Urteil des LAG Hamm vom 09.04.2008

LArbG Hamm: paritätische kommission, era, dienstanweisung, sicherheit, erfüllung, arbeitsgericht, zusammenarbeit, abstimmung, vergütung, kommunikation

Landesarbeitsgericht Hamm, 2 Sa 1352/07
Datum:
09.04.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 1352/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Iserlohn, 2 Ca 2769/06
Schlagworte:
Führende Parallelsache zu: 2 Sa 1351/07 + 1353/07! ERA-
Eingruppierung hier: Werkschutzmitarbeiter EG 5 oder 6
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn
vom 26.06.2007 - 2 Ca 2769/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.800,00 €
festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers nach dem
Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom
18.12.2003 (ERA).
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Der am 22.02.1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die sich mit der Produktion
von Schmiedeteilen und stranggepressten Halbzeugen aus Aluminium, Magnesium und
anderen Nichteisenmetallen befasst und am Standort M1 etwa 2.400 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter beschäftigt, seit dem 28.08.1972 als Werkschutzmitarbeiter tätig. Unter
der Leitung des Werkschutzleiters beschäftigt die Beklagte insgesamt 18
Werkschutzmitarbeiter. Die beiden Werkschutzmitarbeiter 1 sind in EG 4 eingruppiert,
die 12 Werkschutzmitarbeiter 2 in EG 5 und die 4 Werkschutzmitarbeiter 3, VA in die
Entgeltgruppe 6.
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Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und
Zentralheizungsindustrie NRW Anwendung. Die Beklagte hat zum Stichtag 01.06.2006
das Entgeltrahmenabkommen (ERA) eingeführt.
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Der Kläger war bis zur ERA-Einführung in die Lohngruppe 6 des einschlägigen LRA
eingruppiert. Die Beklagte hat dem Kläger mitgeteilt, er sei unter der Anwendung des
ERA in die Entgeltgruppe 5 eingruppiert. Dem hat der Kläger widersprochen und die
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paritätische Kommission angerufen, die nach Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen
ist, dass die Arbeitsaufgaben des Klägers mit 38 Punkten zu bewerten sind. Bei dem
Anforderungsmerkmal "Können" hat die paritätische Kommission eine Anlernzeit von
sechs Monaten angenommen, beim "Handlungs- und Entscheidungsspielraum" die
Stufe 1 (2 Punkte) und bei dem Anforderungsmerkmal "Kooperation" die Stufe 2 gleich 4
Punkte angenommen.
Der Kläger ist der Auffassung, sowohl bei dem Anforderungsmerkmal "Können" als
auch bei den Anforderungsmerkmalen "Handlungs- und Entscheidungsspielraum"
sowie "Kooperation" sei eine deutlich höhere Bewertungsstufe gerechtfertigt.
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Der Kläger ist nach der vorliegenden Aufgabenbeschreibung (Anlage K 10 zur
Klageschrift Bl. 19 d.A.) mit der Überwachung des Personen- und Fahrzeugverkehrs
nach den hierfür gültigen Anweisungen und Richtlinien befasst. Er erledigt diverse
Büroarbeiten, kümmert sich um den Besucherempfang und die Weiterleitung von
Besuchen, ist mit der Schlüsselannahme und Schlüsselausgabe befasst und führt in
besonderen Fällen an fremden und firmeneigenen Fahrzeugen gemäß der gültigen
Dienstanweisung Fahrzeugkontrollen durch. Gelegentlich übernimmt er die
Telefonvermittlung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufgabenbeschreibung Bezug
genommen.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei dem Anforderungsmerkmal "Können" seien
58 Punkte richtig, weil er Arbeitsaufgaben zu erledigen habe, die ein Können
erforderten, welches in der Regel durch eine abgeschlossene Ausbildung in einem
anerkannten Ausbildungsberuf von mindestens dreijähriger Regelausbildungsdauer
erworben werde. Zur Begründung seiner Auffassung beruft er sich auf die Teilnahme an
den vier Teile umfassenden Lehrgängen "Werkschutzfachkraft" und die Unterrichtung
gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Satz 4 GewO.
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Die Beklagte hat die Zulässigkeit der Klage bezweifelt, weil das Gesamtentgelt des
Klägers nach Einführung von ERA höher sei als vorher. In der Sache selbst habe der
Kläger seine Bedenken gegen die vorgenommene Eingruppierung in die Entgeltgruppe
5 nicht schlüssig dargelegt. Das Ergebnis der paritätischen Kommission sei nicht grob
unbillig und daher verbindlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten
Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.06.2007 abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, die Feststellungsklage sei zulässig aber unbegründet, denn
gemäß § 319 BGB sei die von der paritätischen Kommission getroffene
Eingruppierungsentscheidung nur daraufhin zu überprüfen, ob eine offenbar grobe
Unbilligkeit vorliege. Dies sei nicht der Fall. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Höhergruppierungsverlangen weiter. Sein
ursprünglich angekündigtes Klageziel, nach der Entgeltgruppe 9, hilfsweise nach der
Entgeltgruppe 8 und hilfsweise nach der Entgeltgruppe 6 vergütet zu werden, hat der
Kläger fallengelassen und beschränkt seinen Antrag darauf, die Verpflichtung der
Beklagten, ihn nach der Entgeltgruppe 6 zu vergüten, feststellen zu lassen. Zur
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Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, anders als vom Arbeitsgericht
angenommen sei die Richtigkeit seiner tariflichen Eingruppierung ungeachtet des
Ergebnisses der paritätischen Kommission in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar.
Zum Anforderungsmerkmal "Können" trägt der Kläger vor: Seine Teilnahme an den
fachbezogenen Schulungen und Seminaren sei für seine Tätigkeit unbedingt
erforderlich gewesen. Andernfalls hätte er eine abgeschlossene Ausbildung absolvieren
müssen, um die Tätigkeit als Werkschutzmitarbeiter erfüllen zu können. Ihm sei
durchaus ein Handlungs- und Entscheidungsspielraum zuzubilligen, denn die Erfüllung
der Arbeitsaufgaben sei nur teilweise vorgegeben. In Alarm- und Notfallsituationen habe
er die Zufahrtswege freizuhalten. Weil es gar nicht möglich sei, die vollgestellten Gänge
absolut freizuräumen, entscheide er, was weggeräumt werden müsse. Auch bei
Unfällen oder Feuer entscheide er, ob das Gebäude geräumt werden müsse. Die PKW-
Kontrollen würden stichprobenartig durchgeführt. Da die Beklagte Besuchern und
anderen Personen ausdrücklich darauf hinweise, dass den Anweisungen des
Werkschutzes unbedingt Folge zu leisten sei, sei er gegenüber Fahrern und Monteuren
weisungsbefugt. Bei Personen- und Alkoholkontrollen hätten die Mitarbeiter des
Werkschutzes darüber zu befinden, wie mit störenden Personen umgegangen werden
müsse. Beim Zugang zum Hilfsstofflager überprüften die Werkschutzmitarbeiter die
Zugangsberechtigung. Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfordere nicht nur
regelmäßige Kommunikation und Zusammenarbeit, sondern auch gelegentliche
Abstimmung. Bei Unfällen müssten die einzelnen Werkschutzmitarbeiter abstimmen,
wer welche Aufgaben übernehme. Bei festgestellten Mängeln müsse mit den
Verantwortlichen abgestimmt werden, wie und wie schnell der Mängel abzustellen sei.
Insoweit bestehe eine gegenseitige Einflussnahme auf die zu treffenden
Entscheidungen.
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Der Kläger beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte
verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.06.2006 Vergütung der Entgeltgruppe
6 des ERA für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW
vom 19.12.2003 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers
entgegen. Sie trägt ergänzend vor, die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe
5 sei zu Recht erfolgt, denn er sei nicht als Werkschutzfachkraft, sondern lediglich als
Werkschutzmitarbeiter tätig. Die dafür benötigten Arbeits- und Fachkenntnisse würden
im Allgemeinen durch eine Anlernzeit von sechs Monaten bis zu einem Jahr erworben.
Eine anerkannte und abgeschlossene Ausbildung sei für die Erfüllung der
Arbeitsaufgabe des Klägers nicht erforderlich. Für den Bereich des Werkschutzes
existierten umfangreiche Dienstanweisungen mit Vorgaben zu den Dienstzeiten,
Verhaltensregeln in Ausnahmesituationen, Ausführungen zur Parkplatz- und zur
Brandschutzordnung, zum Personen- und Fahrzeugverkehr sowie zum Sprechfunk. Die
umfangreiche Dienstanweisung von vierzehn Seiten (Bl. 117 - 130 d.A.) schränke den
Gestaltungsspielraum des Klägers wesentlich ein. Den Seiten 10 und 11 der
Dienstanweisung sei insbesondere zu entnehmen, welche Maßnahme die Mitarbeiter
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des Werkschutzes bei Bränden und bei Betriebsunfällen zu ergreifen hätten. Der Kläger
habe danach gerade keinen Entscheidungsspielraum bezüglich der bei Unfällen oder
beim Ausbruch von Feuer zu treffenden Maßnahmen. Hinsichtlich der Durchführung von
PKW-Kontrollen bestehe ebenfalls kein Entscheidungsspielraum, denn auch dazu
enthalte die Dienstanweisung detaillierte Vorgaben. Es sei wohl richtig, dass der Kläger
täglich mit den übrigen Werkschutzmitarbeitern kommuniziere und zusammenarbeite.
Es gehöre aber nicht zur Arbeitsaufgabe des Klägers, sich an Abstimmungsprozessen
zu beteiligen. Bei der Schichtübergabe, der Streifeneinteilung, bei Ablaufstörungen und
bei sonstigen Nachfragen gehe es lediglich um die Weitergabe von Informationen. Bei
Notfällen hätten die Werkschutzmitarbeiter gemäß den Vorgaben der Dienstanweisung
zu handeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen ergänzend
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die
Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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I.
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Die zulässige Eingruppierungsklage des Klägers bleibt erfolglos. Allerdings ist die
zutreffende Eingruppierung des Klägers gemäß § 2 Nr. 2 ERA individualrechtlich in
vollem Umfang zu überprüfen. § 7 ERA-ETV beinhaltet lediglich ein besonderes
Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren unter Einschaltung der paritätischen
Kommission und gegebenenfalls der tariflichen Einigungsstelle gemäß § 24 EMTV. Nur
für die Betriebsparteien wird in diesem Verfahren eine verbindliche Entscheidung
herbeigeführt. Die individualrechtliche Überprüfung der Eingruppierung bleibt davon
unberührt (LAG Düsseldorf 12.01.2007, 10 Sa 1280/06 DB 2005, 1398; LAG Hamm
07.12.2007, 7 Sa 1354/07). Gesetzessystematisch tritt an die Stelle der Mitbestimmung
des Betriebsrats bei Eingruppierungen gemäß § 99 das besondere
Reklamationsverfahren gemäß § 7 ERA-ETV. Nunmehr haben die Tarifvertragsparteien
in der Ergänzungsvereinbarung zum ERA-Einführungstarifvertrag vom 30.09.2004 in der
Fassung vom 20.02.2008 unter Ziffer 19 ausdrücklich klargestellt, dass mit der
Regelung in § 7 ERA-ETV keine Bestimmung im Sinne des § 317 BGB
(Schiedsgutachterstelle) bzw. § 101 ArbGG (Schiedsgericht) getroffen worden ist. Dies
bedeutet, dass der Rechtsweg des Beschäftigten zur Überprüfung seiner
Eingruppierung durch das Ergebnis der paritätischen Kommission tariflich nicht
beschränkt ist.
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II.
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In der Sache selbst hat der Kläger gemäß § 2 Nr. 2 ERA keinen Anspruch auf Vergütung
nach der Entgeltgruppe 6. Grundlage der Eingruppierung ist gemäß § 2 Nr. 3 ERA die
übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe. Bei dem Anforderungsmerkmal
"Können" kommt es nicht auf den zeitlichen Anteil der übertragenen und
auszuführenden Tätigkeiten an, sondern im Rahmen einer ganzheitlichen
Betrachtungsweise ist auf das höchste für die Arbeitsaufgabe erforderliche
Könnensniveau abzustellen. Hingegen muss bei den Anforderungsmerkmalen
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Könnensniveau abzustellen. Hingegen muss bei den Anforderungsmerkmalen
"Handlungs- und Entscheidungsspielraum" sowie "Kooperation" geprüft werden, ob und
inwieweit die Tätigkeiten die Arbeitsaufgabe insgesamt prägen.
In Anwendung dieser Grundsätze kann der Arbeitsaufgabe des Klägers im Rahmen der
Punktbewertung gemäß § 3 ERA eine höhere Gesamtpunktzahl als 43 Punkte nicht
zugebilligt werden, so dass seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5 richtig ist.
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1. Entgegen der Auffassung des Klägers erfordert seine Arbeitsaufgabe als
Werkschutzmitarbeiter kein Können, das in der Regel durch eine abgeschlossene
Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf von mindestens dreijähriger
Regelausbildungsdauer erworben wird. Die von der Beklagten zugrunde gelegte
Anlernzeit von sechs bis zu zwölf Monaten ist nicht zu beanstanden. Mit einer
Werkschutzfachkraft ist die Tätigkeit des Klägers nicht zu vergleichen. Eine Fachkraft für
Schutz und Sicherheit, für die eine Berufsausbildungsdauer von drei Jahren vorgesehen
ist, plant und führt Maßnahmen der Sicherung und der präventiven Gefahrenabwehr
durch, beurteilt Gefährdungspotentiale, leitet Sicherungsmaßnahmen ein, überprüft und
überwacht die Einhaltung objektbezogener Schutz- und Sicherheitsvorschriften auf dem
Gebiet des Brandschutzes, des Umweltschutzes und des Datenschutzes (vgl.
Berufsinformation Bundesagentur für Arbeit, Fachkraft Schutz und Sicherheit). Nach den
einschlägigen Berufsausbildungsverordnungen beinhaltet der Ausbildungsrahmenplan
für den Ausbildungsberuf Fachkraft für Schutz und Sicherheit ein weit über die Tätigkeit
des Klägers hinausgehendes Spektrum (vgl. Verordnung über die Berufsausbildung zur
Fachkraft für Schutz und Sicherheit vom 21.05.2008 BGBL Jahrgang 2008, Teil I Nr. 21,
Seite 932 und Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfte
Werkschutzfachkraft vom 20.08.1982, Bundesgesetzblatt Jahrgang 1982, Teil I, Seite
1232). Daran ändert die vom Kläger vorgelegte Prüfung über den anerkannten
Abschluss als geprüfte Werkschutzfachkraft der IHK K2 vom 19.05.2005 ebenso wenig,
wie seine Teilnahme an den Werkschutzfachkraftlehrgängen. Für die ERA-
Eingruppierung kommt es ausschließlich darauf an, ob das für die Ausführung der
Arbeitsaufgabe erforderliche Können bei objektiver, von der betreffenden Person
losgelösten Betrachtungsweise durch Anlernen erworben werden kann oder ob die zur
Erfüllung der Arbeitsaufgabe erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten
durch eine einschlägige Berufsausbildung erworben werden. Durch die eingereichten
Sachkundenachweise und Teilnahmebescheinigungen wird der Kläger nicht zur
Fachkraft für Schutz und Sicherheit, sondern maßgeblich sind allein die unstreitig
wahrgenommenen Arbeitsaufgaben. Danach gehören die Überwachung des Personen-
und Fahrzeugverkehrs und dessen Kontrolle, die Meldung von sicherheitsrelevanten
Vorkommnissen und die Durchführung von Streifen- und Kontrollgängen zu den
wesentlichen Aufgaben des Klägers. Eine dreijährige Ausbildung als Fachkraft für
Schutz- und Sicherheit benötigt er dafür nicht. Es ist nachvollziehbar und schlüssig,
dass dafür eine nicht über ein Jahr hinausgehende Anlernzeit ausreicht.
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2. Die Beklagte und die paritätische Kommission haben beim Handlungs- und
Entscheidungsspielraum die Stufe 1 gleich 2 Punkte als erfüllt angesehen. Auch dies ist
nicht zu beanstanden. Wenn wie hier die im Rahmen eindeutig vorbestimmter Ziele zu
entfaltenden Tätigkeiten detailliert durch eine Dienstanweisung vorgegeben sind, kann
von einem nennenswerten Handlungs- und Entscheidungsspielraum nicht gesprochen
werden. Wie sich der Kläger bei der Dienstausübung zu verhalten und was er zu
beachten hat, ergibt sich im Einzelnen aus Ziffer 4. der vorgelegten Dienstanweisung.
Was bei Bränden, bei Betriebsunfällen und bei sonstigen Störungen zu veranlassen ist,
ist in der genannten Dienstanweisung ebenfalls im Einzelnen unter den Ziffern 7.bis 9.
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geregelt. Gemäß 7.2.3 hat der Kläger für das Freihalten der Zufahrtswege für die
Feuerwehr zu sorgen. Unter Berücksichtigung von Umsicht, Gewissenhaftigkeit und
Zuverlässigkeit bleibt dem Kläger kein nennenswerter Spielraum, um eigene
Vorgehensweisen zu entwickeln und umzusetzen. Es darf nicht verkannt werden, dass
es neben der Alarmierung der Feuerwehr zu den Aufgaben des Klägers gehört, den im
einschlägigen Ordner "Alarm- und Notfallorganisation" genannten Personenkreis zu
benachrichtigen. Selbst wenn im Einzelfall zu veranlassen ist, welche Gegenstände,
Fahrzeuge oder sonstige Hindernisse von den Zufahrtswegen fernzuhalten sind, ergibt
sich dadurch kein Gestaltungsspielraum, der die Tätigkeit des Klägers als
Werkschutzmitarbeiter kennzeichnet. Sind die Tätigkeiten wie hier im Einzelnen
vorgegeben, eröffnet deren Umsetzen noch keinen Handlungs- und
Entscheidungsspielraum im Sinne von § 3 Nr. 1 2. ERA.
3. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Erfüllung der Arbeitsaufgaben des
Klägers eine regelmäßige Kommunikation und Zusammenarbeit sowie gelegentliche
Abstimmung voraussetzt. Im Rahmen des Anforderungsmerkmals "Kooperation" ist die
Stufe 3 noch nicht erfüllt. Eine regelmäßige Kommunikation und Zusammenarbeit kann
bejaht werden. Es fehlt aber an den erforderlichen Abstimmungsprozessen, denn es
gehört nicht zur Arbeitsaufgabe des Klägers, seinen Einsatz mit anderen
Werkschutzmitarbeitern abzustimmen. In der Berufungsverhandlung konnte zunächst
geklärt werden, dass es bei Störungen, Unfällen und dergleichen einen Notfallplan gibt,
in dem im Einzelnen geregelt ist, wer angerufen werden muss. Eine Einsatzplanung der
Werkschutzmitarbeiter untereinander, d.h. die Abstimmung wer wo und mit welcher
zeitlicher Priorität gegebenenfalls tätig wird, gehört nicht zur Arbeitsaufgabe des
Klägers. In allen Schichten gibt es nämlich einen Wachleiter, der die erforderlichen
fachlichen Anweisungen erteilt. Wenn festzulegen ist, welche Mitarbeiter an welchen
Orten eingesetzt werden, geschieht dies durch den Wachleiter. Die
Werkschutzmitarbeiter klären ihren Einsatz nicht untereinander, sondern dies ist auch
durch den Eingang der Störmeldung vorgegeben. Durch das Verfahren beim Eingang
von Störmeldungen und die Dienstanweisung sind die Abläufe und die Einsätze bei
allen Störmeldungen mit den entsprechenden Handlungsanweisungen vorgegeben. Es
mag sein, dass der Kläger aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit über eine besonders
ausgeprägte Berufserfahrung verfügt und in besonderer Weise in der Lage ist, die ihm
gestellten Aufgaben zu erfüllen. Dies sind indes keine Kriterien, die für die ERA-
Eingruppierung Bedeutung erlangen. Die Arbeitsaufgaben des Klägers sind jedenfalls
nicht mit Abstimmungserfordernissen im Sinne der Stufe 3 des Anforderungsmerkmals
"Kooperation" verbunden.
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III.
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Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen
Rechtsmittels zu tragen.
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Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und ist daher neu festgesetzt
worden. Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG ist der dreijährige Unterschiedsbetrag zur
begehrten Vergütung veranschlagt worden.
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Bertram
Kulik
Jostes
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