgl. zuletzt BGH vom 10.07.2002
– VII ZR 158/01 – MDR 2002, 1379 m.w.N.). Durch § 287 ZPO soll verhindert werden,
dass eine Klage allein deshalb abgewiesen wird, weil der Kläger nicht in der Lage ist,
den vollen Beweis für die Höhe seines Anspruchs zu erbringen (Zöller/Greger, ZPO, §
287 RdNr. 1). Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO sind
auch im Streitfall erfüllt.
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Die Beklagte hat dem Zeugen H3xxxxxxxx Überstunden vergütet. Sie hat dessen
Abrechnungen, die der Zeuge dem Gericht überlassen hat und bei denen eine Pause
berücksichtigt worden ist, akzeptiert. Dieser hat in einem zeitlichen Umfang von fünf
Wochen 109 Überstunden erbracht, woraus sich abgerundet 20 Überstunden pro
Woche ergeben. Überstunden des Klägers in dieser Größenordnung können für den
Zeitraum der Anwesenheit des Zeugen H3xxxxxxxx ebenfalls angenommen werden.
Die vollständige Aufklärung aller maßgeblichen Umstände wäre jedoch mit weiteren
Schwierigkeiten verbunden. Der vom Kläger ebenfalls als Zeuge benannte Bauherr
befindet sich im Wesentlichen in Irland, außerdem wären weitere Zeugen vorhanden.
Wird auf der Grundlage der dem Zeugen H3xxxxxxxx vergüteten Überstunden dagegen
eine Schätzung vorgenommen, so ergeben sich für den hier in Frage stehenden
Zeitraum von 20 Wochen und zwei Arbeitstagen zugunsten des Klägers 246
Überstunden. Der Kläger selbst hat für die in Frage stehende Zeit 268 Überstunden
errechnet. Unter Berücksichtigung eines Zuschlags von 25 % errechnet sich ein Betrag
von 3.843,75 €. Der Überstundenzuschlag steht dem Kläger zu, wie der Juli-
Abrechnung zu entnehmen ist, in der er ausgewiesen ist. Von dem so errechneten
Betrag hat die Kammer einen Sicherheitsabschlag von 10 % vorgenommen, woraus
sich der ausgeurteilte Betrag von 3.459,32 € errechnet. Der Abschlag ist zu Lasten des
Klägers berechtigt, da diesen die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. zu dieser
Vorgehensweise auch BAG vom 21.05.1980 – 5 AZR 194/78 -).
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Die Forderung des Klägers ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen.
56
5. Da der Kläger einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt hat, der die
Überstundenbezahlung umfasst, ist die Auszahlung wegen übergegangener Forderung
an die Bundesagentur für Arbeit vorzunehmen.
57
Nach § 187 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf
Insolvenzgeld begründen, bereits mit der Antragstellung auf die Bundesagentur für
Arbeit über.
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Durch Beschluss vom 08.12.2005 des Amtsgerichts Bochum ist der Antrag der
Beklagten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden.
Damit sind die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 SGB III für die Zahlung von
Insolvenzgeld grundsätzlich gegeben. Zu den durch das Insolvenzgeld gesicherten
Arbeitsentgeltansprüchen gehört die Überstundenbezahlung (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB
III). Da der Anspruch auf Insolvenzgeld die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses
erfasst, die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 26.10.2004 fristlos gekündigt hat, betrifft
der gesetzliche Anspruchsübergang die streitige Forderung. Der Anspruchsübergang
findet bereits statt, wenn nur die entfernte Möglichkeit besteht, dass die Leistung des
Insolvenzgeldes in Betracht kommt (GK-SGB III/Heß, § 187 RdNr. 3). Ob die
außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 26.10.2004 beendet hat, was
sich auf den Dreimonatszeitraum auswirken könnte, braucht deshalb nicht festgestellt zu
werden. Von dem Anspruchsübergang wird die gesamte Bruttolohnforderung erfasst
(vgl. BAG vom 11.02.1998 – 5 AZR 159/97 – NZA 1998 710; GK-SGB III/Heß, § 187,
RdNr. 2).
59
Auf die Berechtigung des Klägers, den bereits anhängigen Rechtsstreit fortzuführen,
wirkt sich der gesetzliche Forderungsübergang nicht aus, § 265 Abs. 2 ZPO. Die in
dieser gesetzlichen Bestimmung getroffene Regelung findet nicht nur bei Veräußerung
oder Abtretung, sondern auch auf gesetzliche Forderungsübergänge Anwendung
(Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., RdNr. 5). Bei Nachfolge auf Klägerseite muss der Kläger
seinen Antrag auf Leistung an den Nachfolger umstellen. Diese Klageumstellung stellt
eine bloße Modifizierung des Klageantrags dar und ist deshalb auch im
Berufungsverfahren ohne Einschränkung zulässig (Zöller/Greger, aaO., RdNr. 6 a).
60
II
61
Keinen Anspruch besitzt der Kläger jedoch auf die geltend gemachte
Auslösungsdifferenz. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass eine Vereinbarung über eine
Auslösungshöhe von 44,-- € pro Tag getroffen worden ist. In den Lohnabrechnungen der
Beklagten ist, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, eine
Auslösung in Höhe von 40,-- € ausgewiesen. Dies hat der Kläger hingenommen. Auch
wenn er sich in Irland aufgehalten hat, so bedeutet dies nicht, dass er seine
Lohnabrechnungen nicht zur Kenntnis nehmen konnte. Darüber hinaus hat die Zeugin
L1xxxxx seinen Vortrag, dass anlässlich des Abendessens eine Auslösung in Höhe von
44,-- € vereinbart worden sei, nicht bestätigt. Die Zeugin L1xxxxx konnte sich nicht
daran erinnern, dass über die Auslösung bei dem Abendessen gesprochen worden ist.
62
III
63
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
64
Ein Anlass, die Revision zuzulassen, ist nicht ersichtlich.
65
Hackmann
Lüke
Walkowski
66
Bg.Hö
67
Beschluss
68
wird das Urteil vom 22.05.2006 dahingehend berichtigt, dass die Beklagte die Kosten
des Rechtsstreits zu 5/6, der Kläger zu 1/6 trägt.
69
G r ü n d e
70
Bei der im Tenor enthaltenen Kostenentscheidung liegt ein offenbarer Schreibfehler vor,
der nach § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen ist.
71
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, §§ 72, 78
ArbGG.
72
Die Vorsitzende der 16. Kammer
73
Hackmann
74
Vorsitzende Richterin
75
am Landesarbeitsgericht
76