Urteil des LAG Hamm vom 26.04.2007

LArbG Hamm: kündigung, wider besseres wissen, anspruch auf beschäftigung, maschine, arbeitsunfähigkeit, verfügung, arbeitsgericht, abfindung, arbeitsfähigkeit, krankenversicherung

Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 42/07
Datum:
26.04.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 42/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Iserlohn, 5 Ca 157/06
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 2 AZN 874/07
Schlagworte:
Personenbedingte Kündigung; Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf
einem leidensgerechten Arbeitsplatz
Normen:
§ 1 KSchG
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Iserlohn vom 12.09.2006 - 5 Ca 157/06 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgemäßen, personenbedingten
Kündigung und um einen hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten.
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Die am 01.02.12xx geborene, ledige Klägerin ist seit dem 03.04.1989 als Arbeiterin mit
Anlerntätigkeiten gegen ein Bruttomonatseinkommen von zuletzt 1.950,00 EUR bei der
Beklagten beschäftigt. Sie ist behindert mit einem Grad der Behinderung von 40 und
einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10
Arbeitnehmer beschäftigt, ist ein Betriebsrat gewählt.
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Die Klägerin war bei der Beklagten in verschiedenen Bereichen eingesetzt, so unter
anderem in der Galvanik, in der sie Aufstecktätigkeiten ausführte, im Rahmen der
Qualitätskontrolle im Bereich der Galvanik, in der Vormontage, in der Abteilung
Dreherei, in der sie Werkstücke umpackte, und in der Montageabteilung, in der sie
zuletzt an der sogenannten Blistermaschine eingesetzt war.
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Im Jahre 1998 war die Klägerin an 10 bezahlten Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, im
Jahre 1999 an 3 bezahlten Arbeitstagen, im Jahre 2000 an 39 bezahlten Arbeitstagen,
im Jahre 2001 an 30 bezahlten Arbeitstagen sowie im Jahre 2002 an 61 bezahlten und
18 unbezahlten Arbeitstagen; seit dem 23.10.2002 ist die Klägerin ununterbrochen
arbeitsunfähig krank für die Tätigkeit an der Blistermaschine, an der sie zuletzt
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eingesetzt war.
Unter dem Datum des 09.01.2003 erstellte der medizinische Dienst der
Krankenversicherung W2xxxxxxx-L2xxx ein sozialmedizinisches Gutachten; wegen
seiner Einzelheiten wird auf Bl. 41-45 d.A. Bezug genommen. Unter dem Datum des
06.03.2003 gab das Zentrum für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit I2xxxxxx e.V. eine
medizinische Beurteilung ab, die folgenden Inhalt hat:
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Das Urteil hat hier eine Auflistung die aus technischen Gründen nicht eingesetzt
werden kann.
7
Das Urteil kann in vollständiger Form für 12,,50 € beim Landesarbeitsgericht
angefordert werden.
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Am 15.05.2003 fand daraufhin mit der Klägerin ein Personalgespräch über denkbare
alternative Einsatzmöglichkeiten statt.
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Mit Schreiben vom 26.01.2004 beantragte die Beklagte beim Landschaftsverband
W2xxxxxxx-L2xxx (Integrationsamt) die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der
Klägerin.
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Am 02.02.2004 fand eine Anhörung der Klägerin in Anwesenheit einer Vertreterin des
Integrationsamtes und einer Mitarbeiterin der Stadt I2xxxxxx statt. Hierbei erklärte die
Klägerin, sie halte für sich einsetzbar und könne Tätigkeiten an verschiedenen
Arbeitsplätzen bei der Beklagten ausüben. Dies teilte die Klägerin mit Schreiben vom
13.02.2004 dem Integrationsamt mit. Am 29.03.2004 fand unter Beteiligung des
Integrationsamtes, des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung eine
Begehung im Betrieb der Beklagten statt. Hierbei wurde geprüft, ob alternative
Arbeitsplätze für die Klägerin zur Verfügung standen. Mit Bescheid vom 15.12.2005
erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Wegen der
Einzelheiten der Zustimmungsentscheidung wird auf Bl. 36 ff. d.A. Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 03.01.2006 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten
ordentlichen Kündigung der Klägerin an. Hinsichtlich der Einzelheiten des
Anhörungsschreibens wird auf Bl. 49 ff. d.A. verwiesen. Der Betriebsrat teilte der
Beklagten mit Schreiben vom 05.01.2006 mit, er habe gegen die Kündigung keine
Einwände (Bl. 52 d.A.).
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Mit Schreiben vom 05.01.2006, welches der Klägerin am gleichen Tage zuging, erklärte
die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2006. Hiergegen richtet
sich die am 13.01.2006 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangene Feststellungsklage.
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Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung vom 05.01.2006 sei als rechtsunwirksam
anzusehen. Zwar habe der Arbeitsmediziner B5xxxxx in seiner Stellungnahme vom
06.03.2003 ausgeführt, dass sie, die Klägerin, an ihrem jetzigen Arbeitsplatz nicht weiter
eingesetzt werden könne. Bei der Beklagten stünden aber zahlreiche
Anlernarbeitsplätze in den Bereichen Qualitätskontrolle, Galvanik, Vormontage,
Dreherei, Kundenrücksendung, Etikettenraum, Lager und Kernmacherei zur Verfügung,
an denen sie unter Berücksichtigung der festgestellten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen einsetzbar sei. Insoweit sei sie ab dem 08.02.2004 arbeitsfähig
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gewesen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe keine weitere und
durchgängige Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Sie, die Klägerin, habe ab diesem
Zeitpunkt zum einen der Arbeitsvermittlung als auch der Beklagten arbeitsfähig zur
Verfügung gestanden, so diese denn ihre Leistung auch tatsächlich abgefordert hätte.
Soweit die Arbeitsplätze in der Vormontage in Frage stünden, seien diese nicht
ersatzlos weggefallen. Die Arbeitsplätze seien lediglich aus dem ersten Obergeschoss
in die Montagehalle verlagert worden. Gerade dort seien sogenannte
Schonarbeitsplätze geschaffen worden.
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Auch in der Dreherei stünden geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung. Zwar seien dort
teilweise Lasten von mehr als 15 kg zu bewältigen; allerdings existierten Hebehilfen,
über die verschlossene Kästen auf ein automatisches Rollband gehoben und weiter
transportiert würden. Darüber hinaus würden dort Armaturen gespült und einer
Sichtprüfung unterzogen. Die hierbei zu bewegenden Lasten lägen unterhalb von 5 kg.
An einem weiteren Arbeitsplatz werde durch die Kontrolleinrichtung mit aufleuchtendem
Rotlicht ein Werkstück gegebenenfalls aussortiert. Darüber hinaus seien in der
Stanzerei drei Arbeitsplätze vorhanden, an denen Kleinteile hergestellt würden. Dort
könne sie behindertengerecht beschäftigt werden.
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Auch im Bereich der Montageabteilung sei sie, die Klägerin in der Kartuschenfertigung
einsetzbar. Dort würden Teile von ungefähr 500 g Eigengewicht zusammengesteckt
bzw. mit weiteren Bestandteilen zusammengebaut. Auch das Nachfüllen der
Plastikgehäuse und Plastikhülsen könne sie übernehmen, da auch hier Lasten von
unter 5 kg zu bewegen seien. Ähnliches gelte für die Fertigung der Thermoelemente.
Die an diesen Arbeitsplätzen gegebene Akkordentlohnung stehe ihrem Einsatz nicht
entgegen.
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Auch den Arbeitsplatz im Etikettenraum könne sie übernehmen. Die Arbeit bestehe dort
darin, dass ein durch die Etikettiermaschine hergestelltes Etikett auf einen Karton
geklebt werde. Soweit die Beklagte vortrage, der "Etikettenraum" sei verkleinert worden
und falle in Zukunft weg, treffe dies nicht zu. Die Beklagte verwechsele insoweit
möglicherweise den Tätigkeitsbereich. Bei der Beklagten existiere eine Maschine, mit
der Etiketten zentral für die Werkstücke hergestellt würden. Diese Maschine erfordere
die Programmierung mit dem Text/Inhalt des auszudruckenden Etiketts, das für die
jeweiligen Werkstücke benötigt werde. Nach dem Programmieren arbeite die Maschine
den Vorgang automatisch ab. Es müsse lediglich der Bestand nachgefüllt und
kontrolliert werden. Starke körperliche Anforderungen bestünden an diesem Arbeitsplatz
nicht; auch sonstige Einschränkungen, die ihrer Tätigkeit dort entgegenstünden, seien
nicht gegeben. Die Tätigkeit an dieser Maschine werde auch heute noch abgewickelt.
Die Maschine befinde sich im Erdgeschoss im Bereich der ehemaligen
Edelstahlabteilung und werde von einem Mitarbeiter ausschließlich bedient. Diesem
Mitarbeiter seien keine weiteren Aufgaben übertragen. Der Sachvortrag der Beklagten
beziehe sich erkennbar nicht auf diese Maschine, sondern möglicherweise auf den
Bereich der Etikettierung, der durch den letzten Mitarbeiter innerhalb des U-Systems
vorgenommen werde. Dieser Arbeitnehmer klebe das an der Etikettiermaschine
hergestellte und an ihn weitergegebene Etikett auf den Karton. An der
Etikettiermaschine selbst finde lediglich das Bedrucken des leeren Aufklebers statt.
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Auch im Bereich der Vormontage könne sie, die Klägerin, eingesetzt werden. Falsch
sei, dass die Vormontage zum 30.06.2006 ersatzlos wegfalle. Im Bereich des Lagers sei
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sie ebenfalls unproblematisch und trotz körperlicher Einschränkungen einsetzbar.
Gleiches gelte für die Dreherei und die Montageabteilung, in der für sie geeignete
Arbeitsplätze vorhanden seien. Dies gelte allerdings nicht für die Blistermaschine.
Im Bereich der Kundenrücksendung seien ebenfalls geeignete Arbeitsplätze vorhanden,
bei denen üblicherweise keine Gewichtsbelastung von mehr als 5 kg gegeben seien.
Jedenfalls liege das Durchschnittsgewicht deutlich unterhalb der Belastungsgrenze von
15 kg. Die dort eingesetzten Mitarbeiter müssten auch nicht einen Gabelstapler fahren.
Die Gabelstaplerfahrer würden zentral eingesetzt und für die jeweiligen Transporte
angefordert. Zudem stünden elektrisch gesteuerte Hubwagen zur Verfügung. Die
Tätigkeiten an dieser Stelle würden gezielt schwerbehinderten Mitarbeitern zugewiesen.
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Auch im Bereich des Lagers sei sie unproblematisch und trotz körperlicher
Einschränkungen einsetzbar. Entgegen der Darstellung der Beklagten müssten dort
nicht regelmäßig Gewichte von über 15 kg bewegt werden. Insbesondere sei nicht
ersichtlich, aus welchen Gründen das Palettenlager als Einsatzbereich nicht geeignet
sei. Das Palettenlager sei ein vollautomatisches System, bei dem mittels Knopfdruck die
Transporteinrichtung angewiesen werde, von bestimmten Lagerpunkten Paletten
abzuholen und zum Bestimmungsort zu verbringen. Es gebe nur einen Arbeitsplatz im
Lager, an dem noch manuelle Tätigung erfolge. Sie, die Klägerin, könne die
allgemeinen Lagerarbeiten bewerkstelligen; dort seien Hilfsmittel vorhanden, durch die
Gewichtsbelastungen vermieden würden.
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In der Kernmacherei sei sie, die Klägerin, am sogenannten Kernplatz einsetzbar. Dort
würden die später in der Maschine eingesetzten Sandkerne vorbereitet und geputzt.
Dies sei ein mit weiblichen Mitarbeitern besetzter Arbeitsplatz und unproblematisch für
sie, die Klägerin, gesundheitlich geeignet.
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Soweit die Beklagte darauf verweise, ehemals am Band eingesetzte Mitarbeiter seien
jetzt in Produktionsgruppen im Leistungslohn beschäftigt, sei dies zwar zutreffend.
Allerdings gehe es nicht darum, dass sie, die Klägerin, im Leistungslohn generell nicht
eingesetzt werden könne, sondern darum, dass körperliche Einschränkungen gegeben
seien, die einen Einsatz "am Band" und zwar wegen der dort gegebenen besonderen
körperlichen Belastungen nicht möglich machten. Sie könne Tätigkeiten in einer
durchgängig vornüber gebeugten Haltung nicht ausüben und ebensowenig solche
Tätigkeiten, die ständige Rumpfbeugungen erforderlich machten. Soweit diese
Ausschlusskriterien berücksichtigt würden, sei sie einsetzbar und ohne Prognose
relevanter Ausfallzeiten in der Lage, geschuldete Arbeitsleistungen zu erbringen. Diese
Anforderungen erfüllten die von ihr als geeignet dargestellten Arbeitsplätze.
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Soweit die Beklagte vortrage, freie Arbeitsplätze seinen nicht vorhanden, treffe dies
nicht zu. Die Beklagte beschäftigte aktuell ca. 100 Leiharbeitnehmer. Insofern spreche
bereits die erste Vermutung dafür, dass in sämtlichen Bereichen freie Arbeitsplätze
vorhanden seien.
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Im Hinblick auf den von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag weise sie,
die Klägerin, darauf hin, dass sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe,
abweichende Darstellungen vorzunehmen, die nicht in ehrenrühriger Form vorgetragen
worden seien. Darüber hinaus habe sie lediglich vorgetragen, dass die Befundberichte
nicht etwa von einer generellen Leistungsunfähigkeit ausgingen, sondern nur für
bestimmte Einsätze. Dies sei von der Beklagten abweichend dargestellt worden. Hierbei
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handele es sich um völlig normale Vorgänge innerhalb einer gerichtlichen
Auseinandersetzung, die keinen Auflösungsantrag rechtfertigten.
Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die
Kündigung der Beklagten vom 05.01.2006 aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hilfsweise hat die Beklagte beantragt,
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das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2006 gegen Zahlung einer Abfindung nach den
§§ 9, 10 KSchG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber
16.575,00 Euro nicht übersteigen sollte, aufzulösen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Hilfsantrag abzuweisen.
33
Die Beklagte hat vorgetragen, ein Einsatz der Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz
an der Blistermaschine sei nach dem Gutachten der Arbeitsmediziner Dr. M3xx und
B5xxxxx nicht mehr möglich. Andere geeignete freie Arbeitsplätze seien nicht
vorhanden. Auch in den von der Klägerin genannten Bereichen der Galvanik,
Vormontage, Dreherei, Montageabteilung, Kundenrücksendung, Etikettenraum, Lager
und Kernmacherei seien keine freien Arbeitsplätze vorhanden, auf denen die Klägerin
eingesetzt werden könne. Darüber hinaus könne die Klägerin infolge technischer
Veränderungen an diesen Arbeitsplätzen heute die dortigen Tätigkeiten nicht mehr
auszuüben. Sie, die Beklagte, sei auch nicht in der Lage, durch Ausübung ihres
Direktionsrechts einen für die Klägerin geeigneten Arbeitsplatz durch Versetzung des
Arbeitsplatzinhabers frei zu machen.
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Soweit die Klägerin in der Galvanik eingesetzt werden wolle, seien dort Aufsteck- und
Absteckarbeiten in Wechselschicht und im Stehen zu verrichten, die durch einen
wiederkehrenden, gleichförmigen Bewegungsablauf geprägt seien und teilweise ein
Arbeiten in Kopfhöhe oder über Kopf erforderten. Diese Tätigkeiten könne die Klägerin
nicht ausüben.
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Auch ein Einsatz der Klägerin in der Vormontage sei nicht möglich. Dieser Bereich
werde zum 30.06.2006 ersatzlos und auf Dauer aufgelöst, so dass die dort zu
verrichtenden Tätigkeiten vollkommen entfielen.
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Auch in der Dreherei könne die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht eingesetzt
werden. Gleiches gelte für die Montageabteilung, in der in kleinen Gruppen bei einer
sehr großen Teilevielfalt gearbeitet werde. Zwei bis maximal drei Mitarbeiter arbeiteten
dort in einem U-System bei einer hohen Variantenzahl und hohem Akkord- und
Prämiendruck. Mit keiner der dort anfallenden Aufgaben könne die Klägerin aufgrund
ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschäftigt werden. Dies gelte auch für die
Kartuschenfertigung und die Arbeit an den Montagebändern. Die Bearbeitung der
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Werkstücke erfolge in Systemgruppen, bei denen jeder Mitarbeiter jede Tätigkeit
wahrnehmen müsse. Zudem zeichneten sich die in den Systemgruppen zu
verrichtenden Tätigkeiten durch schwierige gleichförmige Bewegungen aus und würden
in Akkordlohn erledigt. Hierzu sei die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage. Dies
gelte auch für die Fertigung von Thermoelementen.
Soweit die Klägerin geltend mache, sie könne die Arbeiten an der Etikettiermaschine
ausführen, verweise sie, die Beklagte, darauf, dass der Bereich Etikettenraum bereits
jetzt verkleinert worden sei und in Zukunft wegfalle. Die Etikettierung werde an der
Montageinsel als zusätzlicher Arbeitsgang vorgenommen. Einen eigenständigen
Arbeitsplatz an der Etikettiermaschine, an der die Klägerin weiterbeschäftigt werden
könne, gebe es nicht. Es sei unzutreffend, dass die Etikettiermaschine von einem
Mitarbeiter "ausschließlich" bedient werde, dem keine weiteren Aufgaben übertragen
worden seien. Vielmehr seien die Etikettiertätigkeiten Teile der Aufgaben, die an der
Montageinsel als zusätzlicher Arbeitsgang im Rahmen des Gruppenakkords
vorgenommen würden.
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Auch die Arbeiten im Bereich der Kundenrücksendung könne die Klägerin nicht
ausführen. Diese Tätigkeiten seien mit erheblichen körperlichen Anstrengungen sowie
zwangsläufig mit häufigen Neige- und Bückbewegungen verbunden, weil das Ein- und
Ausräumen von Paletten von Hand erfolgen müsse. Hierzu sei die Klägerin aus
gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage. Ebensowenig könne sie aus
gesundheitlichen Gründen Rücksendungen mit einem Gewicht von über 15 kg heben.
Zudem werde in diesem Bereich ein Gabelstaplerschein benötigt, den die Klägerin nicht
habe.
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Schließlich komme ein Einsatz der Klägerin in der Kernmacherei aus gesundheitlichen
Gründen nicht in Betracht.
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Hilfsweise beantrage sie, die Beklagte, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen
Zahlung einer Abfindung. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei nicht zumutbar.
Dies ergebe sich aus dem Verhalten der Klägerin während des
Kündigungsschutzprozesses. Die Klägerin habe sie, die Beklagte, im Schriftsatz vom
05.05.2006 in ehrverletzender Weise beleidigt, indem sie wiederholt zum Vorwurf des
Prozessbetruges gegriffen habe. So habe die Klägerin auf Seite 1 des Schriftsatzes vom
05.05.2006 vorgetragen:
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"Die Ausführungen [der Beklagten] sind in tatsächlicher Hinsicht falsch, insbesondere
unvollständig vorgenommen und unterdrücken bewusst tatsächliche Gegebenheiten
und betriebliche Besonderheiten."
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Auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 05.05.2006 habe die Klägerin vorgetragen:
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"Diese Feststellung ist bereits deshalb geboten, weil schon die Darstellung der
Beklagten zu Arbeitsunfähigkeitszeiten fehlerhaft ist. Dies geschieht klar wider besseres
Wissen."
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Schließlich habe die Klägerin auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 05.05.2006
vorgetragen:
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"Im Übrigen werden die Inhalte [der gutachterlichen Bewertung] verkürzt und damit
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sinnentstellend wiedergegeben."
Die Klägerin müsse sich diese beleidigenden Äußerungen ihres
Prozessbevollmächtigten als eigene zurechnen lassen. Darüber hinaus habe die
Klägerin auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 31.07.2006 wörtlich vorgetragen:
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"Die Beklagte wird sich also schon darauf hinweisen lassen dürfen, dass sie mit
nachvollziehbaren Schritten arbeitet und nicht mit Unterstellungen, wie es leider auch
mit der jetzigen schriftlichen Darstellung geschieht."
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Der Auflösungsantrag werde auch darauf gestützt, dass die Klägerin im Rahmen dieses
Verfahrens von Anfang an bewusst wahrheitswidrig ihre Arbeitsfähigkeit behauptet
habe, um sodann durch außergerichtliches Schreiben vom 18.05.2006 einräumen zu
müssen, dass sie tatsächlich seit dem Jahre 2003 arbeitsunfähig krank sei. Ein
derartiges Verhalten sei nicht zumutbar und habe das zur Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unerlässliche Vertrauen in ihre persönliche Integrität unwiderruflich
zerstört. Eine etwaig zu zahlende Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG müsse sich im
untersten Rahmen bewegen und dürfe den Betrag von 16.575,00 € nicht überschreiten.
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Durch Urteil vom 12.09.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom
05.01.2006 aufgelöst worden ist; den Hilfsantrag der Beklagten auf Auflösung des
Arbeitsverhältnisses hat es abgewiesen. Gegen diese Entscheidung die der Beklagten
am 25.09.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am
09.10.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und – nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.12.2006 – am 23.12.2006 begründet worden ist.
50
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Kündigung der Klägerin vom 05.01.2006
sei als rechtswirksam anzusehen. Die Klägerin, die zuletzt in der Montageabteilung an
der Blistermaschine eingesetzt gewesen sei, sei bereits in der Vergangenheit häufig
arbeitsunfähig krank gewesen. Seit dem 23.02.2002 sei die Klägerin fortdauernd
arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund dessen sei sie, die Beklagte, in ganz erheblichen
Masse mit Entgeltfortzahlungskosten belastet worden. Ausweislich des
sozialmedizinischen Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
W2xxxxxxx-L2xxx habe der untersuchende Arzt Dr. M3xx festgestellt, dass die Klägerin
auf Dauer arbeitsunfähig sei und auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr weiter
beschäftigt werden könne. Ein Einsatz auf anderen Arbeitsplätzen sei nur beschränkt
möglich. Eine zweite Untersuchung durch das Zentrum für Arbeitsmedizin und
Arbeitssicherheit I2xxxxxx e. V. habe zu demselben Ergebnis geführt.
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Aufgrund der diagnostizierten dauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin an ihrem
bisherigen Arbeitsplatz an der Blistermaschine habe sie, die Beklagte, vor Ausspruch
der Kündigung versucht, einen freien Arbeitsplatz für die Klägerin zu finden, auf dem sie
unter Berücksichtigung ihrer dauernden gesundheitlichen Einschränkungen eingesetzt
werden könne. Diese Bemühungen seien erfolglos geblieben. In ihrem Unternehmen
gebe es keinen freien oder im Wege einer Umsetzung frei werdenden Arbeitsplatz, auf
dem die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer dauernden gesundheitlichen
Beeinträchtigungen eingesetzt werden könne. Die Klägerin könne auch nicht auf den
Arbeitplätzen der Leiharbeitnehmer, die nur temporär eingesetzt würden und seit Ende
des Jahres 2006 nicht mehr im Unternehmen vorhanden seien, eingesetzt werden.
52
Im Bereich der Kundenrücksendung könne die Klägerin nicht beschäftigt werden. Weder
zum damaligen noch zum heutigen Zeitpunkt seien dort freie Arbeitsplätze vorhanden.
Ein Arbeitsplatz für die Klägerin könne auch nicht durch Ausübung des Direktionsrechts
frei gemacht werden. Dies sei bereits deshalb nicht möglich, weil die dort eingesetzten
Mitarbeiter über eine gesonderte Qualifikation für diesen Bereich verfügten, auf die sie,
die Beklagte, angewiesen sei. Zudem sei eine Umsetzung der dort tätigen Mitarbeiter
auch aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar. Unabhängig davon sei die Klägerin
aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen sowie des Fehlens eines
Gabelstaplerscheins nicht in der Lage, auf einem Arbeitsplatz im Bereich
Kundenrücksendung zu arbeiten.
53
Auch ein Einsatz der Klägerin im Lager sei ausgeschlossen. Dort seien weder zum
damaligen noch zum heutigen Zeitpunkt freie Arbeitsplätze vorhanden. Ein Arbeitsplatz
für die Klägerin könne auch nicht durch Ausübung des Direktionsrechts frei gemacht
werden. Im Lager könne die Klägerin schon deshalb nicht eingesetzt werden, weil sie
nicht über einen Gabelstaplerschein verfüge. Die Klägerin könne aber auch aus
gesundheitlichen Gründen nicht im Lager eingesetzt werden. Gleiches gelte für die
Arbeitsplätze in der Kernmacherei und der Dreherei.
54
Auch ein Einsatz der Klägerin in der Montageabteilung scheide aufgrund der bei ihr
vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus. Freie Arbeitsplätze seien dort
weder zum damaligen noch zum heutigen Zeitpunkt vorhanden. Ein Arbeitsplatz könne
auch nicht durch Ausübung des Direktionsrechts frei gemacht werden. Sie, die Beklagte,
setze in diesem Bereich auch nicht ca. 100 Leiharbeitnehmer ein, wie die Klägerin
behaupte. Zutreffend sei vielmehr, dass Leasingpersonal nur eingesetzt werde, wenn
Auftragsspitzen kurzfristig abgearbeitet werden müssten oder hoher Personalausfall
(Urlaub, Krankheit) gegeben sei. Letztlich komme es hierauf jedoch nicht an. Denn die
Klägerin sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage, auf
einem Arbeitsplatz in der Montageabteilung zu arbeiten. Insbesondere könne die
Klägerin nicht bei der Produktion der Armaturen beschäftigt werden. Gleiches gelte für
die Tätigkeiten im Bereich der Kartuschenherstellung oder an den Montagebändern/-
einheiten. Auch bei der Montage der Thermoelemente könne die Klägerin aus
gesundheitlichen Gründen nicht eingesetzt werden.
55
Die Klägerin könne auch nicht im Bereich der Montage im "Etikettenraum" an der
Etikettiermaschine beschäftigt werden. Die Etikettiertätigkeiten seien Teil der Aufgaben,
die an der Montageinsel als zusätzlicher Arbeitsgang im Rahmen des Gruppenakkords
vorgenommen würden. Es gebe keinen eigenständigen Arbeitsplatz "Etikettierung", auf
dem die Klägerin beschäftigt werden könne. Aus gesundheitlichen Gründen sei die
Klägerin nicht in der Lage, die an der Montageinsel anfallenden und im Akkord
verrichteten Arbeiten, zu denen auch das Etikettieren gehöre, zu verrichten.
56
Ein Einsatz der Klägerin scheide wegen der vorhandenen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen auch im Bereich der Galvanik und in der Vormontage aus. Darüber
hinaus sei der Bereich der Vormontage bereits zum 30.06.2006 aufgelöst worden;
sämtliche der dort vorhandenen Arbeitsplätze seien ersatzlos und auf Dauer
weggefallen.
57
Hilfsweise beantrage sie, die Beklagte, weiterhin die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Die Klägerin habe bewusst über
ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit getäuscht. Darüber hinaus habe die Klägerin
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sie, die Beklagte, in fortgesetzter Weise beleidigt und ihr versuchten Prozessbetrug
vorgeworfen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 12.09.2006 – 5 Ca 157/06 –
abzuändern und die Klage abzuweisen,
60
hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in
das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 16.575,00 € nicht übersteigen
sollte, aufzulösen.
61
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
63
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, die Beklagte beabsichtige, ihr, der
Klägerin eine weitere Kündigung auszusprechen. Im Zuge der Einigungsverhandlungen
vor dem Integrationsamt habe am 26.02.2007 eine Betriebsbegehung bei der Beklagten
stattgefunden. Hierbei habe sich gezeigt, dass bisherige Darstellungen der Beklagten
zur Entwicklung einzelner Arbeitsplätze nicht zutreffend seien und tatsächliche
Einsatzmöglichkeiten an verschiedenen Arbeitsplätzen für sie, die Klägerin, gegeben
seien. Gleichzeitig sei deutlich geworden, dass die Beklagte entgegen ihrer
Darstellungsversuche bis zum heutigen Tage kein ernsthaftes
Eingliederungsmanagement nach §§ 81 ff. SGB IX versucht habe. Sie habe gerade
nicht die einzelnen Arbeitsplätze auf ihre konkrete Eignung hin untersucht und keinerlei
technische Hilfe des Landschaftsverbandes in Anspruch genommen. Dies sei
insbesondere unter Berücksichtigung der Begehung vom 26.02.2007 deutlich
geworden. Sie, die Klägerin, habe bei dieser Gelegenheit nochmals Arbeitsplätze
benannt, für die sie unter Berücksichtigung ihrer Leistungseinschränkungen einsatzfähig
sei. Die Betriebsbegehung habe gezeigt, dass diese Arbeitsplätze vorhanden seien und
gleichzeitig bestätigt, dass Behauptungen der Beklagten im Rahmen der gerichtlichen
Auseinandersetzung hierzu fehlerhaft gewesen seien. Falsch sei weiterhin die
Behauptung der Beklagten, dass Leiharbeitnehmer seit Ende des Jahres 2006 nicht
mehr im Unternehmen vorhanden seien. Die Beklagte beschäftige auch weiterhin und
auch im Zeitpunkt des Termins vom 26.02.2007 Leiharbeitnehmer. Es sei
Angelegenheit der Beklagten, konkret darzulegen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruches
der streitgegenständlichen Kündigung vor diesem Hintergrund tatsächlich keine
Einsatzmöglichkeiten bestanden hätten. Dazu fehlten bislang Ausführungen.
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An den von ihr benannten und weiterhin vorhanden Plätzen sei sie, die Klägerin,
einsetzbar. Dies gelte zunächst für den Bereich der Kundenrücksendung; dort sei sie,
auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen unproblematisch
einsetzbar. Gleiches gelte für die Montageabteilung, und zwar insbesondere für den
Bereich der Kartuschenherstellung und der Fertigung der Thermoelemente. Zumindest
am Thermoelementband in der Vormontage sei sie, die Klägerin, unproblematisch
einsetzbar.
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Soweit der Arbeitsplatz im Etikettenraum in Frage stehe, habe die Begehung vom
26.02.2007 gezeigt, dass der Vortrag der Beklagten insoweit falsch sei. Entgegen der
bisherigen Behauptungen der Beklagten handele es sich insoweit sehr wohl um einen
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eigenständigen Arbeitsplatz. An der Etikettiermaschine, die sich innerhalb des bei der
Beklagten so bezeichneten "Aquariums" befinde, liege zum einen keine Integration in
das sogenannte U-System vor, zum anderen sei dort lediglich eine Mitarbeiterin, Frau
M4xxx B6xxxxxx, allein eingesetzt und in Vollzeit beschäftigt. Frau B6xxxxxx bediene
die Etikettiermaschine, indem sie Etikettenbänder auflege und unter Verwendung einer
PC-Tastatur die jeweiligen Druckinhalte eingebe, die dann über die Maschine
vollautomatisch auf die Etiketten gedruckt und ausgegeben würden. Daneben sei sie
noch dafür zuständig, aus der Umgebung stammende Reinigungstücher zu sammeln,
bei Gelegenheit zu waschen und wieder auszugeben. Diese Tätigkeiten könne sie, die
Klägerin, völlig unproblematisch ausüben. Warum sie dort nicht eingesetzt und warum
Umsetzungsmöglichkeiten diesbezüglich nicht gegeben gewesen seien, habe sich auch
am 26.02.2007 nicht klären lassen. Frau B6xxxxxx sei ihres Wissens seit Ende
2005/Anfang 2006 an der Etikettiermaschine tätig.
Auch im Bereich der Galvanik seien Einsatzmöglichkeiten an der sogenannten
Kupferrohstauchmaschine gegeben. Die dort anfallenden Tätigkeiten könnten von ihr,
der Klägerin, auf jeden Fall ausgeführt werden. Die vor Ort von der Beklagten
abgegebene Begründung dafür, dass ein Einsatz dort nicht möglich sei, habe darin
bestanden, dass dort eine Mitarbeiterin eingesetzt sei, die im Jahre 2006 aus dem
Mutterschutz zurückgekehrt sei.
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Schließlich seien im Bereich der Vormontage Einsatzmöglichkeiten für sie, die Klägerin,
gegeben. Entgegen der Behauptung der Beklagten seien die für sie in Frage
kommenden Arbeitsplätze im Zeitpunkt der Betriebsbegehung vom 26.02.2007 immer
noch vorhanden gewesen; dort seien 16 Mitarbeiter mit relativ einfachen Arbeiten
betraut gewesen. Zeit- oder Akkorddruck sei nicht wahrnehmbar gewesen. Dort sei sie,
die Klägerin, unproblematisch trotz ihrer Leistungseinschränkungen einsetzbar.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch kein Auflösungsgrund gegeben. Sie,
die Klägerin, habe zu keinem Zeitpunkt negiert oder auch nur beschönigt, dass
Leistungseinschränkungen und körperliche Beeinträchtigungen bei ihr vorgelegen
hätten. Sie habe aber stets deutlich gemacht, dass alle bislang vorliegenden ärztlichen
Stellungnahmen nicht davon sprächen, dass bei ihr keinerlei Leistungsvermögen
gegeben sei. Neben der isolierten Betrachtung der zuletzt ausgeübten Beschäftigung
müsse auch geprüft werden, ob der Arbeitnehmer auf andere zumutbare Tätigkeiten
verwiesen werden könne. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liege bei einem
fortbestehenden Arbeitsverhältnis dann nicht mehr vor, wenn der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer eine anderen Tätigkeit anbiete, die er nach seinen gesundheitlichen
Verhältnissen verrichten und auf die er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zulässig
versetzt werden könne. Sie, die Klägerin, habe nie etwas anderes behauptet, als dass
Einschränkungen vorliegen, aber positive Leistungsbilder gemäß den ärztlichen
Bescheinigungen gegeben seien. Damals habe die Tätigkeit an der Blistermaschine zur
Debatte gestanden, an der sie, die Klägerin, zuletzt tätig gewesen sei. Diese Tätigkeit
habe der von der Beklagten eingeschaltete Arzt B5xxxxx für nicht durchführbar gehalten.
Eine generell fehlende Einsetzbarkeit, wie sie die Beklagte sehe, sei jedoch nicht
gegeben. Insofern sei sie, die Klägerin, auch nicht arbeitsunfähig gewesen. Die
Bewertung der Beklagten sei falsch, wenn sie meine, sie, die Klägerin, geben ihren
Leistungsstand bewusst wahrheitswidrig an.
69
Sie, die Klägerin, habe auch zu keinem Zeitpunkt ehrverletzende Äußerungen
beabsichtigt oder vorgenommen. Es seien lediglich Fehler in der Darstellung der
70
Beklagten aufgezeigt und auch erstinstanzlich durchgängig angesprochen worden. Dies
sei in Wahrnehmung ihrer ureigenen Interessen geschehen, nachdem gesundheitliche
Einschränkungen dargelegt und fehlende Arbeitmöglichkeiten behauptet worden seien,
die mit den örtlichen und persönlichen Verhältnissen nicht hätten in Übereinstimmung
gebracht werden können.
Auf das Vorbringen der Klägerin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.04.2007
erwidert und insbesondere zur Betriebsbegehung vom 26.02.2007 unter Vorlage eines
Vermerks der Zeugin L1xxxx vom Landschaftsverband W2xxxxxxx-L2xxx –
Integrationsamt – (Bl. 488 ff d. A.) vorgetragen, der Arbeitsplatz im Bereich des
Etikettenraums sei mit der Mitarbeiterin Frau M4xxx B6xxxxxx besetzt. Dieser
Arbeitsplatz könne der Klägerin daher nicht zugewiesen werden. Es bestehe keine
Versetzungsmöglichkeit für die zur Zeit dort beschäftigte Mitarbeiterin, da keine freien
Arbeitsplätze vorhanden seien. Sie, die Beklagte, habe bereits in ihrer
Berufungsbegründung dargelegt, dass der Arbeitsplatz im Etikettenraum in Zukunft
entfallen werde. Die Etikettiermaschine werde bereits ab der Kalenderwoche 16. im
Jahre 2007 vom Reparaturplatz mitbetreut und ca. spätestens Ende 2007 in die
einzelnen Bereiche integriert. Auch diesbezüglich sei kein freier voller Arbeitsplatz mehr
vorhanden, der sich ausschließlich mit den Tätigkeiten an der Etikettiermaschine
befasse.
71
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
72
Entscheidungsgründe
73
I.
74
Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden.
75
II.
76
Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der
Kündigungsschutzklage zurecht stattgegeben und den hilfsweise gestellten
Auflösungsantrag der Beklagte zurückgewiesen.
77
1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die Kündigung der Beklagen vom
05.01.2006 nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG ist, das streitlos auf
das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Dies hat die Klägerin rechtzeitig im Sinne
des Kündigungsschutzgesetzes gerichtlich geltend gemacht.
78
79
a) Bei einer Kündigung, die – wie vorliegend – wegen einer langanhaltenden Krankheit
erfolgt, ist die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung – wie in den sonstigen Fällen
der Kündigung wegen Erkrankung auch – in drei Stufen vorzunehmen. Danach ist
80
zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen
Gesundheitszustandes erforderlich (1. Stufe). Sodann müssen die zu erwartenden
Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (2. Stufe). Schließlich ist eine
Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, ob die erhebliche
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer billigerweise nicht mehr
hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führt (3. Stufe). Bei einer Kündigung aus
Anlasse einer Langzeiterkrankung sind die Voraussetzungen der 1. Stufe dann
gegeben, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt dauernd unfähig ist, die vertraglich
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG, Urteil vom 28.02.1990 – 2 AZR
401/89, NZA 1990, 727). Ist ein Arbeitnehmer bereits länger arbeitsunfähig krank und ist
im Zeitpunkt der Kündigung die Herstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss,
so kann diese Ungewissheit als eine feststehende dauernde Arbeitsunfähigkeit gewertet
werden (so BAG, Urteil vom 21.05.1992, 2 AZR 999/91, SAE 1994, 1 ff.). Die
Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer
krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den
nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (vgl.
BAG, Urteil vom 29.04.1999 – 2 AZR 431/98, NZA 1999, 978).
Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit und einer dieser
Leistungsunfähigkeit gleich stehenden Ungewissheit der Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung
der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG, Urteil vom 29.04.1999 – 2 AZR 431/98,
NZA 1999, 978 mwN). Unter diesen Voraussetzungen kann die Interessenabwägung
nur in extremen Ausnahmefällen zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen (BAG, Urteil
vom 30.01.1986 – 2 AZR 668/84, NZA 1987, 555, 557).
81
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtssprechung des Bundesarbeitsgericht, der die
erkennende Kammer sich anschließt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
Kündigung der Beklagten vom 05.01.2006 sozial gerechtfertigt ist.
82
aa) Zwar kann die Klägerin ausweislich des sozialmedizinischen Gutachtens des
medizinischen Dienstes der Krankenversicherung W2xxxxxxx-L2xxx vom 09.01.2003
sowie der medizinischen Beurteilung des Zentrums für Arbeitsmedizin und
Arbeitssicherheit I2xxxxxx e. V. vom 06.05.2003 an ihrem damaligen Arbeitsplatz an der
Blistermaschine aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter eingesetzt werden. Sie ist
damit für die Tätigkeit an der Blistermaschine dauerhaft arbeitsunfähig. Dies zieht auch
die Klägerin selbst nicht in Zweifel. Die dauerhafte Unfähigkeit, die geschuldete
Tätigkeit an der Blistermaschine auszuführen, kann als personenbedingter
Kündigungsgrund grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen.
83
bb) Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b KSchG ist eine Kündigung allerdings auch dann
sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiter
beschäftigt werden kann.
84
(1) Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten
Arbeitsplatz schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch ohne
Widerspruch des Betriebsrats eine krankheitsbedingte Kündigung aus (vgl. BAG, Urteil
vom 22.09.2005 – 2 AZR 519/94, NZA 2006, 486 mwN). Eine bestehende
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem andern Arbeitsplatz geht auch dann einer
Beendigungskündigung vor, wenn sie nur zu geänderten Arbeitsbedingungen erfolgen
85
kann (so BAG, Urteil vom 22.09.2005 a.a.O.).
Zudem ist die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen im Sinne des SGB IX
gleichgestellt. Nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen
gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten
und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln können. Der Arbeitgeber
erfüllt diesen Anspruch regelmäßig dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im
Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die
damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so
führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81 ff. SGB IX nicht ohne weiteres zum
Wegfall des Beschäftigungsanspruchs. Der Arbeitnehmer kann Anspruch auf einen
anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese
Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung.
Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber nach
§ 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation
verpflichtet. So kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer verlangen, dass er nur mit
leichteren Arbeiten beschäftigt wird, sofern im Betrieb die Möglichkeit zu einer solchen
Aufgabenumverteilung besteht. Nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SGB IX haben
schwerbehinderte Menschen zudem Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit
den erforderlichen technischen Arbeitshilfen (vgl. BAG, Urteil vom 14.03.2006 – 9 AZR
411/05, NJW 2006, 3740 f. mwN).
86
(2) Angesichts dessen war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu Vermeidung der
Beendigungskündigung vom 05.01.2006 den Arbeitsplatz an der Etikettiermaschine
zuzuweisen.
87
(a) Ausweislich der Beurteilung von Herrn Dr. M3xx im sozialmedizinischen Gutachten
vom 09.01.2003 ist bei der Klägerin unter den derzeitig vorliegenden Befunden eine
leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeit ohne häufiges Heben und
Tragen von Lasten über 15 kg, ohne häufiges Bücken und ohne die Durchführung
gleichförmiger Bewegungen vorstellbar. Nach dem Sachvortrag der Klägerin, sind diese
Anforderungen bei den Tätigkeiten, die an der Etikettiermaschine anfallen, gegeben. Sie
hat vorgetragen, an der Etikettiermaschine, die sich innerhalb des Bereichs des
sogenannten "Aquariums" befinde, liege zum einen keine Integration in das sogenannte
88
U-System vor; zum anderen sei dort eine Mitarbeiterin allein und in Vollzeit beschäftigt,
welche die Etikettiermaschine bediene, indem sie Etikettenbänder auflege und unter
Verwendung einer PC-Tastatur die jeweiligen Druckinhalte eingebe. Die Maschine
bedrucke dann vollautomatisch die Etiketten und gebe sie aus. Daneben sei diese
Arbeitskraft nur noch dafür zuständig, aus der Umgebung stammende Reinigungstücher
zu sammeln, bei Gelegenheit zu waschen und wieder auszugeben. Nachdem die
Beklagte zunächst bestritten hatte, dass es einen eigenständigen Arbeitsplatz an der
Etikettiermaschine gibt und weiter geltend gemacht hatte, der Bereich Etikettenraum sei
bereits verkleinert worden und falle in Zukunft weg, hat sie mit Schriftsatz vom
12.04.2007 unter Vorlage eines Vermerks über die Einigungsverhandlung vom
26.02.2007 eingeräumt, dass der von der Klägerin benannte Arbeitsplatz im Bereich des
Etikettenraums tatsächlich existiert, dieser aber durch die Mitarbeiterin Frau B6xxxxxx
besetzt ist. Wenn die Zeugin L1xxxx vom Landschaftsverband W2xxxxxxx-L2xxx -
Integrationsamt in dem von der Beklagten vorgelegten Vermerk vom 26.02.2007
ausführt, bei der Betriebsbegehung habe sich herausgestellt, dass bei dem von der
Klägerin als leidengerecht bezeichneten Arbeitsplatz an der Etikettiermaschine neben
89
den Etikettierarbeiten lediglich als weitere Tätigkeit das Auswaschen der gebrauchten
Waschlappen zu erledigen sei, so kann hieraus nur geschlossen werden, dass dieser
Arbeitsplatz, auf den die Klägerin sich bereits im Vorfeld der streitbefangenen
Kündigung als leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bezogen hat, sowohl
im Zeitpunkt der Kündigung vom 05.01.2006 als auch zur Zeit der weiteren
Betriebsbegehung am 26.02.2007 tatsächlich vorhanden war. Ausweislich der
Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 12.04.2007 will die Beklagte dies offensichtlich
auch nicht mehr in Frage stellen, sondern lediglich geltend machen, dieser Arbeitsplatz
werde in Zukunft entfallen.
Damit war im Zeitpunkt der Kündigung vom 05.01.2006 und auch noch im Zeitpunkt der
Betriebsbegehung am 26.02.2007 im Betrieb der Beklagten ein Arbeitsplatz vorhanden,
auf dem die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen
behindertengerecht eingesetzt werden könnte. Dem Sachvortrag der Klägerin
hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung für diesen Arbeitsplatz ist die Beklagte nicht
sustanziiert entgegengetreten. Im Übrigen entspricht diese Einschätzung offensichtlich
auch der Auffassung der Vertreterin des Landschaftsverbandes W2xxxxxxx-L2xxx –
Integrationsamt. Neben den Etikettierarbeiten, die unter Berücksichtigung der
Darlegungen der Klägerin als leichte Tätigkeit im Sinne des im sozialmedizinischen
Gutachtens vom 09.01.2003 festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin anzusehen
sind, bei der auch keine Lasten von über 15 kg gehoben bzw. getragen werden müssen
und die auch nicht mit häufigem Bücken und gleichförmigen Bewegungen verbunden
sind, fällt dort als weitere Arbeit lediglich das Auswaschen der gebrauchten
Waschlappen an, bei der es sich nach den Ausführungen im Vermerk über die
Betriebsbegehung vom 26.02.2007 unstrittig um leichte Tätigkeiten handelt.
90
(b) Die erkennende Kammer ist weiter davon ausgegangen, dass der Arbeitsplatz an der
Etikettiermaschine, der nach alledem als leidensgerecht bzw. behinderungsgerecht
anzusehen ist, im Zeitpunkt der Kündigung vom 05.01.2006 frei war. Die Beklagte hat im
Termin vom 26.04.2007 eingeräumt, dass dieser Arbeitsplatz, der zunächst mit einem
anderen Beschäftigten besetzt war, nach Freiwerden durch die jetzige
Arbeitsplatzinhaberin Frau B6xxxxxx besetzt worden ist. Die Klägerin hat hierzu erklärt,
die Mitarbeiterin B6xxxxxx sei ihres Wissens nach seit Ende 2005 / Anfang 2006 an der
Etikettiermaschine tätig. Dies hat die Beklagte nicht bestritten. Ist die Mitarbeiterin
B6xxxxxx erst Ende 2005 /Anfang 2006 an die Etikettiermaschine versetzt worden, so
war dieser Arbeitsplatz zu diesem Zeitpunkt offensichtlich unbesetzt und damit frei. Er
hätte damit der Klägerin zur Vermeidung der streitgegenständlichen Kündigung vom
05.01.2006 zugewiesen werden können. Konnte die Klägerin demnach auf dem im
Zeitpunkt der Kündigung vom 05.01.2006 freien und leidensgerechten Arbeitsplatz an
der Etikettiermaschine unter Berücksichtigung ihrer Restleistungsfähigkeit weiter
beschäftigt werden, so ist die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit als sozial ungerechtfertigt anzusehen.
91
II.
92
Ist die Kündigung der Beklagten vom 05.01.2006 danach sozial ungerechtfertigt, so ist
auch über den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten zu entscheiden,
den das Arbeitsgericht aus zutreffenden Erwägungen zurückgewiesen hat. Die
erkennende Kammer folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und
sieht gemäß § 69 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das
zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten rechtfertigt keine Abänderung der
93
arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden
Bemerkungen:
1. Entgegen der Darstellung der Beklagten hat die Klägerin nicht bewusst über ihre
krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit getäuscht. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass
sie die an ihrem letzten Arbeitsplatz an der Blistermaschine anfallenden Tätigkeiten aus
gesundheitlichen Gründen nicht weiter ausüben kann und damit im Hinblick auf diesen
Arbeitplatz arbeitsunfähig ist. Sie hat allerdings unter Hinweis auf das von Dr. M3xx im
sozialmedizinischen Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
W2xxxxxxx-L2xxx vom 09.01.2003 festgestellte Restleistungsvermögen geltend
gemacht, die Beklagte verfüge über zahlreiche Arbeitplätze, an denen sie
leidensgerecht bzw. behinderungsgerecht eingesetzt werden könnte. Wenn die Klägerin
vorträgt, sie sei mit Wirkung ab 08.02.2004 arbeitsfähig gewesen und habe ab diesem
Zeitpunkt sowohl der Arbeitsvermittlung als auch der Beklagten arbeitsfähig zur
Verfügung gestanden, so diese denn die Leistung auch tatsächlich abgefordert hätte, so
ergibt sich aus dem Zusammenhang dieses Sachvortrags, dass die Klägerin von einer
Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf Alternativarbeitsplätze entsprechend der
Arbeitsplatzwechselempfehlung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
vom 09.01.2003 ausging. Hierin kann keine bewusste Täuschung der Klägerin über ihre
krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gesehen werden.
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2. Auch ehrverletzende Äußerungen konnte die erkennende Kammer in
Übereinstimmung mit der Einschätzung des Arbeitsgerichts im Sachvortrag der Klägerin
nicht erkennen. Zwar hat die Klägerin den Rechtsstreit durchaus mit einer gewissen
Vehemenz und Schärfe geführt und ist den Ausführungen der Beklagten engagiert
entgegengetreten. Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist dieses Verhalten aber
nicht über das Maß hinaus gegangen, das ein gekündigter Arbeitnehmer in
Wahrnehmung berechtigter Interessen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses
ausschöpfen darf. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin als einem
Schwerbehinderten gleichgestellter Mensch sich gegen die Beendigung eines seit ca.
17 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzt. Angesichts der drohenden
Arbeitslosigkeit und der Problematik, unter Berücksichtigung ihrer Behinderungen
gegebenenfalls einen neuen Arbeitsplatz suchen zu müssen, ist das prozessuale
Verhalten der Klägerin nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht geeignet, die
Unzumutbarkeit der Beschäftigung im Sinne des § 9 KSchG zu begründen.
95
III.
96
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
97
Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
98
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
99
Dr. Wendling
Reese
Göcmen
100
/Hei.
101